Urteil des BVerfG vom 23.06.2015

Ersatzbemessungsgrundlage im Grunderwerbsteuerrecht verfassungswidrig

Leitsätze
zum Beschluss des Ersten Senats vom 23. Juni 2015
- 1 BvL 13/11 -
- 1 BvL 14/11 -
1. Hat das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit einer Norm mit Art. 3 Abs. 1
GG festgestellt und deren Weitergeltung für einen bestimmten Zeitraum angeordnet,
steht dies einer Vorlage der Norm durch ein Gericht nach Art. 100 Abs. 1 GG auch
im Hinblick auf den Weitergeltungszeitraum nicht entgegen, sofern die Norm in
einem anderen Regelungszusammenhang steht.
2. Eine gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen verlangt, dass für die von einer
Steuer erfassten Wirtschaftsgüter eine Bemessungsgrundlage gefunden wird, die
deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbildet.
3. Bringt der Gesetzgeber zur Bemessung der Steuer neben einem
Regelbemessungsmaßstab einen Ersatzmaßstab zur Anwendung, muss dieser, um
dem Grundsatz der Lastengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) zu genügen, Ergebnisse
erzielen, die denen der Regelbemessungsgrundlage weitgehend angenähert sind.
Dem genügt die Ersatzbemessungsgrundlage des § 8 Abs. 2 GrEStG in Verbindung
mit §§ 138 ff. BewG nicht.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvL 13/11 -
- 1 BvL 14/11 -
IM NAMEN DES VOLKES
In den Verfahren
zu den verfassungsrechtlichen Prüfungen,
1. ob § 11 des Grunderwerbsteuergesetzes in der im Jahre 2001 geltenden Fassung
mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes insofern unvereinbar ist, als er die
Beteiligten an Erwerbsvorgängen im Sinne des § 8 Absatz 2 des
Grunderwerbsteuergesetzes, für die die (Ersatz-)Steuerbemessungsgrundlage
nach § 138 Absatz 2 und 3 des Bewertungsgesetzes in der im Jahre 2001
geltenden Fassung zu ermitteln ist, mit einheitlichen Steuersätzen belastet
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs
vom 2. März 2011 (II R 23/10) -
1
- 1 BvL 13/11 -,
2. ob § 11 des Grunderwerbsteuergesetzes in der im Jahre 2002 geltenden Fassung
mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes insofern unvereinbar ist, als er die
Beteiligten an Erwerbsvorgängen im Sinne des § 8 Absatz 2 des
Grunderwerbsteuergesetzes, für die die (Ersatz-)Steuerbemessungsgrundlage
nach § 138 Absatz 3 des Bewertungsgesetzes in der im Jahre 2002 geltenden
Fassung zu ermitteln ist, mit einheitlichen Steuersätzen belastet
- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs
vom 2. März 2011 (II R 64/08) -
- 1 BvL 14/11 -
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat -
unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsident Kirchhof,
Gaier,
Eichberger,
Schluckebier,
Masing,
Paulus,
Baer,
Britz
am 23. Juni 2015 beschlossen:
1. § 8 Absatz 2 des Grunderwerbsteuergesetzes in der Fassung des
Jahressteuergesetzes 1997 vom 20. Dezember 1996 (Bundesgesetzblatt I Seite 2049)
sowie in allen seitherigen Fassungen ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes
unvereinbar.
2. Das bisherige Recht ist bis zum 31. Dezember 2008 weiter anwendbar. Der
Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 2016 rückwirkend zum
1. Januar 2009 eine Neuregelung zu treffen.
G r ü n d e :
A.
Gegenstand der Vorlagen ist die Vorschrift des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zur
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Ersatzbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG.
I.
1. Die Grunderwerbsteuer ist eine den Ländern zustehende Verkehrsteuer im Sinne des
Art. 106 Abs. 2 Nr. 3 GG. In § 11 Abs. 1 GrEStG hat der Bundesgesetzgeber den Steuersatz
der Grunderwerbsteuer auf 3,5 % festgelegt. Seit September 2006 ist die Befugnis zur
Bestimmung des Steuersatzes auf die Länder übergegangen (Art. 105 Abs. 2a Satz 2 GG).
Abgesehen von den Freistaaten Bayern und Sachsen haben alle Länder von dieser Befugnis
Gebrauch gemacht. Die Steuersätze in diesen Ländern liegen zum 1. Januar 2015 zwischen
4,5 % und 6,5 %.
Nach § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Grunderwerbsteuer grundsätzlich nach dem
Wert der Gegenleistung (Regelbemessungsgrundlage). Die Gegenleistung wird in § 9
GrEStG definiert. Bei einem Kauf ist dies der Kaufpreis (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Auf die
Ersatzbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG ist zurückzugreifen bei Fehlen einer
Gegenleistung (Satz 1 Nr. 1), bei Umwandlungen, Einbringungen und anderen Erwerben auf
gesellschaftsvertraglicher Grundlage (Satz 1 Nr. 2) sowie bei Übertragung von mindestens
95 % der Anteile an Personen- und Kapitalgesellschaften (Satz 1 Nr. 3). Kommt es danach
auf die Ersatzbemessungsgrundlage an, bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach den
Werten im Sinne des § 138 Bewertungsgesetz (BewG), denen zufolge die Grundbesitzwerte
für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen und für das Grundvermögen nach den
§§ 139 bis 150 BewG zu ermitteln sind.
§ 8 GrEStG lautet in der für die Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung des
Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I S. 402):
(1) Die Steuer bemißt sich nach dem Wert der Gegenleistung.
(2) Die Steuer wird nach den Werten im Sinne des § 138 Abs. 2 oder 3
des Bewertungsgesetzes bemessen:
1. wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist;
2. bei Umwandlungen auf Grund eines Bundes- oder Landesgesetzes,
bei Einbringungen sowie bei anderen Erwerbsvorgängen auf
gesellschaftsvertraglicher Grundlage;
3. in den Fällen des § 1 Abs. 2a und 3.
Erstreckt sich der Erwerbsvorgang auf ein noch zu errichtendes
Gebäude oder beruht die Änderung des Gesellschafterbestandes im Sinne
des § 1 Abs. 2a auf einem vorgefaßten Plan zur Bebauung eines
Grundstücks, ist der Wert des Grundstücks abweichend von § 138 Abs. 1
Satz 2 Bewertungsgesetz nach den tatsächlichen Verhältnissen im
Zeitpunkt der Fertigstellung des Gebäudes maßgebend.
Abgesehen von kleineren, insbesondere die in Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 genannten
Erwerbsvorgänge betreffenden Änderungen stimmt diese Fassung mit allen seit dem Jahr
1997 bis heute anwendbaren Fassungen des § 8 GrEStG überein.
2. Ursprünglich war Regelbemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer nach § 11
GrEStG 1919 der gemeine Wert (Verkehrswert) des Grundbesitzes. Lag der
Veräußerungspreis höher, war gemäß § 12 GrEStG 1919 dieser maßgeblich. Durch § 10
Abs. 1 GrEStG 1940 wurde angeordnet, dass die Steuer grundsätzlich vom Wert der
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Gegenleistung zu berechnen ist. Denn die Berechnung der Steuer nach dem gemeinen Wert
hatte in der praktischen Durchführung laut der Gesetzesbegründung (vgl. RStBl 1940, S. 387
<404>) aufgrund von Meinungsverschiedenheiten mit den Steuerschuldnern zu erheblicher
Mehrarbeit der Steuerbehörden und insbesondere zu zahlreichen Rechtsbehelfsverfahren
geführt. Ersatzbemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 2 GrEStG 1940 war der in § 12
GrEStG 1940 definierte Wert des Grundstücks.
Auch nach der Reform der Grunderwerbsteuer im Jahr 1983 bemisst sich die Steuer
gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG 1983 nach dem Wert der Gegenleistung. Diese Formulierung der
Regelbemessungsgrundlage ist bis heute unverändert geblieben.
Die für die Ersatzbemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bis zum Ende des Jahres
1996 maßgebliche Einheitsbewertung wurde durch das Jahressteuergesetz 1997 (JStG
1997) vom 20. Dezember 1996 (BGBl I S. 2049) durch die anlassbezogene
Grundbesitzbewertung gemäß §§ 138 ff. BewG ersetzt. Diese Bewertungsvorschriften waren
in Reaktion auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit
der Einheitsbewertung für Zwecke der Vermögensteuer und der Erbschaftsteuer vom
22. Juni 1995 (BVerfGE 93, 121 und 165) geschaffen worden.
In der Begründung des Regierungsentwurfs zum Jahressteuergesetz 1997 wurde die
Auffassung vertreten, dass die Grundbesitzwerte im Sinne des § 138 Abs. 2 und 3 BewG
unterhalb der tatsächlichen Werte lägen, denen sie aber weitgehend - anders als die
bisherigen Einheitswerte - angenähert seien. Die Berücksichtigung der neuen
bewertungsrechtlichen
Grundbesitzwerte
als
Bemessungsgrundlage
bei
Grundstücksübergängen auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage erscheine als ausreichend
und gerechtfertigt. Dies gelte umso mehr, als auch die bei Grundstücksgeschäften
vereinbarten Kaufpreise, die regelmäßig der Grunderwerbsteuerberechnung zugrunde zu
legen seien, häufig nicht den tatsächlichen Grundstückswerten entsprächen (vgl. BTDrucks
13/4839, S. 74).
Die §§ 138 ff. BewG sind für die Grunderwerbsteuer als Ersatzbemessungsgrundlage bis
heute maßgeblich geblieben. Die infolge des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts
vom 7. November 2006 zur Erbschaftsteuer (BVerfGE 117, 1) durch das Gesetz zur Reform
des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz) vom 24.
Dezember 2008 (BGBl I S. 3018) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 neu geschaffenen
Bewertungsvorschriften für land- und forstwirtschaftliches Vermögen und Grundvermögen
(§§ 157 ff. BewG) gelten nur für die Erbschaftsteuer (vgl. BTDrucks 16/7918, S. 39 ff.).
3. § 138 BewG, auf den § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG verweist (früher auf die Absätze 2 und 3,
jetzt auf die Absätze 2 bis 4), ist neben der Abrundungsvorschrift des § 139 BewG die
allgemeine Vorschrift zur Feststellung von Grundbesitzwerten für die Grunderwerbsteuer.
Die §§ 140 bis 144 BewG sind spezielle Vorschriften für land- und forstwirtschaftliches
Vermögen. Gemäß § 144 BewG bilden der Betriebswert (§ 142 BewG), der Wert der
Betriebswohnungen und der Wert des Wohnteils (§ 143 BewG) zusammen den land- und
forstwirtschaftlichen Grundbesitzwert.
§ 145 BewG regelt die Bewertung unbebauter Grundstücke. Gemäß § 145 Abs. 3 Satz 1
BewG beläuft sich der Steuerwert unbebauter Grundstücke auf 80 % des Bodenrichtwerts
(vgl. § 196 Baugesetzbuch ). Bis Ende 2006 blieben dabei die Wertverhältnisse
zum 1. Januar 1996 maßgeblich (vgl. § 138 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG
a.F.).
Die allgemeine Vorschrift für die Bewertung bebauter Grundstücke ist § 146 BewG; die
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Die allgemeine Vorschrift für die Bewertung bebauter Grundstücke ist § 146 BewG; die
Bewertung besonderer Fälle ist in den §§ 147 ff. BewG geregelt. Der Grundbesitzwert
bebauter Grundstücke wird mit Hilfe eines pauschalierten Ertragswertverfahrens ermittelt,
nämlich mit dem 12,5fachen der tatsächlichen oder hilfsweise der üblichen Jahreskaltmiete
(§ 146 Abs. 2, Abs. 3 BewG). In Abzug zu bringen ist dabei ein Betrag für die altersbedingte
Wertminderung des Gebäudes (§ 146 Abs. 4 BewG). Für Ein- und Zweifamilienhäuser gilt ein
Zuschlag von 20 % (§ 146 Abs. 5 BewG). Mindestens ist der Steuerwert gemäß § 145 Abs. 3
BewG für den jeweiligen Grund und Boden anzusetzen (Mindestwert gemäß § 146 Abs. 6
BewG).
Das Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007) vom 13. Dezember 2006 (BGBl I S. 2878) hat
§ 138 Abs. 1 BewG mit Wirkung ab 2007 dahingehend geändert, dass die Grundbesitzwerte
nunmehr auch unter Berücksichtigung der Wertverhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt
(nicht mehr zum 1. Januar 1996) festgestellt werden. Für unbebaute Grundstücke ist die
vormalige Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse zum 1. Januar 1996 ebenfalls entfallen; seit
1. Januar 2007 ist gemäß § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG nun der Bodenrichtwert anzusetzen,
der vom Gutachterausschuss zuletzt zu ermitteln war.
II.
1. Klägerin des Ausgangsverfahrens zu 1 BvL 13/11 ist eine Körperschaft US-
amerikanischen Rechts. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26. April 2001 kaufte sie
von einer A-GmbH 99,8 % und von einer D-AG die übrigen 0,2 % der Anteile an einer M-
GmbH. Daneben kaufte sie von der A-GmbH 6 % der Anteile an einer Gesellschaft
bürgerlichen Rechts (im Folgenden: B-GbR), an welcher die M-GmbH bereits mit den
übrigen 94 % beteiligt war.
Zu den Gesellschaftsvermögen der M-GmbH und der B-GbR gehörten zahlreiche
unbebaute, bebaute sowie dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzurechnende
Grundstücke. Durch einen am 31. Mai 2001 geschlossenen Übertragungs- und
Abtretungsvertrag traten die Verkäuferinnen (A-GmbH und D-AG) die von ihnen jeweils
gehaltenen, im Kaufvertrag vom 26. April 2001 genannten Geschäftsanteile an der M-GmbH
und der B-GbR sodann an eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Klägerin ab.
Das Finanzamt behandelte den Vertrag vom 26. April 2001 als grunderwerbsteuerbaren
Vorgang und setzte gegen die Klägerin durch zusammengefassten Bescheid vom
10. Februar 2005 Grunderwerbsteuer in Höhe von 512.554 € fest. Die Bemessungsgrundlage
von 14.644.422 € errechnete es aus der Summe der gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG
in Verbindung mit § 138 Abs. 2 und 3 BewG für die Grundstücke der M-GmbH und der B-
GbR auf den 31. Mai 2001 ermittelten Grundbesitzwerte. Der Einspruch der Klägerin und ihre
Klage vor dem Finanzgericht blieben erfolglos.
Der Bundesfinanzhof geht von einer geringfügig niedrigeren Bemessungsgrundlage von
14.641.355 € aus. Im Übrigen stimmt er mit der Auffassung des Finanzgerichts überein und
sieht insbesondere den Besteuerungstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG aufgrund des
Vertrages vom 26. April 2001 bezogen auf den Steuerentstehungszeitpunkt 31. Mai 2001 als
erfüllt an.
2. Klägerin des Ausgangsverfahrens zu 1 BvL 14/11 ist eine GmbH. Sie kaufte mit
privatschriftlichem Vertrag vom 18. Dezember 2002 von ihrer Alleingesellschafterin, einer
AG, den einzigen Geschäftsanteil an einer anderen GmbH, die Eigentümerin eines
unbebauten und eines bebauten Grundstücks war. Die Anteilsabtretung wurde am
19. Dezember 2002 öffentlich beurkundet. Durch privatschriftlichen Vertrag vom 5. März
2003 hoben die Klägerin und die AG den Kaufvertrag vom 18. Dezember 2002 wieder auf.
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Die Rückübertragung des erworbenen GmbH-Anteils auf die AG wurde am 6. März 2003
öffentlich beurkundet. Den Kaufpreis hatte die Klägerin noch nicht entrichtet.
Das Finanzamt setzte für den Kauf des GmbH-Anteils durch Bescheid vom 8. Mai 2006 auf
der Grundlage von Wertermittlungen gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG in Verbindung
mit § 138 Abs. 3 BewG Grunderwerbsteuer in Höhe von 113.347 € fest. Für das bebaute
Grundstück setzte es dabei gemäß § 147 BewG einen Wert von 3.154.500 € an, für das
unbebaute Grundstück gemäß § 145 BewG einen Wert von 84.000 €. Der Einspruch der
Klägerin und ihre Klage vor dem Finanzgericht blieben erfolglos.
Der Bundesfinanzhof stimmt mit dem Finanzgericht darin überein, dass der Kaufvertrag
vom 18. Dezember 2002 nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterlegen
habe und die Steuerfestsetzung nicht deshalb unterbleiben müsse, weil der Vertrag
aufgehoben und der übertragene GmbH-Anteil zurückübertragen worden sei. Zwar seien die
Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG für eine Aufhebung der Steuerfestsetzung
erfüllt; das stehe gemäß § 16 Abs. 5 GrEStG jedoch der Steuerfestsetzung nicht entgegen,
weil es an einer ordnungsgemäßen Anzeige des Rückerwerbsvorgangs gefehlt habe. Nach
Aufforderung durch den Bundesfinanzhof (vgl. BFHE 225, 508) trat das Bundesministerium
der Finanzen dem Verfahren bei und verteidigte insbesondere unter Berufung auf die
Weitergeltungsanordnung
des
Bundesverfassungsgerichts
im
Beschluss
zur
Erbschaftsteuer vom 7. November 2006 (BVerfGE 117, 1) die Regelung zur
Ersatzbemessungsgrundlage als verfassungsgemäß.
III.
Der Bundesfinanzhof hat die beiden Ausgangsverfahren ausgesetzt und dem
Bundesverfassungsgericht mit im Wesentlichen übereinstimmender Begründung die Frage
vorgelegt, ob § 11 GrEStG in der in den Jahren 2001 und 2002 geltenden Fassung mit Art. 3
Abs. 1 GG insofern unvereinbar ist, als er die Beteiligten an Erwerbsvorgängen im Sinne des
§ 8 Abs. 2 GrEStG, für die die (Er- satz-)Steuerbemessungsgrundlage nach § 138 Abs. 2
und 3 BewG in der in den Jahren 2001 und 2002 geltenden Fassung zu ermitteln ist, mit
einheitlichen Steuersätzen belastet.
1. Ausgehend von der in § 1 GrEStG getroffenen Belastungsentscheidung, grundsätzlich
alle Rechtsträgerwechsel an Grundstücken der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen, verlange
das Gebot der Gleichheit im steuerlichen Belastungserfolg für alle nach § 8 Abs. 2 GrEStG
zu besteuernden Rechtsvorgänge ein gleichheitsgerechtes und folgerichtiges
Bewertungssystem. Diesen Anforderungen genügten die gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG
anzuwendenden Bewertungsvorschriften der §§ 138 ff. BewG nicht. Der Senat sei von einem
Verstoß des § 11 GrEStG in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG und §§ 138 ff.
BewG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz überzeugt. Die Ersatzbemessungsgrundlage
führe
für
sämtliche
dieser
Vorschrift
unterfallenden
Rechtsvorgänge
zu
Besteuerungsergebnissen, welche die vom Gesetzgeber getroffene Belastungsentscheidung
nicht im Sinne der Belastungsgleichheit umsetzten. Eine Rechtfertigung für die auf den
§§ 138 ff. BewG beruhenden ungleichen Besteuerungsergebnisse sei nicht zu erkennen. Die
§§ 138 ff. BewG bewirkten nicht etwa nur Ungleichbehandlungen, die lediglich in einzelnen
Regelungen angelegt seien. Vielmehr gehe der Senat auch für die Grunderwerbsteuer davon
aus, dass entsprechend der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss zur
Erbschaftsteuer vom 7. November 2006 (Hinweis auf BVerfGE 117, 1 <58 f.>) die
Bewertungsvorschriften für das Grundvermögen (§ 138 Abs. 3 in Verbindung mit §§ 139, 145
bis 150 BewG) in allen Teilbereichen nicht den Vorgaben des Gleichheitssatzes genügten
und damit auf der Bewertungsebene verfassungswidrige Besteuerungsergebnisse erzeugten
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(Hinweis auf BVerfGE 117, 1 <45 ff.>). Dies gelte auch für die Bewertung land- und
forstwirtschaftlichen Vermögens (Hinweis auf BVerfGE 117, 1 <64 ff.>). Für die
Grunderwerbsteuer werde dieser Befund auch vom Schrifttum ganz überwiegend geteilt.
2. Eine Rechtfertigung für diese auf den Bewertungsregeln der §§ 138 ff. BewG beruhenden
ungleichen Besteuerungsergebnisse sei nicht erkennbar. Die Bewertung nach den §§ 138 ff.
BewG verstoße gegen das Gebot einer den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG
genügenden grunderwerbsteuerrechtlichen Binnengerechtigkeit.
Die sich aus der Anwendung des § 11 GrEStG in Verbindung mit § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
GrEStG und §§ 138 ff. BewG ergebenden gravierenden Bewertungs- und
Belastungsunterschiede seien nicht hinnehmbar und keine Folge einer verfassungsrechtlich
zulässigen Typisierung oder Pauschalierung. Für die Grunderwerbsteuer könne insoweit
nichts anderes gelten als für die Erbschaft- und Schenkungsteuer.
Entgegen der Auffassung des Bundesministeriums der Finanzen ließen sich die durch
Anwendung des § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG in Verbindung mit §§ 138 ff. BewG
bewirkten Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht mit der Erwägung rechtfertigen, diese
Bewertungsergebnisse beruhten auf einer an sachlichen Gesichtspunkten orientierten,
folgerichtigen Umsetzung der primären Belastungsentscheidung für die Fälle, in denen sich
die Bemessungsgrundlage nicht aufgrund einer privatautonomen Festlegung des Werts der
Gegenleistung ergebe. In Bezug auf die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage
bestünden zwischen der gesetzlichen Anknüpfung an einen privatautonom gefundenen, im
Regelfall dem Verkehrswert entsprechenden Wert einerseits und einer gesetzlich
angeordneten Ersatzbemessungsgrundlage andererseits grundlegende Unterschiede.
Die Gegenleistung entspreche regelmäßig dem gemeinen Wert des Grundstücks am
maßgeblichen Stichtag (Steuerentstehungszeitpunkt); dies gelte jedenfalls für die
zahlenmäßig weitaus bedeutsamste Fallgruppe, bei der die Vertragschließenden
gegenläufige Interessen verfolgten. Hieran ändere nichts, dass die Wertfindung durch die am
Erwerbsvorgang Beteiligten in Ausübung der ihnen durch Art. 2 Abs. 1 GG garantierten
Privatautonomie erfolge. Denn der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien lasse in der
Regel auf einen durch den Vertrag hergestellten sachgerechten Interessenausgleich
schließen und biete insoweit eine „Richtigkeitsgewähr“ der getroffenen Vereinbarung.
Diejenigen Fälle, in denen die Gegenleistung den gemeinen Wert deutlich verfehle, unterlägen
nach der Regelung in § 3 Nr. 2 GrEStG auch nur insoweit der Grunderwerbsteuer, als sie
entgeltlicher Natur seien, im Übrigen, soweit Unentgeltlichkeit vorliege, der Schenkungsteuer.
IV.
In den abgegebenen Stellungnahmen haben sich für die Verfassungsmäßigkeit der
vorgelegten Normen ausgesprochen für die Bundesregierung das Bundesministerium der
Finanzen, die Bundessteuerberaterkammer, der Deutsche Bauernverband, der Deutsche
Industrie- und Handelskammertag und die Bundesvereinigung Spitzenverbände der
Immobilienwirtschaft.
Die
Ersatzbemessungsgrundlage
halten
dagegen
für
verfassungswidrig der Deutsche Anwaltverein, die Bundesrechtsanwaltskammer und die
Klägerin des Ausgangsverfahrens in der Sache 1 BvL 14/11.
1. Das Bundesministerium der Finanzen hält die Vorlagen unter Hinweis auf die
Weitergeltungsanordnung
im
Beschluss
des
Bundesverfassungsgerichts
zur
Erbschaftsteuer vom 7. November 2006 (Hinweis auf BVerfGE 117, 1 <2>) für unzulässig.
Für verfassungswidrig erklärte Normen behielten im Falle einer Weitergeltungsanordnung des
Bundesverfassungsgerichts für den Weitergeltungszeitraum vollumfänglich ihren Geltungs-
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und Anwendungsanspruch, das heißt auch in Verbindung mit Normen, die nicht Gegenstand
des ursprünglichen Verfahrens gewesen seien, aber weiterhin unverändert auf diese
verwiesen oder sie in Bezug nähmen.
In der Sache sei der Beschluss zur Erbschaftsteuer vom 7. November 2006 nicht
unmittelbar auf die Grunderwerbsteuer übertragbar. Deren Ersatzbemessungsgrundlage sei
wegen des Charakters der Grunderwerbsteuer als besonderer Rechtsverkehrsteuer und der
sich daraus ergebenden strukturellen Unterschiede zur Erbschaft- und Schenkungsteuer
verfassungsgemäß. Die Grunderwerbsteuer habe einen anderen Besteuerungsgegenstand,
was bei der Beurteilung der Bewertung zu berücksichtigen sei und vor dem Hintergrund des
Art. 3 Abs. 1 GG zu anderen Bewertungsmaßstäben führe. Maßstab für die
Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer sei anders als bei der Erbschaftsteuer nicht
schon von Verfassungs wegen der gemeine Wert, sondern der auf privatautonomen
Entscheidungen beruhende „Wert der Gegenleistung“ im Sinne des § 8 Abs. 1 GrEStG.
Gemessen daran sei die Regelung folgerichtig. Die Ersatzbemessungsgrundlage der
Grunderwerbsteuer spiegele die Bandbreite beziehungsweise Streubreite der
Regelbemessungsgrundlage wider.
Nur bei der Erbschaftsteuer müsse sich die Bemessungsgrundlage an dem Zuwachs an
wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ausrichten. Bei einer Rechtsverkehrsteuer, die an einen
privatautonomen Rechtsakt anknüpfe, sei der Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen
gezwungen, die Bemessung an einen unter objektiven Bedingungen erzielbaren gemeinen
Wert anzuknüpfen, der den objektiven Einkommenszuwachs ausgleiche.
Die Gegenleistung für das Grundstück könne dessen gemeinen Wert über- oder
unterschreiten. Der Streubreite bei Anwendung der Regelbemessungsgrundlage entsprächen
die Bewertungsergebnisse bei der Ersatzbemessungsgrundlage. Sie seien daher nicht
willkürlich oder zufällig, sondern beruhten auf einer an sachlichen Gesichtspunkten
orientierten, folgerichtigen Umsetzung der primären Belastungsentscheidung des
Gesetzgebers im Sinne einer Belastungsgleichheit.
Die Ersatzbemessungsgrundlage werde zudem nur bei einem sehr geringen Anteil aller
Grunderwerbsteuerfälle angewendet. Soweit Daten der Länder beim Bund vorlägen, seien
dies im Jahr 2010 lediglich ca. 0,8 % aller Grunderwerbsteuerfälle, allerdings mit
Steuereinnahmen der Länder im dreistelligen Millionenbereich. Im Unterschied zur Erbschaft-
und Schenkungsteuer sei die Bewertung nach den §§ 138 ff. BewG nicht der Normalfall.
Dieser sei bei der Grunderwerbsteuer vielmehr die Bewertung mit dem Wert der
Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG).
2. Die Bundessteuerberaterkammer, der Deutsche Bauernverband, der Deutsche Industrie-
und
Handelskammertag
und
die
Bundesvereinigung
Spitzenverbände
der
Immobilienwirtschaft halten die Normenkontrollanträge teilweise bereits für unzulässig und
sehen im Ergebnis ebenfalls keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar könne es wegen
Bewertungsschwankungen zu Belastungsungleichheiten kommen; diese seien jedoch als
Typisierungsmaßnahmen aus Vereinfachungsgründen gerechtfertigt. Im Übrigen dürften die
Erkenntnisse aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2006
zur Erbschaftsteuer (BVerfGE 117, 1) nicht ohne Weiteres auf die Bewertung von
Grundvermögen übertragen werden.
3. Nach Auffassung des Deutschen Anwaltvereins, der Bundesrechtsanwaltskammer und
der Klägerin des Ausgangsverfahrens in der Sache 1 BvL 14/11 wird die Erhebung der
Grunderwerbsteuer nach Maßgabe der Ersatzbemessungsgrundlage des § 8 Abs. 2 GrEStG
den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG an Steuergerechtigkeit, Belastungsgleichheit und
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Folgerichtigkeit nicht gerecht. Die Bewertungsungleichheiten ergäben sich vor allem aus den
im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaftsteuer (BVerfGE 117, 1)
getroffenen Feststellungen zu den §§ 138 ff. BewG, die auch für den Bereich der
Grunderwerbsteuer Geltung beanspruchen könnten.
B.
I.
Die Vorlagen des Bundesfinanzhofs bedürfen der geringfügigen Präzisierung und
Erweiterung.
Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG ist einzuschränken, wenn das vorlegende Gericht sie
zu weit gefasst hat (vgl. BVerfGE 76, 130 <138>; 126, 369 <387>; stRspr). Auf der anderen
Seite ist es dem Bundesverfassungsgericht mit Rücksicht auf die Befriedungsfunktion der
Normenkontrollentscheidung nicht verwehrt, den Antrag des vorlegenden Gerichts erweiternd
auszulegen und auf Regelungen oder Normteile zu erstrecken, die in engem Zusammenhang
mit dem vom vorlegenden Gericht beanstandeten Normkomplex stehen (vgl. BVerfGE 44,
322 <337 f.>; 132, 302 <316 Rn. 39>; 135, 1 <12 Rn. 33 f.>). Beides kommt hier zum
Tragen.
1. Die Tarifnorm des § 11 GrEStG bedarf vorliegend keiner verfassungsgerichtlichen
Überprüfung. Der Bundesfinanzhof hält in beiden Verfahren § 11 GrEStG mit Art. 3 Abs. 1
GG insofern für unvereinbar, als die Norm Beteiligte an Erwerbsvorgängen im Sinne des § 8
Abs. 2 GrEStG mit einheitlichen Steuersätzen belastet, die in diesen Fällen anhand der
Bewertungsvorschriften der §§ 138 ff. BewG als Ersatzbemessungsgrundlage zu ermitteln
sind. Den Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sieht der Bundesfinanzhof in der in § 8 Abs. 2
GrEStG angeordneten Erfassung der Grundbesitzwerte nach Maßgabe der §§ 138 ff. BewG.
Die auf die so ermittelten Bemessungsgrößen anzuwendende einheitliche
Steuertarifvorschrift des § 11 GrEStG wird hingegen für sich genommen nicht als
gleichheitswidrig beanstandet. Da die hier entscheidungserheblichen verfassungsrechtlichen
Fragen sämtlich anhand der verfassungsgerichtlichen Überprüfung des § 8 Abs. 2 GrEStG
und der §§ 138 ff. BewG beantwortet werden können, bedarf es daneben keines Rückgriffs
auf § 11 GrEStG als „Klammernorm“ (vgl. dazu BVerfGE 117, 1 <28 f.> und BVerfG, Urteil
vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, juris, Rn. 103).
2. Der Bundesfinanzhof hat in den Vorlagebeschlüssen § 8 Abs. 2 GrEStG jeweils
uneingeschränkt mit sämtlichen seiner Tatbestandsvarianten des Satzes 1 vorgelegt. Das ist
nicht zu beanstanden. Zwar betreffen die Ausgangsverfahren nur die Nummer 3 des § 8
Abs. 2 Satz 1 GrEStG. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesfinanzhofs im
Hinblick auf die Unvereinbarkeit der Ersatzbemessungsgrundlage mit Art. 3 Abs. 1 GG
ergeben sich jedoch allein aus der Verweisung im einleitenden ersten Halbsatz des § 8
Abs. 2 Satz 1 GrEStG auf die Bewertungsregeln der §§ 138 ff. BewG und gelten damit in
gleicher Weise für sämtliche Anwendungsfälle des § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG. Wären die
Nummern 1 und 2 des § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG damit nicht schon vom Bundesfinanzhof
selbst in seine Vorlagefragen mit einbezogen worden, hätte es jedenfalls mit Rücksicht auf
die Befriedungsfunktion der Normenkontrolle (vgl. zuletzt BVerfGE 135, 1 <12 Rn. 33>) einer
entsprechenden Erstreckung der verfassungsgerichtlichen Überprüfung bedurft.
3. Der Bundesfinanzhof hat die Vorlagen in zeitlicher Hinsicht jeweils auf die Gültigkeit der
Normen in den für die Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Jahren 2001 und 2002
beschränkt. Mit Rücksicht auf die Befriedungsfunktion der Normenkontrolle (vgl. zuletzt
BVerfGE 135, 1 <12 Rn. 33>) ist die verfassungsgerichtliche Überprüfung des § 8 Abs. 2
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GrEStG in Verbindung mit den dort in Bezug genommenen Bestimmungen des
Bewertungsgesetzes zurück auf den Zeitraum ab 1. Januar 1997 und nach vorne bis zum
Ergehen dieser Entscheidung über die Vorlagebeschlüsse zu erstrecken. Denn auch für die
Jahre vor 2001 und die Jahre nach 2002 besteht ein gewichtiges öffentliches Interesse an der
Klärung
der
Verfassungsmäßigkeit
der
Ersatzbemessungsgrundlage
für
die
Grunderwerbsteuer. Die Rechtslage zu § 8 Abs. 2 GrEStG hat sich seit Anfang 1997 weder
vor den für die Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkten noch danach substanziell
verändert. Daher gibt es keinen Grund, die verfassungsgerichtliche Kontrolle auf die Jahre
2001 und 2002 zu beschränken und so die Rechtslage über einen Zeitraum von weit mehr
als zehn Jahren ungeklärt zu lassen.
II.
Die Vorlagen sind zulässig.
Sie
erfüllen
die
Anforderungen
an
eine
ausreichende
Darlegung
der
Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Normen (vgl. BVerfGE 105, 61 <67>; 133, 1 <10
f. Rn. 35>) und der Gründe für ihre Verfassungswidrigkeit (vgl. BVerfGE 133, 1 <12 Rn. 39>).
Die Zulässigkeit der Vorlagen scheitert nicht daran, dass das Bundesverfassungsgericht in
seinem Beschluss vom 7. November 2006 zur Erbschaftsteuer (BVerfGE 117, 1) die auch
hier entscheidungserheblichen Vorschriften des Bewertungsgesetzes für verfassungswidrig
befunden (1) und deren Fortgeltung angeordnet hat (2).
1. Der Zulässigkeit der Vorlagen des Bundesfinanzhofs steht nicht entgegen, dass das
Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 7. November 2006 (BVerfGE 117, 1) die
Vorschriften des Bewertungsgesetzes bereits für verfassungswidrig befunden hat. Denn
durch diesen Beschluss zur Erbschaftsteuer wurde weder mit Gesetzeskraft im Sinne von §
31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG noch mit einer die Vorlage durch den Bundesfinanzhof
möglicherweise hindernden Bindungswirkung (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) über die §§ 138, 140 ff.
BewG entschieden.
Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in dem Erbschaftsteuerbeschluss die
Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes
(ErbStG) insofern für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt, als sie die Erwerber von
Vermögen, das nach den von § 12 ErbStG in Bezug genommenen Vorschriften des
Bewertungsgesetzes in der damals geltenden Fassung bewertet wurde, unabhängig von der
jeweiligen Vermögensart mit einheitlichen Steuersätzen belastete (vgl. BVerfGE 117, 1 f.);
außerdem hat es in den Gründen des Beschlusses festgestellt, dass unter anderem die
Bewertungsvorschriften für Grundvermögen (§§ 145 ff. BewG) und für land- und
forstwirtschaftliches Vermögen (§§ 140 ff. BewG) gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen (vgl.
BVerfGE 117, 1 <45 ff., 64 ff.>). Diese Bewertungsvorschriften hatten auch in den damaligen
Ausgangsverfahren als Regelungen für die Bewertung ererbten oder geschenkten
Grundvermögens sowie land- und forstwirtschaftlichen Vermögens Anwendung gefunden.
Sie sind über die Verweisung in § 8 Abs. 2 GrEStG auf § 138 BewG auch für die
Bestimmung der Ersatzbemessungsgrundlage im Grunderwerbsteuerrecht heranzuziehen.
Die in diesem Beschluss vom Bundesverfassungsgericht im Anwendungszusammenhang
mit dem Erbschaftsteuerrecht gewonnene Erkenntnis über die Verfassungswidrigkeit dieser
Bewertungsregeln entfaltet jedoch weder Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) noch
über das Erbschaftsteuerrecht hinaus formale Bindungswirkung im Sinne des § 31 Abs. 1
BVerfGG.
Das Bundesverfassungsgericht hat die §§ 138 ff. BewG im Entscheidungsausspruch des
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Das Bundesverfassungsgericht hat die §§ 138 ff. BewG im Entscheidungsausspruch des
Beschlusses vom 7. November 2006 (BVerfGE 117, 1) nicht ausdrücklich - und insofern
dann auch nicht mit Gesetzeskraft - für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt. Die
damaligen Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts zum Bewertungsrecht entfalten
darüber hinaus auch keine förmliche Bindungswirkung für das Grunderwerbsteuerrecht.
Obgleich es sich in den vorliegenden Verfahren um dieselben Bewertungsvorschriften
handelt, die bereits Gegenstand des Beschlusses vom 7. November 2006 waren, erfolgte
dort deren einfachrechtliche Einbindung in Bezug auf die Erbschaftsteuer als eine auf den
Vermögenszuwachs durch Erbschaft oder Schenkung zugreifende Steuer, während die
Bewertungsvorschriften hier mit der Grunderwerbsteuer als Verkehrsteuer in einem anderen
Regelungszusammenhang stehen. Zudem stellte sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit
Art. 3 Abs. 1 GG im damaligen Beschluss im Hinblick auf die Notwendigkeit einer
gleichheitsgerechten Bewertung aller denkbaren Vermögensarten, die durch Erbschaft oder
Schenkung erworben werden können. Bei der Grunderwerbsteuer geht es dagegen
ausschließlich um die Bewertung von Grundbesitz. Beide Gesichtspunkte beeinflussen die
verfassungsrechtliche Würdigung der aufgeworfenen Gleichbehandlungsfragen. Daher
lassen sich vom Bundesverfassungsgericht im Erbschaftsteuerbeschluss zu den
Bewertungsregeln gewonnene Erkenntnisse auf das vorliegende Verfahren nur bei genauerer
Überprüfung im Kontext des Grunderwerbsteuerrechts übertragen. Jedenfalls schließen
diese Unterschiede deren formale, unbesehene oder gar bindende Übernahme aus.
2. Die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss über die Erbschaftsteuer getroffene
Anordnung, dass die für gleichheitswidrig befundenen Normen bis zu einer Neuregelung
weiter anwendbar bleiben, hindert ebenfalls nicht die Zulässigkeit der Vorlagen. Die
Weitergeltungsanordnung erfasst zwar im Entscheidungszusammenhang mit der
Erbschaftsteuer auch die §§ 138 ff. BewG, nicht jedoch die Geltung dieser
Bewertungsvorschriften im Zusammenhang mit der Grunderwerbsteuer. Nur das für
gleichheitswidrig
befundene
Recht
sollte
nach
der
Entscheidung
des
Bundesverfassungsgerichts bis zu einer Neuregelung weiter anwendbar sein. Damit sind die
Bewertungsvorschriften allein in Bezug auf das Erbschaftsteuerrecht erfasst; ob dasselbe für
eben diese Bewertungsvorschriften auch in dem anderen Regelungszusammenhang der
Grunderwerbsteuer gelten sollte, hat das Bundesverfassungsgericht nicht entschieden. Dies
war nicht Gegenstand des damaligen Verfahrens. Für eine auf die Grunderwerbsteuer
bezogene Weitergeltungsanordnung hätte es zudem einer eigenständigen Abwägung bedurft,
in die insbesondere drohende finanzielle Probleme für öffentliche Haushalte, ferner das Maß
der Zumutung für die von einer Fortgeltung als gleichheitswidrig erkannter Normen
Betroffenen oder die Nachteile einer in der Übergangszeit bis zu einer Neuregelung
ansonsten unsicheren Rechtslage hätten einfließen müssen (vgl. BVerfGE 123, 1 <38>; 125,
175 <258>; BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, juris, Rn. 289 ff.). Eine
solche auf den Anwendungszusammenhang des Grunderwerbsteuerrechts bezogene
Bewertung war vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss zur Erbschaftsteuer
nicht gefordert und ist auch nicht erfolgt.
III.
§ 8 Abs. 2 GrEStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 sowie in allen
seitherigen Fassungen ist mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.
1. Die Regelung über die Bestimmung der Ersatzbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2
GrEStG führt in den davon erfassten Fällen zu einer Ungleichbehandlung gegenüber der
Grunderwerbsteuererhebung nach Maßgabe der Regelbemessungsgrundlage des § 8 Abs. 1
GrEStG (a). Diese Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt (b).
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a) Wird die Grunderwerbsteuer nach der Ersatzbemessungsgrundlage des § 8 Abs. 2
GrEStG mit Hilfe der Bewertungsvorschriften (§§ 138 ff. BewG) bestimmt, hat dies eine
erhebliche Ungleichbehandlung gegenüber jenen Steuerschuldnern zur Folge, deren
Grunderwerbsteuer auf der Grundlage der Regelbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1
GrEStG berechnet wird.
Die als die Regelbemessungsgrundlage maßgebliche Gegenleistung wird regelmäßig den
gemeinen Wert des Grundstücks widerspiegeln (aa). Von diesem gemeinen Wert weichen
die bei Anwendung der Ersatzbemessungsgrundlage ermittelten Werte sowohl im
Durchschnitt als auch in vielen Einzelfällen gravierend ab (bb).
aa) Nach § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der
Gegenleistung. Das Gesetz gibt nicht vor, dass dies notwendig der Verkehrswert (gemeine
Wert) ist, und fingiert ihn auch nicht als solchen. Die Gegenleistung für die steuerpflichtigen
Erwerbsvorgänge an Grundstücken (§ 1 GrEStG) ist Ausfluss privatautonomer
Vereinbarung. Auf das tatsächliche Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung
sowie auf die für die Bemessung der Gegenleistung maßgebenden Motive und Erwartungen
der Parteien kommt es grundsätzlich nicht an (vgl. die Vorlagebeschlüsse vom 2. März 2011
- II R 23/10 -, BFHE 232, 358 <361 Rn. 18 m.w.N.> in dem Verfahren 1 BvL 13/11 und - II R
64/08 -, juris, Rn. 22 in dem Verfahren 1 BvL 14/11). Gleichwohl wird die Gegenleistung
regelmäßig dem gemeinen Wert des Grundstücks am maßgeblichen Stichtag
(Steuerentstehungszeitpunkt) entsprechen, da die Vertragschließenden meist gegenläufige
Interessen verfolgen (vgl. die Vorlagebeschlüsse, a.a.O., Rn. 18 und 76 in II R 23/10 und Rn.
21, 76 in II R 64/08, jeweils m.w.N.).
Die Annahme, dass die für ein Grundstück vereinbarte Gegenleistung typischerweise den
gemeinen Wert widerspiegelt, findet eine Grundlage auch in der allgemeinen Regel des § 9
Abs. 2 BewG, der zufolge der gemeine Wert durch den Preis bestimmt wird, der im
gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer
Veräußerung zu erzielen wäre. Entsprechend bestimmt § 194 BauGB für Grundstücke, dass
der Verkehrswert (Marktwert) durch den Preis bestimmt wird, der in dem Zeitpunkt, auf den
sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen
Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage
des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf
ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Die Gegenleistung ist im
Regelfall dieser im Geschäftsverkehr zu erzielende Preis.
Die Anknüpfung an die vereinbarte Gegenleistung in § 8 Abs. 1 GrEStG schließt zwar nicht
aus, dass diese im Einzelfall unter oder über dem gemeinen Wert liegen kann. Bei deutlichen
Verfehlungen des gemeinen Werts durch die Gegenleistung geht die Rechtspraxis jedoch
davon aus, dass insoweit eine Schenkung vorliegt, die dementsprechend der
Schenkungsteuer unterfällt (§ 3 Nr. 2 GrEStG; vgl. BFHE 232, 358 <373 Rn. 77>). Auch dies
bestätigt die Annahme, dass mit der vereinbarten Gegenleistung im Sinne des § 8 Abs. 1
GrEStG regelmäßig an den gemeinen Wert des Grundstücks angeknüpft wird.
bb) Demgegenüber weichen die in den Fällen des § 8 Abs. 2 GrEStG nach den
Bewertungsregeln der §§ 138 ff. BewG als Ersatzbemessungsgrundlage zu ermittelnden
Werte erheblich von dem nach § 8 Abs. 1 GrEStG regelmäßig erfassten gemeinen Wert ab.
Dies ergibt sich aus den zu eben diesen Bewertungsregeln im Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2006 (BVerfGE 117, 1) getroffenen, auch im
Recht der Grunderwerbsteuer verwertbaren Feststellungen (1), wonach die für das
Grundvermögen und für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen anzuwendenden
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Bewertungsvorschriften im Durchschnitt zu weit unter dem gemeinen Wert liegenden
Ergebnissen führen und auch im Einzelfall stark divergieren (2).
(1) Die Feststellung, dass die nach den §§ 138 ff. BewG zu ermittelnden Bewertungsgrößen
für Grundvermögen und land- und forstwirtschaftliches Vermögen erheblich und teilweise
völlig uneinheitlich von dem gemeinen Wert abweichen, kann auf die Erkenntnisse gestützt
werden, die das Bundesverfassungsgericht hierzu in seinem Beschluss vom 7. November
2006 gewonnen hat. Zwar entfaltet die damals zur Erbschaftsteuer ergangene Entscheidung
weder Gesetzeskraft noch förmliche Bindungswirkung für die hier - wie dort -
heranzuziehenden Be-stimmungen des Bewertungsrechts (oben II 1). Die Erkenntnisse, die
das Bundesverfassungsgericht in seinem damaligen Beschluss zu der Frage gewonnen hat,
inwieweit die Bewertungsregeln der §§ 138 ff. BewG für Grundvermögen und land- und
forstwirtschaftliches Vermögen zu Bewertungsergebnissen führen, die dem gemeinen Wert
entsprechen oder diesem jedenfalls nahe kommen, können jedoch auch für diese hier in
gleicher Weise entscheidungserhebliche Frage herangezogen und im Wesentlichen
übernommen werden. Der zentrale Unterschied zwischen den Normenkontrollverfahren liegt,
soweit hier von Interesse, darin, dass es dort um die Verwertbarkeit der
Bewertungsergebnisse im Rahmen der Erbschaft-steuer ging, die bereits einfachrechtlich
ausdrücklich die Besteuerung des Leistungszuwachses beim Erben oder Beschenkten am
Maßstab des gemeinen Wertes verlangt und hierbei eine Vielzahl verschiedener
Vermögensarten in den Blick nehmen muss (vgl. BVerfGE 117, 1 <33 ff.>), während
vorliegenden Fall über die Aussagekraft und Vergleichbarkeit der Ergebnisse von
Bewertungsregeln lediglich für grundstücksbezogene Vermögenswerte in einer anderen
Steuerart zu entscheiden ist. Dies steht zwar einer unbesehenen Übernahme der
verfassungsrechtlichen Schlussfolgerungen aus jener Entscheidung für das vorliegende
grunderwerbsteuerrechtliche Verfahren entgegen, nicht aber der Verwertung der damaligen
Erkenntnisse des Gerichts zur tatsächlichen Aussagekraft und Validität der
Bewertungsregeln für land- und forstwirtschaftliches Vermögen und für Grundvermögen im
Hinblick auf den gemeinen Wert. Denn die Bewertungsregeln für diese Vermögensarten
waren damals für die Erbschaftsteuer dieselben (vgl. BVerfGE 117, 1 <6 ff., 10 ff.>), welche
nunmehr - jedenfalls für die entscheidungserheblichen Zeitpunkte der Ausgangsverfahren in
den Jahren 2001 und 2002 - für die Erhebung der Grunderwerbsteuer im Rahmen der
Ersatzbemessungsgrundlage heranzuziehen sind (§ 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG i.V.m. § 138
Abs. 2, 3 und §§ 139 - 150 BewG in der Fassung des JStG 1997). Soweit für spätere
Zeiträume, die in die Vorlageprüfung einbezogen werden (oben I 3), die Vorschriften des
Bewertungsgesetzes in geänderter Fassung gelten, ist gesondert zu prüfen, inwieweit dies
die Übernahme der Erkenntnisse beeinflusst (unten (2) (a) (bb) und insbesondere c).
Entscheidend ist, dass die Anwendung der Bewertungsregeln in beiden Steuerarten letztlich
auf das gleiche Ziel der Feststellung des gemeinen Werts gerichtet ist. Während im Rahmen
der Erbschaftsteuer unmittelbar die Feststellung des gemeinen Werts des Grundvermögens
als alleiniger Bemessungsgrundlage angestrebt wird (vgl. BVerfGE 117, 1 <35 f.> unter
Hinweis auf die Ausnahme bei der Bewertung des Betriebsteils land- und forstwirtschaftlicher
Betriebe), geht es bei der Grunderwerbsteuer um die vergleichbare Frage, inwieweit diese
Bewertungsvorschriften den gemeinen Wert des Grundvermögens widerspiegeln, weil dies
für den Vergleich mit der Regelbemessung nach § 8 Abs. 1 GrEStG maßgeblich ist.
(2) Nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 7.
November 2006 führen die Bewertungsvorschriften für Grundvermögen nach den §§ 145 ff.
BewG und für land- und forstwirtschaftliches Vermögen nach den §§ 140 ff. BewG zu
Bewertungsergebnissen, die im Durchschnitt weit unter dem gemeinen Wert dieser
Vermögensgegenstände liegen und auch in den Einzelbewertungen gemessen an der
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Zielgröße des Verkehrswerts erheblich divergieren (vgl. BVerfGE 117, 1 <45 ff. und 64 ff.>).
(a) Für den hier maßgeblichen Nachweis der Ungleichbehandlung zwischen
Regelbemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG und Ersatzbemessungsgrundlage
gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG beim Grundvermögen genügen entsprechende Feststellungen zu
den Hauptfallgruppen der unbebauten und der bebauten Grundstücke. Auf die weiteren
Bewertungsregeln für Grundvermögen wie Erbbaurechte (§ 148 BewG) oder Grundstücke im
Zustand der Bebauung (§ 149 BewG) braucht daneben nicht eigens eingegangen zu werden.
(aa) Für bebaute Grundstücke führt das in § 146 Abs. 2 BewG angeordnete vereinfachte
Ertragswertverfahren nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts dazu, dass
Werte ermittelt werden, die im Durchschnitt 50 % unter dem Kaufpreis und damit dem
gemeinen Wert für ein solches Grundstück liegen (so BVerfGE 117, 1 <46 ff.>). Außerdem
ist die gewählte Bewertungsmethode mit einem starren Vervielfältiger zur Bestimmung des
Durchschnittsertrags nach den Erkenntnissen des Bundesverfassungsgerichts „strukturell
ungeeignet“, um eine gleichheitsgerechte Annäherung an den gemeinen Wert zu erzielen.
Vielmehr differieren die Einzelergebnisse zwischen „weniger als 20 % und über 100 % des
gemeinen Werts“ (vgl. BVerfGE 117, 1 <47>). Dass es zu einer solchen Streubreite kommt,
ergibt sich danach bereits aus dem in § 146 Abs. 2 BewG ohne Rücksicht auf
unterschiedliche Grundstücksarten und regionale Unterschiede verwendeten starren
Einheitsvervielfältiger von 12,5. Hinzu kommt, dass die Bewertungsvorschriften in Gebieten
mit hohen Grundstückspreisen - vor allem in Ballungsräumen - häufig dazu führen, dass die
aufstehenden Gebäude keinerlei Auswirkung auf den Steuerwert haben. Denn allein der Wert
von Grund und Boden übersteigt hier das 12,5fache der (erzielbaren) Jahresmiete, so dass
die Mindestwertregelung des § 146 Abs. 6 BewG eingreift, wonach der Grundbesitzwert
jedenfalls 80 % des Bodenrichtwerts (vgl. § 145 Abs. 3 BewG) beträgt (vgl. BVerfGE 117, 1
<50>).
Der früher für das Erbschaftsteuerrecht anwendbare § 146 BewG findet - bis heute im
Wesentlichen unverändert - nach § 8 Abs. 2 Satz 1 GrEStG in Verbindung mit § 138 Abs. 3
BewG nach wie vor auf das Recht der Grunderwerbsteuer Anwendung, so dass die
Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts auch insofern übertragbar sind.
(bb) Der Wert eines unbebauten Grundstücks bestimmt sich gemäß § 145 Abs. 3 BewG
„regelmäßig nach ... dem um 20 Prozent ermäßigten Bodenrichtwert“. Berücksichtigt man
den vorsichtigen Ansatz der nach den Bestimmungen des Baugesetzbuchs zu ermittelnden
Bodenrichtwerte, wird so durchschnittlich lediglich ein Bewertungsniveau von rund 70 % der
Verkehrswerte erreicht (so BVerfGE 117, 1 <56 f.>).
Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass zum damaligen
Entscheidungszeitpunkt die Wertverhältnisse innerhalb der Gruppe der unbebauten
Grundstücke nicht mehr in ihrer Relation realitätsgerecht abgebildet würden, weil und soweit
in § 138 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4, § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG in der bis Ende 2006 geltenden
Fassung die Festschreibung der Wertverhältnisse auf den 1. Januar 1996 angeordnet und
damit auf einen fast elf Jahre zurückliegenden Zeitpunkt fixiert war. Denn die Bodenpreise
hätten in den letzten Jahren vor 2006 eine nicht unbeträchtliche, regional unterschiedliche
Veränderung erfahren (BVerfGE 117, 1 <57>). Diese Ungleichheit dürfte auch schon für die
hier in den Ausgangsverfahren des Bundesfinanzhofs maßgeblichen Jahre 2001 und 2002
ein beträchtliches Ausmaß gegenüber dem Bezugsjahr 1996 erreicht haben. Diese
Schwankungen hängen auch nicht von Besonderheiten des Erbschaftsteuerrechts ab,
sondern von der jahrelangen Nichtberücksichtigung der regional unterschiedlichen
Preisentwicklung
auf
dem
Grundstücksmarkt.
Dieser
Mangel
erfasst
die
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Bewertungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer daher in gleicher Weise.
Für den hier ebenfalls der verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterliegenden Zeitraum ab
2007 (oben I 3) ist diese spezifische Quelle ungleicher Bewertungen allerdings entfallen.
Nach der zum 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Neufassung des § 145 BewG richtet sich
die Bewertung unbebauter Grundstücke zwar nach wie vor nach den von den
Gutachterausschüssen festgestellten Bodenrichtwerten, die um 20 % ermäßigt werden.
Weggefallen ist aber die Festschreibung auf die Wertverhältnisse zum 1. Januar 1996;
stattdessen sind jeweils die Wertverhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt maßgeblich (§ 138
Abs. 1 Satz 1 BewG), bei unbebauten Grundstücken nach Maßgabe der vom
Gutachterausschuss zuletzt ermittelten Werte (§ 145 Abs. 3 Satz 3 BewG).
(cc) Nach § 144 BewG bilden der Betriebswert, der Wert der Betriebswohnungen und der
Wert des Wohnteils zusammen den land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzwert. Da der
Wert der Betriebswohnung und der Wert des Wohnteils nach den Vorschriften zu ermitteln
ist, die beim Grundvermögen für die Bewertung von Wohngrundstücken gelten (§ 143 Abs. 1
BewG), führt dies zu denselben Ungleichheiten, die bereits für die Bewertung bebauter
Grundstücke festgestellt wurde (oben (aa)). Außerdem erreicht der für den Betriebsteil nach
§ 142 BewG am Ertragswert ausgerichtete und sich im Übrigen aus Wohnteil und
Betriebswohnungen zusammensetzende Grundbesitzwert des land- und forstwirtschaftlichen
Betriebs nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem
Erbschaftsteuerbeschluss (BVerfGE 117, 1 <65>) im Durchschnitt lediglich rund 10 % des
Verkehrswerts.
(b) Die im Erbschaftsteuerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts dargelegten
Erkenntnisse über die Abweichungen vom Verkehrswert bei Anwendung der
Bewertungsregeln der §§ 140 ff. BewG sind auf eine umfassende Auswertung der
Fachliteratur und mehrere empirische Untersuchungen gestützt. Die sachliche Richtigkeit der
festgestellten Divergenzen wurde weder vom Bundesfinanzhof bezweifelt noch in einer der in
diesen Vorlageverfahren eingeholten Stellungnahmen in Frage gestellt. Auch in tatsächlicher
Hinsicht besteht für den Senat daher kein Anlass, an der Verwertbarkeit der damaligen
Feststellungen für die vorliegenden Verfahren zu zweifeln.
b) Die festgestellten Ungleichheiten zwischen der Besteuerung nach der Gegenleistung und
der Ersatzbemessungsgrundlage sind verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.
aa) Die Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) verlangt hier
keine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung.
(1) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dabei
verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen
bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß
der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und
Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen
Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (stRspr; vgl. BVerfG, Urteil vom 17.
Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, juris, Rn. 121 m.w.N.).
Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung
tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach
Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den
Gesetzgeber, die von gelockerten auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu
strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des
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Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem
verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die
die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie
sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (stRspr; vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember
2014 - 1 BvL 21/12 -, juris, Rn. 122 m.w.N.).
(2) Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der
Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz
rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden (vgl. BVerfGE 117, 1 <30>; 121, 108
<120>; 126, 400 <417>). Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber einen weit
reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als
auch bei der Bestimmung des Steuersatzes (vgl. BVerfGE 123, 1 <19>; stRspr).
Abweichungen von der mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffenen
Belastungsentscheidung müssen sich indessen ihrerseits am Gleichheitssatz messen
lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands,
vgl. BVerfGE 117, 1 <30 f.>; 120, 1 <29>; 121, 108 <120>; 126, 400 <417>). Demgemäß
bedürfen sie eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfGE 117, 1 <31>; 120, 1 <29>;
126, 400 <417>; 132, 179 <189 Rn. 32>), der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen
vermag. Dabei steigen die Anforderungen an den Rechtfertigungsgrund mit Umfang und
Ausmaß der Abweichung (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, juris,
Rn. 123).
Die gleichmäßige Belastung der Steuerpflichtigen hängt davon ab, dass für die einzelnen
von einer Steuer erfassten Wirtschaftsgüter Bemessungsgrundlagen gefunden werden, die
deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden (vgl. BVerfGE 23, 242 <257>; 25, 216
<226>; 30, 129 <143 f.>; 41, 269 <280, 282 f.>; 93, 165 <172 f.>; 117, 1 <33>). Zur Wahrung
des im Gleichheitssatz enthaltenen Grundsatzes der lastengleichen Besteuerung ist der
Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht auf die Wahl nur eines (Haupt-)Maßstabs zur
Bemessung der Steuer beschränkt (vgl. BVerfGE 123, 1 <20>). Sofern er es für sachgerecht
oder gar geboten hält, kann er daneben einen Ersatzmaßstab zur Anwendung bringen.
Insoweit verfügt der Gesetzgeber über eine weitgehende Gestaltungsfreiheit (vgl. BVerfGE
123, 1 <20>). Wählt er einen Ersatzmaßstab, muss dieser allerdings, um unzulässige
Abweichungen von der mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffenen
Belastungsentscheidung zu vermeiden, Ergebnisse erzielen, die denen der
Regelbemessungsgrundlage weitgehend angenähert sind. Nur so kann der Ersatzmaßstab
dem in aller Regel im (Haupt-)Maßstab zum Ausdruck kommenden Belastungsgrund der
Steuer gerecht werden. Weicht der Ersatzmaßstab in seinen Ergebnissen vom
Hauptmaßstab ab, bedarf dies eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes. Der
Rechtfertigungsbedarf für den gewählten Ersatzmaßstab wird dabei umso höher, je weiter
sich der im Einzelfall gewählte Ersatzmaßstab von den Ergebnissen des Hauptmaßstabs
und damit regelmäßig auch vom eigentlichen Belastungsgrund entfernt (vgl. BVerfGE 123, 1
<21>).
(3) Für den hier zu entscheidenden Bereich der Grunderwerbsteuer bedarf danach die
Ungleichbehandlung durch die teils strukturell bedingten, teils zufälligen Abweichungen
zwischen Regelbemessungsgrundlage (§ 8 Abs. 1 GrEStG) und Ersatzmaßstab (§ 8 Abs. 2
GrEStG) zur Rechtfertigung eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes. Es liegen
strukturelle, auf eine systematische Unterbewertung zielende Abweichungen der Ergebnisse
des Ersatzmaßstabs vom gemeinen Wert vor, der mit dem Hauptmaßstab regelmäßig
abgebildet wird. Damit geht typischerweise ein erheblicher Umfang der Divergenz einher,
denn die mit einem einheitlichen Steuersatz belegten Bewertungen des Grundvermögens
weichen bei den beiden Bemessungsgrundlagen erheblich voneinander ab. Bei Anwendung
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der Ersatzbemessungsgrundlage erreichen sie bei bebauten und unbebauten Grundstücken
durchschnittlich nur 50 % beziehungsweise 70 % des Verkehrswerts, bei land- und
forstwirtschaftlichem Vermögen sogar in der Regel lediglich 10 %; sie divergieren zudem
noch innerhalb der jeweiligen Vermögensgegenstände gravierend (oben a bb (2)). Die
Gegenleistung im Sinne des § 8 Abs. 1 GrEStG hingegen kommt typischerweise dem
Verkehrswert
nahe.
Nicht
nur
die
generelle
Unterbewertung
bei
der
Ersatzbemessungsgrundlage, sondern auch die großen Wertschwankungen, die sich
innerhalb der jeweiligen Vermögensgruppen aus den Bewertungsregeln der §§ 138 ff. BewG
ergeben (oben a bb (2)), führen zur Ungleichbehandlung gegenüber den Anwendungsfällen
der Regelbemessungsgrundlage. Denn diese Schwankungen finden dort keine
Entsprechung.
bb) Ein hinreichend gewichtiger Sachgrund zur Rechtfertigung der erheblichen
Ungleichbehandlung der Fälle der nach der Gegenleistung bemessenen Grunderwerbsteuer
(§ 8 Abs. 1 GrEStG) und der Fälle der nach Maßgabe der Ersatzbemessungsgrundlage zu
bemessenden Grunderwerbsteuer (§ 8 Abs. 2 GrEStG) ist nicht ersichtlich; sie ist daher mit
Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.
(1) Die mit der Ersatzbemessungsgrundlage regelmäßig verbundenen Abweichungen vom
gemeinen Wert können nicht mit etwaigen Lenkungszielen der Bewertungsregeln
gerechtfertigt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings in seinem Beschluss
vom 7. November 2006 erwogen, ob die hinter der generellen Unterbewertung von
Grundvermögen und land- und forstwirtschaftlichem Vermögen im Erbschaftsteuerrecht
stehenden
Lenkungs-
und
Förderziele
des
Gesetzes
die
festgestellten
Bewertungsdisparitäten zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerfGE 117, 1 <53 f., 67>). Es
kann offen bleiben, ob die vom Bundesverfassungsgericht für diese gezielte
Niedrigbewertung erkannten Lenkungs- und Förderabsichten des Gesetzgebers auch für das
Grunderwerbsteuergesetz Geltung beanspruchen können und - wenn dies so wäre - ob sie
auch für dieses Gesetz, wie von der Verfassung gefordert, von einer erkennbaren
gesetzgeberischen Entscheidung getragen wären (vgl. BVerfGE 117, 1 <32>). Denn selbst
wenn mit der bewussten Unterbewertung ein außerfiskalisches Lenkungs- oder Förderziel
auch im Anwendungsbereich der Grunderwerbsteuer verfolgt sein sollte, könnte damit bei
Heranziehung einer - wie hier - bloßen Ersatzbemessungsgrundlage jedenfalls nicht die
erhebliche Besserstellung gegenüber der Besteuerung am Maßstab der Gegenleistung
gerechtfertigt werden. Verfolgt das Gesetz in § 8 Abs. 1 GrEStG mit der Bestimmung der
Gegenleistung als Regelbemessungsgrundlage offensichtlich ausschließlich das fiskalische
Ziel, die steuerrelevanten Grunderwerbsvorgänge nach einem Maßstab zu besteuern, der
regelmäßig dem Verkehrswert der Grundstücke entspricht oder ihm jedenfalls nahe kommt,
darf es bei der Besteuerung nach der Ersatzbemessungsgrundlage keinem davon
abweichenden Ziel nachgehen. Denn die Ersatzbemessungsgrundlage tritt dort, wo die
Verwendung der Regelbemessungsgrundlage untauglich oder zumindest nicht praktikabel ist,
lediglich an deren Stelle, ändert aber nichts an Steuergegenstand und Belastungsgrund, die in
beiden Fällen gleichermaßen gelten. Ein von der Regelbemessungsgrundlage abweichendes,
allein in der Ersatzbemessungsgrundlage angelegtes Lenkungs- oder Förderziel, kann daher
eine Ungleichbehandlung gegenüber der Regelbemessungsgrundlage von vornherein nicht
rechtfertigen, sondern begründet sie gerade. Dies widerspricht dem verfassungsrechtlichen
Gebot, Ersatzbemessungsgrundlagen nach Möglichkeit so auszugestalten, dass sie
Ergebnisse erzielen, die denen der Regelbemessungsgrundlage weitgehend angenähert sind
(oben b aa (2)).
(2) Der Steuergesetzgeber darf aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung typisieren und
dabei die Besonderheiten des einzelnen Falles vernachlässigen, wenn die daraus
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erwachsenden Vorteile im rechten Verhältnis zu der mit der Typisierung notwendig
verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen, er sich realitätsgerecht am
typischen Fall orientiert und ein vernünftiger, einleuchtender Grund vorhanden ist (vgl.
BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvF 3/11 -, juris, Rn. 66 m.w.N.). Die durch die
Bewertung von Grundvermögen nach Maßgabe der §§ 138 ff. BewG verursachten
Ungleichheiten gegenüber der Regelbemessungsgrundlage sind durch die Möglichkeiten
legislatorischer Vereinfachung und Typisierung hier jedoch nicht gedeckt. Dies hat das
Bundesverfassungsgericht bereits in seinem Beschluss vom 7. November 2006 für die
Grundstücksbewertungen im Anwendungsbereich der Erbschaftsteuer festgestellt (vgl. etwa
BVerfGE 117, 1 <46 ff., 52 f.> zu § 146 BewG für bebaute Grundstücke).
Für die Grunderwerbsteuer gilt nichts anderes. Der Spielraum, den die
Typisierungsbefugnis dem Gesetzgeber in erster Linie aus Gründen der
Verwaltungsvereinfachung bietet, trägt die hier in Rede stehenden Bewertungsmängel nicht.
Zwar darf der Gesetzgeber Bewertungsnormen so gestalten, dass sie möglichst einfach und
praktikabel zu handhaben sind und dafür auch auf Detailgenauigkeit im Bewertungsergebnis
verzichten. Die im Kontext der Erbschaftsteuer festgestellten, auch den Bereich der
Grunderwerbsteuer erfassenden Bewertungsdisparitäten sind jedoch struktureller Natur und
nicht von Typisierungs- oder Pauschalierungserwägungen des Gesetzgebers getragen.
Entweder zielen die beanstandeten Bewertungsregeln bewusst auf eine - gemessen am
Verkehrswert erhebliche - Unterbewertung des Grundvermögens wie insbesondere beim
land- und forstwirtschaftlichen Vermögen (dazu BVerfGE 117, 1 <65>), knüpfen
systematisch an untaugliche oder wertverfälschende Parameter an (so etwa der starre
Vervielfältiger in § 146 BewG, dazu BVerfGE 117, 1 <46 ff.>) oder führen mehr oder minder
ungewollt zu Zufallsergebnissen (so BVerfGE 117, 1 <54 f.> zum Steuerbilanzwertansatz
gemäß § 147 BewG). Nirgendwo sind die Mängel jedoch Folge einer bewussten
Typisierungsentscheidung des Gesetzgebers für die Grunderwerbsteuer. Selbst wenn sie es
wären, könnten sie aufgrund ihrer Größenordnung nicht mehr als verfassungsrechtlich
hinnehmbare Vernachlässigungen der Besonderheiten des Einzelfalls anerkannt werden.
Dies gilt auch für die Bewertung unbebauter Grundstücke nach § 145 BewG. Zwar hat das
Bundesverfassungsgericht in seinem Erbschaftsteuerbeschluss das für unbebaute
Grundstücke nach dieser Vorschrift durchschnittlich erreichte Bewertungsniveau von rund
70 % des Verkehrswerts vorsichtig als „verfassungsrechtlich hinnehmbar“ bezeichnet. Zur
Begründung hierfür hat es auf einen bei Grundbesitz allenfalls erreichbaren Wertkorridor mit
einer Streubreite von plus/minus 20 % und die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers
verwiesen (vgl. BVerfGE 117, 1 <45 f., 56 f.>). Die Hinnahme dieser durchschnittlich
30 %igen Unterbewertung im Rahmen der Erbschaftsteuer für diese eine
Grundvermögensart ändert nichts daran, dass sich hier die Ersatzbemessungsgrundlage
nach § 8 Abs. 2 GrEStG in der Summe ihrer Ergebnisse unverhältnismäßig weit von den
Werten der Regelbemessungsgrundlage entfernt. Diese Ungleichheit ist nicht zu
rechtfertigen. Selbst die isolierte verfassungsrechtliche Beurteilung der strukturellen
Unterbewertung unbebauter Grundstücke als noch vereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG im
Erbschaftsteuerbeschluss (nach BVerfGE 117, 1 <56>) kann im Übrigen schon deshalb
nicht ohne Weiteres auf den Bereich der Grunderwerbsteuer übertragen werden, weil es hier
um
die
Beurteilung
einer
Ersatzbemessungsgrundlage
geht,
die
der
Regelbemessungsgrundlage möglichst angenähert sein soll, wohingegen das
Erbschaftsteuerrecht beim Grundbesitz die Zweigleisigkeit von Regel- und
Ersatzbemessungsgrundlage von vornherein nicht kennt (vgl. § 12 Abs. 3 ErbStG, auch in
seiner bis Ende 2008 anzuwendenden, noch auf die §§ 138 ff. BewG verweisenden
Fassung).
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(3) Die Unterschiede zwischen der Bewertung nach der Regelbemessungsgrundlage des
§ 8 Abs. 1 GrEStG und der Ersatzbemessungsgrundlage des § 8 Abs. 2 GrEStG sind nicht,
wie das Bundesministerium der Finanzen geltend macht, deshalb mit dem Gleichheitssatz
vereinbar, weil die Bandbreite der nach beiden Bemessungsgrundlagen auftretenden
Schwankungen sich in etwa entspräche. Selbst wenn es zuträfe, dass sich die bei der
privatautonomen Vereinbarung der Gegenleistung im Sinne des § 8 Abs. 1 GrEStG im
Einzelfall ergebenden Abweichungen vom gemeinen Wert des Grundstücks innerhalb der
Bandbreite der vom Bundesverfassungsgericht bei Anwendung der Bewertungsregeln
insbesondere für bebaute (§ 146 BewG) und bis Ende 2006 für unbebaute Grundstücke
(§ 145 BewG a.F.) festgestellten willkürlichen Schwankungen (vgl. BVerfGE 117, 1 <48 ff.,
57 f.>) und auch der gezielten Unterbewertung für Grundvermögen und land- und
forstwirtschaftliches Vermögen hielten, ließe dies die Ungleichbehandlung weder belanglos
erscheinen, noch könnte es sie in der Sache rechtfertigen.
Zwischen der in einzelnen Fällen möglicherweise breiten Wertestreuung bei der
Regelbemessungsgrundlage und der sich bei der Ersatzbemessungsgrundlage durch die
Anwendung der §§ 138 ff. BewG ergebenden, ebenfalls erheblichen Wertestreuung besteht
kein innerer Zusammenhang. Die Bewertungsschwankungen mögen sich in ihren
Ausschlägen innerhalb eines ähnlichen Korridors bewegen. Übereinstimmungen im Einzelfall
beruhen jedoch auf Zufall, da beide Bewertungsregeln unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten
folgen. Eine normative, die Gleichbehandlung jedenfalls in der Regel gewährleistende
Relation zwischen beiden Bemessungsgrundlagen besteht nicht. Vor allem aber gibt es
keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass - auf privatautonomer Vereinbarung beruhende -
Wertestreuungen bei der Regelbemessungsgrundlage generell zu einer um durchschnittlich
etwa 50 % oder 30 % unter dem Verkehrswert liegenden Bewertung von Grundvermögen
und zu einer sogar um 90 % unter dem Verkehrswert liegenden Bewertung von land- und
forstwirtschaftlichem Vermögen führten. Im Vergleich zu den Fällen der
Regelbemessungsgrundlage bewegen sich die Fälle der Ersatzbemessungsgrundlage infolge
des Bewertungssystems der §§ 138 ff. BewG auf einem signifikant niedrigeren Niveau.
(4) Diese Ungleichbehandlung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil es - wie in einigen
Stellungnahmen vertreten wird - keine Alternative zu der Ersatzbemessungsgrundlage und
damit auch den Bewertungsregeln für Grundvermögen und land- und forstwirtschaftliches
Vermögen in den §§ 140 ff. BewG gebe. Kann die für eine Steuer vorgesehene
Regelbemessungsgrundlage nicht in allen Fällen herangezogen werden, muss die dann vom
Gesetzgeber stattdessen vorgegebene Ersatzbemessungsgrundlage nach Möglichkeit
annähernd gleiche Ergebnisse erzielen (vgl. BVerfGE 123, 1 <20 f.> sowie oben b aa (2)).
Dies schließt die Verwendung eines Ersatzmaßstabs aus, der zu grob ungleichen
Ergebnissen führt. Es bedarf hier keiner Entscheidung, wo in diesen Fällen die
verfassungsrechtliche Grenze noch hinnehmbarer Abweichungen zwischen Regel- und
Ersatzbemessungsgrundlage liegt. Denn der hier verwendete Ersatzmaßstab ist
offensichtlich nicht alternativlos, wie das für erbschaftsteuerliche Zwecke im Anschluss an
den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2006 (BVerfGE 117, 1)
eingeführte Grundbesitzbewertungssystem der §§ 157 ff. BewG belegt. Dieses kommt dem
Verkehrswert jedenfalls deutlich näher als die für die Grunderwerbsteuer geltenden
Bewertungsregeln (zu der infolge des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 7.
November 2006 - BVerfGE 117, 1 - vom Gesetzgeber angestrebten Orientierung am
gemeinen Wert vgl. BTDrucks 16/7918, S. 40 f., 44 f.; vgl. ferner §§ 162, 167, 177 BewG).
c) Der Gesetzgeber hat mit Wirkung vom 1. Januar 2007 Änderungen in den
Bewertungsregeln der §§ 138 ff. BewG vorgenommen, die unter anderem für unbebaute
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Grundstücke (§ 145 BewG) die bis dahin bestehenden Unzulänglichkeiten im
Bewertungssystem für diese Grundbesitzart insofern beseitigten, als sie ihre Ursache in dem
nunmehr aufgegebenen Rückbezug auf die Wertverhältnisse zum 1. Januar 1996 hatten. An
der verfassungsrechtlichen Gesamtbewertung der Ungleichbehandlung zwischen Regel- und
Ersatzbemessungsgrundlage ändert dies im Ergebnis allerdings nichts. Auch in dem von
dieser Mängelkorrektur erfassten Zeitraum ab 2007 bleibt der Gleichheitsverstoß durch die
Ersatzbemessungsgrundlage bestehen. Wenn auch die willkürlichen Wertschwankungen, die
bei unbebauten Grundstücken durch die bis dahin geltende Festschreibung der
Wertverhältnisse auf den 1. Januar 1996 hervorgerufen wurden (vgl. BVerfGE 117, 1 <57
f.>), durch die Neuregelung beseitigt sein mögen, bleibt es dessen ungeachtet im Übrigen bei
den
festgestellten
zentralen
Divergenzen
zwischen
der
Regel-
und
der
Ersatzbemessungsgrundlage insbesondere im Hinblick auf die generelle Unterbewertung von
Grundvermögen und land- und forstwirtschaftlichem Vermögen.
2. Die strukturelle Unterbewertung von Grundbesitz nach den §§ 138 ff. BewG führt auch
- wie vom Bundesfinanzhof in den Vordergrund seiner Vorlagen gestellt - im Vergleich der
Bewertung der einzelnen Grundvermögensarten untereinander zu mit Art. 3 Abs. 1 GG
unvereinbaren Ungleichbehandlungen, da sie gemessen am Verkehrswert als
Vergleichsgröße ohne hinreichenden Rechtfertigungsgrund erheblich voneinander
abweichen. Entsprechendes gilt für den Binnenvergleich innerhalb der einzelnen
Vermögensarten, sofern die Bewertung nach den §§ 138 ff. BewG zu willkürlichen
Schwankungen führt (oben 1 a bb (2) (a)). Dies braucht hier indessen nicht mehr näher
ausgeführt zu werden, da die Verfassungswidrigkeit der Ersatzbemessungsgrundlage des
§ 8 Abs. 2 GrEStG bereits wegen der gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden
Ungleichbehandlung mit den Anwendungsfällen der Regelbemessungsgrundlage nach § 8
Abs. 1 GrEStG feststeht (oben 1).
IV.
1. Der festgestellte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erfasst § 8 Abs. 2 GrEStG in all seinen
Fassungen, seit die grunderwerbsteuerliche Ersatzbemessungsgrundlage auf die
Bewertungsvorschriften der §§ 138 ff. BewG verweist. Das war ab dem 1. Januar 1997 der
Fall und gilt auch für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2007 bis heute (oben III 1 c).
Die Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG ist auf die Regelung über die
Ersatzbemessungsgrundlage beschränkt. Die Tarifnorm des § 11 Abs. 1 GrEStG wird davon
nicht erfasst. Die Unanwendbarkeit der Ersatzbemessungsgrundlage steht der
Steuererhebung nach einer einheitlichen Tarifnorm (vgl. § 11 Abs. 1 GrEStG und die
länderspezifischen Grunderwerbsteuersätze) in den Fällen der Regelbemessungsgrundlage
des § 8 Abs. 1 GrEStG nicht entgegen. Die nach der Ersatzbemessungsgrundlage zu
bewertenden Fälle sind den Angaben des Bundesministeriums der Finanzen in diesem
Verfahren zufolge weder nach ihrer Zahl noch nach ihrem finanziellen Gewicht so bedeutend,
dass bei einem vorübergehenden Verzicht hierauf die Erhebung der Grunderwerbsteuer nach
Maßgabe der Regelbemessungsgrundlage daneben als gleichheitswidrig ausschiede (zu
diesem - hier für § 11 GrEStG verneinten - Schluss auf die Gesamtverfassungswidrigkeit der
Steuertarifnorm des § 19 ErbStG vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -,
juris, Rn. 283 f.), zumal der Gesetzgeber in erheblichem Umfang zur rückwirkenden
Korrektur der gleichheitswidrigen Ersatzbemessungsgrundlage verpflichtet ist (unten 2).
2. Die Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG durch § 8 Abs. 2 GrEStG führt nicht zur Nichtigkeit
dieser Norm, sondern zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz. Die
Fortgeltung von § 8 Abs. 2 GrEStG wird lediglich bis zum 31. Dezember 2008 angeordnet.
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Für die Zeit danach bleibt es bei dessen Unanwendbarkeit; der Gesetzgeber hat indes bis
zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung rückwirkend zum 1. Januar 2009 zu beschließen.
a) Die bloße Unvereinbarkeitserklärung einer verfassungswidrigen Norm ist regelmäßig
geboten, wenn der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß
zu beseitigen. Das ist grundsätzlich bei Verletzungen des Gleichheitssatzes der Fall. Stellt
das Bundesverfassungsgericht die Unvereinbarkeit einer Norm mit Art. 3 Abs. 1 GG fest,
folgt daraus in der Regel die Verpflichtung des Gesetzgebers, rückwirkend, bezogen auf den
in der gerichtlichen Feststellung genannten Zeitpunkt, die Rechtslage verfassungsgemäß
umzugestalten. Hierzu kann das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Frist
setzen. Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen die Norm im Umfang der festgestellten
Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen (vgl. BVerfG,
Urteil vom 17. Dezember 2014 - 1 BvL 21/12 -, juris, Rn. 286 m.w.N.).
Aus besonderem Grund, namentlich im Interesse einer verlässlichen Finanz- und
Haushaltsplanung und eines gleichmäßigen Verwaltungsvollzugs für Zeiträume einer
weitgehend schon abgeschlossenen Veranlagung, hat das Bundesverfassungsgericht
allerdings wiederholt die weitere Anwendbarkeit verfassungswidriger Normen für
gerechtfertigt erklärt und dem Gesetzgeber eine Frist eingeräumt, um binnen angemessener
Zeit verfassungsgemäße Regelungen zu erlassen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Dezember
2014 - 1 BvL 21/12 -, juris, Rn. 287 m.w.N.).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen führt der Gleichheitsverstoß durch § 8 Abs. 2
GrEStG auch hier lediglich zur Feststellung der Unvereinbarkeit dieser Norm mit Art. 3
Abs. 1 GG.
Allerdings ist die Fortgeltung des § 8 Abs. 2 GrEStG vom Beginn der
Unvereinbarkeitsfeststellung zum 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2008 geboten, ohne
dass der Gesetzgeber verpflichtet wäre, auch für diesen Zeitraum rückwirkend eine
verfassungsgemäße Ersatzbemessungsgrundlage zu schaffen. Eine auch diesen Zeitraum
erfassende Unvereinbarkeitswirkung dürfte weitgehend bedeutungslos bleiben, da die
meisten Grunderwerbsteuerfestsetzungen aus diesem Zeitraum bestands- oder rechtskräftig
abgeschlossen sein werden. Selbst die Steuerpflichtigen noch offener Fälle werden durch die
Anordnung der Weitergeltung der beanstandeten Ersatzbemessungsgrundlage im Ergebnis
aller Voraussicht nach nicht belastet. Denn die Geltung der Unvereinbarkeitserklärung auch
für diesen Zeitraum verbunden mit einer Verpflichtung des Gesetzgebers zur rückwirkenden
Neuregelung würde angesichts der festgestellten Mängel höchstwahrscheinlich zu einer
Höherbewertung des Grundbesitzes führen, vor deren nachteiligen Folgen die
Steuerpflichtigen durch den Vertrauensschutz gewährenden § 176 AO geschützt wären.
Zudem könnte eine hinter den 1. Januar 2009 zurückgreifende Unvereinbarkeit des § 8
Abs. 2 GrEStG als Wertungswiderspruch zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
vom 7. November 2006 (BVerfGE 117, 1) verstanden werden. Nach dieser Entscheidung
durften Gesetzgeber, Verwaltung und Steuerschuldner davon ausgehen, dass die §§ 138 ff.
BewG noch - wie vom Bundesverfassungsgericht darin ausdrücklich angeordnet - bis zum
31. Dezember 2008 fortgelten. Diese Weitergeltungsanordnung betraf zwar die
Bewertungsregeln nur im Anwendungszusammenhang mit der Erbschaft- und
Schenkungsteuer. Es handelte sich dabei aber um eben jene §§ 138 ff. BewG, die hier
Grundlage
der
Grunderwerbsteuerbemessung
in
den
Fällen
der
Ersatzbemessungsgrundlage sind. Dabei treten die nach den Feststellungen des
Bundesverfassungsgerichts aus diesen Vorschriften für das Erbschaftsteuerrecht folgenden
Bewertungsungleichheiten auch für den Bereich der Grunderwerbsteuer auf und lassen sich
auch hier verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen. Erst ab dem Beschluss des
92
Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2006 standen die darin beanstandeten
Bewertungsmängel der §§ 138 ff. BewG eindeutig fest. Vor diesem Hintergrund und mit
Rücksicht auf die geringe praktische Bedeutung einer Korrektur des § 8 Abs. 2 GrEStG für
den
fraglichen
Zeitraum
verbunden
mit
andernfalls
damit
einhergehenden
Rückabwicklungsschwierigkeiten besteht keine Notwendigkeit, hier von dem Zeitpunkt der
Weitergeltungsanordnung im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November
2006 (BVerfGE 117, 1 <2, 70>) abzuweichen.
Ab dem 1. Januar 2009 bleibt es hingegen bei der Unanwendbarkeit des § 8 Abs. 2 GrEStG
als Regelfolge des Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Für eine Weitergeltungsanordnung
während dieses Zeitraums bis zur Neuregelung durch den Gesetzgeber besteht keine
Rechtfertigung. Gesetzgeber, Verwaltung und Steuerpflichtigen musste nach dem Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2006 klar sein, dass die
Bewertungsregeln der §§ 138 ff. BewG zu erheblichen Ungleichheiten führen, die mit großer
Wahrscheinlichkeit auch die Grunderwerbsteuerbemessung betreffen würden. Bereits dies
steht einer Fortgeltungsanordnung über den 31. Dezember 2008 hinaus entgegen.
Insbesondere liegen aber auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Nichterhebbarkeit der
Grunderwerbsteuer bis zu einer Neuregelung in dem eher geringen Anteil der nach der
Ersatzbemessungsgrundlage festzusetzenden Fälle zu einer nennenswerten Gefahr für eine
verlässliche Finanz- und Haushaltsplanung der Länder werden könnte. Die Steuerschuldner
können sich darauf einstellen, dass sie nach der Neuregelung für die seit dem 1. Januar 2009
getätigten grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgänge aller Voraussicht nach - soweit
nach geltendem Recht zulässig (vgl. insbesondere § 176 AO) - herangezogen bleiben. Für
die Steuerverwaltung entstehen keine unverhältnismäßigen Erschwernisse dadurch, dass sie
die während dieses Zeitraums angefallenen und nach Ergehen dieses Beschlusses noch
anfallenden Steuervorgänge nach der neu zu schaffenden Ersatzbemessungsgrundlage
nachträglich abzuwickeln haben wird.
Kirchhof
Gaier
Eichberger
Schluckebier
Masing
Paulus
Baer
Britz