Urteil des BVerfG vom 21.04.2015

Altershöchstgrenzen für die Einstellung in den öffentlichen Dienst in Nordrhein-Westfalen verfassungswidrig

- Bevollmächtigte:
EGH Eifert Geerts Harting
Rechtsanwälte Partnerschaft,
Adolfstraße 10, 65185 Wiesbaden -
L e i t s a t z
zum Beschluss des Zweiten Senats vom 21. April 2015
- 2 BvR 1322/12 -
- 2 BvR 1989/12 -
Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Einführung von
Einstellungshöchstaltersgrenzen im Öffentlichen Dienst.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1322/12 -
- 2 BvR 1989/12 -
IM NAMEN DES VOLKES
In den Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
I. des Herrn B…
1. unmittelbar gegen
a) das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
vom 23. Februar 2012 - 2 C 79.10 -,
b) das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen
vom 10. November 2010 - 1 K 5181/09 -,
c) den Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf
- Bevollmächtigte:
CBH Rechtsanwälte, Cornelius,
Bartenbach, Haesemann & Partner,
Bismarckstraße 11-13, 50672 Köln -
vom 2. Oktober 2009 - 47.02.05.10-47.7.02.4008 -,
2. mittelbar gegen
§ 6, § 52 Abs. 1 und § 84 Abs. 2 der Verordnung über die Laufbahnen
der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen (Laufbahnverordnung - LVO) in
der Fassung der Bekanntmachung vom 23. November 1995, zuletzt
geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 30. Juni 2009 (GVBl S. 381)
und Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
- 2 BvR 1 322 /12 - ,
II. der Frau B…
1. unmittelbar gegen
a) den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts
vom 19. Juli 2012 - 2 B 35.12 (2 B 26.11) -,
b) den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts
vom 26. März 2012 - 2 B 26.11 -,
c) den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 2. Dezember 2010 - 6 A 1695/10 -,
d) das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln
vom 7. Juli 2010 - 3 K 5879/09 -,
e) den Bescheid der Bezirksregierung Köln
vom 14. August 2009 - 47.5-Pe -,
2. mittelbar gegen
§ 6 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 84 Abs. 2 der Verordnung über die
Laufbahnen der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen
(Laufbahnverordnung - LVO) in der seit dem 18. Juli 2009 geltenden
Fassung
- 2 BvR 1989/12 -
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat -
unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Präsident Voßkuhle,
Landau,
Huber,
Hermanns,
Müller,
Kessal-Wulf,
König
am 21. April 2015 beschlossen:
1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. § 6 Absatz 1 Satz 1, § 52 Absatz 1 und § 84 Absatz 2 der Verordnung über die
Laufbahnen der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen vom 23. November
1995 (Gesetz- und Verordnungsblatt 1996 Seite 1) in der Fassung der
Verordnung zur Änderung der Laufbahnverordnung und anderer
dienstrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 2009 des Landes Nordrhein-
Westfalen (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 381) sind mit Artikel 33 Absatz
2 des Grundgesetzes unvereinbar.
3. a) Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Februar 2012 - 2 C
79.10 -, das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 10. November
2010 - 1 K 5181/09 - und der Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom
2. Oktober 2009 - 47.02.05.10-47.7.02. 4008 - verletzen den Beschwerdeführer
zu I. in seinem Recht aus Artikel 33 Absatz 2 des Grundgesetzes. Das Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts wird aufgehoben. Die Sache wird zur
erneuten Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
b) Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. März 2012 - 2 B
26.11 -, der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen vom 2. Dezember 2010 - 6 A 1695/10 -, das Urteil des
Verwaltungsgerichts Köln vom 7. Juli 2010 - 3 K 5879/09 - und der Bescheid
der Bezirksregierung Köln vom 14. August 2009 - 47.5-Pe - verletzen die
Beschwerdeführerin zu II. in ihrem Recht aus Artikel 33 Absatz 2 des
Grundgesetzes. Der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts wird
aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das
Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen. Damit wird der Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Juli 2012 - 2 B 35.12 (2 B 26.11) -
gegenstandslos.
4. a) Dem Beschwerdeführer zu I. haben das Land Nordrhein-Westfalen zwei
Drittel und die Bundesrepublik Deutschland ein Drittel seiner notwendigen
Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
b) Der Beschwerdeführerin zu II. haben das Land Nord- rhein-Westfalen drei
Viertel und die Bundesrepublik Deutschland ein Viertel ihrer notwendigen
Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
G r ü n d e :
A.
1
2
3
Die Beschwerdeführer wenden sich mit ihren - zur gemeinsamen Entscheidung
verbundenen - Verfassungsbeschwerden gegen die Ablehnung der Verbeamtung
aufgrund von Höchstaltersgrenzen. Sie sind angestellte Lehrkräfte im öffentlichen
Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Sie begehren die Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe, obwohl sie das 40. Lebensjahr bereits vollendet und
damit die laufbahnrechtliche Altersgrenze für die Einstellung überschritten haben.
I.
1. a) Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen werden in Nordrhein-
Westfalen, sofern die laufbahn- und sonstigen beamtenrechtlichen Voraussetzungen
vorliegen,
Land Nordrhein-Westfalen vom 15. Februar 2005 ). Sie
können auch als Tarifbeschäftigte nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst
der Länder (TV-L) angestellt werden (Runderlass des Ministeriums für Schule und
Weiterbildung vom 23. April 2007 - BASS 21-01 Nr. 11). Die Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe richtet sich unter anderem nach den Vorschriften der
Verordnung über die Laufbahnen der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen
(Laufbahnverordnung - LVO). Nach § 52 Abs. 1 der Laufbahnverordnung vom
23. November 1995 (GVBl 1996 S. 1) in der Fassung des Gesetzes vom 3. Mai 2005
(GVBl S. 498, im Folgenden a. F.) durfte in die Lehrerlaufbahnen als
Laufbahnbewerber in ein Beamtenverhältnis auf Probe nur eingestellt oder
übernommen werden, wer das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Nach § 84
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LVO a. F. konnten auf Antrag
der obersten Dienstbehörde durch Entscheidung des Innenministeriums und des
Finanzministeriums Ausnahmen von dem Höchstalter zugelassen werden.
b)
Diese
Vorschriften
der
Laufbahnverordnung
erklärte
das
Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 19. Februar 2009 - 2 C 18.07 -
(BVerwGE 133, 143) für unwirksam. Zwar seien Einstellungshöchstaltersgrenzen
grundsätzlich zulässig, da sie dem Lebenszeitprinzip als einem hergebrachten
Grundsatz des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) Rechnung trügen. Auch sei
die Ungleichbehandlung wegen des Alters im Sinne von § 10 Satz 1 des
Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) vom 14. August 2006 gerechtfertigt,
denn Altersgrenzen setzten Dienstzeit und Versorgungsanspruch in ein
angemessenes Verhältnis und trügen zur Absicherung des Lebenszeitprinzips bei.
Der Gesetzgeber müsse ihre Regelung einschließlich der Ausnahmetatbestände
jedoch selbst treffen. Da Einstellungshöchstaltersgrenzen im Beamtenrecht den
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Leistungsgrundsatz aus Art. 33 Abs. 2 GG einschränkten, dürften sie nicht
voraussetzungslos im Ermessen der Verwaltung stehen. Die an keinerlei Vorgaben
gebundene Ausnahmemöglichkeit des § 84 Abs. 1 LVO a. F. erfülle zudem nicht das
Gebot der Normenklarheit. Die zahlreichen Verwaltungserlasse zur Einhaltung der
Altersgrenzen überlagerten die verordnungsrechtliche Regelung.
2. a) Mit dem Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 21. April 2009
(GVBl S. 224) wurde ein neues Beamtengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen
(Landesbeamtengesetz - LBG) beschlossen, das am 1. April 2009 in Kraft trat. Die
darin enthaltene Ermächtigungsgrundlage für Vorschriften über die Laufbahnen
lautet:
§ 5 Vorschrift über die Laufbahnen
(1) Die Landesregierung erlässt unter Berücksichtigung der
Erfordernisse der einzelnen Verwaltungen durch Rechtsverordnung
Vorschriften
über
die
Laufbahnen
der
Beamten
(Laufbahnverordnung). Dabei sind, auch nach Maßgabe der §§ 7 bis
23, insbesondere zu regeln
1. die Voraussetzungen für die Ordnung von Laufbahnen,
2. … (12)
Die Landesregierung beschloss am 30. Juni 2009 in Artikel 1 der
Verordnung zur Änderung der Laufbahnverordnung und anderer
dienstrechtlicher Vorschriften (GVBl S. 381) auf Grund von § 5 Abs.
1 LBG eine Änderung der Laufbahnverordnung (im Folgenden LVO
2009). Sie hob die Altersgrenze zur Einstellung oder Übernahme in
das Beamtenverhältnis auf Probe an; in das Beamtenverhältnis
konnte danach berufen werden, wer das 40. Lebensjahr noch nicht
vollendet hatte. Zugleich regelte sie die Möglichkeiten des
Überschreitens der Höchstaltersgrenze neu. Die entsprechenden
Vorschriften der Laufbahnverordnung haben folgenden Wortlaut:
Abschnitt I Einleitende Vorschriften
§ 6
Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe
(1) Als Laufbahnbewerber nach § 5 Absatz 1 Buchstaben a und b
und g darf in das Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt oder
übernommen werden, wer das in den §§ 18 Absatz 1, 22 Absatz 1,
25 Absatz 1, 29 Absatz 1, 35 Absatz 1, 39 Absatz 1, 44 Absatz 1 und
52 Absatz 1 festgesetzte Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
(2) Hat sich die Einstellung oder Übernahme
a) wegen der Ableistung einer Dienstpflicht nach Artikel 12a GG,
b) wegen der Teilnahme an einem freiwilligen sozialen Jahr oder
c) wegen der Geburt eines Kindes oder wegen der tatsächlichen
Betreuung eines Kindes unter 18 Jahren,
d) wegen der tatsächlichen Pflege eines nach einem Gutachten pflegebedürftigen
sonstigen nahen Angehörigen, insbesondere aus dem Kreis der Eltern,
Schwiegereltern, Eltern der eingetragenen Lebenspartnerin oder des eingetragenen
Lebenspartners, Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner,
Geschwister sowie volljähriger Kinder verzögert, so darf die jeweilige Altersgrenze im
Umfang der Verzögerung überschritten werden.
Die jeweilige Altersgrenze darf bei Verzögerungen nach Satz 1
Buchstabe c um bis zu drei Jahre, bei mehreren Kindern höchstens
um bis zu sechs Jahre überschritten werden. Entsprechendes gilt für
Satz 1 Buchstabe d. Die jeweilige Altersgrenze nach Satz 1
Buchstabe c und d darf insgesamt höchstens um sechs Jahre
überschritten werden.
Das Höchstalter erhöht sich, wenn der Bewerber an dem Tage, an
dem er den Antrag gestellt hat, die Höchstaltersgrenze nicht
überschritten hatte und die Einstellung oder Übernahme innerhalb
eines Jahres nach der Antragstellung erfolgt.
(3) Schwerbehinderte Menschen und ihnen gemäß § 2 Absatz 3
Sozialgesetzbuch IX gleichgestellte behinderte Menschen dürfen bis
zum vollendetem 43. Lebensjahr eingestellt oder übernommen
werden.
(4) § 13 Absatz 3 des Bundespolizeibeamtengesetzes in der bis
zum 30. Juni 1976 geltenden Fassung und § 7 Absatz 6 des
Soldatenversorgungsgesetzes bleiben unberührt.
(5) Planstelleninhaber an Ersatzschulen dürfen in das
Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt werden, wenn sie das 55.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bei Auflösung einer
Ersatzschule nach § 111 Schulgesetz in den einstweiligen
Ruhestand
versetzte
Planstelleninhaber
dürfen
in
das
Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt werden, wenn sie das 60.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Abschnitt V
Besondere Vorschriften für Lehrer an Schulen sowie für
wissenschaftliche Mitarbeiter und Lehrkräfte für besondere Aufgaben
an Hochschulen
§ 52
Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe,
Probezeit
(1) Als Laufbahnbewerber darf in die in diesem Abschnitt
genannten Laufbahnen in das Beamtenverhältnis auf Probe
eingestellt oder übernommen werden, wer das 40. Lebensjahr noch
nicht vollendet hat.
(2) - (4) …
Abschnitt VIII
Übergangs- und Schlußvorschriften
§ 84
Ausnahmen
(1) …
(2) Ausnahmen von dem Höchstalter für die Einstellung oder
Übernahme in das Beamtenverhältnis nach § 6 Absatz 3 und 5, § 18
Absatz 1, § 22 Absatz 1, § 25 Absatz 1, § 29 Absatz 1, § 35 Absatz 1,
§ 39 Absatz 1, § 44 Absatz 1 und § 52 Absatz 1 können zugelassen
werden, und zwar
1. für einzelne Fälle oder Gruppen von Fällen, wenn der Dienstherr
ein erhebliches dienstliches Interesse daran hat, Bewerber als
Fachkräfte zu gewinnen oder zu behalten oder
2. für einzelne Fälle, wenn sich nachweislich der berufliche
Werdegang aus von dem Bewerber nicht zu vertretenden Gründen in
einem Maß verzögert hat, das die Anwendung der
Höchstaltersgrenze unbillig erscheinen ließe.
Ein erhebliches dienstliches Interesse im Sinne von Nummer 1
liegt insbesondere vor, wenn die Ausnahmeerteilung zur
Sicherstellung der Erledigung der öffentlichen Aufgabe erforderlich
ist.
(3) Über Ausnahmen von § 15 Absatz 2 Landesbeamtengesetz,
§ 10 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Buchstaben a, b und c, § 10
Absatz 4 und § 46 Absatz 2 sowie über Ausnahmen von der Dauer
der
Probezeit
anderer
Bewerber
entscheidet
der
Landespersonalausschuss, für die in § 37 Absatz 1 des
Landesbeamtengesetzes
bezeichneten
Beamten
die
Landesregierung. Über Ausnahmen von den übrigen in Absatz 1
und 2 genannten Vorschriften entscheiden für die Beamten
1. des Landes die oberste Dienstbehörde als Aufsichtsbehörde im
Einvernehmen
mit
dem
Innenministerium
und
dem
Finanzministerium,
2. der Landschaftsverbände, des Landesverbandes Lippe und des
Kommunalverbandes Ruhrgebiet das Innenministerium als
Aufsichtsbehörde,
3. der Gemeinden und der sonstigen Gemeindeverbände die
Aufsichtsbehörde, in den Fällen des § 40 Satz 1 Nummer 2 und
Nummer 4, § 41 sowie über die auf Gruppen bezogenen
6
7
Ausnahmen nach § 84 Absatz 2 Nummer 1 in Verbindung mit § 6 die
Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde,
4. der der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften,
Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, mit Ausnahme der
Gemeinden und Gemeindeverbände, die Aufsichtsbehörde, bei
Lehrern im Einvernehmen mit der Schulaufsichtsbehörde.
Diese Neuregelung der Laufbahnverordnung trat am 18. Juli 2009 in Kraft. Nicht
geändert wurde § 48 Abs. 1 der Landeshaushaltsordnung Nordrhein-Westfalen (LHO)
in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. April 1999 (GVBl S. 158). Demnach
bedürfen Einstellung und Versetzung von Beamtinnen und Beamten in den
Landesdienst der Einwilligung des Finanzministeriums, wenn die Bewerber ein von
der Landesregierung allgemein festzusetzendes Lebensalter überschritten haben,
welches sich nach den Verwaltungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung (VV zur
LHO, Runderlass des Finanzministeriums vom 30. September 2003, I 1 - 0125 - 3 - I 3
- 0079 - 0.2) richtet.
b) Während des laufenden verfassungsgerichtlichen Verfahrens wurde mit Wirkung
vom 8. Februar 2014 die Laufbahnverordnung vom 23. November 1995 (GVBl 1996
S. 1) durch die Verordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten im
Land Nordrhein-Westfalen (Laufbahnverordnung - LVO) vom 28. Januar 2014 (GVBl
S. 21, im Folgenden: LVO 2014) ersetzt. § 7 LVO 2014 benennt unter „Befähigung“
verschiedene Voraussetzungen für den Erwerb der Laufbahnbefähigung, § 8 LVO
2014 enthält nunmehr einheitliche Regelungen über die Höchstaltersgrenze für
Laufbahnbewerberinnen und -bewerber:
§ 8
Einstellung oder Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe
(1) Als Laufbahnbewerberin oder -bewerber nach § 7 Absatz 1
Nummer 1 bis 2 und 5 bis 7 darf in das Beamtenverhältnis auf Probe
eingestellt oder übernommen werden, wer das 40. Lebensjahr noch
nicht vollendet hat.
(2) Hat sich die Einstellung oder Übernahme wegen
1. der Ableistung einer Dienstpflicht nach Artikel 12a des
Grundgesetzes,
2. der Teilnahme an Maßnahmen im Sinne des § 34 Absatz 2 der
Freistellungs- und Urlaubsverordnung NRW vom 10. Oktober 2012
(GV. NRW. S. 2, ber. S. 92) oder
3. der Geburt eines Kindes oder wegen der tatsächlichen
Betreuung eines minderjährigen Kindes, oder
4. der tatsächlichen Pflege eines nach einem Gutachten
pflegebedürftigen sonstigen nahen Angehörigen, insbesondere aus
dem Kreis der Eltern, Schwiegereltern, Eltern der eingetragenen
Lebenspartnerin oder des eingetragenen Lebenspartners,
Ehegatten, der eingetragenen Lebenspartnerin oder des
eingetragenen Lebenspartners, Geschwister sowie volljähriger
Kinder verzögert, so darf die Altersgrenze im Umfang der
Verzögerung überschritten werden. Die Altersgrenze nach Absatz 1
darf bei Verzögerungen nach Satz 1 Nummer 3 um bis zu drei Jahre,
bei mehreren Kindern höchstens um bis zu sechs Jahre
überschritten werden. Entsprechendes gilt für Satz 1 Nummer 4. Die
Altersgrenze nach Absatz 1 darf bei Verzögerungen nach Satz 1
Nummer 3 und 4 insgesamt höchstens um sechs Jahre überschritten
werden. Absatz 3 findet keine Anwendung.
(3) Schwerbehinderte Menschen und ihnen gemäß § 2 Absatz 3
des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und
Teilhabe behinderter Menschen - vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S.
1046) gleichgestellte behinderte Menschen dürfen abweichend von
Absatz 1 auch eingestellt oder übernommen werden, wenn sie zwar
das 40. aber noch nicht das 43. Lebensjahr vollendet haben.
(4) § 7 Absatz 6 des Soldatenversorgungsgesetzes vom 16.
September 2009 (BGBl. I S. 3054) in der jeweils geltenden Fassung
bleibt unberührt.
(5) Planstelleninhaberinnen und -inhaber an Ersatzschulen dürfen
in das Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt werden, wenn sie
das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Bei Auflösung einer
Ersatzschule nach § 111 des Schulgesetzes NRW vom 15. Februar
2005 (GV. NRW. S. 102) in der jeweils geltenden Fassung in den
einstweiligen Ruhestand versetzte Planstelleninhaberinnen und -
8
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11
inhaber dürfen in das Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt
werden, wenn sie das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
(6) Das jeweilige Höchstalter erhöht sich, wenn die Bewerberin
oder der Bewerber an dem Tage, an dem sie oder er den Antrag auf
Einstellung oder Übernahme gestellt hat, das jeweilige Höchstalter
nicht vollendet hatte und die Einstellung oder Übernahme innerhalb
eines Jahres nach der Antragstellung erfolgt.
c) Der Unterschied zur vorherigen Regelung liegt hinsichtlich der
Einstellungsaltersgrenzen im Wesentlichen darin, dass der zuvor in § 6 Abs. 1 LVO
2009 vorgenommene Verweis auf verschiedene Normen entfällt und nunmehr für die
in § 8 Abs. 1 LVO 2014 genannten Laufbahnbewerber zusammengefasst ein
Einstellungshöchstalter festgelegt worden ist. Gegenstand der Neuregelung sind
wiederum verschiedene Ausnahmetatbestände. Mit der Neufassung wurde die
bisherige Regelung in § 52 LVO 2009 hinsichtlich der konkreten Altersgrenze für
Lehrkräfte entbehrlich, da diese von § 8 Abs. 1 LVO 2014 miterfasst ist.
3. Altersgrenzen für die Einstellung in das Beamtenverhältnis sind im Bund und in
den einzelnen Ländern, auch hinsichtlich ihrer Regelung durch Gesetz oder
Verordnung, unterschiedlich ausgestaltet:
a) Im Bundesbeamtengesetz (BBG) vom 14. Juli 1953 (BGBl I S. 551) war neben der
Pensionsgrenze (§ 41 Abs. 1 BBG) in § 9 Satz 1 Nr. 2 ein Mindestalter für die
Verbeamtung auf Lebenszeit von 27 Jahren vorgesehen, nicht aber
Höchstaltersgrenzen für die Einstellung. Diese finden sich erstmals in der Verordnung
über die Laufbahnen der Bundesbeamten (Bundeslaufbahnverordnung - BLV) vom
31. Juli 1956 (BGBl I S. 712) in den §§ 14, 17, 22 und 28 als Höchstalter für die
Einstellung in den Vorbereitungsdienst zwischen 30 und 35 Jahren, differenziert nach
Laufbahnen. Die Altersgrenze für den Vorbereitungsdienst war schließlich auf
Bundesebene laufbahnübergreifend bis Anfang des Jahres 2009 gemäß § 14 Abs. 2
der Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten
(Bundeslaufbahnverordnung - BLV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli
2002 (BGBl I S. 2459) grundsätzlich auf 32 Jahre festgelegt. Ermächtigungsgrundlage
hierfür war § 15 Abs. 1 Nr. 1 BBG in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März
1999 (BGBl I S. 675).
b) In der Neufassung der Bundeslaufbahnverordnung vom 12. Februar 2009 (BGBl I
S. 284) wurden keine Einstellungshöchstaltersgrenzen mehr geregelt. In der
12
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14
Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Inneren zur
Bundeslaufbahnverordnung vom 14. Juli 2009 (D 2 - 216 102/48; GMBl S. 1311) heißt
es insoweit (zu § 11 BLV), die Altersgrenzen hätten ein angemessenes Verhältnis
zwischen Ausbildung, Dienstzeit und Versorgung sicherstellen sollen. Die
Anknüpfung an das Alter sei bei den Vorbereitungsdiensten jedoch dienstrechtlich
nicht mehr sinnvoll, da neue Faktoren (besondere Qualifikationen, Fachkräftebedarf,
Berufserfahrungen in anderen Bereichen, wechselnde gesetzliche Altersgrenzen für
den Ruhestand) bei der Kosten-Nutzen-Analyse nicht ausreichend berücksichtigt
würden. Unberührt davon bleibe § 48 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) in
Verbindung mit dem Rundschreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23.
März 1995 (II A 2 - H 1224 - 5/95; GMBl 1996 S. 79): Nach § 48 BHO bedürfen
Einstellung und Versetzung von Beamten in den Bundesdienst der Einwilligung des
Bundesministeriums der Finanzen, wenn der Bewerber ein von dem Ministerium
„allgemein festzusetzendes Lebensalter“ überschritten habe. Dieses wird in dem
genannten Rundschreiben grundsätzlich auf das vollendete 40. Lebensjahr
festgesetzt.
c) Zum 1. April 2009 wurde auch die Mindestaltersgrenze von 27 Jahren für die
Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit in § 6 des Rahmengesetzes zur
Vereinheitlichung des Beamtenrechts (Beamtenrechtsrahmengesetz - BRRG) in der
Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 1999 (BGBl I S. 654) und in § 9 Abs. 1
Nr. 2 BBG aufgehoben und nicht in das neu erlassene Gesetz zur Regelung des
Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern in der Fassung vom 17.
Juni 2008 (Beamtenstatusgesetz - BeamtStG, BGBl I S. 1010) übernommen (vgl.
§§ 7, 10 BeamtStG). Die Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand sind nach
wie vor in § 51 BBG (in der Regel: Vollendung des 67. Lebensjahres) geregelt. Das
Beamtenstatusgesetz enthält dazu keine Regelung (vgl. § 25 BeamtStG).
d) In den Ländern sind Höchstaltersgrenzen für den Zugang zum Beamtenstatus
unterschiedlich geregelt, wobei teilweise erhebliche Abweichungen zwischen der
Einstellung in den Vorbereitungsdienst und in das Beamtenverhältnis auf Probe
bestehen. Regelmäßig sind Ausnahmemöglichkeiten bei Überschreiten der
jeweiligen Altersgrenzen vorgesehen, die an verschiedene Voraussetzungen
geknüpft und teilweise in das Ermessen des Dienstherrn gestellt sind.
aa) Baden-Württemberg bestimmt in § 48 Abs. 1 Satz 1 der
Landeshaushaltsordnung (LHO) vom 19. Oktober 1971 (GBl S. 428), geändert durch
Artikel 2 des Gesetzes vom 1. März 2010 (GBl S. 265), eine grundsätzliche
15
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18
19
Einstellungshöchstaltersgrenze von 42 Jahren für Beamte und Richter. Die
Laufbahnvorschriften,
die
zum
Teil
deutlich
niedrigere
Einstellungshöchstaltersgrenzen bestimmten, wurden aufgehoben (Art. 63 Abs. 1
Satz 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom 9. November
2010 ).
bb) In Bayern sind die Einstellungshöchstaltersgrenzen unmittelbar im
Landesbeamtengesetz geregelt und werden dort auf 45 Jahre festgelegt (Art. 23
Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes vom 29. Juli 2008 ).
cc) Nach § 29 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Laufbahnen der Beamtinnen und
Beamten des Landes Berlin vom 21. Juni 2011 (GVBl S. 266) können
Rechtsverordnungen über die Laufbahnen auch Höchstaltersgrenzen für die
Einstellung in den Vorbereitungsdienst bestimmen. Nach § 48 der
Landeshaushaltsordnung (LHO) Berlin in der Fassung vom 30. Januar 2009 (GVBl
S. 31, 486) bedürfen Einstellung und Versetzung von Beamten in den Dienst Berlins
der Einwilligung der für Inneres zuständigen Senatsverwaltung, wenn der Bewerber
ein vom Senat allgemein festzusetzendes Lebensalter überschritten hat, welches in
den Ausführungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung mit 50 Jahren angegeben
ist (Nr. 1 zu § 48 LHO).
dd) In Brandenburg ist die Höchstaltersgrenze für die Einstellung von Beamten in
den Vorbereitungsdienst auf 32 Jahre gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über
die Laufbahnen der Beamten des Landes Brandenburg vom 16. September 2009
(GVBl II S. 622) festgelegt, die auf der Grundlage von § 25 des Beamtengesetzes für
das Land Brandenburg vom 3. April 2009 (GVBl I S. 26) als „Vorschriften über die
Laufbahnen“ erlassen wurde. § 3 Abs. 2 Satz 1 des Beamtengesetzes in der Fassung
des Gesetzes über ergänzende Regelungen zur Neuordnung des Beamtenrechts im
Land Brandenburg vom 5. Dezember 2013 (GVBl I S. 1) sieht als Voraussetzung für
die Berufung in das Beamtenverhältnis allgemein ein Höchstalter von 47 Jahren vor.
ee) Bremen setzt im Laufbahnrecht für den Vorbereitungsdienst ein
Einstellungshöchstalter von 40 Jahren fest (§ 17 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über
die Laufbahnen der bremischen Beamtinnen und Beamten vom 9. März 2010
S. 249>). § 25 des Bremischen Beamtengesetzes vom 22. Dezember 2009 (GBl
2010, S. 17) ermächtigt zum Erlass von Vorschriften für die Gestaltung der
Laufbahnen.
ff) In Hamburg gelten Einstellungshöchstaltersgrenzen von 45 Jahren für das
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Beamtenverhältnis auf Probe beziehungsweise von 40 Jahren für den
Vorbereitungsdienst (§ 5 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 der
Verordnung über die
Laufbahnen der hamburgischen Beamtinnen und Beamten vom 22. Dezember
2009 <
Satz 1 des Hamburgischen Beamtengesetzes vom 15. Dezember 2009
S. 405>) erlässt der Senat durch Rechtsverordnung Vorschriften über die
Laufbahnen, wobei unter anderem Altersgrenzen für die Einstellung in einen
Vorbereitungsdienst und in ein Beamtenverhältnis auf Probe geregelt werden sollen
(§ 25 Satz 2 Nr. 4).
gg) In Hessen legte die Laufbahnverordnung bis zum Februar 2014 für Beamte ein
Einstellungshöchstalter von 35 Jahren für den Vorbereitungsdienst des mittleren,
gehobenen und höheren Dienstes fest (§ 13 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 und
§ 17 Abs. 1 Satz 1 der Hessischen Laufbahnverordnung vom 18. Dezember 1979
). In der Neuregelung der Hessischen Laufbahnverordnung vom 17.
Februar 2014 (GVBl S. 57) ist eine allgemeine Altersgrenze für die Einstellung in das
Beamtenverhältnis von 50 Jahren vorgesehen (§ 11 Abs. 1 Satz 1). § 23 Abs. 2 Nr. 4
und 5 des Hessischen Beamtengesetzes in der Fassung vom 27. Mai 2013 (GVBl
S. 218) ermöglicht die Festsetzung von Höchstaltersgrenzen für die Einstellung und
Versetzung von Beamten sowie die Einstellung in den Vorbereitungsdienst.
hh) Mecklenburg-Vorpommern sieht ein Einstellungshöchstalter von 40 Jahren
allgemein für die Einstellung als Beamter auf Probe vor (§ 26 Abs. 1 Satz 1 der
Landesverordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten in
Mecklenburg-Vorpommern vom 29. September 2010 in der Fassung
der Änderungsverordnung vom 16. Juni 2014 ). Mit Wirkung zum
1. November 2014 wurden die Höchstaltersgrenzen für den Vorbereitungsdienst in
§ 8a der Verordnung auf 35 Jahre festgelegt (GVBl S. 297). § 25 des
Beamtengesetzes für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 17. Dezember 2009
(GVBl S. 687) ermächtigt allgemein zum Erlass von Vorschriften für die Gestaltung
der Laufbahnen. Gesondert geregelt wird für die Verbeamtung von Lehrkräften eine
Altersgrenze von 40 Jahren in § 7 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Laufbahnen
der Fachrichtung Bildungsdienst im Land Mecklenburg-Vorpommern vom 21. Januar
2014 (GVBl S. 39).
ii) Niedersachsen sieht Einstellungshöchstaltersgrenzen von 40 Jahren für den
Vorbereitungsdienst und von 45 Jahren für das Beamtenverhältnis auf Probe vor
(§ 16 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Laufbahnverordnung vom
23
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25
26
30. März 2009 ). Nach der Ermächtigungsgrundlage (§ 25 Nr. 8 des
Niedersächsischen Beamtengesetzes vom 25. März 2009 ) regelt die
Landesregierung durch Verordnung Höchstaltersgrenzen für die Einstellung in einen
Vorbereitungsdienst und in ein Beamtenverhältnis auf Probe.
jj) In Rheinland-Pfalz werden die Einstellungshöchstaltersgrenzen unmittelbar im
Landesbeamtengesetz geregelt und für das Beamtenverhältnis auf Probe oder auf
Lebenszeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 des Landesbeamtengesetzes von Rheinland-
Pfalz vom 20. Oktober 2010 (GVBl S. 319) auf 45 Jahre festgelegt. Für den
Vorbereitungsdienst (Beamtenverhältnis auf Widerruf) gilt eine Altersgrenze von 40
Jahren (§ 19 Abs. 1 Satz 2).
kk) Im Saarland bestimmt § 12 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Laufbahnen der
Beamtinnen und Beamten im Saarland vom 27. September 2011 (Amtsbl. I S. 312)
eine Einstellungshöchstaltersgrenze von 40 Jahren für das Beamtenverhältnis auf
Probe. Die Ermächtigungsgrundlage (§ 9 Abs. 1 des Saarländischen
Beamtengesetzes vom 11. März 2009 ) sieht den Erlass von
Vorschriften über die Laufbahnen vor.
ll) Sachsen normierte bis Oktober 2014 eine Einstellungshöchstaltersgrenze von 32
Jahren für den Vorbereitungsdienst des mittleren, gehobenen und höheren Dienstes
in § 17 Abs. 1, § 21 Abs. 1, § 26 Abs. 1 der Verordnung der Sächsischen
Staatsregierung über die Laufbahnen der Beamten und Richter im Freistaat Sachsen
vom 28. Juli 2009 (GVBl S. 458). Die Neufassung der Laufbahnverordnung vom 16.
September 2014 (GVBl S. 530, 532) sieht Einstellungshöchstaltersgrenzen von 35
Jahren für den Vorbereitungsdienst und die Berufung in das Beamtenverhältnis auf
Probe für die Fachrichtung Polizei vor (§ 31 Abs. 3 und 4). Aufgrund Artikel 1 des
Gesetzes zur Neuordnung des Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrechts im
Freistaat Sachsen vom 18. Dezember 2013 (GVBl S. 970) ist in § 7 Abs. 1 Satz 1 des
Sächsischen Beamtengesetzes für die Berufung in das Beamtenverhältnis eine
allgemeine Altersgrenze von 47 Jahren vorgesehen.
mm) In Sachsen-Anhalt gilt ein Einstellungshöchstalter von 45 Jahren für das
Beamtenverhältnis auf Probe oder auf Lebenszeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung
über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten im Land Sachsen-Anhalt vom
27. Januar 2010 ). Nach § 27 Satz 1 des Beamtengesetzes des Landes
Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2009 (GVBl S. 648) regelt die Landesregierung
„durch Verordnung die Laufbahnen“. Nach § 27 Satz 3 kann für die Einstellung in das
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30
Beamtenverhältnis auf Probe und das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit eine
Altersgrenze festgelegt werden.
nn) Schleswig-Holstein sieht im Haushaltsrecht einen Einwilligungsvorbehalt des
Finanzministeriums bei Überschreiten eines Alters von 45 Jahren bei Einstellung von
Beamtinnen und Beamten in den Landesdienst vor (§ 48 Abs. 1 der
Landeshaushaltsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 1992
). Die Landesverordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und
Beamten in Schleswig-Holstein vom 19. Mai 2009 (GVBl S. 236) beinhaltet keine
Höchstaltersgrenzen, dafür ist in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Landesverordnung über
die Laufbahnen der Lehrerinnen und Lehrer vom 30. Januar 1998 (GVBl S. 125)
gesondert eine Altersgrenze von 45 Jahren für das Beamtenverhältnis auf Probe
vorgesehen.
oo) In
den Vorbereitungsdienst von 32 Jahren (§ 35 Nr. 1 der Thüringer Verordnung über
die Laufbahnen der Beamten vom 7. Dezember 1995 ) auf der
Grundlage von § 13 Abs. 1 des Thüringer Beamtengesetzes vom 20. März 2009
(GVBl S. 238). Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 des Thüringer Gesetzes über die Laufbahnen
der Beamten vom 12. August 2014 (GVBl S. 472, 498) mit Wirkung zum 1. Januar
2015 dürfen Bewerber bei der Einstellung in ein Beamtenverhältnis auf Probe „das
Lebensjahr, das 20 Jahre vor dem in der jeweiligen Laufbahn gesetzlich festgelegten
Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze liegt,
noch nicht vollendet haben“.
e) Auf der Ebene der Europäischen Union wurde die ursprünglich vorgesehene
Höchstaltersgrenze von 45 Jahren bei von der Kommission durchgeführten
Auswahlverfahren ab dem 10. April 2002 abgeschafft: Die Charta der Grundrechte der
Europäischen Union (Grundrechtecharta - EuGRCh) verbiete Altersgrenzen, weil
damit eine Diskriminierung wegen des Alters verbunden sei. Die Kommission tritt für
die Abschaffung von Altersgrenzen in allen europäischen Organen ein (vgl. die
Personalreform der Europäischen Kommission, „Eine Verwaltung im Dienst einer
halben Milliarde europäischer Bürger“, abgerufen am 25. Februar 2015 unter
(http://ec.europa.eu/reform/2002/documents/staff_reform_2002_de.pdf, S. 7).
II.
1. a) Der Beschwerdeführer zu I. ist 1963 geboren. Er übte zunächst den Beruf des
Gestalters aus und studierte von 1991 bis 1997 Malerei und Grafik. Im Anschluss an
31
32
die Diplomprüfung war er als Theaterdekorierer, Handweber und Textilgestalter tätig.
Nach Anerkennung seines Diploms als Erste Staatsprüfung für das Lehramt an
Berufskollegs (Fächer: Gestaltungstechnik und Kunst) wurde er im Jahr 2004 im
öffentlichen Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen angestellt. Von 2005 bis
2007 absolvierte er den berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst für das Lehramt an
Berufskollegs und schloss diesen mit der Zweiten Staatsprüfung ab. Im Anschluss
wurde er als angestellter Lehrer beschäftigt.
b) Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009
(BVerwGE 133, 143) beantragte der Beschwerdeführer zu I. im Mai 2009 - in seinem
47. Lebensjahr - die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Die
Bezirksregierung lehnte den Antrag im Oktober 2009 mit Bezug auf die Neuregelung
der Laufbahnverordnung ab. Die hiergegen erhobene Klage wies das
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen durch Urteil vom 10. November 2010 - 1 K
5181/09 - unter Hinweis auf das Überschreiten der laufbahnrechtlichen
Höchstaltersgrenze ab.
c) Die dagegen gerichtete Sprungrevision des Beschwerdeführers zu I. wies das
Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 23. Februar 2012 - 2 C 79.10 - (juris) als
unbegründet zurück. Der Antrag auf Verbeamtung sei zwar früher gestellt worden,
aber dennoch nach der am 18. Juli 2009 in Kraft getretenen Neuregelung der
Höchstaltersgrenzen zu beurteilen. Maßgeblich sei das im Zeitpunkt der gerichtlichen
Entscheidung anwendbare Recht. § 6, § 52 Abs. 1, § 84 Abs. 2 LVO 2009 stünden in
Einklang mit Verfassungs- und Unionsrecht. Der vom Lebensalter abhängige Zugang
zur Lehrerlaufbahn knüpfe zwar an ein nicht von Art. 33 Abs. 2 GG gedecktes
Kriterium an. Das aus dem Lebenszeit- und Alimentationsprinzip des Art. 33 Abs. 5
GG folgende Interesse des Dienstherrn an einem ausgewogenen zeitlichen
Verhältnis zwischen Dienst- und Ruhestandszeit rechtfertige jedoch die
Einschränkung des Leistungsgrundsatzes. Die durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte
Ausstattung der Altersversorgung und ihr Zusammenhang mit der auf das gesamte
Berufsleben ausgerichteten Dienstleistungspflicht des Beamten verliehen dem
Interesse an angemessen langen Dienstzeiten einen verfassungsrechtlichen
Stellenwert. Die Festlegung der angemessenen Lebensdienstzeit bis zur
Altersversorgung sei Sache des Gesetz- beziehungsweise Verordnungsgebers, dem
ein weiter Einschätzungsspielraum zustehe: Die Altersgrenzen für die Einstellung in
das Beamtenverhältnis und für den Eintritt in den Ruhestand verfolgten dabei
dieselbe Zielsetzung, so dass sich die für ihre Rechtfertigung bedeutsamen
33
34
35
Erwägungen deckten. Die Dienstzeit von ungefähr 20 Jahren, die derzeit für die
Erdienung des nach fünf Dienstjahren gewährten Mindestruhegehalts erforderlich sei,
stelle eine Orientierungshilfe für die Bestimmung der Einstellungshöchstaltersgrenze
dar. Deren Festlegung könne der Gesetzgeber auf den Verordnungsgeber
übertragen: Die gesetzliche Ermächtigung des § 5 Abs. 1 LBG genüge dem Vorbehalt
des
Parlamentsgesetzes,
da
Regelungen
über
Höchstaltersgrenzen
herkömmlicherweise zum Laufbahnwesen der Beamten zählten. Die in der
Laufbahnverordnung festgelegte Höchstaltersgrenze eröffne mit einem zeitlichen
Korridor von mehr als zehn Jahren in ausreichendem Maße auch Bewerbern mit
außergewöhnlichem Lebensweg die Möglichkeit der Verbeamtung. Die
Ausnahmeregelungen seien inhaltlich hinreichend konkretisiert und genügten dem
Gebot der Normenklarheit.
2. a) Die 1959 geborene Beschwerdeführerin zu II. legte 1984 die Erste und 1987
die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt (Sekundarstufe I und II) ab. Nach
Kindererziehungszeiten war sie ab 1992 zunächst befristet, ab 1995 unbefristet als
Lehrkraft im katholischen Ersatzschuldienst tätig. Seit 2001 ist die
Beschwerdeführerin im Schuldienst des Landes angestellt. Ein Antrag auf
Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe im Jahr 2004 blieb erfolglos. Derzeit
ist die Beschwerdeführerin an einem Gymnasium tätig.
b) Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009
(BVerwGE 133, 143) beantragte sie im Mai 2009 - in ihrem 50. Lebensjahr - erneut
die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Die Bezirksregierung lehnte den
Antrag mit Bezug auf die neu gefasste Laufbahnverordnung im August 2009 ab. Die
hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Köln mit Urteil vom 7. Juli
2010 - 3 K 5879/09 - unter Verweis auf die laufbahnrechtliche Höchstaltersgrenze ab.
Die von dem Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Beschwerdeführerin wies
das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 2.
Dezember 2010 - 6 A 1695/10 - auf der Grundlage von § 130a VwGO als
unbegründet zurück. Maßgeblich sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung. Die Beschwerdeführerin habe nach dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2009 nicht darauf vertrauen dürfen, das
Land werde keine neue Höchstaltersgrenze regeln. Die Neuregelung sei mit
höherrangigem Recht vereinbar und wirksam.
c) Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hatte keinen Erfolg
(Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. März 2012 - 2 B 26.11 -, juris).
36
37
§ 5 Abs. 1 Satz 1 LBG genüge dem Vorbehalt des Parlamentsgesetzes und umfasse
die Regelung von Höchstaltersgrenzen, die herkömmlicherweise zum
Laufbahnwesen der Beamten zählten. Die Neuregelung der Laufbahnverordnung
ermögliche eine Überschreitung der Altersgrenze in typischen Fällen, ohne sie in das
Ermessen der Verwaltung zu stellen (§ 6 LVO 2009). Auch die zusätzlichen
Ausnahmeregelungen in Einzelfällen (§ 84 Abs. 2 LVO 2009) genügten dem Gebot
der Normenklarheit, ohne dass im Revisionsverfahren alle einzelfallbezogenen
Aspekte der Rechtsanwendung geklärt werden könnten. Eine Verpflichtung des
Verordnungsgebers, die Ausnahmeregelungen auf die berufliche Tätigkeit an einer
Ersatzschule zu erweitern, sei nicht ersichtlich. Höchstaltersgrenzen stellten eine
Ungleichbehandlung wegen des Alters dar, die durch das Interesse des Dienstherrn
an einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Lebensdienst- und Ruhestandszeit
gerechtfertigt und auch unionsrechtlich im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe
c der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines
allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung
und Beruf (ABl. L 303 vom 2. Dezember 2000, S. 16 ff.; im Folgenden: RL 2000/78/EG
oder Richtlinie 2000/78/EG) zulässig sei.
III.
1. Die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zu I. richtet sich unmittelbar
gegen die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen sowie den Bescheid der
Bezirksregierung, mittelbar gegen § 6, § 52 Abs. 1 und § 84 Abs. 2 LVO 2009. Der
Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG sowie Art. 33 Abs. 2 und
Abs. 4 GG.
Er ist der Auffassung, die Neuregelung sei verfassungs- und unionsrechtswidrig. Die
Höchstaltersgrenze beeinträchtige den Leistungsgrundsatz aus Art. 33 Abs. 2 GG, da
sie älteren Bewerbern den Zugang zum Amt verwehre. Sie sei zudem unvereinbar mit
Unionsrecht, weil sie nicht im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c RL
2000/78/EG
endgültig von dem angestrebten Beruf aus, ohne dass er dies beeinflussen könne.
Dies sei weder mit Pensionsgrenzen noch mit Höchstaltersgrenzen wegen
besonderer körperlicher Anforderungen, zum Beispiel für Polizeibeamte oder
Feuerwehrleute, vergleichbar. Unentbehrlich sei die Festlegung eines
Einstellungshöchstalters gerade nicht. Dies zeige die Abschaffung der
Altershöchstgrenzen im Bundesbeamtendienst. Auch eine Anpassung des
Versorgungsrechts sei möglich. Die rein fiskalischen Interessen des Dienstherrn an
38
39
einer Begrenzung der Versorgungslast rechtfertigten den Verstoß gegen Art. 33 Abs.
2 GG nicht. Auch sei die Anrechnungsfähigkeit der Renten gemäß § 55 Abs. 2 des
Landesbeamtenversorgungsgesetzes (LBeamtVG) zu berücksichtigen. Die Schaffung
und Erhaltung ausgewogener Altersstrukturen könne die Höchstaltersgrenzen schon
deswegen nicht rechtfertigen, weil das Land eine große Anzahl von Lehrern im
Angestelltenverhältnis beschäftige. Der Verordnungsgeber habe bei der Neuregelung
der Laufbahnverordnung die widerstreitenden Verfassungsgüter nicht ausreichend
gewichtet. Insbesondere werde die Festlegung der konkreten Altersgrenze nicht
hinreichend begründet.
2. Die Beschwerdeführerin zu II. wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde
gegen die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen und den Bescheid der
Bezirksregierung sowie mittelbar gegen § 6 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 84
Abs. 2 LVO in der seit dem 18. Juli 2009 geltenden Fassung. Sie rügt mit ihrer
Verfassungsbeschwerde die Verletzung von Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 3 Abs. 1 GG, Art.
2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 80 und Art. 20 Abs. 1 und 3 GG, Art. 19 Abs. 4 GG
sowie Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
Die
Laufbahnverordnung
sei
verfassungswidrig.
Zur
Regelung
von
Höchstaltersgrenzen wäre aufgrund der damit verbundenen Grundrechtseingriffe und
des Verbots der Altersdiskriminierung ein Parlamentsgesetz erforderlich gewesen.
§ 5 Abs. 1 LBG stelle auch keine wirksame Ermächtigungsgrundlage dar, da die
Vorschrift sich nicht mit dem Verbot der Altersdiskriminierung befasse und zu
unbestimmt sei. Die Altersgrenze stelle im Rahmen von Art. 33 Abs. 2 GG eine
eignungswidrige Ungleichbehandlung dar, die nicht durch kollidierendes
Verfassungsrecht, insbesondere hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums,
gerechtfertigt werde. Eine möglichst lange aktive Dienstzeit sei angesichts der
Lebens- und Berufserfahrung langjährig angestellter Lehrer nicht geboten. Das
angemessene Verhältnis zwischen Arbeitsleistung und Versorgungsansprüchen sei
aufgrund der Anrechnung der Rentenansprüche langjährig angestellter Lehrer gemäß
§ 14 Abs. 5 LBeamtVG gewährleistet. Das Lebenszeitprinzip diene allein der
Sicherung der Unabhängigkeit des Beamten, gewährleiste aber nicht eine bestimmte
Dauer oder einen möglichst frühen Beginn des Beamtendaseins. Der Zweck der
sparsamen Haushaltsführung dürfe nicht zu einer Diskriminierung beitragen. Eine
plausible und nachvollziehbare Planung bezüglich ausgewogener Altersstrukturen im
öffentlichen Dienst von Nordrhein-Westfalen existiere nicht. Nach alledem erfordere
das Problem der Altersdiskriminierung eine Bewältigung durch den Gesetzgeber,
40
41
42
43
insbesondere im Hinblick auf Art. 33 Abs. 2 GG.
IV.
Zu den Verfassungsbeschwerden haben die Landesregierung Nordrhein-Westfalen,
der Deutsche Beamtenbund (dbb - beamtenbund und tarifunion), der Christliche
Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB) gemeinsam mit dem Verein katholischer
deutscher Lehrerinnen (VkdL) sowie die Vereinigung der KorrekturfachlehrerInnen
e.V. Stellung genommen.
1. a) Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hält die Verfassungsbeschwerden
für unbegründet. § 5 Abs. 1 LBG sei als hinreichende Ermächtigungsgrundlage für die
Festlegung von Höchstaltersgrenzen in der Laufbahnverordnung anzusehen. Es
begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die Höchstaltersgrenzen nicht
durch ein formelles Gesetz, sondern durch Rechtsverordnung festzulegen. Die Norm
ermächtige die Landesregierung nicht nur zum Erlass von Vorschriften über die
Laufbahnen der Beamten im Sinne einer Handlungserlaubnis; vielmehr handele es
sich nach dem eindeutigen Wortlaut um einen Auftrag des Gesetzgebers an die
Landesregierung, eine Laufbahnverordnung zu erlassen.
b) In Nordrhein-Westfalen habe zu keinem Zeitpunkt eine durch Parlamentsgesetz
unmittelbar verankerte Höchstaltersgrenze für die Übernahme in das
Beamtenverhältnis auf Probe bestanden; vielmehr sei die Festlegung der
Altersgrenzen jeweils durch Rechtsverordnung erfolgt, die sich auf wechselnde
gesetzliche Ermächtigungen in den einschlägigen Beamtengesetzen gestützt hätten.
Altersgrenzen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe in Nordrhein-
Westfalen gehörten zum tradierten Kernbestand des durch Laufbahnverordnung
konkretisierten Laufbahnrechts. Dieser Befund korrespondiere mit der Rechtslage in
anderen Bundesländern. In der Mehrzahl der Länder existierten Höchstaltersgrenzen,
die entweder in den Beamtengesetzen selbst oder auf der Grundlage
landesgesetzlicher Ermächtigungen in den Laufbahnverordnungen festgelegt worden
seien.
c) Der Verordnungsgeber sei bei der Neuregelung veranlasst gewesen, eine
sorgfältige Abwägung der widerstreitenden Gesichtspunkte vorzunehmen. In
Nordrhein-Westfalen seien Lehrerinnen und Lehrer an öffentlichen Schulen aufgrund
der Regelung des § 57 Abs. 5 Satz 2 SchulG überwiegend, jedoch nicht
ausschließlich im Beamtenverhältnis beschäftigt. Im Schuljahr 2012/13 seien von
insgesamt 200.244 Lehrkräften 77,2 % (154.667) Beamte gewesen, die übrigen seien
44
45
im Angestelltenverhältnis oder mit Gestellungsverträgen tätig gewesen. Hinsichtlich
der Gründe, weshalb im Einzelfall keine Verbeamtung erfolgt sei, zeige sich ein
differenziertes Bild. Neben der Beschäftigung von Lehrkräften, die die Altersgrenze
für eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe überschritten hätten und bei
denen
weder
anerkannte
Verzögerungsgründe
noch
ein
sonstiger
Ausnahmetatbestand vorlägen, könnten das Fehlen einer vollständigen
Lehramtsbefähigung, befristete Beschäftigung oder andere Gründe zum Tragen
kommen. Genauere Erhebungen hierzu existierten nicht.
d) Prägende Strukturmerkmale des Berufsbeamtentums seien nach der gefestigten
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neben der Verankerung des
besonderen Dienst- und Treueverhältnisses vor allem die hauptberufliche
Beschäftigung
auf
Lebenszeit
und
das
hiermit
korrespondierende
Alimentationsprinzip. Die hauptberufliche Beschäftigung auf Lebenszeit setze
regelmäßig voraus, dass der Beamtenstatus nicht irgendwann und nur kurzzeitig,
sondern mit einer auf die überwiegende Zeitspanne der ausgeübten Berufstätigkeit
ausgerichteten Perspektive verliehen werde. Das Alimentationsprinzip beinhalte die
Elemente Dienstbezüge, Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung. Bei ihnen
handele es sich um die vom Staat festzulegende Gegenleistung des Dienstherrn
dafür, dass sich der Beamte ihm zur Verfügung stelle und seine Dienstpflichten nach
Kräften erfülle. Zwischen der Dauer der Dienstleistung und dem Anspruch auf
amtsangemessene Alimentation bestehe ein notwendiger und unauflöslicher
Zusammenhang, so dass dem Anspruch auf Versorgung ein Mindestmaß an
nachhaltiger Dienstleistung entsprechen müsse. Die konkrete Altersgrenze müsse
dabei den widerstreitenden Verfassungsprinzipien des Art. 33 Abs. 2 und Abs. 5 GG
gerecht werden. Insbesondere seien hierbei die zeitliche Relation zwischen aktiver
Dienstzeit und Ruhestandszeit sowie Haushaltsmehraufwendungen zu bedenken.
2. a) Der Deutsche Beamtenbund (dbb - beamtenbund und tarifunion) hält die
Höchstaltersgrenzen für verfassungs- und unionsrechtlich zulässig, sofern bestimmte
Maßgaben beachtet würden. Altersmäßige Begrenzungen für die Ernennung zum
Beamten stünden grundsätzlich im Konflikt zum Leistungsgrundsatz des Art. 33
Abs. 2 GG. Eine Korrektur dieses Prinzips sei nur durch eine gleichrangige, das heißt
ebenfalls verfassungsmäßige Regelung möglich. Diese liege in Art. 33 Abs. 5 GG
und in den dort verankerten hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums,
hier konkret dem Lebenszeitprinzip. Im Wege der praktischen Konkordanz müssten
beide Prinzipien zum Ausgleich gebracht werden. Das bedeute, dass im aktiven
46
47
Dienstverhältnis mindestens der Zeitraum verbracht werden müsse, innerhalb dessen
die sogenannte Mindestversorgung erdient werde. Dies werde über das
Einstellungshöchstalter realisiert. Bei der Festlegung von Altersgrenzen seien
allerdings besondere, vom Regelfall abweichende berufliche Verläufe oder familiäre
Aspekte, insbesondere Kindererziehung, zu berücksichtigen. Das Lebenszeitprinzip
als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG
gewährleiste unter anderem die rechtliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit des
Beamten. Zu diesem Zweck sei das Beamtenverhältnis ein auf Lebenszeit
angelegtes Dienst- und Treueverhältnis, das den Schutz der auf Lebenszeit
berufenen Beamten vor Entlassung sowie im Zusammenwirken mit dem
Alimentationsprinzip die amtsangemessene Besoldung und lebenslange Versorgung
sichere, was sich unter anderem aus der Entscheidung des Zweiten Senats vom 28.
Mai 2008 - 2 BvL 11/07 - (BVerfGE 121, 205) ergebe. Lebenslange Versorgung und
die auf das Berufsleben ausgerichtete Dienstleistungspflicht der Beamtinnen und
Beamten verliehen dem Interesse an angemessen langer „echter Dienstzeit“ vor dem
Eintritt in den Ruhestand einen verfassungsrechtlichen Stellenwert. Problematisch sei
allerdings, wo diese Altersgrenze zu liegen habe. Zunehmend bestehe ein Bedürfnis
nach einem flexibleren Rahmen für die Einstellung auch für untypische Biografien.
Die Gymnasien würden zukünftig darauf angewiesen sein, auch attraktiv für
Nachwuchskräfte aus den Universitäten und aus der Wirtschaft zu sein, die häufig
eine Höchstgrenze von 40 oder nur 35 Jahren für eine Verbeamtung überschritten
hätten.
b) Die Altersgrenze müsse aber auch ein angemessenes Verhältnis
Dienstzeit des Beamten und dem Anspruch auf Versorgung während des Ruhestands
gewährleisten, um dem Lebenszeit- beziehungsweise Alimentationsprinzip gemäß
Art. 33 Abs. 5 GG gerecht zu werden. Maßgeblich sollte der Zeitraum sein, der
erforderlich sei, um das Mindestruhegehalt nach § 14 Abs. 4 Satz 1 LBeamtVG zu
erdienen. Die Mindestversorgung beruhe auf dem Alimentationsprinzip und solle auf
der Basis des prinzipiell auf Lebenszeit angelegten Dienstverhältnisses die Existenz
des Beamten und seiner Angehörigen sichern. In Anwendung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes
erscheine
es
notwendig,
über
das
Einstellungshöchstalter sicherzustellen, dass die Mindestversorgung durch
Dienstzeiten gedeckt sei. Demnach sei die Höchstaltersgrenze an der
Regelaltersgrenze von 67 Jahren zu messen.
3. Der Verein katholischer deutscher Lehrerinnen (VkdL) hat gemeinsam mit dem
48
49
50
Christlichen Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB) Stellung genommen. Die in der
Laufbahnverordnung Nordrhein-Westfalen festgelegte Höchstaltersgrenze bezüglich
der Verbeamtung von Lehrkräften verstoße gegen Verfassungsrecht. Gleiches gelte
für die verwaltungsgerichtlichen und sonstigen Entscheidungen, die in Anwendung
dieser Normen getroffen worden seien. Insbesondere seien diese Normen als
Verstoß gegen die Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
sowie gegen Art. 33 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3, Art. 3 und Art. 80 GG anzusehen. Die
Übertragung der Regelungsbefugnis auf die Exekutive sei hinsichtlich der
beamtenrechtlichen Höchstaltersgrenzen sachlich unangemessen und nicht
verfassungskonform. Der Grundrechtsbezug der infrage stehenden Normen sei im
Hinblick auf eine mögliche Diskriminierung aufgrund des Alters und aufgrund des
Geschlechts (Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2 GG) offensichtlich und erfordere allein aus
diesem Grunde eine Regelung durch ein Parlamentsgesetz. Die Festlegung eines
Höchstalters als Zugangsvoraussetzung zu einem öffentlichen Amt stelle einen
Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG dar. Das Alter sei als taugliches Eignungskriterium
abzulehnen, da es den Anforderungen des Amtes einer Lehrkraft grundsätzlich nicht
entgegenstehe. In der Regel verfügten ältere Lehrkräfte aufgrund ihrer langjährigen
Lebens- und Berufserfahrung sogar über ein besonderes Maß an Reife, das im
Lehrerberuf von Vorteil sei. Da die nichtbeamteten Lehrkräfte mehrheitlich bereits
jahrelang als Tarifbeschäftigte im Schuldienst tätig gewesen seien, sei auch die
Anrechnung der in diesem Rahmen erworbenen Rentenansprüche zu beachten.
4. Die Vereinigung der KorrekturfachlehrerInnen e.V. schließt sich den
Ausführungen in der Verfassungsbeschwerdeschrift inhaltlich an. Die derzeitige
Altersgrenze von 40 Jahren für die Verbeamtung in Nordrhein-Westfalen sei
verfassungsrechtlich nicht haltbar.
V.
Richter Maidowski ist in beiden Verfahren aufgrund der Mitwirkung an den jeweils
angegriffenen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts von der Ausübung
des Richteramtes gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 BVerfGG ausgeschlossen.
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig. Sie wurden insbesondere trotz
geringfügiger Übertragungsfehler bei der Faxsendung innerhalb der Frist des § 93
Abs. 1 Satz 1 BVerfGG erhoben. Der insoweit vorsorglich gestellte
Wiedereinsetzungsantrag des Beschwerdeführers zu I. nach § 93 Abs. 2 BVerfGG
bedarf daher keiner Entscheidung.
51
52
C.
Die Verfassungsbeschwerden sind begründet. Die durch die Verordnung über die
Laufbahnen der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen vom 23. November 1995
(GVBl 1996 S. 1) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der
Laufbahnverordnung und anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 2009
des Landes Nordrhein-Westfalen (GVBl S. 381) auf der Grundlage des § 5 Abs. 1
Satz 1 Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 21. April
2009 (GVBl S. 224) festgelegten Höchstaltersgrenzen für die Einstellung in das
Beamtenverhältnis auf Probe sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, weil es an
einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage fehlt. Die Regelungen der § 6
Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und § 84 Abs. 2 LVO 2009, nach denen die Einstellung
aufgrund des erreichten Lebensalters verweigert werden kann, verstoßen insoweit
gegen Art. 33 Abs. 2 GG. Die auf diesen Vorschriften beruhenden gerichtlichen und
behördlichen Entscheidungen verletzen daher die Beschwerdeführer in ihrem
grundrechtsgleichen Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG.
I.
1. a) Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für
die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu
treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu
überlassen (vgl. BVerfGE 49, 89 <126>; 61, 260 <275>; 83, 130 <142>; 108, 282
<311>; stRspr). Wann es aufgrund der Wesentlichkeit einer Entscheidung einer
Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, hängt vom jeweiligen
Sachbereich und der Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstandes ab. Die
verfassungsrechtlichen Wertungskriterien sind dabei den tragenden Prinzipien des
Grundgesetzes, insbesondere den darin verbürgten Grundrechten zu entnehmen (vgl.
BVerfGE 49, 89 <127>; 98, 218 <251>; 108, 282 <311>; BVerfG, Beschluss des
Zweiten Senats vom 1. April 2014 - 2 BvF 1/12, 2 BvF 3/12 -, juris, Rn. 101 f.). Danach
bedeutet wesentlich im grundrechtsrelevanten Bereich in der Regel „wesentlich für
die Verwirklichung der Grundrechte“ (vgl. BVerfGE 47, 46 <79>; 98, 218 <251>,
jeweils m.w.N.). Als wesentlich sind also Regelungen zu verstehen, die für die
Verwirklichung von Grundrechten erhebliche Bedeutung haben (BVerfGE 95, 267
<308>) und sie besonders intensiv betreffen (vgl. BVerfGE 58, 257 <274>). Die
Tatsache, dass eine Frage politisch umstritten ist, führt dagegen für sich genommen
nicht dazu, dass diese als wesentlich verstanden werden müsste (vgl. BVerfGE 49,
89 <126>; 98, 218 <251>; 108, 282 <312>).
53
54
b) Eine Pflicht zum Tätigwerden des Gesetzgebers besteht insbesondere in
mehrdimensionalen, komplexen Grundrechtskonstellationen, in denen miteinander
konkurrierende Freiheitsrechte aufeinander treffen und deren jeweilige Grenzen
fließend und nur schwer auszumachen sind (vgl. BVerfGE 108, 282 <311>). Eine
solche Pflicht ist regelmäßig auch dann anzunehmen, wenn die betroffenen
Grundrechte nach dem Wortlaut der Verfassung ohne Gesetzesvorbehalt
gewährleistet sind und eine Regelung, welche diesen Lebensbereich ordnen will,
damit notwendigerweise ihre verfassungsimmanenten Schranken bestimmen und
konkretisieren muss. Hier ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Schranken der
widerstreitenden Freiheitsgarantien jedenfalls so weit selbst zu bestimmen, wie eine
solche Festlegung für die Ausübung dieser Freiheitsrechte wesentlich ist (BVerfGE
83, 130 <142>; 108, 282 <311>). Denn nach der Verfassung sind die Einschränkung
von grundrechtlichen Freiheiten und der Ausgleich zwischen kollidierenden
Grundrechten dem Parlament vorbehalten, um zu gewährleisten, dass
Entscheidungen von solcher Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das der
Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten,
und die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von
Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären (vgl. BVerfGE 85, 386 <403 f.>;
108, 282 <312>). Es geht darum sicherzustellen, dass die wesentlichen Regelungen
aus einem Verfahren hervorgehen, das sich durch Transparenz auszeichnet und die
Beteiligung der parlamentarischen Opposition gewährleistet (vgl. BVerfGE 95, 267
<307>). Zugleich sollen staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von
den Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung,
Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen. Dieses
Ziel darf nicht durch einen Gewaltenmonismus in Form eines umfassenden
Parlamentsvorbehalts unterlaufen werden (vgl. BVerfGE 49, 89 <125>; 68, 1 <86 f.>;
98, 218 <251 f.>).
2. a) Grundsätzlich können zwar auch Gesetze, die zu Rechtsverordnungen und
Satzungen ermächtigen, den Voraussetzungen des Gesetzesvorbehalts genügen, die
wesentlichen Entscheidungen müssen aber durch den parlamentarischen
Gesetzgeber selbst erfolgen. Die Wesentlichkeitsdoktrin beantwortet daher nicht nur
die Frage, ob überhaupt ein bestimmter Gegenstand gesetzlich zu regeln ist. Sie ist
vielmehr auch dafür maßgeblich, wie genau diese Regelungen im Einzelnen sein
müssen (vgl. BVerfGE 58, 257 <277 f.>; 83, 130 <142, 152>; 102, 254 <337>). Das
Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage bei
Delegation einer Entscheidung auf den Verordnungsgeber stellt insoweit eine
55
56
57
notwendige Ergänzung und Konkretisierung des Gesetzesvorbehalts und des
Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dar (vgl. BVerfGE 7, 282 <302 f.>;
41, 251 <265 f.>; 48, 210 <221 ff.>; 56, 1 <13>; 58, 257 <278>).
b) Die parlamentarische Leitentscheidung ist an den rechtsstaatlichen
Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen, wonach Inhalt, Zweck und
Ausmaß der Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen. Art. 80 Abs. 1 Satz 2
GG führt als eine Ausprägung des „allgemeinen Gesetzesvorbehalts“ (vgl. BVerfGE
49, 89 <127>) den staatlichen Eingriff durch die Exekutive nachvollziehbar auf eine
parlamentarische Willensäußerung zurück. Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm
muss der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird: Je
erheblicher diese in die Rechtsstellung des Betroffenen eingreift, desto höhere
Anforderungen müssen an den Bestimmtheitsgrad der Ermächtigung gestellt werden
(vgl. BVerfGE 56, 1 <13>; 58, 257 <278>; 62, 203 <210>). Eine Ermächtigung darf
daher nicht so unbestimmt sein, dass nicht mehr vorausgesehen werden kann, in
welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und
welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben
können (BVerfGE 7, 282 <302 f.>; 19, 354 <361>; 55, 207 <225 f.>). Schon aus der
Ermächtigung muss daher erkennbar und vorhersehbar sein, was dem Bürger
gegenüber zulässig sein soll (BVerfGE 113, 167 <269>).
c) Für landesgesetzliche Verordnungsermächtigungen ist Art. 80 Abs. 1 GG nicht
unmittelbar anwendbar. Die in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG festgelegten, aus dem
rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem des Grundgesetzes
folgenden Grundsätze sind aber auch für die Landesgesetzgebung verbindlich (vgl.
BVerfGE 55, 207 <226>; 58, 257 <277>; 102, 197 <222>; 107, 1 <15>).
3. a) Die dargelegten Grundsätze gelten auch im Beamtenverhältnis. Dass die
Grundrechte dort in gleicher Weise Geltung beanspruchen, ist in der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts anerkannt (vgl. BVerfGE 39, 334 <366 f.>; 108, 282
<296>); zugleich sind die grundrechtsgleichen Berechtigungen aus Art. 33 GG zu
beachten. Die Regelungsform des Gesetzes ist für das Beamtenverhältnis typisch
und sachangemessen; die wesentlichen Inhalte des Beamtenrechts sind daher durch
Gesetz zu regeln (vgl. BVerfGE 8, 1 <18>; 8, 28 <35>; 8, 332 <352 f.>; 52, 303 <331>;
81, 363 <386>; Masing, in: Dreier, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 33 Rn. 82). Ob
bestimmte Regelungen in der Vergangenheit durch Rechtsverordnung erfolgt sind, ist
dabei nicht entscheidend. Die Frage der Wesentlichkeit und damit der
Ermächtigungsgrundlage kann sich unter einem aktualisierten verfassungsrechtlichen
58
59
Blickwinkel anders darstellen als noch vor einigen Jahren oder gar Jahrzehnten (vgl.
BVerwGE 98, 324 <327>).
b) Art. 12 Abs. 1 GG schützt unter anderem die freie Wahl des Arbeitsplatzes. Das
Grundrecht gilt auch im Bereich des öffentlichen Dienstes; Art. 33 Abs. 2 GG
ermöglicht insoweit allerdings ergänzende Sonderregelungen (vgl. BVerfGE 39, 334
<369>; 92, 140 <151>; 96, 152 <163>; 96, 171 <180 f.>; 96, 205 <210 f.>; 110, 304
<321>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. Juli 1997 - 2
BvR 1088/97 -, juris, Rn. 15). Art. 12 Abs. 1 GG entfaltet seinen Schutz gegen alle
staatlichen Maßnahmen, die diese Wahlfreiheit beschränken (vgl. BVerfGE 84, 133
<146>; 96, 152 <163>). Die Berufsfreiheit steht - anders als Art. 33 Abs. 2 GG - unter
dem spezifischen Gesetzesvorbehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Ein wesentlicher
Eingriff in dieses Grundrecht ist anzunehmen, wenn die Eingriffsregelung die Freiheit
der Berufswahl betrifft oder statusbildenden Charakter hat (vgl. BVerfGE 33, 125
<160>; 38, 373 <381>; 57, 121 <132>; 76, 171 <184 f.>). So bedarf etwa die
Bestimmung eines Höchstalters für die Bestellung zum Anwaltsnotar im Hinblick auf
Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG der Entscheidung durch den Normgeber und kann nicht
durch Allgemeine Verfügung der Justizverwaltung festgesetzt werden (vgl. BVerfGE
80, 257 <266 f.>). Allenfalls Einzelfragen fachlich-technischen Charakters können in
dem vom Gesetzgeber gezogenen Rahmen durch Satzungsrecht eines
Berufsverbandes geregelt werden (vgl. BVerfGE 33, 125 <160>). Auch bei
Regelungen, die nur die Freiheit der Berufsausübung betreffen, muss das zulässige
Maß des Eingriffs umso deutlicher in der gesetzlichen Ermächtigung bestimmt
werden, je empfindlicher die berufliche Betätigung beeinträchtigt wird:
Einschneidende, das Gesamtbild der beruflichen Betätigung wesentlich prägende
Vorschriften über die Ausübung des Berufs sind dem Gesetzgeber zumindest in den
Grundzügen vorzubehalten (BVerfGE 33, 125 <160>).
c) Soweit es um Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes geht, trifft Art. 33 Abs.
2 GG eine Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG ergänzende Regelung (vgl. BVerfGE 96, 152
<163>). Hiernach wird jedem Deutschen das Recht auf gleichen Zugang zu jedem
öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gewährleistet.
Dabei zielt die Befähigung auf allgemein der Tätigkeit zugutekommende Fähigkeiten
wie Begabung, Allgemeinwissen, Lebenserfahrung und allgemeine Ausbildung.
Fachliche Leistung bedeutet Fachwissen, Fachkönnen und Bewährung im Fach.
Eignung im engeren Sinne erfasst insbesondere Persönlichkeit und charakterliche
Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind (vgl. BVerfGE 108,
60
61
62
282 <296>; 110, 304 <322>). Die Geltung dieser Grundsätze wird von Art. 33 Abs. 2
GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet (vgl. BVerfGK 12, 265 <268>; 12,
284 <286>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26.
November 2010 - 2 BvR 2435/10 -, NVwZ 2011, S. 746 <747>). Vorbehaltlos
gewährte Grundrechte werden grundsätzlich nur durch kollidierendes
Verfassungsrecht - Grundrechte und grundrechtsgleiche Rechte Dritter sowie
Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang - eingeschränkt (vgl. BVerfGE 30, 173
<191 ff.>; 93, 1 <21>; 108, 282 <297>; für Art. 33 Abs. 2 GG Jachmann, in: v.
Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 33 Rn. 21).
Eine Regelung, die den Lebensbereich vorbehaltloser Grundrechte oder
grundrechtsgleicher Rechte ordnen will, bestimmt und konkretisiert notwendigerweise
ihre verfassungsimmanenten Schranken (vgl. BVerfGE 83, 130 <142>). Es ist
vorrangig Aufgabe des Parlamentsgesetzgebers, die Abwägung und den Ausgleich
zwischen dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG und anderen in der
Verfassung
geschützten
Belangen
vorzunehmen.
Ausnahmen
vom
Leistungsgrundsatz beim Zugang zum Beamtenverhältnis bedürfen demnach
grundsätzlich einer (parlaments-)gesetzlichen Grundlage (vgl. BVerfGE 108, 282
<306 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 2. April 1996 - 2
BvR 169/93 -, NVwZ 1997, S. 54; BVerwGE 122, 237 <239>).
4. a) Schließlich sind für das Erfordernis einer Regelung des parlamentarischen
Gesetzgebers auch die europarechtlichen Ausformungen des Verbots der
Altersdiskriminierung durch die Richtlinie 2000/78/EG in den Blick zu nehmen, die
konkrete Vorgaben für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen des
Alters macht. Diese unionsrechtlichen Anforderungen verstärken das
verfassungsrechtliche Erfordernis, dass der parlamentarische Gesetzgeber zur
Beantwortung der Frage der Einführung und Ausgestaltung von beamtenrechtlichen
Höchstaltersgrenzen berufen ist, weil die Rechtfertigung von Art und Maß einer
Ungleichbehandlung auch danach eine Abwägung mit anderen legitimen Zielen
erfordert.
b) Der Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG erstreckt sich auch auf
Beamtenverhältnisse und verbietet Diskriminierungen wegen des Alters. Die
Ablehnung eines Bewerbers wegen Überschreitens einer Höchstaltersgrenze stellt
eine Ungleichbehandlung wegen des Alters dar. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der
Richtlinie 2000/78/EG können Mitgliedstaaten jedoch vorsehen, dass derartige
Ungleichbehandlungen „keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und
63
64
65
angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel (…)
gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und
erforderlich sind“. Satz 2 der Vorschrift enthält eine Reihe von Beispielen für
zulässige Ungleichbehandlungen wegen des Alters, unter anderem die Festsetzung
eines
Höchstalters
für
die
Einstellung
aufgrund
der
spezifischen
Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der
Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den
Ruhestand (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c RL 2000/78/EG).
c) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union stellt das
Verbot der Diskriminierung wegen des Alters einen allgemeinen Grundsatz des
Unionsrechts dar (EuGH, Urteil vom 22. November 2005 - Rs. C-144/04 -, Mangold,
Slg. 2005, I - 09981, Rn. 75). Die Richtlinie 2000/78/EG konkretisiere diesen
Grundsatz (EuGH, Urteil vom 19. Januar 2010 - Rs. C-555/07 -, Kücükdeveci, Slg.
2010, I - 00365, Rn. 21). Auch Art. 21 Abs. 1 EuGRCh verbiete Diskriminierungen
wegen des Alters (EuGH, Urteil vom 13. September 2011 - Rs. C-447/09 -, Prigge
u.a., Slg. 2011, I - 08003, Rn. 38).
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat klargestellt, dass legitime Ziele im
Sinne von Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG (nur) solche sozialpolitischer Art, wie aus den
Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung, sein können
(EuGH, Urteil vom 13. September 2011 - Rs. C-447/09 -, Prigge u.a., Slg. 2011, I -
08003, Rn. 81; vgl. hierzu auch BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats
vom 24. Oktober 2011 - 1 BvR 1103/11 -, EuGRZ 2011, S. 713). Dabei verfügen die
Mitgliedstaaten nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren
im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der
Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten
Ermessensspielraum (EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2007 - Rs. C-411/05 -, Palacios
de la Villa, Slg. 2007, I - 08531, Rn. 68; Urteil vom 18. November 2010 - Rs. C-250/09
und C-268/09 -, Georgiev, Slg. 2010, I - 11869, Rn. 50). Sie können neben
politischen, sozialen oder demografischen Erwägungen auch Haushaltserwägungen
berücksichtigen, obgleich letztere für sich genommen kein legitimes Ziel im Sinne von
Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG darstellen (EuGH, Urteil vom 21. Juli 2011 - Rs. C-
159/10 und C-160/10 -, Fuchs und Köhler, Slg. 2011, I - 06919, Rn. 73 f., 81).
d) Der Spielraum wird nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Union allerdings begrenzt durch das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit. Die
Ungleichbehandlung muss geeignet sein, das angestrebte Ziel zu erreichen, und darf
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69
nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich und angemessen ist (EuGH,
Urteil vom 13. November 2014 - Rs. C-416/13 -, Vital Pérez, Celex-Nr. 62013CJ0416,
Rn. 45, 66). So hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass Art. 6
Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c der RL 2000/78/EG dahin auszulegen ist, dass er einer
nationalen Regelung entgegensteht, die das Höchstalter für die Einstellung örtlicher
Polizeibeamter auf 30 Jahre festlegt, weil weder die Einsatzbereitschaft und das
ordnungsgemäße Funktionieren der Polizei noch die Notwendigkeit einer
angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand Ziele seien, zu
deren Erreichung die Altersgrenze angemessen und erforderlich wäre (vgl. EuGH,
Urteil vom 13. November 2014, a.a.O., Rn. 44 ff.).
Davon ausgehend hat der zuständige nationale Normgeber zu beurteilen und
abzuwägen, ob die beamtenrechtlichen Höchstaltersgrenzen notwendig sind, um
entweder ein Missverhältnis zwischen der aktiven Dienstzeit eines Beamten und der
den Dienstherrn treffenden Versorgungslast zu vermeiden oder um andere legitime
Ziele im Sinne der Generalklausel des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 RL 2000/78/EG zu
verwirklichen.
II.
§ 5 Abs. 1 LBG kann vor diesem Hintergrund nicht als hinreichend bestimmte
Verordnungsermächtigung zur Festsetzung von Einstellungshöchstaltersgrenzen
angesehen werden.
1. a) Unabhängig von ihrer denkbaren verfassungsrechtlichen Rechtfertigung (dazu
III.) stellen Einstellungshöchstaltersgrenzen einen schwerwiegenden Eingriff in Art.
12 Abs. 1 GG und grundsätzlich auch in Art. 33 Abs. 2 GG dar. Sie schließen ältere
Bewerber regelmäßig ohne Rücksicht auf Eignung, Befähigung und fachliche
Leistung vom Beamtenverhältnis aus und führen auf diese Weise zu einer
eignungswidrigen Ungleichbehandlung von einiger Intensität. Etwas Anderes gilt
lediglich bei solchen Dienstverhältnissen, bei denen das Alter - etwa aufgrund
bestimmter körperlicher Anforderungen - ein Eignungsmerkmal darstellt (zur
Altersgrenze für Verkehrspiloten vgl. BVerfGK 10, 227 <232 f.>). Das trifft unter
Umständen für den Militär- und Polizeivollzugsdienst sowie die Feuerwehr zu, -
entgegen der Auffassung des Landes Nordrhein-Westfalen - nicht jedoch für die
Lehrerlaufbahn (so auch BVerwGE 133, 143 <145>).
b)
Da
Einstellungshöchstaltersgrenzen
Zugangsbedingungen
zum
Beamtenverhältnis festlegen, kommt ihnen - ebenso wie Ruhestandsgrenzen, die
70
71
72
Entlassungsbedingungen normieren - statusbildende Funktion zu.
2. a) Die pauschale Ermächtigung zur Regelung des Laufbahnwesens der Beamten
in § 5 Abs. 1 Satz 1 LBG genügt daher nicht den verfassungsrechtlichen
Anforderungen an eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage. Weder die
Norm selbst noch ihr systematischer Zusammenhang mit anderen Vorschriften lassen
erkennen, dass der Gesetzgeber sich Gedanken über die Einführung von
Einstellungshöchstaltersgrenzen und ihre grundrechtliche Eingriffsrelevanz gemacht
hat, obwohl § 5 Abs. 1 Satz 2 LBG zahlreiche Vorgaben zum Inhalt der
Laufbahnverordnung enthält. Anders als zum Beispiel bei der von der
grundrechtlichen Eingriffstiefe vergleichbaren, sehr detaillierten Regelung über den
Ruhestand in § 31 LBG fehlt es bereits im Ansatz an einer parlamentarischen
Leitentscheidung.
b) Auch den gesetzlichen Begründungsmaterialien ist nicht zu entnehmen, dass der
nordrhein-westfälische Gesetzgeber beim Erlass von § 5 Abs. 1 Satz 1 LBG die
Zulässigkeit von und die Anforderungen an Einstellungshöchstaltersgrenzen
erwogen hat und regeln wollte: Zwar hat er im Gesetzgebungsverfahren über die
Änderung dienstrechtlicher Vorschriften die Anhebung der Ruhestandsgrenze von 65
auf
67
Jahre
thematisiert,
nicht
aber
die
Regelung
von
Einstellungshöchstaltersgrenzen. In der Einführung zum Gesetzentwurf vom 17.
Dezember 2008 (LTDrucks 14/8176, S. 2) findet sich lediglich der Hinweis auf
Einsparungen von Kosten „in einem nicht näher zu beziffernden Umfang“ durch die
Verlängerung der Regelarbeitszeit. Die Gesetzesbegründung selbst verweist nur auf
das Entfallen der Mindestaltersgrenze von 27 Jahren durch das Beamtenstatusgesetz
(LTDrucks 14/8176, S. 126).
Die Erörterung des Entwurfs im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens
zeigt nicht nur, dass das Landesbeamtengesetz keine eigenständige Regelung der
Einstellungshöchstaltersgrenze enthalten sollte, sondern dass dem Gesetz auch
keine Maßstäbe für eine solche Grenze entnommen werden können. In einer
gemeinsamen Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses sowie des
Innenausschusses vom 26. März 2009 merkte ein Abgeordneter der SPD-Fraktion an,
er vermisse „in dem Gesetzentwurf, dass laut Ankündigung des CDU-
Fraktionsvorsitzenden Stahl das Höchstalter für die Verbeamtung, insbesondere für
die Lehrer an Berufskollegs, auf 40 Jahre heraufgesetzt werden solle“. Ein
Fraktionskollege von Herrn Stahl erwiderte, dieser habe sich „darüber Gedanken
gemacht, im Rahmen einer großen Dienstrechtsreform in der kommenden
73
74
75
Legislaturperiode das Höchstalter für die Verbeamtung gerade im Hinblick auf die
Berufsschullehrer zur Disposition zu stellen. Mit den jetzt vorzunehmenden
technischen Veränderungen habe das nichts zu tun“ (Ausschussprotokoll 14/859, S. 4
f.).
Lediglich aus der Antwort auf die Kleine Anfrage 3704 im nordrhein-westfälischen
Landtag vom 25. Januar 2010 (LTDrucks 14/10580) lassen sich (nachträgliche)
Rückschlüsse auf die Erwägungen des Gesetzgebers in Bezug auf
beamtenrechtliche Einstellungshöchstaltersgrenzen ziehen: Demnach bestehe ein
personalwirtschaftliches und mit Blick auf die Versorgungslasten ein fiskalisches
Interesse daran, lebensjüngere Bewerberinnen und Bewerber für eine möglichst
lange aktive Dienstzeit im öffentlichen Dienst zu gewinnen. Die angehobene
Altersgrenze trage maßgeblich dazu bei, auch lebensälteren Bewerberinnen und
Bewerbern mit besonderen (Berufs-)Biographien eine Einstellungschance zu
eröffnen. Als parlamentarische Leitentscheidung zu Einstellungshöchstaltersgrenzen
kann die Vorschrift auf der Grundlage dieser nachträglich vorgetragenen Begründung
nicht angesehen werden.
III.
Da es bereits an einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage für die
Regelung von Einstellungshöchstaltersgrenzen für Beamte auf Probe durch den
Verordnungsgeber fehlt, kann die Frage ihrer materiellen Verfassungsmäßigkeit im
Übrigen dahinstehen. Angesichts der bereits länger bestehenden rechtlichen
Unsicherheiten hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von
Einstellungshöchstaltersgrenzen sei aber auf Folgendes hingewiesen:
1. Der durch Einstellungshöchstaltersgrenzen bewirkte Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG
und Art. 33 Abs. 2 GG kann gerechtfertigt sein. Das grundrechtsgleiche Recht des Art.
33 Abs. 2 GG gewährleistet das Maß an Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG),
das angesichts der von der jeweils zuständigen öffentlich-rechtlichen Körperschaft
zulässigerweise begrenzten Zahl von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst möglich
ist (vgl. BVerfGE 7, 377 <397 f.>; 39, 334 <369>). Art. 33 Abs. 2 GG vermittelt keinen
Anspruch auf Übernahme in ein öffentliches Amt (vgl. BVerfGE 39, 334 <354>;
BVerwGE 68, 109 <110>). Der Zugang zu einer Tätigkeit in einem öffentlichen Amt -
die Zulassung zum Beruf, die gleichzeitig die freie Berufswahl betrifft - darf durch
subjektive Zulassungsvoraussetzungen beschränkt werden (vgl. BVerfGE 39, 334
<370>).
76
77
2. a) Allerdings sind Einstellungshöchstaltersgrenzen nur unter bestimmten
Voraussetzungen verfassungsrechtlich zulässig (vgl. nur BVerfGE 103, 172 <182 ff.>;
siehe auch Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 26. August 2013 - 2
BvR 441/13 -, juris, Rn. 33 ff.). Die Zulassung zum öffentlichen Dienst darf durch
Regelungen über die für die Berufung in ein Beamtenverhältnis erforderlichen
persönlichen Voraussetzungen beschränkt werden (vgl. BVerfGE 108, 282 <295>).
Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen können dabei jedoch
grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung,
Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Ein solches
eignungsimmanentes Kriterium ist das Lebensalter, wenn ein Beamter mit
Überschreiten einer bestimmten Altersgrenze typischerweise den Anforderungen
eines Amtes nicht mehr genügt. Das Alter betrifft in diesen Fällen die physischen
Fähigkeiten des Beamten und dient als Indikator für dessen Tauglichkeit zu
amtsangemessenen, funktionsgerechten Leistungen (vgl. Höfling, in: Bonner
Kommentar zum Grundgesetz, Art. 33 Abs. 1 bis 3, Rn. 159 m.w.N.).
Dies kann etwa - wie bereits erwähnt - bei den Einsatzkräften in Militär,
Polizeivollzugsdienst und Feuerwehr der Fall sein. Bei der vorliegend zu
beurteilenden, allgemeinen Einstellungshöchstaltersgrenze von 40 Jahren für Lehrer
spielt die körperliche Leistungsfähigkeit dagegen keine Rolle.
b) Einstellungshöchstaltersgrenzen für den Zugang zum Beamtenverhältnis stellen -
außerhalb der bereits genannten Einsatzberufe - weder ein Eignungsmerkmal noch
ein eignungsergänzendes Hilfskriterium dar. Sie dienen vielmehr eignungsfremden
Zwecken und sollen externe, außerhalb des Leistungsgrundsatzes liegende Ziele
verwirklichen. Altersgrenzen greifen - anders als eignungsimmanente (Hilfs-)Kriterien
- in den Leistungsgrundsatz ein (vgl. BVerwGE 142, 59 <62>). Eignungsfremde
Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz verankert sind, können bei der Besetzung
öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn ihnen ebenfalls
Verfassungsrang eingeräumt ist (vgl. BVerfGK 12, 184 <186>; 12, 265 <268>; 12, 284
<287>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 26. November
2010 - 2 BvR 2435/10 -, NVwZ 2011, S. 746 <747>; BVerwGE 122, 147 <149 f.>; 124,
99 <102>). Schranken können sich im Beamtenrecht etwa aus Art. 33 Abs. 5 GG
ergeben, soweit sie durch Sinn und Zweck des konkreten Dienst- und
Treueverhältnisses des Beamten gefordert werden (vgl. BVerfGE 19, 303 <322>; 39,
334 <351 f.>; 108, 282 <296>), oder der Gewährleistung der mit Verfassungsrang
ausgestatteten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (vgl. hierzu:
BVerfGE 107, 218 <237>; 114, 258 <281 f.>; 117, 330 <344 f.>; 117, 372 <379>; 121,
78
79
80
205 <219>) dienen. Das gilt insbesondere für das Lebenszeitprinzip und das
Alimentationsprinzip.
aa) Als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums ist das Lebenszeitprinzip
anerkannt (vgl. BVerfGE 71, 255 <268>; 121, 205 <220 ff.>). Der Beamte ist
grundsätzlich hauptberuflich und auf Lebenszeit zu beschäftigen. Er hat seine
gesamte Arbeitskraft dem Beruf zu widmen, in den Dienst des Staates zu stellen und
den Anforderungen seines Berufes mit vollem Einsatz zu begegnen (vgl. BVerfGE 55,
207 <240 f.>; 71, 39 <60 f.>). Dies dient sowohl dem Allgemeininteresse an einer
fachlich leistungsfähigen, rechtsstaatlichen und unparteiischen öffentlichen
Verwaltung als auch der Sicherung der rechtlichen und wirtschaftlichen
Unabhängigkeit der Beamtenschaft (vgl. Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 33 Rn. 67
). Eine Schranke findet das Lebenszeitprinzip in der Dienstfähigkeit des
Beamten; bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze wird der Eintritt der
Dienstunfähigkeit (unwiderleglich) vermutet (BVerfGE 71, 255 <268>).
bb) Das Alimentationsprinzip als ein vom Gesetzgeber zu beachtender
hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums verpflichtet den Dienstherrn zur
Gewährung eines an Dienstrang, Bedeutung und Verantwortung des Amtes
orientierten und damit Dienstverpflichtung und Dienstleistung berücksichtigenden
angemessenen Lebensunterhalts (vgl. BVerfGE 21, 329 <345>; 44, 249 <265>; 114,
258 <287 f.>; 117, 330 <351>; 117, 372 <380 f.>). Die Besoldung des Beamten ist
kein Entgelt für bestimmte Dienstleistungen, sondern eine Gegenleistung des
Dienstherrn dafür, dass sich der Beamte mit seiner ganzen Persönlichkeit zur
Verfügung stellt (vgl. BVerfGE 55, 207 <241>; 107, 218 <237>; 114, 258 <288>; 117,
372 <380>). Die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts - zu der auch die
Versorgung des Beamten nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst zählt
(vgl. BVerfGE 11, 203 <210>; 39, 196 <200 f.>; 44, 249 <265>) - ist deshalb ein
besonders wesentlicher Grundsatz, zu dessen Beachtung der Gesetzgeber
verpflichtet ist (vgl. BVerfGE 8, 1 <16>; 11, 203 <210>; 61, 43 <57 f.>; 117, 372 <380
f.>; stRspr). Erst rechtliche und wirtschaftliche Sicherheit bietet die Gewähr dafür,
dass sich ein Beamter dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und zur
Erfüllung der ihm vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen
Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann (vgl.
BVerfGE 117, 372 <380>; 119, 247 <260 f.>; 121, 205 <221>; stRspr).
cc) Das Lebenszeitprinzip und das Alimentationsprinzip sind geeignet, Eingriffe in
Art. 33 Abs. 2 GG durch Einstellungshöchstaltersgrenzen zu rechtfertigen. Als Zweck
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der Einstellungshöchstaltersgrenzen für Beamte wird im Wesentlichen genannt, dass
ein ausgewogenes zeitliches Verhältnis zwischen Lebensdienstzeit und
Ruhestandszeit
und
damit
zwischen
aktiver
Beschäftigungszeit
und
Versorgungsansprüchen gewährleistet werden solle (vgl. BVerwGE 142, 59 <62>;
Hense, in: Epping/Hillgruber, GG, 2. Aufl. 2013, Art. 33 Rn. 15; Begerau, LKRZ 2011,
S. 321; Trebeck, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Altersgrenzen, 2008, S.
284; Baßlsperger, ZBR 2008, S. 339 <343>). Darin kommt zum Ausdruck, dass sich
die Alimentation des Beamten im Ruhestand nur rechtfertigt, wenn dessen
Arbeitskraft dem Dienstherrn zuvor über einen längeren Zeitraum uneingeschränkt
zur Verfügung gestanden hat. Beamte erdienen ihre Altersversorgung während der
Dienstzeit. Ihre Bezüge sind im Hinblick auf die künftigen Versorgungsansprüche
niedriger festgesetzt; der Dienstherr behält einen fiktiven Anteil ein, um die
Versorgung zu finanzieren (vgl. BVerfGE 105, 73 <115>; 114, 258 <298>; BVerwG,
Urteil vom 23. Februar 2012 - 2 C 76/10 -, juris, Rn. 18). Zwar ist die Versorgung des
Ruhestandsbeamten aus dem letzten Amt zu gewähren (vgl. BVerfGE 61, 43;
BVerfGK 8, 232 <235>). Der Dienstherr darf diese Versorgung jedoch an eine
Mindestverweildauer in diesem Amt knüpfen (vgl. BVerfGE 117, 372 <383 ff.>). In
gleicher Weise hat der Dienstherr zudem ein grundsätzlich von Art. 33 Abs. 5 GG
geschütztes Interesse an einer insgesamt möglichst langen aktiven Dienstzeit des
Beamten.
dd) Dabei kann allerdings im Hinblick auf die Besonderheiten des
Beamtenversorgungsrechts nicht im Wortsinn von einer „betriebswirtschaftlich“
sinnvollen Mindestdauer der produktiven Arbeitsleistung des Beamten (vgl. BTDrucks
16/1780, S. 36 zu § 10 AGG; Baßlsperger, ZBR 2008, S. 339 <343>) oder - wie bei
sonstigen Beschäftigungsverhältnissen (vgl. hierzu Brors , in: Däubler/Bertzbach,
AGG, 3. Aufl. 2013, § 10 Rn. 86) - von einem „Amortisationsinteresse“ des
Arbeitgebers ausgegangen werden. Einstellungshöchstaltersgrenzen können jedoch
im Zusammenspiel mit den Ruhestandsgrenzen - insbesondere im Hinblick auf die
steigende Lebenserwartung und die wachsenden Versorgungslasten der öffentlichen
Haushalte - eine wesentliche Grundlage für die Finanzierbarkeit und
Funktionsfähigkeit des beamtenrechtlichen Versorgungssystems darstellen und damit
der Sicherung des Alimentations- und des Lebenszeitprinzips dienen. Für die hier
widerstreitenden Grundsätze von Art. 33 Abs. 2 und Abs. 5 GG ist daher im Hinblick
auf die Höchstaltersgrenzen praktische Konkordanz (vgl. BVerfGE 93, 1 <21>; 119,
247 <267>) herzustellen.
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3. Beachtet der Gesetzgeber diese Voraussetzungen, so kann der Eingriff in Art. 33
Abs. 2 GG durch Einstellungshöchstaltersgrenzen grundsätzlich gerechtfertigt sein.
a) Einstellungshöchstalters- und Ruhestandsgrenzen stehen in enger Beziehung
zueinander, denn sie legen die Dienstzeit des Beamten fest und setzen sie in ein
entsprechendes Verhältnis zu seinem Alimentationsanspruch im Ruhestand.
aa) Beamtete Lehrer in Nordrhein-Westfalen treten in der Regel mit Ende des
Schulhalbjahres in den Ruhestand, in dem sie das 67. Lebensjahr vollenden (§ 31
Abs. 1 Satz 3 LBG). Die Berechnung ihres Ruhegehalts richtet sich nach dem
Beamtenversorgungsgesetz
für
das
Land
Nordrhein-Westfalen
(Landesbeamtenversorgungsgesetz - LBeamtVG) vom 16. Mai 2013 (GVBl S. 234).
Danach erhalten sie mit Beginn des Ruhestandes ein Ruhegehalt, welches sich aus
den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen (§ 5 LBeamtVG) und der ruhegehaltfähigen
Dienstzeit (§ 6 LBeamtVG) errechnet und eine Mindestdienstzeit von fünf Jahren (§ 4
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBeamtVG) voraussetzt. Das Ruhegehalt beträgt mindestens 35
% und höchstens 71,75 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 14 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 4 Satz 1 LBeamtVG). „Erdient“ wird pro Dienstjahr eine Versorgung von
1,79375 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (§ 14 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG). Dies
entspricht der Regelung im Bund (vgl. § 14 des Gesetzes über die Versorgung der
Beamten und Richter des Bundes in der
Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 ). Zusätzliche
Zahlungsverpflichtungen des Dienstherrn ergeben sich aus Beihilfeleistungen und
der Hinterbliebenenversorgung (§§ 16 ff. LBeamtVG).
bb) Ein Beamter hat also nach 40 Dienstjahren den Höchstversorgungssatz
(71,75:1,79375) und nach ungefähr 19,5 Jahren ein Ruhegehalt in Höhe der
(amtsabhängigen) Mindestversorgung (35:1,79375) erdient. Bis dahin liegt der
Ruhegehaltssatz niedriger. Hiernach ist für einen Beamten, der 40 Dienstjahre
abgeleistet hat, vom Dienstherren genauso viel Ruhegehalt einzustellen wie für zwei
Beamte, die bis zum Ruhestand jeweils nur rund 20 Jahre tätig gewesen sind. Die
aus § 6, § 52 Abs. 1 LVO 2009 folgende
Jahren bedeutet - bei regulärem Eintritt in den Ruhestand mit 67 Jahren - eine
Überschreitung der genannten Zeitspanne von 19,5 Jahren um mindestens
siebeneinhalb Jahre.
cc) Neben dem Mindestruhegehalt ist die Anrechnung von anderen
Versorgungsanwartschaften zu berücksichtigen. Gemäß § 14 Abs. 5, § 55 LBeamtVG
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werden Rentenansprüche der Ruhestandsbeamten, die diese gegebenenfalls aus
einer früheren Tätigkeit erworben haben, in gewissem Umfang auf die
Versorgungsbezüge angerechnet. Unter diesen Umständen kann, abhängig von der
Höhe der Versorgungsbezüge und der anrechenbaren Rente, ein Unterschied
zwischen der Mindestversorgung und dem erdienten Ruhegehalt ausgeglichen
werden. Der Dienstherr wird insoweit von seiner Alimentationspflicht gegenüber dem
Versorgungsberechtigten entlastet und dieser auf Einkünfte aus einer anderen
öffentlichen Kasse verwiesen (vgl. BVerfGE 76, 256 <298>).
b) Nach den Regelungen des Versorgungsrechts, die - wie dargelegt - eine lineare
Steigerung des Ruhegehalts nach der Dauer der Dienstzeit vorsehen, ist das
Beamtenverhältnis auf eine möglichst lange Dienstzeit ausgerichtet. Daher wird das
Verhältnis der Alimentationspflicht des Dienstherrn zur Dienstleistungsverpflichtung
des Beamten gestört, wenn ein Beamter vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze
aus dem Dienst ausscheidet (vgl. BVerfGK 8, 232 <235 f.>; 13, 35 <45>). Eine
Pensionierung vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze verschiebt das
Pflichtengefüge im Beamtenverhältnis zu Lasten des Dienstherrn insgesamt: Ihm geht
infolge der vorzeitigen Zurruhesetzung die Arbeitskraft des Beamten verloren,
während er gleichzeitig über einen längeren Zeitraum zur Erbringung von
Versorgungsleistungen verpflichtet ist (vgl. BVerfGK 13, 35 <45>). Diese
Verschiebung im Pflichtengefüge des Beamtenverhältnisses darf der Gesetzgeber -
zum Beispiel durch eine Anrechnung von anderweitig erzieltem Erwerbseinkommen
oder durch eine Verminderung des Ruhegehalts - ausgleichen (vgl. BVerfGK 8, 232
<236>; 13, 35 <45 f.>). Auch Einstellungshöchstaltersgrenzen können dazu beitragen,
von vornherein derartige Verschiebungen im Pflichtengefüge zu vermeiden, indem
sie ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Dienstzeit und Versorgungsansprüchen
sicherstellen und so die Finanzierbarkeit und Funktionsfähigkeit der
Beamtenversorgung gewährleisten (vgl. BVerwGE 133, 143 <146>; für die Literatur
etwa: Begerau, LKRZ 2011, S. 321 <324>; Baßlsperger, ZBR 2008, S. 339 <343>;
Kämmerer, ZBR 2008, S. 325 <331 ff.>; Herrmann, Die Berufung von Professorinnen
und Professoren - Die Berufungsvoraussetzungen und das Berufungsverfahren,
2007, S. 77 ff.).
c) In diesem Rahmen lässt sich der wirtschaftliche Wert der Altersversorgung nicht
exakt zahlenmäßig bestimmen: Neben der Dauer der Aufbauphase während der
aktiven Dienstzeit ist er auch abhängig von der Dauer der Auszahlungsphase (vgl.
BVerfGE 105, 73 <115>), der Besoldungsgruppe des Beamten sowie etwaiger
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anrechenbarer Dienstzeiten und Rentenansprüche aus einem vorangegangenen
Beschäftigungsverhältnis. Besonderheiten und Verschiebungen können sich auch
ergeben, falls der Versorgungsberechtigte Erwerbseinkommen bezieht (§ 53
LBeamtVG, vgl. BVerfGK 13, 35), dienstunfähig wird oder aus anderen Gründen
vorzeitig in den Ruhestand versetzt wird (§ 14 Abs. 3 LBeamtVG, vgl. BVerfGK 8,
232). Treffen Renten- und Versorgungsansprüche zusammen und tritt ein Beamter
vorzeitig in den Ruhestand, ergeben sich schließlich mögliche Ausgleichspflichten
des Dienstherrn aus § 14a LBeamtVG (vgl. BVerfGE 131, 20).
d) Über die Versorgungsleistungen hinaus können noch Beihilfeleistungen bei der
Bewertung heranzuziehen sein, die der Dienstherr dem Beamten oder
Versorgungsempfänger insbesondere für Belastungen im Krankheitsfall zuzahlt. Da
die Zeitspanne vom regulären Eintritt in den Ruhestand bis zum Tod statistisch für
alle Beamten gleich ist, wird das Verhältnis von Versorgungslast und Dienstzeit in
diesem Bereich allein durch die Dauer der Dienstzeit bestimmt. Ein frühes
Einstellungsalter wirkt sich daher günstig auf die Gesamtkosten der Beihilfen aus (vgl.
Kühling/Bertelsmann, NVwZ 2010, S. 87 <90>).
e) Damit der Gesetzgeber den Unwägbarkeiten bei der Festlegung des Werts von
Versorgungsansprüchen Rechnung tragen kann, ist ihm auch bei der Einführung und
Ausgestaltung
von
Einstellungshöchstaltersgrenzen
für
Beamte
ein
Gestaltungsspielraum einzuräumen (vgl. BVerwGE 142, 59 <63 ff.>). Sein Umfang
ergibt sich aus den dargelegten Erfordernissen des Systems der Beamtenversorgung
und den Grenzen von Art. 33 Abs. 2 GG sowie dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit. Auch hat er die Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG zu
beachten. Dies entspricht dem Sinn des Alimentationsprinzips, nach dem die
Versorgung nicht im synallagmatischen Verhältnis zu einer in Jahren bemessenen
Dienstzeit steht, sondern ebenso wie die Dienstbezüge Gegenleistung dafür ist, dass
der Beamte sein ganzes Arbeitsleben bis zum Erreichen der gesetzlichen
Altersgrenze in den Dienst des Staates stellt (vgl. BVerfGE 76, 256 <323 f.>; BVerfGK
8, 232 <235>).
f) Das Erfordernis einer ausgewogenen Altersstruktur ist hingegen als Argument zur
Rechtfertigung von Einstellungshöchstaltersgrenzen vorliegend weitgehend
ungeeignet. Die Altersstruktur hängt von der Zahl der im Haushalt vorgesehenen
Stellen und der Zahl der Neueinstellungen in einem bestimmten Zeitraum ab. Eine
ausgewogene Altersstruktur kann folglich eher durch ein variables Einstellungsalter
gesichert werden (vgl. Kühling/Bertelsmann, NVwZ 2010, S. 87 <92>). Das Interesse
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des Dienstherrn an einer ausgewogenen Altersstruktur vermag mithin allenfalls dann
die Festlegung eines Einstellungshöchstalters zu begründen, wenn es auf einer
plausiblen und nachvollziehbaren Planung beruht (vgl. BVerwGE 133, 143 <150>).
Eine solche Planung ist vorliegend jedoch nicht zu erkennen und wurde von dem
Land Nordrhein-Westfalen im Verfahren auch nicht dargelegt.
D.
Der Verstoß einer Norm gegen das Grundgesetz kann entweder zur
Nichtigerklärung (§ 95 Abs. 3 BVerfGG) oder dazu führen, dass das
Bundesverfassungsgericht
die
mit
der
Verfassungswidrigkeit
gegebene
Unvereinbarkeit der Norm mit dem Grundgesetz feststellt (vgl. § 31 Abs. 2, § 79 Abs. 1
BVerfGG). Eine Erklärung nur der Unvereinbarkeit ist insbesondere geboten, wenn
der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß zu
beseitigen. Das ist regelmäßig bei der Verletzung des Gleichheitssatzes der Fall (vgl.
BVerfGE 99, 280 <298>; 105, 73 <133>; 126, 268 <284 f.>; stRspr). Dasselbe gilt für
einen Eingriff in Art. 33 Abs. 2 GG, der eine besondere Ausprägung des
Gleichheitsgrundrechts darstellt, soweit er die maßgeblichen Gesichtspunkte für die
Bewerberauswahl zur Besetzung von öffentlichen Ämtern vorgibt (vgl. Badura, in:
Maunz/Dürig, GG, Art. 33 Rn. 20 ).
Gemessen hieran ist eine Unvereinbarkeitserklärung auch sachgerecht, wenn es an
einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage für die Normierung von
Höchstaltersgrenzen fehlt. Der Gesetzgeber hat unterschiedliche Möglichkeiten, den
Verfassungsverstoß zu beseitigen. Die Unvereinbarkeit ist bei erfolgreichen
Verfassungsbeschwerden grundsätzlich nur in dem Umfang festzustellen, in dem das
Gesetz einen Beschwerdeführer betrifft und dieser mit seinen verfassungsrechtlichen
Angriffen Erfolg hat (vgl. BVerfGE 11, 30 <48>; 65, 1 <71>). Da sich das
Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts nur auf nachkonstitutionelle
Gesetze im formellen Sinn, nicht aber auf Rechtsverordnungen bezieht (vgl. BVerfGE
68, 319 <326>) und insoweit auch eine eigene Prüfungs- und Verwerfungskompetenz
der Verwaltungsgerichte besteht, bedurfte es einer Erstreckung der
Unvereinbarkeitserklärung auf nachfolgende Fassungen der Laufbahnverordnung
nicht.
Gemäß § 95 Abs. 2 BVerfGG sind die angegriffenen Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts aufzuheben und die Verfahren an dieses
zurückzuverweisen. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen
beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Kostenquote zwischen dem Bund und dem
Land Nordrhein-Westfalen differiert bei den Beschwerdeführern im Hinblick auf die
Anzahl der betroffenen Entscheidungen.
Voßkuhle
Landau
Huber
Hermanns
Müller
Kessal-Wulf
König