Urteil des BVerwG vom 18.09.2007

Ortszuschlag, Familie, Ehepartner, Staat

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 2 B 27.07
OVG 21 A 4945/04
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. September 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kugele und Groepper
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:
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Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Dezember
2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1 263 € festge-
setzt.
G r ü n d e :
Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung i.S.d. § 132
Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung des vollen Familien-
zuschlags der Stufe 1 vom 1. Dezember 1998 bis zum 31. August 1999 und ab
dem 1. Januar 2002. Er macht geltend, seine Ehefrau erhalte auf der Grundlage
des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) den Ortszuschlag der Stufe 2 der
Tarifklasse II, dessen Höhe um 1,65 € unter der Hälfte des Höchstbetrages der
Stufe 1 des Familienzuschlags nach dem Bundesbesoldungsgesetz liege. Das
Berufungsgericht hat die Kürzung des Familienzuschlags der Stufe 1 nach § 40
Abs. 4 Satz 1 BBesG bestätigt: Der Ehefrau des Klägers stünde der Orts-
zuschlag der Stufe 2 gemäß § 29 BAT zu. Dieser Ortszuschlag sei i.S.d. § 40
Abs. 4 Satz 1 BBesG Familienzuschlag. Die Mindestgrenze in § 40 Abs. 4
Satz 1 letzter Halbsatz BBesG gelte nicht für den Familienzuschlag der Stufe 1
sowie einer der folgenden Stufen, sondern nur für entsprechende Leistungen.
2. Keine der geltend gemachten Grundsatzrügen ist begründet. Denn grund-
sätzliche Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur
dann, wenn sie grundsätzliche, bisher höchstrichterlich noch nicht geklärte
Rechtsfragen aufwirft, deren im künftigen Revisionsverfahren zu erwartende
Entscheidung der Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer
bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts zu dienen geeignet ist (Beschluss
vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; stRspr).
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a) Die Beschwerde scheitert nicht schon daran, dass die aufgeworfenen
Rechtsfragen ausgelaufenes Recht betreffen. Denn die Regelungen des Bun-
desangestelltentarifvertrags wurden nicht gekündigt, sondern durch den inzwi-
schen gültigen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) nur für die Berei-
che abgelöst, die im Tarifvertrag zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ) ge-
regelt sind. Die Regelung des § 29 BAT über die Gewährung eines Ortzu-
schlags wird weiter angewandt.
b) Die Frage, ob es sich bei dem gemäß § 29 BAT gewährten Ortszuschlag um
einen „Familienzuschlag“ gemäß § 40 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 BBesG oder um eine
„entsprechende Leistung“ im Sinne dieser Norm handelt, hat der beschließende
Senat im Urteil vom 1. September 2005 - BVerwG 2 C 24.04 - (Buchholz 240
§ 40 BBesG Nr. 33 S. 12 <14>) bereits entschieden. Danach „entspricht“ der
den Angestellten des öffentlichen Dienstes gezahlte Ortszuschlag gemäß § 29
BAT nach Leistungszweck, Leistungsvoraussetzungen und Leistungsmodalitä-
ten dem Familienzuschlag gemäß §§ 39, 40 BBesG. Dies folgt für sämtliche
nach diesen Bestimmungen zu gewährenden familienbezogenen Leistungen
daraus, dass sie - wie der tarifrechtliche Ortszuschlag - dasselbe sozialpoliti-
sche Ziel verfolgen, nämlich einen Ausgleich für familienbezogene finanzielle
Belastungen zu schaffen. Zwar hatte der Senat in dem zitierten Urteil vom
1. September 2005 über finanzielle Belastungen zu befinden, die aus der Er-
ziehung und Betreuung von Kindern herrührten, und nicht über den Familienzu-
schlag der Stufe 1, doch handelt es sich bei beiden familienbezogenen Ge-
haltsbestandteilen um vergleichbare Leistungen. Der Familienzuschlag der Stu-
fe 1 knüpft ausdrücklich an den Familienstand an und besitzt - ebenso wie der
Familienzuschlag der Stufe 2 - in erster Linie eine soziale, nämlich familienbe-
zogene Ausgleichsfunktion (vgl. dazu Urteile vom 15. November 2001
- BVerwG 2 C 69.00 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 29 und vom 29. Septem-
ber 2005 - BVerwG 2 C 44.04 - BVerwGE 124, 227 <229> m.w.N.).
c) Die Frage, ob sich die in § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG formulierte Bedingung „in
Höhe von mindestens der Hälfte des Höchstbetrages der Stufe 1 des Familien-
zuschlags“ auf alle drei Tatbestandsmerkmale dieser Norm bezieht oder ob sie
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ausschließlich die 3. Alternative „entsprechende Leistung“ betrifft, müsste in ei-
nem Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Da der Ortszuschlag i.S.d. § 29
BAT nach dem bereits erwähnten Senatsurteil vom 1. September 2005 eine
Leistung im Sinne der dritten Alternative ist, müsste nicht entschieden werden,
ob auch die anderen beiden Alternativen an die Mindestbetragsregelung ge-
knüpft sind.
d) Die Frage, ob die Kürzungsregelung des § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG auch
dann eingreift, wenn der Ehegattenanteil, wie im Fall des Klägers, geringfügig
weniger als die Hälfte des Höchstbetrages eines Familienzuschlages der Stu-
fe 1 beträgt, kann ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens verneinend
beantwortet werden. Die Antwort ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz.
e) Auch die weitere Frage des Klägers, worauf sich die „konjunktivistische“
Form der Worte „stünde zu“ in § 40 Abs. 4 Satz 1 BBesG beziehe, kann nicht
zur Zulassung der Revision führen. An dieser Beurteilung ändert auch der vom
Kläger aufgeworfene Gesichtspunkt nichts, nach der Senatsrechtsprechung
müsse gewährleistet sein, dass trotz der Kürzung der familienbezogenen Leis-
tung bei einem Ehegattenteil beide Ehepartner zusammen jedoch mindestens
100 % der familienbezogenen Leistung erhalten müssten. Denn diese Recht-
sprechung setzt voraus, dass beide teilzeitbeschäftigten Ehepartner insgesamt
in dem zeitlichen Umfang eines Vollzeitbeschäftigten Dienst leisten (Urteil vom
29. September 2005 a.a.O.). Das ist im Fall des Klägers und seiner Ehefrau in
dem entscheidungserheblichen Zeitraum nach den für den Senat bindenden
tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) nicht
der Fall.
f) Schließlich kann auch die letzte als vermeintlich rechtsgrundsätzlich klä-
rungsbedürftig gestellte Frage, ob es mit Art. 3 und 6 GG vereinbar sei, „dass
nur einseitig verbeamtete Ehepaare, deren verbleibender Partner im öffentli-
chen Dienst beschäftigt ist, finanziell schlechter stehen als beidseits verbeam-
tete Ehepaare“, nicht zur Zulassung der Revision führen. Denn auch diese Fra-
ge ist höchstrichterlich geklärt.
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Danach kommt dem Gesetzgeber bei der Regelung der Beamtenbesoldung
gemäß Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 33 Abs. 5 GG ein verhältnismäßig weiter Ges-
taltungsspielraum zu (vgl. u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 11. Juni 1958 - 1 BvR
1/52, 46/52 BVerfGE 8, 1 <22> und vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 -
BVerwGE 81, 363 <375 f.>; BVerwG, Urteile vom 13. November 1986
- BVerwG 2 A 2.85 - Buchholz 235 § 19a BBesG Nr. 2 m.w.N., vom 27. August
1992 - BVerwG 2 C 41.90 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 26 und vom 28. April
2005 - BVerwG 2 C 29.04 - Buchholz 240 § 46 BBesG Nr. 3), innerhalb dessen
sehr unterschiedliche Gestaltungen rechtlich möglich und allein politisch zu
verantworten sind. Der Gesetzgeber hat die Grenzen der ihm zustehenden
weitgehenden Gestaltungsfreiheit mit der Folge einer Verletzung des Art. 3
Abs. 1 GG erst dann überschritten, wenn die ungleiche Behandlung der gere-
gelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst lie-
gen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise
nicht mehr vereinbar ist; mit anderen Worten, wo ein vernünftiger, einleuchten-
der Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt, es sich also um Regelungen
handelt, die unter keinem sachlich vertretbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt
erscheinen, so dass die Unsachlichkeit der getroffenen Regelung evident ist
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71, 39
<58> m.w.N.; BVerwG, u.a. Urteile vom 25. Februar 1988 - BVerwG 2 C 65.86 -
Buchholz 240.1 BBesO Nr. 2 m.w.N. und vom 25. April 1996 - BVerwG 2 C
27.95 - BVerwGE 101, 116 <122>). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Ge-
setzgeber im Einzelnen die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste
Lösung gefunden hat (vgl. u.a. Urteile vom 22. März 1990 - BVerwG 2 C 11.89 -
Buchholz 240 § 19a BBesG Nr. 10 m.w.N. und vom 25. April 1996 a.a.O.
S. 123). Nach diesen Rechtssätzen lässt sich ohne Durchführung eines
Revisionsverfahrens feststellen, dass eine monatliche Differenz bei den ehegat-
tenbezogenen Gehaltsbestandteilen von 1,65 € im Vergleich zu einem Ehepaar,
von dem beide Ehepartner Beamte sind, keine sachlich evident unvertretbare
Regelung darstellt.
Ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens kann auf der Grundlage der
bisherigen Rechtsprechung in der Anwendung der Kürzungsregelung des § 40
Abs. 4 Satz 1 BBesG durch den Beklagten auch kein Verst
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Abs. 1 GG gesehen werden. Diese Verfassungsbestimmung stellt Ehe und
Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Sie untersagt es
dem Staat, Ehe und Familie zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen;
darüber hinaus umschreibt die Norm die Aufgabe des Staates, Ehe und Familie,
soweit erforderlich, durch geeignete Maßnahmen zu fördern (vgl.
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folgt aber nicht, dass der Staat jegliche finanzielle Belastung der Familie aus-
zugleichen hat-
<113>; BVerwG, Urteil vom 21. Januar 1982 - BVerwG
-<342>). Vielmehr besitzt der Gesetzgeber bei Rege-
lungen, die die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten kon-
kretisieren, auch unter dem Blickwinkel deseinen weiten Ge-
staltungsspielraum-
<100>).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung
des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Kugele Groepper Thomsen
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