Urteil des BVerfG vom 16.12.2013

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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1958/13 -
Bundesadler
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn S H …,
- Bevollmächtigte:
Schlömer & Sperl Rechtsanwälte,
Steinhöft 5-7, 20459 Hamburg -
gegen den Beschluss des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom
29. Juli 2013 - 1 Bs 145/13 -
hier: Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Voßkuhle
und die Richter Gerhardt,
Huber
am 16. Dezember 2013 einstimmig beschlossen:
1. Die Wirkung des Beschlusses des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 29. Juli
2013 - 1 Bs 145/13 - wird bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des
Antragstellers, längstens für die Dauer von sechs Monaten, ausgesetzt.
2. Der Bundesrepublik Deutschland wird aufgegeben, die im Ausgangsverfahren vor dem
Hamburgischen Oberverwaltungsgericht im Verfahren 1 Bs 145/13 streitbefangenen drei
Beförderungsstellen eines Regierungsamtsrates/einer Regierungsamtsrätin der
Besoldungsgruppe A 12 bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des
Antragstellers, längstens für die Dauer von sechs Monaten, freizuhalten.
Gründe:
1
1. Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand
durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur
Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl
dringend geboten ist. Im Verfassungsbeschwerdeverfahren haben dabei die Gründe, welche der
Antragsteller und Beschwerdeführer für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Hoheitsakte
anführt, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, seine Verfassungsbeschwerde
erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Bei offenem
Ausgang muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen, die einträten, wenn die einstweilige
Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, gegenüber den
Nachteilen abwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen
würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 99, 57
<66>; stRspr).
2
2. Die Verfassungsbeschwerde ist nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand weder von
vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet. Es bleibt dem Hauptverfahren
vorbehalten zu klären, ob der angegriffene Beschluss des Hamburgischen
Oberverwaltungsgerichts den Antragsteller tatsächlich in Grundrechten oder
grundrechtsgleichen Rechten verletzt. Der Verfassungsbeschwerde des Antragstellers können
jedenfalls nicht von vornherein jegliche Erfolgsaussichten abgesprochen werden. Er verteidigt
den im Konkurrentenstreitverfahren ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts, welches im
Wesentlichen unter Berufung auf den Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 7. März 2013 - 2 BvR 2582/12 - (juris) die streitbefangene
Auswahlentscheidung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung für unvereinbar mit
Art. 33 Abs. 2 GG erachtet und dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
entsprochen hatte. Das Verwaltungsgericht hatte ausgeführt, es sei (im Rahmen der von der
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung praktizierten „Topfwirtschaft“) kein
Aufgabenbereich des ausgeschriebenen Statusamtes erkennbar, in Bezug auf den die Bewerber
hinsichtlich ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung miteinander verglichen worden
seien.
3
Im Rahmen der somit erforderlichen Abwägung überwiegen die Gründe für den Erlass einer
einstweiligen Anordnung.
4
Erginge die einstweilige Anordnung nicht, so könnten die Beigeladenen des
Ausgangsverfahrens zu Regierungsamtsräten/zur Regierungsamtsrätin der Besoldungsgruppe A
12 ernannt werden. Die Rechte des Antragstellers würden hierdurch nach ständiger
Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte endgültig vereitelt. Die Ernennung der Beigeladenen
ließe sich grundsätzlich auch dann nicht mehr rückgängig machen, wenn sich später
herausstellen sollte, dass die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Hoheitsakte den
Antragsteller in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzen (vgl.
BVerwGE 138, 102, Rn. 27 ff.).
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Gegenüber dem irreparablen Rechtsverlust, der dem Antragsteller droht, wiegen die Nachteile,
die entstehen, wenn eine einstweilige Anordnung erlassen wird, die Verfassungsbeschwerde
aber später keinen Erfolg hat, weniger schwer. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung führt in
diesem Fall lediglich zu einer weiteren Verzögerung der Besetzung der ausgeschriebenen
Beförderungsstellen. Störungen für den Dienstbetrieb der Bundesanstalt für Landwirtschaft und
Ernährung sind hierdurch schon deswegen nicht zu erwarten, weil nach den Beförderungen im
Rahmen der „Topfwirtschaft“ der Bundesanstalt die ausgewählten Bewerber ihre jeweiligen
Dienstposten weiter bekleiden würden.
Voßkuhle
Gerhardt
Huber