Urteil des BVerwG vom 30.05.2013

BVerwG: öffentlich, fahrzeug, abfallentsorgung, begriff, sammlung, verwertung, verwaltung, materialien, nummer, gefährdung

BVerwG 3 C 9.12
Rechtsquellen:
StVZO § 52 Abs. 4 Nr. 1, § 70 Abs. 1 Nr. 1
StVO § 35 Abs. 6 Satz 1, § 38 Abs. 3
Stichworte:
Gelbes Blinklicht (Rundumlicht); Fahrzeuge, die der Müllabfuhr dienen; Abfallentsorgung; wieder
verwertbarer Abfall; Müll; gewerbliche Sammlung von Abfällen; Sonderrecht; Daseinsvorsorge;
Müllfahrzeug; öffentlich-rechtliche Abfallentsorgung; öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger;
vom Entsorgungsträger beauftragter Dritter; Ausnahmegenehmigung; Sondergenehmigung.
Leitsatz:
„Fahrzeuge, die der Müllabfuhr dienen“ im Sinne von § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO und § 35 Abs. 6
StVO sind nur die zur Abfallentsorgung eingesetzten Fahrzeuge der öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger oder Dritter, denen die Abfallentsorgungsverpflichtung des öffentlich-
rechtlichen Entsorgungsträgers übertragen worden ist.
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 3 C 9.12
VG Oldenburg - 20.03.2009 - AZ: VG 7 A 2050/08
Niedersächsisches OVG - 08.12.2011 - AZ: OVG 12 LC 91/09
In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler, Buchheister, Dr. Wysk und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Kuhlmann
für Recht erkannt:
Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. Dezember 2011
wird aufgehoben, soweit es den Hilfsantrag betrifft. Insoweit wird der Rechtsstreit zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht
zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
I
1 Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin einen im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit
zum Einsammeln von Schrott und Altmetallen eingesetzten LKW mit einem gelben Blinklicht
(Rundumlicht) ausrüsten darf.
2 Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, betreibt auf gewerblicher Basis den An-
und Verkauf von Altmetallen und die Schrottentsorgung. Dazu werden Haushalte durch
Postwurfsendungen aufgefordert, an den mitgeteilten Tagen solche Materialien zur Abholung
bereitzustellen. Am angekündigten Tag fährt ein mit rot-weißen Warnmarkierungen gemäß DIN
30710 versehener LKW der Klägerin, ein offener Kastenwagen, die Straßen ab und die
bereitgestellten Materialien werden aufgeladen. Das Sammelgut verkauft die Klägerin an ein
zertifiziertes Entsorgungsunternehmen. Im Juni 2007 ließ die Klägerin auf dem Führerhaus ihres
LKW ein gelbes Blinklicht anbringen.
3 Der Landkreis A. erteilte der Klägerin im April 2008 für seinen Zuständigkeitsbereich eine auf §
70 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) gestützte Ausnahmegenehmigung für die
Ausstattung ihres LKW mit einem gelben Blinklicht.
4 Den bei ihr gestellten Antrag auf Erteilung einer solchen Genehmigung lehnte die Beklagte mit
Bescheid vom 2. Juni 2008 ab. Die Klägerin übe eine gewerbliche Tätigkeit aus und betreibe
keine Müllentsorgung im Sinne von § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO. Metalle seien kein Müll im Sinne
von § 52 Abs. 4 StVZO. Die Klägerin habe außerdem die Möglichkeit, mit ihren Kunden Termin
und Ort der Abholung zu vereinbaren, so dass keine Gefährdung der übrigen Verkehrsteilnehmer
eintrete. Die Ausnahmegenehmigung des Landkreises führe nicht dazu, dass eine weitere
Ausnahmegenehmigung zu erteilen sei.
5 Das Verwaltungsgericht hat diesen Bescheid aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin
ihren LKW mit einem gelben Blinklicht (Rundumleuchte) ausrüsten darf. Ein der Müllabfuhr
dienendes Fahrzeug im Sinne von § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO sei jedes Fahrzeug, mit dem
verwertbare oder unverwertbare Abfälle im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes
(KrW-/AbfG) rechtmäßig in der Weise eingesammelt würden, dass „müllabfuhrtypische“ Gefahren
für den Straßenverkehr entstünden. Zu diesen Gefahren zählten insbesondere das langsame
Fahren von einer Aufladestelle zur nächsten, verbunden mit häufigem Anhalten am Straßenrand
sowie mit häufigem Ab- und Aufsteigen von Arbeitern zum Verladen der Abfälle. Ein Grund, das
gewerbliche Einsammeln von Abfall hier anders zu behandeln als die öffentlich-rechtliche
Abfallsammlung durch einen öffentlichen Entsorgungsträger, sei nicht ersichtlich. Die für den
Straßenverkehr entstehenden Gefahren seien dieselben.
6 Auf die Berufung der Beklagten hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht die
erstinstanzliche Entscheidung geändert und die Klage sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag
abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt: Die Klägerin dürfe nicht, wie mit dem Hauptantrag
geltend gemacht, ihr Fahrzeug gemäß § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO mit einem gelben Blinklicht
ausstatten. Zwar umfasse der Begriff der Müllabfuhr im Sinne von § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO
entgegen der Annahme der Beklagten auch die Abfuhr verwertbarer Stoffe. Doch fielen aus
systematischen und teleologischen Erwägungen nur Fahrzeuge unter diese Regelung, die von
den nach § 15 KrW-/AbfG zur Verwertung oder Beseitigung verpflichteten öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträgern im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgabe in der Weise betrieben würden, dass
„müllabfuhrtypische“ Gefahren entstünden; ebenso würden Fahrzeuge Dritter erfasst, denen die
Entsorgungsverpflichtung nach § 16 KrW-/AbfG übertragen worden sei. Zur Vermeidung eines
Gewöhnungseffekts müsse der übermäßige Gebrauch von gelbem Blinklicht verhindert werden.
Außerdem sei die korrespondierende Bestimmung des § 35 Abs. 6 StVO zu berücksichtigen, in
der derselbe Begriff verwendet werde. Nach dem Willen des Verordnungsgebers habe der
Begriff in beiden Regelungen die gleiche Bedeutung. Aus der Entstehungsgeschichte von § 35
Abs. 6 Satz 1 StVO ergebe sich, dass hierunter nur Fahrzeuge öffentlich-rechtlicher
Entsorgungsträger oder von ihnen beauftragter Dritter fielen. Von einer Wahrnehmung
öffentlicher Aufgaben sei im Bereich der Abfallentsorgung auszugehen, wenn die nach § 15
KrW-/AbfG zur Verwertung oder Beseitigung von Abfällen verpflichteten öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträger tätig würden oder Dritte, denen diese Verpflichtung nach § 16 KrW-/AbfG
übertragen worden sei. Anders liege es bei gewerblichen Sammlungen, wie sie die Klägerin
durchführe. Darüber hinaus fehle eine weitere Voraussetzung für die Anwendbarkeit von § 52
Abs. 4 Nr. 1 StVZO. Bei einer gewerblichen Abfallsammlung wie der der Klägerin entstünden
nicht regelmäßig die gleichen „müllabfuhrtypischen“ Gefahren wie bei der öffentlich-rechtlichen
Abfallentsorgung. Diese typischen Gefahren lägen in notwendigen - teilweise unter
Inanspruchnahme von Sonderrechten erfolgenden - kurzfristigen Stopps und einem Anfahren
über kurze Strecken bis zur nächsten Müllaufnahme und dem plötzlichen Hervortreten von
Personen, die ihr Augenmerk in erster Linie auf ihre Arbeit richteten und deswegen nicht primär
auf den Verkehr achten könnten. Mit dieser Gefahrenkonstellation sei regelmäßig bei einem für
ein ganzes Entsorgungsgebiet zuständigen und auf eine Anfahrt möglichst aller Grundstücke
angewiesenen Abfallentsorger zu rechnen, insbesondere dann, wenn es sich bei dem
Müllfahrzeug um einen Hecklader handele. Gewerbliche Sammlungen dürften aber aus
rechtlichen Gründen nicht wie die öffentlich-rechtliche Entsorgungstätigkeit in dauerhaften
Strukturen auf ein gesamtes Entsorgungsgebiet ausgerichtet sein. Den Betreibern hierfür
eingesetzter Fahrzeuge stünden auch keine Sonderrechte zu. Daher seien beide
Entsorgungsformen auch im Rahmen von § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO unterschiedlich zu
behandeln. Ohne Erfolg bleibe auch das hilfsweise verfolgte Begehren der Klägerin auf
Neubescheidung ihres Antrags auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 Abs. 1 Nr.
1 StVZO. Die behördliche Ermessensentscheidung habe sich daran auszurichten, ob ihr LKW
wie die von § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO erfassten Fahrzeuge typischerweise in Situationen
eingesetzt werde, in denen die Verwendung des gelben Blinklichts vorgesehen sei. Das sei aus
den genannten Gründen nicht der Fall. Im Übrigen gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte
dafür, dass die Klägerin bei der Durchführung ihrer Sammlungen drohende Gefahren nicht auf
andere Weise abwenden könne. Es sei ihr möglich, ihr Fahrzeug ausschließlich über die rechte
Bordwand, also ohne ein Betreten der Straße, zu beladen. Selbst wenn in bestimmten Fällen ein
Betreten der Straße erforderlich werde, unterscheide sich das Erscheinungsbild dieser Tätigkeit
und das damit einhergehende Gefahrenpotenzial erheblich von dem der Müllabfuhr.
7 Zur Begründung ihrer Revision macht die Klägerin geltend: In Bezug auf die beim Einsammeln
von Abfällen entstehenden Gefahren könne nicht zwischen öffentlich-rechtlicher und
privatrechtlicher Abfallentsorgung getrennt werden. § 38 StVO enthalte keine solche
Unterscheidung, sondern stelle allgemein auf die Warnfunktion des gelben Blinklichts ab.
Ebenfalls fehlerhaft sei die Annahme, sie werde in erheblich geringerem Umfang tätig als
öffentlich-rechtliche Abfallentsorger. Auch bei einer Beladung ausschließlich über die rechte
Bordwand könnten Gefahren, etwa für Radfahrer, entstehen. Weil der Landkreis A. ihr eine
Ausnahmegenehmigung erteilt habe, sei das Ermessen der Beklagten reduziert.
8 Die Beklagte tritt der Revision entgegen.
9 Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht ist in Übereinstimmung
mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung der Auffassung, die Klägerin
könne sich nicht auf § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO berufen. Aus seiner Sicht spreche aber Einiges
dafür, dass der Klägerin eine Sondergenehmigung nach § 70 StVZO zu erteilen sei. Es liege ein
atypischer Sonderfall vor, weil ihr Fahrzeug beim Einsammeln des bereit gestellten Schrotts
ähnlich wie ein öffentlich-rechtlicher Entsorger von Grundstück zu Grundstück fahre. Es sei auch
möglich, dass ihr Fahrzeug - anders als etwa das eines Entrümpelungsunternehmens, das
gezielt nur bestimmte Grundstücke anfahre - an jedem Grundstück halte. Hinzu komme, dass die
Verwendung des gelben Blinklichts bei ungewöhnlich langsam fahrenden Fahrzeugen zulässig
sei; das könne auch auf das Fahrzeug der Klägerin zutreffen. Bei einem Konflikt zwischen den
Zielen, die Zahl von Fahrzeugen mit gelbem Blinklicht zu begrenzen, andererseits aber die
Verkehrssicherheit zu fördern, sei der Verkehrssicherheit der Vorrang einzuräumen.
II
10 Die Revision der Klägerin ist nur hinsichtlich des Hilfsantrags begründet. Ihre Klage ist nach
wie vor zulässig (1.). Ohne Verstoß gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) hat das
Berufungsgericht angenommen, dass die Klägerin ihren LKW nicht genehmigungsfrei auf der
Grundlage von § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO mit einem gelben Blinklicht (Rundumlicht) ausrüsten darf
(2.). Über den Hilfsantrag der Klägerin, mit dem sie die erneute Bescheidung ihres Antrags auf
Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO erstrebt, kann nicht
abschließend entschieden werden. Es fehlt an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen dazu,
inwieweit sich die gewerblichen Sammlungen der Klägerin nach ihrem konkreten
Erscheinungsbild von dem der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung unterscheiden und sich
das auf die straßenverkehrsrechtliche Gefährdungssituation auswirkt. Die Sache ist insoweit an
das Berufungsgericht zurückzuverweisen (3.).
11 1. Die Klage ist weder im Haupt- noch im Hilfsantrag dadurch unzulässig geworden, dass die
Klägerin, wie die Beklagte im Revisionsverfahren mitgeteilt hat, ihren LKW mit dem Kennzeichen
... , den sie mit einem gelben Blinklicht ausgestattet hatte, zum 18. November 2010 außer Betrieb
genommen hat. Ihr Prozessbevollmächtigter hat dem Senat in der mündlichen Verhandlung
vorgetragen, die Klägerin nutze nun ein ähnliches Fahrzeug. Daher hat die Klägerin nach wie
vor ein hinreichendes Interesse an der mit ihrem Hauptantrag begehrten Feststellung. In Bezug
auf den hilfsweise gestellten Antrag auf Neubescheidung ihres Antrags auf Erteilung einer
Ausnahmegenehmigung nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO kann sich die Klägerin wegen
Wiederholungsgefahr auf ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO in
entsprechender Anwendung) berufen.
12 2. Der Hauptantrag ist unbegründet. Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, dass die
Voraussetzungen des § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO im Fall der Klägerin nicht erfüllt sind.
13 Nach dieser Bestimmung dürfen Fahrzeuge, die dem Bau, der Unterhaltung oder Reinigung
von Straßen oder von Anlagen im Straßenraum oder die der Müllabfuhr dienen und durch rot-
weiße Warnmarkierungen (Sicherheitskennzeichnung), die dem Normblatt DIN 30710, Ausgabe
März 1990, entsprechen müssen, gekennzeichnet sind, mit einer oder, wenn die horizontale und
vertikale Sichtbarkeit (geometrische Sichtbarkeit) es erfordert, mehreren Kennleuchten für gelbes
Blinklicht (Rundumlicht) ausgerüstet sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die Ausrüstung
eines solchen Fahrzeugs mit einem gelben Blinklicht gestattet, ohne dass es hierfür noch einer
gesonderten Genehmigung bedarf.
14 a) Der Begriff des Mülls oder Abfalls ist im Sinne der abfallrechtlichen Bestimmungen zu
verstehen. Danach hindert, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, allein der
Umstand, dass die Klägerin verwertbare Materialien sammelt, die Anwendung der genannten
Regelungen nicht, wenn sich - wie hier - die Besitzer dieser Stoffe entledigen wollen.
15 Nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der
umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - KrW-
/AbfG) vom 27. September 1994 sind Abfälle im Sinne dieses Gesetzes die beweglichen
Sachen, die unter die in Anhang I aufgeführten Gruppen fallen und deren sich ihr Besitzer
entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Satz 2 unterscheidet zwischen Abfällen zur
Verwertung, d.h. Abfällen, die verwertet werden, und Abfällen zur Beseitigung; das sind Abfälle,
die nicht verwertet werden. In beiden Fällen handelt es sich aber um Abfall. Dieser umfassende
Abfallbegriff spiegelt sich in § 3 Abs. 7 KrWG-/AbfG wider, wonach die Abfallentsorgung die
Verwertung und Beseitigung von Abfällen umfasst.
16 An diesem weiten Verständnis der Begriffe „Abfall“ und „Abfallentsorgung“ hat sich mit der
Ablösung dieses Gesetzes durch das am 1. Juni 2012 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung
der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen -
Kreislaufwirtschaftsgesetz - (KrWG) vom 24. Februar 2012 (BGBl I S. 212) nichts geändert. Die
Definition des Begriffs „Abfall“ ist - soweit hier von Belang - beibehalten worden. Gemäß § 3 Abs.
1 Satz 1 KrWG sind Abfälle im Sinne des Gesetzes alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr
Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. Nach Satz 2 sind Abfälle zur
Verwertung Abfälle, die verwertet werden; Abfälle, die nicht verwertet werden, sind Abfälle zur
Beseitigung. „Abfallentsorgung“ im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes sind - wie der
Legaldefinition in § 3 Abs. 22 KrWG zu entnehmen ist - Verwertungs- und
Beseitigungsverfahren, einschließlich der Vorbereitung vor der Verwertung oder Beseitigung.
Gesondert definiert wird in § 3 Abs. 18 KrWG nun auch der Begriff der „gewerblichen Sammlung“
von Abfällen; darunter wird eine Sammlung verstanden, die zum Zweck der Einnahmeerzielung
erfolgt. Solche gewerblichen Sammlungen sind gemäß § 18 Abs. 1 KrWG nun anzeigepflichtig.
17 b) Ist das für solche Zwecke eingesetzte Fahrzeug, wie in § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO außerdem
vorgegeben wird, mit rot-weißen Warnmarkierungen nach dem Normblatt DIN 30710 versehen,
hängt die Anwendbarkeit der Regelung und damit die Befugnis der Klägerin, ihr Fahrzeug auch
ohne Ausnahmegenehmigung mit einem gelben Blinklicht auszustatten, allein noch davon ab,
ob nur Müllfahrzeuge öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger und solcher privater Dritter unter §
52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO fallen, die ihrerseits mit der Erfüllung der Abfallentsorgungsverpflichtung
des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers beauftragt wurden. Dass eine solche
einschränkende Auslegung geboten ist, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte, der
Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Regelungen, die bei bestimmten Fahrzeugen die
Anbringung eines gelben Blinklichts gestatten (§ 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO) und die diesen
Fahrzeugen Sonderrechte im Straßenverkehr gewähren (§ 35 Abs. 6 Satz 1 StVO).
18 aa) Der Begriff der „Fahrzeuge, die der Müllabfuhr“ dienen, wurde in dem hier in Rede
stehenden straßenverkehrsrechtlichen Zusammenhang erstmals nicht in der Straßenverkehrs-
Zulassungs-Ordnung, sondern in der Straßenverkehrs-Ordnung verwendet. Er hat dort Eingang
in die Regelung gefunden, mit der den dort aufgeführten Fahrzeugen bestimmte Sonderrechte im
Straßenverkehr eingeräumt werden. Durch die Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-
Zulassungs-Ordnung und der Straßenverkehrs-Ordnung vom 24. August 1953 (BGBl I S. 1131
<1146>) wurde der damalige § 46 Abs. 1 StVO folgendermaßen gefasst: „Von den Vorschriften
der §§ 8, 10 und 15 sind Fahrzeuge befreit, die der Straßenunterhaltung, der Straßenreinigung,
der Müllabfuhr oder ähnlichen Zwecken dienen, soweit die Erfüllung ihrer Aufgaben es erfordert“.
Diese Bestimmung wurde später in § 35 Abs. 6 Satz 1 der Straßenverkehrs-Ordnung vom 16.
November 1970 (BGBl I S. 1565 <1578>) überführt; danach dürfen Fahrzeuge, die dem Bau, der
Unterhaltung oder der Reinigung der Straßen und Anlagen im Straßenraum oder der Müllabfuhr
dienen und die durch einen weiß-roten Anstrich oder durch weiß-rot-weiße Warnfahnen
gekennzeichnet sind, auf allen Straßen und Straßenteilen und auf jeder Straßenseite in jeder
Richtung zu allen Zeiten fahren und halten, soweit ihr Einsatz dies erfordert. Diese Regelung gilt
- von geringfügigen redaktionellen Änderungen abgesehen - nach wie vor.
19 In die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung fand der hier maßgebliche Begriff erst im Jahr
1973 Aufnahme. Der die Ausrüstung mit einem gelben Blinklicht gestattende § 52 Abs. 4 Nr. 1
StVZO wurde durch die Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung
vom 20. Juni 1973 (BGBl I S. 638 <649>) neu gefasst; er lautete danach wie folgt: „1. Fahrzeuge,
die dem Bau, der Unterhaltung oder Reinigung von Straßen oder von Anlagen im Straßenraum
oder die der Müllabfuhr dienen und durch einen weiß-roten Anstrich oder durch weiß-rot-weiße
Warnfahnen gekennzeichnet sind“. Diese Änderung sollte nach der hierfür in den Materialien
gegebenen Begründung den durch § 35 Abs. 6 StVO bevorrechtigten Kreis der Fahrzeuge
erfassen (VkBl 1973, 410); insoweit sollte ein Gleichklang hergestellt werden. Daraus ist zu
schließen, dass nach der Vorstellung des Verordnungsgebers die Befugnis zur Anbringung
eines gelben Blinklichts grundsätzlich mit der Möglichkeit einhergehen soll, von den in § 35 Abs.
6 StVO genannten Sonderrechten Gebrauch zu machen, um dadurch entstehenden
Gefährdungslagen Rechnung zu tragen.
20 Ausgehend davon ist der Kreis der nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO mit einem gelben Blinklicht
ausrüstbaren Fahrzeuge danach zu bestimmen, welche Fahrzeuge von den in Rede stehenden
Sonderrechten Gebrauch machen dürfen. Diese Befugnis ist, soweit es um die in § 52 Abs. 4 Nr.
1 StVZO und § 35 Abs. 6 Satz 1 StVO aufgeführten Fahrzeuge geht, auf solche Fahrzeuge
beschränkt, die entweder unmittelbar von Trägern öffentlicher Verwaltung selbst oder aber von
ihnen beauftragten Dritten bei der Wahrnehmung von Aufgaben der staatlichen Daseinsvorsorge
eingesetzt werden.
21 Diese Einschränkung ergibt sich zum einen aus der normativen Entwicklung, die § 52 Abs. 4
Nr. 1 StVZO hinsichtlich der dort genannten zweiten Gruppe - der Fahrzeuge, die dem Bau, der
Unterhaltung oder Reinigung von Straßen oder von Anlagen im Straßenraum dienen - erfahren
hat. Unter die ursprünglich in § 52 Abs. 4 StVZO a.F. genannten Fahrzeuge, die mit einem
gelben Blinklicht ausgerüstet werden durften, fielen nach der Verordnung zur Änderung von
Vorschriften des Straßenverkehrsrechts vom 14. März 1956 (BGBl I S. 199 <202>) lediglich
„Kraftfahrzeuge des Straßenwinterdienstes der öffentlichen Verwaltungen“ und nach der
Neufassung dieser Bestimmung durch die Verordnung zur Änderung von Vorschriften des
Straßenverkehrsrechts vom 7. Juli 1960 (BGBl I S. 485 <508 f.> nur „Kraftfahrzeuge des
Straßendienstes der öffentlichen Verwaltungen“. Die jetzige, mehr auf die Funktion als auf die
organisatorische Zuordnung dieser Fahrzeuge abstellende Formulierung erhielt § 52 Abs. 4 Nr.
1 StVZO erst mit der bereits genannten Verordnung vom 20. Juni 1973. Zur Begründung wird
darauf verwiesen, dass für Aufgaben des Straßendienstes der öffentlichen Verwaltung
zunehmend Fahrzeuge verwendet würden, deren Halter nicht die öffentliche Verwaltung,
sondern ein von der Verwaltung mit der Wahrnehmung der entsprechenden Aufgabe
beauftragter privater Dritter sei (BRDrucks 223/73 S. 49 i.V.m. S. 46 f.). Daraus folgt, dass auch
mit dieser Erweiterung des Kreises der Berechtigten zusätzlich nur von der Verwaltung
beauftragte und nicht auch sonstige private Dritte begünstigt werden sollten. Übertragen auf die
hier zu definierenden „Fahrzeuge, die der Müllabfuhr dienen“ bedeutet das, dass Fahrzeugen zur
Durchführung gewerblicher Sammlungen, die außerhalb der öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsverpflichtung tätig werden, Sonderrechte nach § 35 Abs. 6 StVO grundsätzlich nicht
eröffnet werden.
22 Zum selben Schluss führen die Änderungen, die § 35 Abs. 7 StVO erfahren hat. Er verleiht
Sonderrechte im Straßenverkehr - hier die Befugnis, auf allen Straßen und Straßenteilen zu
allen Zeiten zu fahren und zu halten - mittlerweile nur noch den Messfahrzeugen der
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (§ 66 des Telekommunikationsgesetzes).
Vor dieser Beschränkung des Anwendungsbereichs durch die Dreiunddreißigste Verordnung
zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (33. ÄndVStVR) vom 11. Dezember 2000
(BGBl I S. 1690 <1691>) waren nach der Fassung dieser Regelung durch das Begleitgesetz zum
Telekommunikationsgesetz (BegleitG) vom 17. Dezember 1997 (BGBl I S. 3108) auch die
Postunternehmen begünstigt, die Grundversorgungsleistungen nach dem Postgesetz
erbrachten. Davon hat der Verordnungsgeber mit der Begründung Abstand genommen (VkBl
2001 S. 9), dass § 35 StVO Sonderrechte nur Institutionen zugestehe, die hoheitlich tätig
würden; privaten Dienstleistern hätten diese nie zugestanden (vgl. dazu auch OLG Karlsruhe,
Beschluss vom 9. Juni 1993 - 2 Ss 81/93 - juris Rn. 11, das der Entstehungsgeschichte von § 35
StVO ebenfalls entnimmt, nicht hoheitlich tätigen Versorgungs- und Beförderungsunternehmen
hätten keine Sonderrechte eingeräumt werden sollen).
23 Der Beschränkung der genannten Regelungen auf Fahrzeuge, die in Wahrnehmung der
öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgungspflicht eingesetzt werden, kann nicht mit Erfolg
entgegengehalten werden, dass § 52 Abs. 4 StVZO in anderen der dort aufgeführten Nummern
auch für Fahrzeuge privater Dritter die Befugnis erteilt, ein gelbes Blinklicht anzubringen. Nach
der Nummer 2 dieser Regelung ist ein gelbes Blinklicht bei Kraftfahrzeugen gestattet, die nach
ihrer Bauart oder Einrichtung zur Pannenhilfe geeignet sind; die Nummer 3 enthält ein solches
Recht für Fahrzeuge mit ungewöhnlicher Breite oder Länge oder mit ungewöhnlich breiter oder
langer Ladung; die Nummer 4 gibt die Befugnis bei Fahrzeugen, die aufgrund ihrer Ausrüstung
als Schwer- oder Großraumtransport-Begleitfahrzeuge ausgerüstet sind. Doch ist die Befugnis
zur Anbringung eines gelben Blinklichts in diesen Fällen an eine behördliche Anerkennung oder
gar Vorgabe gebunden. So muss nach der Nummer 2 das Fahrzeug nach dem Fahrzeugschein
als Pannenhilfsfahrzeug anerkannt sein; eine Anerkennung im Fahrzeugschein wird auch in der
Nummer 4 für Schwer- oder Großraumtransport-Begleitfahrzeuge vorausgesetzt. Bei Fahrzeugen
mit ungewöhnlicher Breite oder Länge oder solcher Ladung ist sogar erforderlich, dass die
genehmigende Behörde die Führung der Kennleuchten vorgeschrieben hat. Die Kriterien für
eine Anerkennung der genannten Fahrzeuge als solche im Sinne von § 52 Abs. 4 Nr. 2 und 4
StVZO sind fahrzeugbezogen; zu überprüfen ist die Eignung der Fahrzeuge zum
entsprechenden Zweck als Pannenhilfs- bzw. Begleitfahrzeug. Dem kann die für die
Abfallentsorgung in § 18 KrWG nun vorgesehene Pflicht, gewerbliche Sammlungen anzuzeigen,
nicht gleichgestellt werden. Die damit verbundenen Mitteilungspflichten sind, wie § 18 Abs. 2
KrWG belegt, sammlungsbezogen; es geht dabei insbesondere um den Umfang der Sammlung
und die ordnungsgemäße Verwertung der eingesammelten Abfälle. Damit scheidet das
Argument aus, die behördliche Billigung einer solchen gewerblichen Sammlung führe zu einer §
52 Abs. 4 Nr. 2 und 4 StVZO vergleichbaren Anerkennung der dabei eingesetzten Fahrzeuge.
24 Dass Fahrzeuge, die zu gewerblichen Sammlungen eingesetzt werden, nicht unter den
Begriff der „Fahrzeuge, die der Müllabfuhr dienen", im Sinne von § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO und §
35 Abs. 6 StVO fallen, deckt sich schließlich mit der Auffassung des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, und damit des Ministeriums, das auf der Grundlage von § 6
Abs. 1 Nr. 2 und 3 StVG - mit Zustimmung des Bundesrates - die hier in Rede stehende
Regelung erlassen hat. In seiner Stellungnahme weist das Ministerium auf die der Regelung
zugrunde liegende Absicht hin, die Ausrüstung von Fahrzeugen mit gelbem Blinklicht möglichst
restriktiv zu handhaben, damit die Warnwirkung erhalten bleibe und kein Gewöhnungseffekt der
Verkehrsteilnehmer eintrete.
25 bb) In dieser Ungleichbehandlung einer gewerblichen Sammlung mit der im Rahmen der
Daseinsvorsorge erfolgenden öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung (vgl. etwa die Materialien
zum Kreislaufwirtschaftsgesetz in BTDrucks 17/6052: „Dienstleistung im allgemeinen
wirtschaftlichen Interesse“) liegt kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3
Abs. 1 GG. Die vom Normgeber vorgenommene Differenzierung ist von seiner
Typisierungsbefugnis gedeckt. In der Überlassungspflicht des Abfallbesitzers einerseits (vgl. §
17 KrWG) und der korrespondierenden Entsorgungspflicht des öffentlich-rechtlichen
Entsorgungsträgers andererseits (vgl. § 20 KrWG), die sich regelmäßig auch auf den Umfang
und auf das Erscheinungsbild der jeweiligen Sammeltätigkeit auswirken, liegt ein auch im Blick
auf straßenverkehrsrechtliche Gefährdungslagen relevanter Unterschied zu gewerblichen
Sammlungen verwertbarer Abfälle. Ähnlich wie beim Blaulicht (vgl. dazu Urteil vom 26. Januar
2012 - BVerwG 3 C 1.11 - BVerwGE 141, 376 Rn. 14 und 22 m.w.N. zu Mietfahrzeugen für den
Notarzteinsatz) ist es auch in Bezug auf die Ausstattung mit einem gelben Blinklicht geboten, die
Zahl mit solchen Warnsignalen ausgerüsteter Fahrzeuge möglichst gering zu halten, um deren
Wirkung nicht dadurch zu beeinträchtigen, dass durch eine zu hohe Verbreitung die Akzeptanz
in der Bevölkerung schwindet und deswegen - insbesondere bei der Inanspruchnahme von
Sonderrechten nach § 35 Abs. 6 StVO - die Gefahr von Unfällen zunimmt. Schließlich bleibt der
Klägerin dadurch, dass sie sich nicht auf § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO berufen kann, die Möglichkeit
der Anbringung eines gelben Blinklichts nicht gänzlich verschlossen. Sie kann, wenn die
tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen, also insbesondere eine
entsprechende Gefährdungslage gegeben ist, eine solche Befugnis im Wege einer
Ausnahmegenehmigung auf der Grundlage von § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO erhalten.
26 cc) Die Beschränkung von § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO und § 35 Abs. 6 StVO auf zur Erfüllung
der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsverpflichtung eingesetzte Fahrzeuge ist auch ansonsten
mit den Grundrechten der Klägerin, insbesondere ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten
Berufsausübungsfreiheit vereinbar. Sie wird durch die fehlende Befugnis, ein gelbes Blinklicht
an ihrem LKW anzubringen, nicht an der Durchführung gewerblicher Abfallsammlungen
gehindert. Es verbleibt für sie lediglich beim Status eines „normalen“ Verkehrsteilnehmers.
Umgekehrt bestehen - wie bereits dargestellt - hinreichende sachliche Gründe dafür, die
genehmigungsfreie Ausstattung von Fahrzeugen mit gelbem Blinklicht nur unter engen
Voraussetzungen zuzulassen.
27 3. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht in Bezug auf den Hilfsantrag der Klägerin an, die
Beklagte habe die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO
rechtsfehlerfrei abgelehnt. Für eine solche abschließende Entscheidung reichen die bisherigen
tatsächlichen Feststellungen zur Sammeltätigkeit der Klägerin und der sich daraus ergebenden
straßenverkehrsrechtlich relevanten Gefährdungssituation nicht aus.
28 a) Gemäß § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO können die höheren Verwaltungsbehörden in bestimmten
Einzelfällen oder allgemein für bestimmte einzelne Antragsteller Ausnahmen von den
Vorschriften - unter anderem - des § 52 StVZO genehmigen. In § 70 Abs. 5 StVZO werden die
Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass abweichend von
Absatz 1 Nr. 1 an Stelle der höheren Verwaltungsbehörde andere Behörden zuständig sind. Das
ist hier durch § 3 Abs. 2 Nr. 3 der Niedersächsischen Verordnung über Zuständigkeiten im
Bereich Verkehr (ZustVO-Verkehr) vom 3. August 2009 (GVBl S. 316) geschehen, der die
Genehmigung von Ausnahmen nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 StVZO auf die Landkreise und kreisfreien
Städte überträgt.
29 Auf eine solche Ausnahmegenehmigung besteht kein Rechtsanspruch; ihre Erteilung liegt im
pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde. Mit der Ausnahmegenehmigung soll
besonderen Ausnahmesituationen Rechnung getragen werden können, die bei strikter
Anwendung der Bestimmungen nicht hinreichend berücksichtigt werden könnten. Ob ein solcher
besonderer Ausnahmefall vorliegt, bemisst sich nach dem Ergebnis eines Vergleichs der
Umstände des konkreten Falls mit dem typischen Regelfall, der dem generellen Verbot zugrunde
liegt. Das so gewonnene Merkmal einer Ausnahmesituation ist sodann unverzichtbarer
Bestandteil der einheitlich zu treffenden Ermessensentscheidung. Die Ausnahmegenehmigung
müsste demnach geboten sein, um ansonsten nicht beherrschbaren Gefahren begegnen zu
können (vgl. u.a. Urteil vom 21. Februar 2002 - BVerwG 3 C 33.01 - NZV 2002, 426 <427> =
DAR 2002, 281).
30 b) Die Beklagte lehnt die beantragte Erteilung einer Ausnahmegenehmigung im
Wesentlichen mit der Begründung ab, die Klägerin habe die Möglichkeit, mit ihren Kunden
Termin und Ort der Abholung zu vereinbaren, ohne dadurch eine Gefährdung der übrigen
Verkehrsteilnehmer zu verursachen oder darzustellen; sie bedürfe deshalb der mit dem Einsatz
eines Gelblichts verbundenen Sonderrechte nicht. Das Berufungsgericht lässt diese Erwägung
im Ergebnis unbeanstandet; das Fahrzeug der Klägerin werde nicht typischerweise in
Situationen eingesetzt, in denen für Müllfahrzeuge öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger oder
Dritter, denen die Entsorgungsverpflichtung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers
übertragen wurde, die Verwendung des gelben Blinklichts vorgesehen sei.
31 Diese Einschätzung stützt das Berufungsgericht vor allem darauf, dass sich die gewerblichen
Sammlungen der Klägerin schon aus rechtlichen Gründen von der Tätigkeit eines öffentlich-
rechtlichen Entsorgungsträgers und der von ihnen Beauftragten unterscheiden müssten. Dazu
verweist das Berufungsgericht auf das noch zum Kreislaufwirtschafts- und
Abfallbeseitigungsgesetz ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2009 -
BVerwG 7 C 16.08 - (BVerwGE 134, 154). Dort hatte der 7. Senat ausgeführt, die öffentlich-
rechtliche Entsorgungstätigkeit der hiermit Beauftragten sei dadurch gekennzeichnet, dass sie
auf vertraglichen Grundlagen und regelmäßig dauerhaften Strukturen wiederkehrende
Entsorgungsleistungen erbrächten; dagegen seien gewerbliche Sammlungen typischerweise ein
allgemeines, auf freiwilliger Basis unterbreitetes Angebot der unentgeltlichen Überlassung
verwertbarer Abfälle (a.a.O. Rn. 31). Insoweit ist jedoch eine Änderung der Rechtslage
eingetreten. In § 3 Abs. 18 Satz 2 des am 1. Juni 2012 in Kraft getretenen
Kreislaufwirtschaftsgesetzes ist nun - in bewusster Reaktion auf das genannte Urteil - geregelt,
dass die Sammeltätigkeit auf der Grundlage vertraglicher Bindungen zwischen dem Sammler
und der privaten Haushaltung in dauerhaften Strukturen einer gewerblichen Sammlung nicht
entgegenstehe.
32 Ausgehend davon reichen die Feststellungen des Berufungsgerichts nicht aus, um eine
abweichende, das heißt geringere Gefährdung des Straßenverkehrs bei den von der Klägerin
durchgeführten Sammlungen belegen zu können; denn Grundlage der dahingehenden
Einschätzung des Berufungsgerichts ist das überholte rechtliche Bild einer gewerblichen
Sammlung, das weitgehend durch an diesem Bild ausgerichtete tatsächliche Annahmen
untermauert wird, nicht aber in dem für eine ordnungsmäßige Überzeugungsbildung
erforderlichen Umfang auf von dieser Vorgabe unabhängigen Tatsachen beruht. So fehlt es
insbesondere an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen dazu, inwieweit bei dem von der
Klägerin betriebenen Sammeln von Schrott und Altmetallen tatsächlich in erheblich geringerem
Umfang als bei der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung und/oder in größerer Entfernung
voneinander Grundstücke angefahren werden. Nicht hinreichend geklärt ist außerdem, inwieweit
sich die Fahrweise und die jeweiligen Beladevorgänge in einer Weise unterscheiden, die für
eine mögliche Gefährdung des dabei eingesetzten Personals einerseits und der übrigen
Verkehrsteilnehmer - also etwa vorbeifahrender Kraftfahrzeuge oder Fahrradfahrer - andererseits
von Bedeutung ist. So schließt es auch das Berufungsgericht selbst nicht aus, dass das für die
Klägerin tätige Personal in bestimmten Fällen zum Aufladen doch die Straße betreten muss, und
stellt damit seine zuvor als wesentlichen Unterschied zur öffentlich-rechtlichen Müllabfuhr
herausgestellte Annahme, es sei möglich, das Fahrzeug der Klägerin ausschließlich vom
Bürgersteig über die rechte Bordwand zu beladen, wieder in Frage. Es bleibt im Unklaren, in
welchem Umfang das geschieht.
33 Wegen des Fehlens hinreichender tatsächlicher Feststellungen zum Vorliegen der in § 70
Abs. 1 Nr. 1 StVZO vorausgesetzten Ausnahmesituation ist es dem Senat verwehrt,
abschließend über das von der Klägerin hilfsweise geltend gemachte Bescheidungsbegehren,
nunmehr in Gestalt eines Fortsetzungsfeststellungsantrags, zu entscheiden. Die Sache ist
deshalb insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen.
34 c) Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings der von der Klägerin in der Revision erneut
vorgetragenen Auffassung nicht gefolgt, die vom Landkreis A. - und damit von einer anderen
Behörde für ihren Zuständigkeitsbereich - erteilte Ausnahmegenehmigung habe eine
Ermessensreduzierung bei der Beklagten zur Folge. Eine solche Ermessensreduzierung oder
gar -bindung vermittelt über den allgemeinen Gleichheitssatz könnte nur durch das eigene
Handeln der Beklagten bewirkt worden sein, nicht aber durch das Handeln eines anderen
Trägers öffentlicher Gewalt (stRspr; vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 7. November 2002 - 2 BvR
1053/98 - BVerfGE 106, 225 <241> m.w.N., dort zur Frage eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1
GG durch unterschiedliche landesgesetzliche Regelungen).
Kley
Liebler
Buchheister
Dr. Wysk
Dr. Kuhlmann