Urteil des BVerfG vom 23.05.2008

altersgrenze, pflicht des beamten, leistungsfähigkeit, geistige anforderungen

- Bevollmächtigte:
Rechtsanwalt Wolfgang Reuter und Rechtsanwalt Torsten Winkler in
Sozietät Zdrzalek, Reuter und Kollegen,
Konstantinstraße 387, 41238 Mönchengladbach -
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 2 BvR 1081/07 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn H…
I. unmittelbar gegen
a) das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Januar 2007 - BVerwG 2 C
28/05 -,
b) das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Juni 2005 - 2
A 10187/05.OVG -,
c) das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 25. November 2004 - 6 K
1708/04.KO -,
d) den Widerspruchsbescheid des Polizeipräsidiums Koblenz vom 5. April 2004,
e) die Verfügung des Polizeipräsidiums Koblenz vom 28. November 2003 - PV 3-
03114-1-010/1945 -,
II. mittelbar gegen
§ 208 Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz in der Fassung des Art. 1 Nr. 1 des
Landesgesetzes zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der Kommunalen
Gebietskörperschaften und über Maßnahmen zur Entlastung des Landeshaushaltes
vom 10. April 2003
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richter Broß,
Di Fabio
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und Landau
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung
vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 23. Mai 2008 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Heraufsetzung des Pensionsalters für
Polizeibeamte in Rheinland-Pfalz.
I.
1.
In
Rheinland-Pfalz
traten
Polizeibeamte früher gemäß § 208
Landesbeamtengesetz Rheinland-Pfalz (im Folgenden: LBG) a.F. mit Vollendung des
60. Lebensjahres in den Ruhestand. Diese Altersgrenze wurde durch das
Landesgesetz
zur
Sicherung
der
Leistungsfähigkeit
der kommunalen
Gebietskörperschaften und über Maßnahmen zur Entlastung des Landeshaushalts
vom 10. April 2003 (GVBl S. 55) abgeändert. § 208 LBG n. F., der am 1. Januar 2004
in Kraft trat, sieht eine Altersgrenze von 60 Jahren nur noch für Polizeibeamte vor, die
mindestens 25 Jahre lang in bestimmten Sonderfunktionen eingesetzt waren. Für alle
anderen Polizeibeamten wurde die Altersgrenze je nach Laufbahngruppe und
Geburtsjahrgang heraufgesetzt. § 208 LBG n.F. lautet auszugsweise wie folgt:
§ 208
Besondere Altersgrenzen
(1) Für Polizeibeamte bildet das vollendete 60. Lebensjahr die
Altersgrenze, wenn sie mindestens 25 Jahre in Funktionen des
Wechselschichtdienstes, im Mobilen Einsatzkommando, im
Spezialeinsatzkommando oder in der Polizeihubschrauberstaffel
eingesetzt waren. […] Im Übrigen bildet abweichend von § 54 Abs.
1 Satz 1 für Polizeibeamte in Ämtern des mittleren Polizeidienstes
das vollendete 62. Lebensjahr und für Polizeibeamte in Ämtern des
gehobenen Polizeidienstes das vollendete 63. Lebensjahr die
Altersgrenze.
[…]
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(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 4 bildet die Altersgrenze:
1. für Polizeibeamte in Ämtern des mittleren und des gehobenen
Polizeidienstes, die im Jahr 1944 geboren sind, das vollendete 61.
Lebensjahr und
2. für Polizeibeamte in Ämtern des gehobenen Polizeidienstes, die
im Jahr 1945 geboren sind, das vollendete 62. Lebensjahr.
[…]
(4) Abweichend von § 54 Abs. 1 Satz 1 bildet die Altersgrenze für
Polizeibeamte in Ämtern des höheren Polizeidienstes, die im Jahr
1. 1944 geboren sind, das vollendete 61. Lebensjahr,
2. 1945 geboren sind, das vollendete 62. Lebensjahr,
3. 1946 geboren sind, das vollendete 63. Lebensjahr,
4. 1947 geboren sind, das vollendete 64. Lebensjahr.
[…]
Die allgemeine Altersgrenze für Beamte bildet gemäß
§ 54 Abs. 1 Satz 1 LBG das vollendete 65. Lebensjahr.
2. Der Beschwerdeführer ist im Jahr 1945 geboren. Er war zuletzt
Kriminalhauptkommissar im gehobenen Polizeidienst des Landes Rheinland-Pfalz.
D a s Polizeipräsidium Koblenz setzte mit Bescheid vom 28. November 2003 die
Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand für den Beschwerdeführer auf das
62. Lebensjahr fest. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der
Beschwerdeführer Klage mit dem Antrag, unter Aufhebung des Bescheids vom
28. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. April 2004 das
Polizeipräsidium zu verpflichten, die Altersgrenze für ihn auf das vollendete
60. Lebensjahr festzusetzen. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom
25. November 2004 ab. Die Berufung wurde durch das Oberverwaltungsgericht mit
Urteil vom 10. Juni 2005 zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht wies die
Revision mit Urteil vom 25. Januar 2007 zurück. Zur Begründung führte das
Bundesverwaltungsgericht u.a. aus, § 208 LBG stehe im Einklang mit § 25 Abs. 1
Satz 3 BRRG, der eine gesetzliche Bestimmung besonderer Altersgrenzen für
einzelne Beamtengruppen erlaube. § 208 LBG stimme auch mit dem Grundgesetz
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überein. Die Vorschrift verstoße weder gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn
noch sei sie unverhältnismäßig. Auch der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs.
1 GG sei nicht verletzt. Die Erwägungen des Gesetzgebers dazu, in welchen
Funktionen die Polizeibeamten besonderen Belastungen ausgesetzt seien, die
unterschiedliche Altersgrenzen rechtfertigten, seien sachlich gerechtfertigt. Auch die
Differenzierung nach Laufbahngruppen sei gerechtfertigt, wenn bei typisierender
Betrachtung die Dienstaufgaben im mittleren Dienst physisch und psychisch
anstrengender seien als im gehobenen Dienst. Dem Grundsatz des
Vertrauensschutzes werde durch die Übergangsregelungen in § 208 Abs. 3 und 4
LBG hinreichend Rechnung getragen.
Der Beschwerdeführer ist im März 2007 mit Vollendung des 62. Lebensjahres in den
Ruhestand getreten.
II.
Mit der fristgerecht erhobenen Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer
eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG.
Ein zulässiges Differenzierungsziel des Gesetzes sei nicht erkennbar, da es der
Entlastung des Landeshaushalts dienen solle. Fiskalische Gründe allein könnten
aber im Bereich des Beamtenrechts die Differenzierung nach Beamtengruppen nicht
legitimieren. Untersuchungen oder gesicherte Erfahrungen des Gesetzgebers dazu,
dass eine Haushaltskonsolidierung durch die Verlängerung der Lebensarbeitszeit
erreicht werden könne, gebe es nicht. Der Gesetzgeber habe nicht anhand von
Untersuchungen oder gesicherten Erfahrungswerten dargelegt, warum die bis Ende
2003 geltende generalisierende Vermutung, dass die Leistungsfähigkeit von
Polizeibeamten ab dem vollendeten 60. Lebensjahr nicht mehr gegeben sei, nicht
mehr richtig sei.
Die
personenbezogene
Ungleichbehandlung
der Polizeibeamten nach
Tätigkeitsbereich, Laufbahngruppe und Geburtsjahrgang sei keine zulässige
Typisierung und nicht gerechtfertigt. Bei der Festlegung der Altersgrenze sei das
Grundrecht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG
betroffen, das im Rahmen der durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten
Fürsorgepflicht seitens des Gesetzgebers zu beachten sei. Es sei daher im Rahmen
des Art. 3 Abs. 1 GG ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen. Die niedrigere
Altersgrenze für Beamte mit den in Abs. 1 genannten Sonderfunktionen beruhe auf
einer bloßen Vermutung des Gesetzgebers zu einer angeblichen besonderen
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Belastungssituation. Der Beschwerdeführer sei dagegen 29 Jahre lang in der
Rufbereitschaft tätig gewesen und komme dennoch nicht in den Genuss der
niedrigeren Altersgrenze. Eine weitere nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung
liege darin, dass Polizeibeamte, die in den in § 208 Abs. 1 LBG genannten
Sonderfunktionen tätig gewesen seien, bei der Altersgrenze begünstigt würden, auch
wenn sie in dieser Sonderfunktion nur Innendienst geleistet hätten und damit den vom
Gesetzgeber angegebenen besonderen Belastungen nicht ausgesetzt gewesen
seien.
Das Rechtsschutzbedürfnis für die Verfassungsbeschwerde bestehe auch nach dem
zwischenzeitlich erfolgten Eintritt des Beschwerdeführers in den Ruhestand fort. Der
Beschwerdeführer hätte, falls § 208 LBG n.F. verfassungswidrig und nichtig wäre,
bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt werden
müssen und erhalte daher rückwirkend einen Anspruch auf Ruhegehalt ab März
2005. Die Besoldung, die der Beschwerdeführer stattdessen für seinen aktiven Dienst
bis zum März 2007 erhalten habe, sei nicht auf das rückwirkend zu zahlende
Ruhegehalt anzurechnen, da es für eine solche Anrechnung oder eine Rückforderung
der Dienstbezüge keine Rechtsgrundlage gebe.
III.
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die
Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Der
Verfassungsbeschwerde kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu noch ist ihre
Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt
(vgl. BVerfGE 90, 22 <24 ff.>; 96, 245 <248>). Sie hat keine hinreichende Aussicht auf
Erfolg.
1. Die Festsetzung der unterschiedlichen Altersgrenzen in § 208 LBG verstößt nicht
gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn als hergebrachten Grundsatz des
Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG. Art. 33 Abs. 5 GG fordert weder
eine auf ein bestimmtes Lebensalter gerichtete noch eine für alle Beamten
einheitliche Festsetzung der Altersgrenze (vgl. BVerfGE 71, 255 <270>). Der
Gesetzgeber kann vielmehr für einzelne Beamtengruppen besondere Altersgrenzen
festsetzen. Die Pflicht des Beamten zur grundsätzlich lebenslangen Dienstleistung
findet ihre Schranke in der Dienstfähigkeit des Beamten. Bei Erreichen einer
bestimmten gesetzlichen Altersgrenze wird der Eintritt der Dienstunfähigkeit
unwiderleglich vermutet (vgl. BVerfGE 9, 338 <345>; 71, 255 <268>). Dagegen ist
unterhalb dieser Altersgrenze die Dienstfähigkeit nach der Einschätzung des
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Gesetzgebers im Regelfall gegeben. Der Gesetzgeber hat hier einen weiten
Gestaltungsspielraum und kann auf der Grundlage von Erfahrungswerten
generalisierende Regelungen dazu treffen, bis zu welchem Zeitpunkt er die
körperliche und geistige Leistungsfähigkeit der jeweiligen Beamtengruppe noch als
gegeben ansieht (vgl. BVerfGK 4, 219 <222>). Es bestehen keine Anhaltspunkte
dafür, dass eine Heraufsetzung der Altersgrenze für Polizeibeamte, welche die
allgemeine Altersgrenze für Beamte nicht übersteigt, sondern für alle Polizeibeamte
bis auf die Beamten im höheren Dienst weiterhin darunter liegt, auf einer
Fehleinschätzung beruht, die mit der Fürsorgepflicht nicht vereinbar wäre. Der
Fürsorgepflicht des Dienstherrn wird im Übrigen dadurch Rechnung getragen, dass
der Beamte bei einem früheren Eintritt der Dienstunfähigkeit im Einzelfall in den
vorzeitigen Ruhestand versetzt werden kann.
2. Der Beschwerdeführer ist auch nicht in seinem Recht auf Gleichbehandlung aus
Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
a) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart
entsprechend verschieden zu behandeln (vgl. BVerfGE 42, 64 <72>). Art. 3 Abs. 1 GG
ist verletzt, wenn die (un)gleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit
Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am
Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist, also
bezogen auf den jeweils in Rede stehenden Sachbereich und seine Eigenart ein
vernünftiger, einleuchtender Grund für die gesetzliche Regelung fehlt (vgl. BVerfGE
55, 114 <128>; 75, 108 <157>; 76, 256 <329>). Ein solcher Fall läge vor, wenn
zwischen den Gruppen, die ungleich behandelt werden, keine Unterschiede von
solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Schlechterstellung
rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; 71, 39 <58>; 71, 146 <154 f.>).
Aufgrund der verhältnismäßig weiten Gestaltungsfreiheit, die Art. 3 Abs. 1 GG dem
Gesetzgeber bei Regelungen des Versorgungsrechts - einschließlich der
Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand - belässt, kann das
Bundesverfassungsgericht nicht überprüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste,
zweckmäßigste und vernünftigste Regelung getroffen hat. Der Gesetzgeber ist
insbesondere frei, darüber zu befinden, was als im Wesentlichen gleich und was als
so verschieden anzusehen ist, dass die Verschiedenheit eine Ungleichbehandlung
rechtfertigt. Er ist befugt, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die
Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung
maßgebend sein sollen (vgl. BVerfGE 71, 39 <52 f.>; 76, 256 <329>; 110, 353
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<364 f.>). Jede gesetzliche Regelung der Altersgrenzen muss generalisieren und
enthält daher auch unvermeidbare Härten. Daraus sich ergebende Unebenheiten,
Friktionen und Mängel müssen in Kauf genommen werden, solange sich für die
Gesamtregelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (vgl.
BVerfGE 76, 256 <295>; 103, 310 <320>; 110, 353 <364 f.>).
b) An diesen Maßstäben gemessen hat der rheinland-pfälzische Gesetzgeber bei
der Festsetzung der gestaffelten Altersgrenzen für Polizeibeamte den ihm
eingeräumten Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Das Landesgesetz zur
Sicherung der Leistungsfähigkeit der kommunalen Gebietskörperschaften und über
Maßnahmen zur Entlastung des Landeshaushalts war zwar generell durch eine
angestrebte Entlastung des Landeshaushaltes motiviert (vgl. LTDrucks 14/1800, S.
1). Die unterschiedliche Ausgestaltung der Altersgrenzen beruht jedoch auf dem
sachgerechten, den Regelungen zur Altersgrenze systemimmanenten Kriterium der
jeweiligen Belastung des Beamten durch seinen Dienst. Der Gesetzgeber hat damit
an die Stelle der erheblich generalisierenden Vorschrift des § 208 LBG a. F., der die
Altersgrenze für Polizeibeamte auf einheitlich 60 Jahre festsetzte, eine stärker
differenzierende Regelung gesetzt. Der Gesetzgeber verweist für diese stärkere
Differenzierung darauf, die bisherige einheitliche Altersgrenze habe nicht danach
unterschieden, ob der Polizeibeamte tatsächlich den besonderen Belastungen, die
seinerzeit für die Festlegung einer besonderen Altersgrenze ursächlich gewesen
seien, ausgesetzt gewesen sei (vgl. LTDrucks 14/1800, S. 9). Eine Neubewertung der
Altersgrenze, ab der die Dienstunfähigkeit der Polizeibeamten gesetzlich vermutet
werde,
ließe
sich
aufgrund
der
eingetretenen Änderungen in den
Organisationsstrukturen und in den Aufgabenbereichen sowie im Hinblick auf eine
Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch den enormen technischen Wandel
gerade im Polizeibereich nicht mehr aufrechterhalten (a.a.O.). Es gebe im
Polizeidienst eine Vielzahl von Funktionen und Aufgabenbereichen, mit deren
Wahrnehmung keine gegenüber anderen Berufsgruppen höheren Anforderungen an
die physische und psychische Leistungsfähigkeit verbunden seien (a.a.O.).
Der Gesetzgeber hat sich damit maßgeblich von Erwägungen zu den
Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Beamten und den besonderen
Belastungen seines Dienstes leiten lassen, die seit jeher bei der Bestimmung der
Altersgrenze eine Rolle gespielt haben. Sie sind sachgerecht und geben zu
verfassungsrechtlichen Bedenken keinen Anlass. Wenn die Neuregelung auch das
Ziel einer Haushaltskonsolidierung verfolgt, verbietet dies nicht eine systemgerechte
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Neubestimmung der Altersgrenzen, welche die allgemeine Altersgrenze nicht
übersteigen, sondern für die Mehrzahl der Polizeibeamten weiter dahinter
zurückbleiben. Zu den finanziellen Erwägungen des Gesetzgebers kommen hier
systemimmanente Gründe hinzu, die eine Ausdifferenzierung der Altersgrenzen
sachlich rechtfertigen (vgl. BVerfGE 114, 258 <291>).
c) Die niedrigere Altersgrenze für Beamte, die mindestens 25 Jahre lang besondere,
in § 208 Abs. 1 Satz 1 LBG aufgeführte Funktionen wahrgenommen haben, stellt eine
zulässige Differenzierung dar. Die Regelung trägt der besonderen Belastung von
Polizeibeamten in Sonderfunktionen wie dem Wechselschichtdienst Rechnung
(LTDrucks 14/1800, S. 11). Bei den Beamten, die über einen längeren Zeitraum
besonderen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt sind, wird daher
ein früherer Verlust der Leistungsfähigkeit vermutet. Die niedrigere Altersgrenze findet
dabei in systemgerechter Weise auf die Sonderfunktionen Anwendung, die
besondere körperliche und geistige Anforderungen stellen und deswegen auch in
anderen Regelungen des Beamtenrechts als besonders belastend herausgehoben
sind. So wird für die besonderen Erschwernisse, die mit dem Einsatz im
Wechselschichtdienst,
in
einem
Mobilen
Einsatzkommando,
in einem
Sondereinsatzkommando oder als fliegendes Personal verbunden sind, eine Zulage
gezahlt (vgl. § 20 Abs. 1, § 22 Abs. 2 Nr. 1, § 22a Abs. 1
Erschwerniszulagenverordnung - EZulV).
Dagegen ist die Rufbereitschaft, die der Beschwerdeführer lange Zeit ausgeübt hat,
nach der zulässigen Einschätzung des Gesetzgebers nicht mit denselben
B e l a s t u n g e n wie
etwa
der
Wechselschichtdienst
verbunden.
Im
Wechselschichtdienst werden die Beamten nach einem Dienstplan eingesetzt, der
einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Arbeitsschichten vorsieht, in
denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags
gearbeitet wird (§ 20 Abs. 1 Satz 1 EZulV). Die besondere Belastung der Beamten
entsteht durch die ständige Umstellung ihres Arbeits- und Lebensrhythmus (vgl.
BVerwG, Urteil vom 21. August 1997 - 2 C 37.96 -, ZBR 1998, S. 100 <101>).
Rufbereitschaft dagegen bedeutet, dass sich der Beamte zu Hause oder an einem
anderen frei wählbaren Ort bereithalten muss, um bei Bedarf zu Dienstleistungen
sofort abgerufen werden zu können; sie bedeutet daher in erster Linie nur eine
gewisse Einschränkung der Bewegungsfreiheit während der Freizeit (vgl. BVerwGE
59, 45 <47>). Die Rufbereitschaft gilt daher auch nicht als zulagenfähiger „Dienst zu
ungünstigen Zeiten“ gemäß § 3 Abs. 4 EZulV. Zudem erhalten Beamte für eine
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Mehrbelastung durch die Rufbereitschaft bereits einen Freizeitausgleich nach § 7
Abs. 2 Arbeitszeitverordnung Rheinland-Pfalz.
Es ist nicht zu beanstanden, dass für einzelne Beamte auch dann die niedrigere
Altersgrenze gilt, wenn sie innerhalb dieser Sonderfunktionsbereiche nur Innendienst
geleistet haben. Die Anwendung der Altersgrenze auf Beamte, die nicht der
besonderen Belastungssituation in diesen Sonderfunktionen ausgesetzt waren, ist
das Ergebnis einer zulässigen Generalisierung des Gesetzgebers. Die Regelung soll
in einer verwaltungstechnisch handhabbaren Weise jedenfalls alle Beamten
erfassen, für die eine besondere Belastungssituation bestand.
d) Die Staffelung der Altersgrenze nach Geburtsjahrgängen in § 208 Abs. 3 und Abs.
4
LBG stellt eine verfassungsrechtlich zulässige Differenzierung dar. Der
Gesetzgeber hat damit eine Übergangsregelung geschaffen, die den Interessen der
Beamten am Fortbestand der bisherigen Rechtslage umso größeres Gewicht
einräumt, je näher sie bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits dem Ruhestandsalter
waren (vgl. LTDrucks 14/1800, S. 11). Für die zu diesem Zeitpunkt bereits älteren
Beamten wird die Altersgrenze gegenüber dem bisher maßgeblichen vollendeten 60.
Lebensjahr
schrittweise
heraufgesetzt.
Eine
solche differenzierende
Übergangsregelung ist als Ungleichbehandlung unter dem Gesichtspunkt des
Vertrauensschutzes nicht nur zulässig, sondern kann im Rahmen einer Abwägung
zwischen dem Vertrauen des Beamten auf den Fortbestand der bisherigen Regelung
und der Bedeutung des Anliegens des Gesetzgebers für das Wohl der Allgemeinheit
sogar geboten sein (vgl. BVerfGE 71, 255 <273>). Durch die Übergangsregelung in
§ 208 Abs. 3 und Abs. 4 LBG hat der Gesetzgeber diesen Anforderungen des
verfassungsrechtlich verbürgten Vertrauensschutzes Rechnung getragen.
e) Die Ungleichbehandlung von Polizeibeamten in Ämtern des gehobenen
Polizeidienstes gegenüber Polizeibeamten in Ämtern des mittleren Polizeidienstes
gemäß § 208 Abs. 1 Satz 4 LBG beschwert den Beschwerdeführer nicht. Aufgrund
seines Geburtsjahrgangs findet auf ihn die Übergangsregelung des § 208 Abs. 3 Nr. 1
LBG Anwendung, so dass er wie die Polizeibeamten des mittleren Dienstes mit
Vollendung des 62. Lebensjahres in den Ruhestand trat.
3. Von einer weiteren Begründung der Nichtannahmeentscheidung wird gemäß
§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Broß
Di Fabio
Landau