Urteil des BVerwG vom 30.08.2013

BVerwG: rechtliches gehör, verlängerung der frist, vorläufiger rechtsschutz, verkehr, bauarbeiten, überführung, ausschluss, bier, hauptsache, kunst

BVerwG 9 VR 7.13
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 9 VR 7.13
In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. August 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und die
Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und Dr. Bick
beschlossen:
Die Anhörungsrüge der Antragsteller gegen den Beschluss des Senats vom 14.
August 2013 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.
Gründe
1 Die Anhörungsrüge der Antragsteller ist unbegründet.
2 Gemäß § 152a Abs. 1 VwGO setzt eine erfolgreiche Anhörungsrüge voraus, dass das Gericht
den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) in
entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Das Gericht hat das Vorbringen der Beteiligten zur
Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Es ist allerdings nicht verpflichtet, das gesamte
schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten in den Entscheidungsgründen wiederzugeben und zu
jedem einzelnen Gesichtspunkt ausdrücklich Stellung zu nehmen. Vielmehr konnte sich der
Senat, zumal im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, auf die Darstellung und Würdigung
derjenigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach seinem
Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankam. Nur insoweit musste er auch die etwaige
Gewährung einer zusätzlichen Äußerungsfrist in Betracht ziehen. Daran gemessen verletzt der
angegriffene Beschluss die Antragsteller nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör.
3 Der Senat hat - bei als offen eingeschätzter Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der
Hauptsache - das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des angefochtenen
Planergänzungsbeschlusses gegenüber dem Aussetzungsinteresse der Antragsteller im
Rahmen einer Folgenabwägung bewertet und als vorrangig angesehen. Dabei hat er
berücksichtigt, dass der in § 17e Abs. 2 Satz 1 FStrG vorgesehene Ausschluss der
aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage nicht lediglich die Behörde von der Pflicht
entbindet, das öffentliche Interesse am Sofortvollzug anhand der konkreten Planungssituation
besonders zu begründen, sondern darüber hinaus die gesetzliche Wertung zum Ausdruck bringt,
dass das Vollzugsinteresse gerade bei offenem Prozessausgang regelmäßig erhebliches
Gewicht beansprucht (Beschlüsse vom 14. April 2005 - BVerwG 4 VR 1005.04 - BVerwGE 123,
241 <244 f.> und vom 13. Juni 2007 - BVerwG 6 VR 5.07 - Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 74 Rn.
26).
4 Unter dieser Prämisse verneint der angegriffene Beschluss ein erhebliches
Aussetzungsinteresse der Antragsteller deshalb, weil ihre Wohnungen in beträchtlicher
Entfernung sowohl vom Bauplatz der Behelfsbrücke (2 km) als auch von der Baustraße (1,4 km)
liegen und relevante Schadstoffbelastungen allein infolge des durch den Bau der Behelfsbrücke
verursachten zusätzlichen Verkehrs angesichts der örtlichen Verhältnisse auch im Übrigen
ausgeschlossen werden können. Die Antragsteller bemängeln, dass die ihnen nach Eingang der
Antragserwiderung zur abschließenden Äußerung gesetzte Frist zu kurz gewesen sei, um
insbesondere auf den erheblichen Lkw-Verkehr hinzuweisen, der aufgrund der laut
Baubeschreibung durchzuführenden Erdarbeiten erforderlich sei und in beträchtlichem Umfang
über die bestehende Autobahn in einer Entfernung von nur ca. 300 m von ihren Wohnungen
entfernt abgewickelt werde. Dabei übersehen sie aber, dass die durch die Aussetzung des Baus
der gleichfalls umstrittenen Behelfsfahrbahn bewirkte Teilerledigung des vorläufigen
Rechtsschutzverfahrens die Interessenabwägung wesentlich vereinfacht hatte und ihr
Aussetzungsinteresse infolge dieser Änderung der Sachlage offensichtlich nur noch ein
allenfalls geringes Gewicht für sich in Anspruch nehmen konnte. Denn einerseits mussten und
müssen die Antragsteller bereits aufgrund des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses
vom 17. Dezember 2009, der den Ausbau der Anschlussstelle Würzburg-Heidingsfeld
einschließt, - unbeschadet der konkreten zeitlichen und sonstigen Modalitäten des hier
angefochtenen Planergänzungsbeschlusses - mit umfangreichen Bauarbeiten einschließlich des
Baus einer Behelfsüberführung der B 19 über die A 3 (siehe dazu das den Beteiligten bekannte
Urteil des Senats vom 3. März 2011 - BVerwG 9 A 8.10 - BVerwGE 139, 150 Rn. 63) und den
damit notwendig einhergehenden bauzeitlichen Belästigungen in jedem Fall rechnen und diese
dulden. Andererseits sind die Einzelheiten des Bauablaufs - insbesondere die genaue räumliche
und zeitliche Verteilung des baubedingten Lkw-Verkehrs, soweit dieser der hier allein
umstrittenen Errichtung der Behelfsbrücke überhaupt zuzurechnen ist - erst Gegenstand der
Ausführungsplanung, gegen die (auch vorläufiger) Rechtsschutz vor dem
Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner sachlichen Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 Nr. 6
VwGO nicht erlangt werden kann (siehe zuletzt Beschluss vom 11. Juli 2013 - BVerwG 9 VR
5.13 - juris Rn. 8 m.w.N.). In dieser Lage musste sich dem Senat die Gewährung einer längeren
abschließenden Äußerungsfrist nicht aufdrängen; denn die von den Antragstellern im Schriftsatz
vom 13. August 2013 beantragte Fristverlängerung bezog sich nicht auf etwaige weitere
Ausführungen zum befürchteten Lkw-Verkehr, sondern auf die von ihnen bestrittene
Eilbedürftigkeit der Bauarbeiten. Gleiches gilt, soweit der Senat in seinem angegriffenen
Beschluss der Behauptung der Antragsteller, sie hätten infolge massiver Staus auf der
Behelfsbrücke mit einer erheblichen zusätzlichen Schadstoffbelastung zu rechnen, die Substanz
abgesprochen hat. In dem erwähnten Urteil vom 3. März 2011 (a.a.O.) hat der Senat es zwar für
plausibel gehalten, dass eine auf weniger als vier Fahrspuren ausgelegte Behelfsbrücke
massive Staus verursachen würde. Bei der nunmehr vierspurig geplanten und im Unterschied
zur bestehenden Brücke mit Linksabbiegespuren zu versehenden Behelfsbrücke war und ist
eine derart erhebliche Staugefahr aber nicht ersichtlich. Noch fernliegender ist die Annahme
einer dadurch etwa bewirkten wesentlichen Zusatzbeeinträchtigung der 2 km von der
Behelfsbrücke entfernt wohnenden Antragsteller.
5 Gegenüber dem danach insgesamt nur gering zu veranschlagenden Aussetzungsinteresse der
Antragsteller hat der Senat das öffentliche Vollzugsinteresse unter dem Gesichtspunkt für
vorrangig gehalten, dass der Antragsgegner sonst die Behelfsbrücke - entgegen der in dem
gesetzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zum Ausdruck kommenden Wertung - bis
zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht errichten und in diesem Zeitraum, der sich
durch einen erst daran anschließenden Bau der Behelfsbrücke noch verlängern würde, nicht mit
dem bestandskräftig planfestgestellten Neubau der Überführung der B 19 über die A 3 beginnen
könnte. Unter dieser Prämisse waren die Einzelheiten verschiedener auf die Behelfsbrücke
bezogener Bauzeitenpläne, deren Unstimmigkeit die Antragsteller rügen, letztlich ebenso wenig
entscheidungserheblich wie die Frage, ob die bestehende Überführung in ihrer Dauerhaftigkeit
und Standsicherheit schon jetzt massiv beeinträchtigt ist (so der Antragsgegner in seinem im
angegriffenen Beschluss auszugsweise wiedergegebenen Schriftsatz vom 8. August 2013) oder
ob entgegen der Behauptung des Antragsgegners „bis zu einer Entscheidung des Gerichts in der
Hauptsache die B 19-Brücke nach menschlichem Ermessen gefahrlos weiterhin befahren
werden“ kann, wie die Antragsteller in ihrem Schriftsatz vom 13. August 2013 vorgetragen
haben. Dem in diesem Zusammenhang gestellten Gesuch der Antragsteller auf Verlängerung
der Frist zur abschließenden Äußerung (s.o.) musste daher nicht entsprochen werden. Denn
entscheidend für die Interessenabwägung des Senats war und ist, dass das nach der
gesetzlichen Wertung ohnehin regelmäßig besonders gewichtige Vollzugsinteresse, das nicht
nur wegen der als solcher unbestrittenen Schadhaftigkeit der alten Brücke, sondern auch und
gerade wegen der verkehrstechnischen Erfordernisse des Bauablaufs, die die Errichtung der
Behelfsbrücke gebieten, bevor mit dem eigentlichen Ausbau der planfestgestellten
Anschlussstelle überhaupt begonnen werden kann, vorrangig ist gegenüber dem Interesse der
Antragsteller, vorläufig von Belastungen verschont zu werden, mit denen sie im Wesentlichen
ohnehin rechnen müssen.
6 Die weiteren für den Fall des Erfolges der Anhörungsrüge vorsorglich gestellten
Verfahrensanträge erübrigen sich damit.
7 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dr. Bier
Buchberger
Dr. Bick