Urteil des BVerfG vom 14.01.2014

BVerfG: unabhängigkeit, berufliche tätigkeit, eintragung im handelsregister, berufsfreiheit, satzung, mehrheit, geschäftsführer, nummer, rechtspflege, rechtsanwaltschaft

L e i t s ä t z e
zum Beschluss des Ersten Senats vom 14. Januar 2014
- 1 BvR 2998/11 -
- 1 BvR 236/12 -
1. Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Zweck der gemeinsamen
Berufsausübung von Rechts- und Patentanwälten verletzen Regelungen das Grundrecht
der Berufsfreiheit, soweit sie zugunsten einer der beteiligten Berufsgruppen deren Anteils-
und Stimmrechtsmehrheit (hier: § 59e Abs. 2 Satz 1 BRAO und § 52e Abs. 2 Satz 1 PAO)
sowie deren Leitungsmacht (hier: § 59f Abs. 1 Satz 1 BRAO und § 52f Abs. 1 Satz 1 PAO)
und Geschäftsführermehrheit (hier: § 59f Abs. 1 Satz 2 BRAO) vorschreiben und bei einer
Missachtung eine Zulassung als Rechtsanwalts- oder Patentanwaltsgesellschaft
ausschließen.
2. Eine Vorgesellschaft kann den Schutz der Berufsfreiheit für sich jedenfalls insoweit in
Anspruch nehmen, als ihre Funktion als notwendige Vorstufe für die erstrebte
Kapitalgesellschaft dies erfordert.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2998/11 -
- 1 BvR 236/12 -
Bundesadler
Im Namen des Volkes
In den Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
der M… Patent- und Rechtsanwaltsgesellschaft mbH i.Gr.,
vertreten durch die Geschäftsführer Dr. M…, K…und S…
- Bevollmächtigte:
Anwaltskanzlei Zuck,
Vaihinger Markt 3, 70563 Stuttgart -
I.
1.
unmittelbar gegen
a) das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg)
1/10 -,
b) das Endurteil des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 25. Februar
2010 - BayAGH I - 25/2009 -,
c) den Bescheid der Rechtsanwaltskammer München vom 14. September
2009 - Zul. 50151 -,
2. mittelbar gegen
§ 59e Abs. 2 Satz 1, § 59f Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung
(BRAO)
- 1 BvR 2998/11 -,
II.
1.
unmittelbar gegen
a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Dezember 2011 -
PatAnwZ 1/10 -,
b) den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 22. Februar 2010
- PatA - Z - 2/09 -,
c) das Gutachten der Patentanwaltskammer München vom 20. Juli 2009 -
IV/06/09 -,
2. mittelbar gegen
§ 52e Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, § 52f Abs. 1 der Patentanwaltsordnung
(PAO)
- 1 BvR 236/12 -
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsident Kirchhof,
Gaier,
Eichberger,
Schluckebier,
Masing,
Paulus,
Baer,
Britz
am 14. Januar 2014 beschlossen:
1. a) § 59e Absatz 2 Satz 1 und § 59f Absatz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) in
der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 303-8 veröffentlichten bereinigten
Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen
Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (Bundesgesetzblatt I Seite 3786),
sind mit Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit sie der
Zulassung einer Berufsausübungsgesellschaft von Rechts- und Patentanwälten als
Rechtsanwaltsgesellschaft entgegenstehen, wenn nicht die Mehrheit der Geschäftsanteile
und Stimmrechte sowie die verantwortliche Führung der Gesellschaft und die Mehrheit der
Geschäftsführer den Rechtsanwälten überlassen sind.
b) Der Bescheid der Rechtsanwaltskammer München vom 14. September 2009 - Zul.
50151 -, das Endurteil des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 25. Februar 2010 -
BayAGH I - 25/2009 - und das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2011 - AnwZ
(Brfg) 1/10 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1
des Grundgesetzes. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2011 - AnwZ
(Brfg) 1/10 - wird aufgehoben. Das Verfahren wird an den Bundesgerichtshof
zurückverwiesen.
2. a) § 52e Absatz 2 Satz 1 und § 52f Absatz 1 Satz 1 der Patentanwaltsordnung (PAO) vom
7. September 1966 (Bundesgesetzblatt I Seite 557), zuletzt geändert durch Artikel 5 Absatz
13 des Gesetzes zur Modernisierung des Geschmacksmustergesetzes sowie zur Änderung
der Regelungen über die Bekanntmachungen zum Ausstellungsschutz vom 10. Oktober
2013 (Bundesgesetzblatt I Seite 3799), sind mit Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes
unvereinbar und nichtig, soweit sie der Zulassung einer Berufsausübungsgesellschaft von
Rechts- und Patentanwälten als Patentanwaltsgesellschaft entgegenstehen, wenn nicht
die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte sowie die verantwortliche Führung der
Gesellschaft den Patentanwälten überlassen sind.
b) Das Gutachten der Patentanwaltskammer vom 20. Juli 2009 - IV/06/09 - und der
Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Dezember 2011 - PatAnwZ 1/10 - verletzen
die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes,
soweit diese Entscheidungen die unter Nummer 4 und Nummer 5 des Gutachtens
festgestellten Gründe für die Versagung der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft
betreffen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 22. Februar 2010 - PatA -
Z - 2/09 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des
Grundgesetzes, soweit diese Entscheidung den unter Nummer 4 des Gutachtens der
Patentanwaltskammer festgestellten Grund für die Versagung der Zulassung als
Patentanwaltsgesellschaft betrifft. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14.
Dezember 2011 - PatAnwZ 1/10 - wird aufgehoben, soweit er das Vorliegen der unter
Nummer 4 und Nummer 5 des Gutachtens der Patentanwaltskammer aufgeführten
Versagungsgründe feststellt. Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren an den
Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
c) Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 236/12 verworfen.
3. Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin die ihr im
Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2998/11 entstandenen und zwei Drittel der ihr im
Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 236/12 entstandenen notwendigen Auslagen zu
erstatten.
4. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für die
Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf jeweils 30.000 € (in Worten: dreißigtausend
Euro) festgesetzt.
A.
1
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage der Verfassungsmäßigkeit berufsgerichtlicher
Entscheidungen und ihnen zugrunde liegender gesetzlicher Vorschriften, die einer Gesellschaft
mit beschränkter Haftung mit dem Zweck der gemeinsamen Berufsausübung von Rechts- und
Patentanwälten eine gleichzeitige Zulassung als Rechts- und Patentanwaltsgesellschaft durch
Vorgaben zur Anteils- und Stimmrechtsmehrheit sowie zur Leitungsmacht der namensgebenden
Berufsgruppe verwehren.
I.
2
1. Der Rechtsanwaltsberuf wird wesentlich durch die Vorschriften der
Bundesrechtsanwaltsordnung (im Folgenden: BRAO) bestimmt. Gemäß § 1 BRAO ist der
Rechtsanwalt ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Nach § 2 Abs. 1 BRAO übt er einen
Freien Beruf aus. Seine Tätigkeit ist kein Gewerbe (§ 2 Abs. 2 BRAO). Er ist der berufene und
unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs. 1 BRAO). Teil der
rechtsanwaltlichen Grundpflichten ist das Verbot, Bindungen einzugehen, die die berufliche
Unabhängigkeit gefährden (§ 43a BRAO).
3
Maßgeblich für den Patentanwaltsberuf sind in erster Linie die Regelungen der
Patentanwaltsordnung (im Folgenden: PAO), die denen der Bundesrechtsanwaltsordnung
weitgehend entsprechen, wobei allerdings der berufliche Aufgabenbereich für
Patentanwältinnen und -anwälte teilweise enger und anders zugeschnitten ist als für die
Rechtsanwaltschaft. Nach § 1 PAO ist der Patentanwalt in seinem Aufgabenbereich ein
unabhängiges Organ der Rechtspflege. Ausgeübt wird ein Freier Beruf (§ 2 Abs. 1 PAO), die
Tätigkeit ist kein Gewerbe (§ 2 Abs. 2 PAO). Auch Patentanwälte sind unabhängige Berater und
Vertreter der Rechtsuchenden, anders als Rechtsanwälte allerdings beschränkt auf den Bereich
von Patentangelegenheiten (§ 3 PAO). In bestimmten Grenzen ist ihnen dabei auch das
Auftreten vor Gericht gestattet (§ 4 PAO). Zu den Grundpflichten der Patentanwälte gehört
gleichfalls das Verbot, Bindungen einzugehen, die ihre berufliche Unabhängigkeit gefährden
(§ 39a Abs. 1 PAO). Gemäß § 3 Abs. 5 PAO bleibt das Recht der Rechtsanwälte zur Beratung
und Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 BRAO) unberührt, so dass sich aus der
Patentanwaltsordnung keine Beschränkungen der anwaltlichen Befugnisse ergeben.
4
Zur Rechtsanwaltschaft kann im Regelfall nur zugelassen werden, wer die Befähigung zum
Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz erlangt hat (vgl. § 4 Satz 1 Variante 1 BRAO),
was grundsätzlich den Abschluss eines rechtswissenschaftlichen Studiums mit der ersten
Prüfung und den Abschluss eines anschließenden zweijährigen Vorbereitungsdienstes mit der
zweiten Staatsprüfung voraussetzt. Die Zulassung zur Patentanwaltschaft erfordert ein
technisches oder naturwissenschaftliches Hochschulstudium (§ 6 Abs. 1 Satz 1 PAO), eine
einjährige praktische technische Tätigkeit (§ 6 Abs. 1 Satz 2 PAO) sowie eine mindestens 34
Monate dauernde Ausbildung auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes (vgl. § 7 PAO)
und das Bestehen einer juristischen Prüfung (vgl. § 8 PAO).
5
2. Das Berufsrecht ermöglicht eine gemeinschaftliche Berufsausübung von Rechts- und
Patentanwälten in verschiedenen Formen. Ungeachtet besonderer Regelungen für
Kapitalgesellschaften ist ihnen die Zusammenarbeit jeweils „im Rahmen der eigenen beruflichen
Befugnisse“ erlaubt (§ 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 52a Abs. 1 Satz 1 PAO). Danach sind
personengesellschaftsrechtliche Zusammenschlüsse von Rechts- und Patentanwälten
insbesondere in den Rechtsformen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder der
Partnerschaftsgesellschaft möglich.
6
Für die Partnerschaftsgesellschaft ist insbesondere das Gesetz über
Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe (Partnerschaftsgesellschaftsgesetz -
PartGG) maßgeblich. Seit dem 19. Juli 2013 ermöglicht der neu angefügte § 8 Abs. 4 PartGG die
Errichtung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (vgl. Art. 1 Nr. 3 des
Gesetzes zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung und
zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater und
Wirtschaftsprüfer vom 15. Juli 2013, BGBl I S. 2386). Danach haftet für Verbindlichkeiten der
Partnerschaft aus Schäden wegen fehlerhafter Berufsausübung den Gläubigern nur das
Gesellschaftsvermögen, wenn die Partnerschaft eine zu diesem Zweck durch Gesetz
vorgegebene Berufshaftpflichtversicherung mit einer Mindestversicherungssumme von 2,5
Millionen Euro (vgl. § 51a Abs. 2 BRAO) für jeden Versicherungsfall unterhält. Hierauf muss im
Namen der Partnerschaft durch den Zusatz „mit beschränkter Berufshaftung“ oder die Abkürzung
„mbB“ oder eine andere allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung hingewiesen
werden.
7
3. a) Gemäß § 59c Abs. 1 BRAO können Gesellschaften mit beschränkter Haftung, deren
Unternehmensgegenstand die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten ist, als
Rechtsanwaltsgesellschaften zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden. Für Gesellschaften
mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand die Beratung und Vertretung in
Rechtsangelegenheiten aus dem beruflichen Aufgabenbereich der Patentanwälte (§ 3 Abs. 2
und 3 PAO) ist, sieht § 52c Abs. 1 PAO entsprechend vor, dass sie als Patentanwaltsgesellschaft
zugelassen werden können. Rechtsanwalts- wie Patentanwaltsgesellschaften können jeweils
als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigte beauftragt werden und haben dann selbst die
Rechte und Pflichten von Rechts- beziehungsweise Patentanwälten (§ 59l Satz 1 und 2 BRAO,
§ 52l Satz 1 und 2 PAO).
8
Der Unternehmensgegenstand beider Berufsausübungsgesellschaften kann sich weitergehend
auch auf die interprofessionelle Zusammenarbeit von Angehörigen verschiedener
sozietätsfähiger Berufe erstrecken (vgl. § 59e Abs. 1 BRAO, § 52e Abs. 1 PAO). Da nach § 59a
BRAO beziehungsweise § 52a PAO eine Sozietät zwischen Rechts- und Patentanwälten
zulässig ist, kann die gemeinsame Ausübung beider Berufe auch im Rahmen von
Rechtsanwalts- oder Patentanwaltsgesellschaften erfolgen. Nach - soweit ersichtlich -
einhelliger Auffassung darf eine interprofessionelle Berufsausübungsgesellschaft ungeachtet
des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes nur in dem Bereich rechtsbesorgend tätig
werden, der von ihrer Zulassung umfasst ist (so auch in einem der Ausgangsverfahren BGH,
Beschluss vom 14. Dezember 2011 - PatAnwZ 1/10 -). Eine Patentanwaltsgesellschaft, die
allgemein und umfassend im Sinne von § 3 Abs. 1 BRAO rechtsbesorgend tätig werden will,
benötigt mithin eine Zulassung auch als Rechtsanwaltsgesellschaft. Ohne diese doppelte
Zulassung ist die Patentanwaltsgesellschaft als solche von der Beratung und Vertretung in
Rechtsangelegenheiten, die nicht zu den Aufgaben des Patentanwalts gehören,
ausgeschlossen. Mandate, die von der Zulassung zur Patentanwaltschaft nicht umfasst sind,
dürfen allenfalls von den in der Gesellschaft tätigen Rechtsanwälten aufgrund einer an sie
gerichteten persönlichen Beauftragung übernommen werden.
9
b) Die Zulassung als Rechtsanwalts- oder Patentanwaltsgesellschaft ist zu erteilen, wenn die in
§ 59d BRAO beziehungsweise § 52d PAO genannten Voraussetzungen vorliegen. Hiernach ist
es insbesondere erforderlich, dass den jeweiligen gesetzlichen Anforderungen an die
Gesellschafter- und Geschäftsführungsstruktur entsprochen wird.
10
Soll im Rahmen einer interprofessionell ausgerichteten Rechtsanwaltsgesellschaft die
gemeinsame Berufsausübung mit Patentanwälten erfolgen, ist § 59e Abs. 2 BRAO zu beachten.
Die Bestimmung lautet wie folgt:
11
§ 59e
Gesellschafter
(1) ...
(2) Die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte muß Rechtsanwälten zustehen. ...
(3) bis (5) ...
12
Für eine Patentanwaltsgesellschaft verlangt § 52e Abs. 2 PAO in gleicher Weise:
13
§ 52e
Gesellschafter
(1) ...
(2) Die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte muß Patentanwälten zustehen. ...
(3) bis (4) ...
14
In einer interprofessionellen Berufsausübungsgesellschaft von Rechts- und Patentanwälten
können grundsätzlich Angehörige beider Berufsgruppen zu Geschäftsführern bestellt werden
(§ 59f Abs. 2 BRAO, § 52f Abs. 2 PAO). In der Rechtsanwaltsgesellschaft fordert § 59f Abs. 1
BRAO allerdings, dass die Rechtsanwälte die Mehrheit stellen und Leitungsmacht im Sinne
einer verantwortlichen Führung ausüben:
15
§ 59f
Geschäftsführung
(1) Die Rechtsanwaltsgesellschaft muß von Rechtsanwälten verantwortlich geführt werden. Die
Geschäftsführer müssen mehrheitlich Rechtsanwälte sein.
(2) bis (4) ...
16
Für Patentanwaltsgesellschaften bestimmt § 52f Abs. 1 PAO entsprechend:
17
§ 52f
Geschäftsführung
(1) Die Patentanwaltsgesellschaft muß von Patentanwälten verantwortlich geführt werden. Die
Geschäftsführer müssen mehrheitlich Patentanwälte sein.
(2) bis (4) ...
18
Darüber hinaus verbieten § 59c Abs. 2 BRAO und § 52c Abs. 2 PAO für Rechtsanwalts-
beziehungsweise Patentanwaltsgesellschaften deren Beteiligung an Zusammenschlüssen zur
gemeinschaftlichen Berufsausübung. Gemäß § 59e Abs. 3 BRAO und § 52e Abs. 3 PAO dürfen
Anteile an beiden Gesellschaften nicht für Rechnung Dritter gehalten und Dritte auch nicht am
Gewinn der Gesellschaften beteiligt werden.
19
c) Über die Zulassung einer Rechtsanwaltsgesellschaft entscheidet auf Antrag die örtlich
zuständige Rechtsanwaltskammer (§ 33 BRAO). Wird die Zulassung abgelehnt, ist die
Verpflichtungsklage zum Anwaltsgerichtshof statthaft (vgl. § 112a Abs. 1, § 112c BRAO i.V.m.
§§ 42 ff. der Verwaltungsgerichtsordnung ). Gegen das Urteil steht den Beteiligten die
Berufung zum Bundesgerichtshof zu, wenn sie vom Anwaltsgerichtshof oder auf Beschwerde
vom Bundesgerichtshof zugelassen wird (vgl. § 112e BRAO).
20
d) Das Verwaltungsverfahren über den Antrag auf Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft
richtete sich vorliegend nach den inzwischen teilweise außer Kraft getretenen Vorschriften der
Patentanwaltsordnung in der bis zum 31. August 2009 gültigen Fassung (vgl. § 161 Abs. 1 Satz
1 PAO). Danach war die Zuständigkeit des Präsidenten des Patentamts gegeben. Er war für
seine Entscheidung an ein Gutachten gebunden, das er beim Vorstand der
Patentanwaltskammer einzuholen hatte und in dem zu allen Zulassungsvoraussetzungen des
§ 52d PAO gleichzeitig Stellung genommen werden sollte (vgl. § 52g Abs. 2 PAO a.F.). Über die
im Gutachten festgestellten Versagungsgründe konnte der Bewerber eine Entscheidung des
Oberlandesgerichts beantragen (§ 52g Abs. 5, § 16 Abs. 2 PAO a.F.), die mit der sofortigen
Beschwerde beim Bundesgerichtshof angefochten werden konnte (§ 38 PAO a.F.).
21
e) Mit den geschilderten Regelungen zur Öffnung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung für
die rechtsbesorgenden Berufe griff der Gesetzgeber eine von der Rechtsprechung angestoßene
Entwicklung auf. Im Anschluss an das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. November 1993
(BGHZ 124, 224), das eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Unternehmenszweck
der Erbringung ambulanter Zahnbehandlungen gestützt auf Art. 12 Abs. 1 GG als zulässig
anerkannt hatte, entschied das Bayerische Oberste Landesgericht mit Beschluss vom 24.
November 1994 (BayObLGZ 1995, S. 353), dass der Zusammenschluss von Rechtsanwälten zur
gemeinsamen Berufsausübung in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung grundsätzlich
erlaubt sei. Das Gericht hielt jedoch Beschränkungen der Gesellschafterstruktur und der
Leitungsmacht für erforderlich. Um die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte auch in der
Berufsausübungsgesellschaft sicherzustellen, müsse die Gesellschaft bestimmte unerlässliche
Mindestnormen einhalten. Die Satzung müsse Vorsorge treffen, dass der Erwerb von
Geschäftsanteilen nur durch die in § 59a BRAO aufgeführten Angehörigen sozietätsfähiger
Berufe möglich sei, damit der Einfluss von berufsfremden Kapitaleignern zuverlässig
ausgeschlossen bleibe. Ferner sei zu fordern, dass sich die Mehrheit der Geschäftsanteile und
Stimmrechte in der Hand von Rechtsanwälten befinde, die ihren Beruf aktiv in der Gesellschaft
ausübten.
22
Eine gesetzliche Regelung erfolgte anschließend durch das Gesetz zur Änderung der
Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwaltsordnung und anderer Gesetze vom 31. August
1998 (BGBl I S. 2600). Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung soll mit
der Schaffung eines gesetzlichen Ordnungsrahmens insbesondere denkbaren Gefahren
begegnet werden, die für die Rechtspflege durch unreglementierte Anwaltsgesellschaften mit
beschränkter Haftung entstehen könnten (vgl. BRDrucks 1002/97, S. 1). Das
Mehrheitserfordernis hinsichtlich der Geschäftsanteile und der Stimmrechte (§ 59e Abs. 2 BRAO)
sichere deshalb den maßgeblichen Einfluss von Rechtsanwälten auf die Geschicke der
Rechtsanwaltsgesellschaft (vgl. BRDrucks 1002/97, S. 14). Mit Blick auf die Geschäftsführung
wird ausgeführt, dass es wegen des Aufgabenbereichs der Rechtsanwaltsgesellschaft
notwendig sei, die ausschlaggebende Entscheidungsgewalt Rechtsanwälten vorzubehalten. Der
Bestimmung zur Leitungsmacht der Rechtsanwälte in der Gesellschaft (§ 59f Abs. 1 Satz 1
BRAO) wird diesbezüglich eine Auffangfunktion beigelegt; sie biete eine Handhabe, bei
Gefährdungen der inneren und äußeren Unabhängigkeit eines Rechtsanwalts einzugreifen (vgl.
BRDrucks 1002/97, S. 14). Die Möglichkeit, dass eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung
neben ihrer Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft auch als Patentanwaltsgesellschaft
anerkannt werden könne, wenn die jeweiligen berufsrechtlichen Voraussetzungen,
insbesondere die erforderlichen Mehrheitsverhältnisse, vorlägen, wird ausdrücklich nicht
ausgeschlossen. Dies setze aber zumindest bei einem Teil der Gesellschafter beziehungsweise
Geschäftsführer eine entsprechende Mehrfachqualifikation als Rechts- und Patentanwalt voraus
(vgl. BRDrucks 1002/97, S. 14). Zur Begründung der weitestgehend übereinstimmenden
Vorschriften zur Patentanwaltsgesellschaft verweist die Begründung auf die Ausführungen zu
den Rechtsanwaltsgesellschaften (vgl. BRDrucks 1002/97, S. 21).
II.
23
Die Beschwerdeführerin in beiden Verfassungsbeschwerdeverfahren ist eine Gesellschaft mit
beschränkter Haftung in Gründung. Anfang 2009 wurde der Gesellschaftsvertrag in notarieller
Form geschlossen. Gründer und Gesellschafter sind zwei Patentanwälte und ein Rechtsanwalt,
die jeweils zu gleichen Teilen am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt sind. Zum
Unternehmenszweck wurde die gemeinschaftliche Berufsausübung als Patent- und
Rechtsanwälte bestimmt.
24
1. In § 3 Abs. 1 der Satzung der Beschwerdeführerin ist bestimmt, dass die Gesellschafter
Mitglieder der Patentanwaltskammer oder der Rechtsanwaltskammer sein oder den übrigen in
§ 52e Abs. 1 Satz 1 PAO genannten Berufen angehören müssen. Daneben kann
Gesellschafterin nur noch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts sein, deren Zweck
ausschließlich das Halten von Anteilen an einer näher bezeichneten Patentanwaltsgesellschaft
ist. Nach § 3 Abs. 3 der Satzung bedarf die Beteiligung an einer anderen
Berufsausübungsgesellschaft der Zustimmung der Gesellschafterversammlung.
25
Die Geschäftsführung ist in § 8 Abs. 1 der Satzung geregelt; die Bestimmung lautet:
26
Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Ist nur ein Geschäftsführer bestellt,
vertritt er die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft
durch zwei Geschäftsführer gemeinschaftlich vertreten. Die Gesellschafterversammlung ist
berechtigt, Geschäftsführern Einzelvertretungsbefugnis zu erteilen. Sie kann von den
Beschränkungen des § 181 BGB befreien.
27
Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung wurden die drei Gesellschafter zu
einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern der Beschwerdeführerin bestellt (vgl. § 125 Abs.
1 HGB).
28
§ 10 Abs. 1 der Satzung betrifft die Veräußerung von Geschäftsanteilen und lautet:
29
Jede Veräußerung eines Geschäftsanteils oder des Teils eines Geschäftsanteils bedarf zur
Wirksamkeit der Zustimmung der Gesellschaft und aller Gesellschafter. Die Zustimmung darf nur
erteilt werden, wenn der Erwerber zu den in § 3 Abs. 1 dieses Vertrages bezeichneten Personen
gehört.
30
2. Die Beschwerdeführerin strebt eine doppelte Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft und
als Patentanwaltsgesellschaft an und stellte entsprechende Zulassungsanträge bei den
zuständigen Berufskammern.
31
a) Die Rechtsanwaltskammer lehnte den Antrag auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in der
Form einer Rechtsanwaltsgesellschaft ab, weil die Beschwerdeführerin mit Blick auf die
Beteiligung von anwaltlichen Berufsträgern weder den Anforderungen des § 59e Abs. 2 Satz 1
BRAO hinsichtlich der Anteils- und Stimmrechtsmehrheit noch denen des § 59f Abs. 1 BRAO
hinsichtlich Leitungsmacht und Geschäftsführermehrheit entspreche. Die hiergegen von der
Beschwerdeführerin erhobene Verpflichtungsklage wurde vom Anwaltsgerichtshof abgewiesen.
32
Ohne Erfolg blieb auch die Berufung der Beschwerdeführerin. Nach Auffassung des
Bundesgerichtshofs ist der Beschwerdeführerin die Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft zu
Recht versagt worden. Weder die Gesellschafterstruktur noch die Geschäftsführungsbefugnisse
entsprächen den berufsrechtlichen Anforderungen. Entgegen § 59e Abs. 2 Satz 1 BRAO stehe
die Mehrheit der Geschäftsanteile den beiden Patentanwälten und nicht dem Rechtsanwalt zu. In
Widerspruch zu § 59f Abs. 1 BRAO werde die Gesellschaft überdies nicht verantwortlich von
Rechtsanwälten geführt, vielmehr stellten die Patentanwälte die Mehrheit der Geschäftsführer.
Außerdem sei nicht beachtet, dass die maßgeblichen Geschäftsführungsentscheidungen von
Rechtsanwälten verantwortet werden müssten. Den nichtanwaltlichen Geschäftsführern hätte
daher keine Einzelvertretungsmacht, sondern allenfalls Gesamtvertretungsmacht zusammen mit
anwaltlichen Geschäftsführern eingeräumt werden dürfen.
33
Die einer Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft der Beschwerdeführerin entgegenstehenden
gesetzlichen Bestimmungen begegneten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar
unterliege die interprofessionelle Zusammenarbeit in Personengesellschaften keinen
vergleichbaren Beschränkungen, die unterschiedliche Behandlung sei aber vor Art. 3 Abs. 1 GG
gerechtfertigt, weil die Rechtsanwaltsgesellschaft anders als eine Personengesellschaft selbst
zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werde. Als Berufsausübungsregeln seien die
Beschränkungen zudem mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Sie sicherten die unabhängige
anwaltliche Berufsausübung in der Gesellschaft vor berufsfremden Einflüssen und verhinderten
Beschlüsse und Handlungen der Rechtsanwaltsgesellschaft, die in Widerspruch zu
berufsrechtlichen Bestimmungen stünden. Die gesellschaftsrechtlichen Beschränkungen seien
zur Verwirklichung des Gemeinwohlziels auch erforderlich und angemessen. Da die
Beschwerdeführerin eine eigene Zulassung zur Rechtsanwaltschaft anstrebe, setzten die
Vorschriften richtigerweise bei der Willensbildung der Gesellschaft und ihrer Organe an. Nur so
werde sichergestellt, dass die Gesellschaft durch ihre Organe den fachlichen Anforderungen
genüge, die die Bundesrechtsanwaltsordnung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
verlange.
34
b) Zu dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft
erstattete der Vorstand der Patentanwaltskammer ein ablehnendes Gutachten nach § 52g Abs. 2
PAO a.F. Die Beschwerdeführerin erfülle die Zulassungsvoraussetzungen nicht, weil ihre
Satzung unter anderem das Beteiligungsverbot aus § 52c Abs. 2 PAO verletze. Unter Nummer 4
ihres Gutachtens nennt die Patentanwaltskammer als weiteren Grund für die Versagung der
Zulassung, dass die gesetzlichen Vorgaben zur verantwortlichen Führung der Gesellschaft
durch Patentanwälte (§ 52f Abs. 1 Satz 1 PAO) missachtet seien. Außerdem wird unter Nummer
5 des Gutachtens als Versagungsgrund genannt, dass die Satzung den gesetzlichen Regeln zur
Mehrheit der Patentanwälte bei den Gesellschaftsanteilen und Stimmrechten widerspreche.
35
Der hiergegen von der Beschwerdeführerin gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung hatte
teilweise Erfolg. So stellte das Oberlandesgericht zwar fest, dass die in dem Gutachten
angeführten Gründe für eine Versagung der Zulassung überwiegend nicht gegeben seien,
bestätigte aber, dass sich die Regelung zur Geschäftsführung in § 8 der Satzung - wie unter
Nummer 4 des Gutachtens festgestellt - nicht mit den gesetzlichen Vorgaben zur Leitungsmacht
in § 52f Abs. 1 Satz 1 PAO vereinbaren ließen.
36
Auf die sofortige Beschwerde der Patentanwaltskammer änderte der Bundesgerichtshof die
Entscheidung des Oberlandesgerichts ab und stellte fest, dass noch weitere in dem Gutachten
angeführte Versagungsgründe, darunter auch die fehlende Mehrheit der Patentanwälte,
vorlägen. So verstoße § 3 Abs. 3 der Satzung gegen das Beteiligungsverbot aus § 52c Abs. 2
PAO; denn der Beschwerdeführerin sei aufgrund der allein maßgeblichen Satzungslage die
Beteiligung an jeder beliebigen Berufsausübungsgesellschaft erlaubt. Nicht entscheidend sei,
ob sie von dieser Möglichkeit auch Gebrauch machen wolle. Da auch insoweit nur die Satzung
maßgeblich sei und diese unter § 10 Abs. 1 Veräußerungen von Geschäftsanteilen ermögliche,
werde zudem gegen das Erfordernis der patentanwaltlichen Anteils- und Stimmrechtsmehrheit
verstoßen. Es sei irrelevant, dass die Gesellschafterstruktur derzeit den Anforderungen der Norm
faktisch gerecht werde, die Beschwerdeführerin müsse die gesetzlichen Voraussetzungen auch
in Zukunft erfüllen. Ferner missachte § 8 der Satzung das durch § 52f Abs. 1 Satz 1 PAO
bestimmte Erfordernis der verantwortlichen Führung der Gesellschaft durch Patentanwälte.
Durch die Satzungsbestimmung sei nämlich nicht sichergestellt, dass Berufsträgern, die keine
Patentanwälte seien, allenfalls Gesamtvertretungsmacht eingeräumt werden dürfe. Die
vorliegend einer Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft entgegenstehenden gesetzlichen
Bestimmungen seien aus den Gründen verfassungsgemäß, die bereits in der parallel
ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Zulassung als
Rechtsanwaltsgesellschaft dargestellt worden seien.
III.
37
Die Beschwerdeführerin rügt mit ihren Verfassungsbeschwerden in beiden Verfahren eine
Verletzung von Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG.
38
1. In dem die Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft betreffenden Verfahren 1 BvR 2998/11
macht die Beschwerdeführerin geltend, sie sei durch die Versagung der Zulassung in ihrer durch
Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit verletzt. Den angegriffenen
Entscheidungen mangele es an einer Rechtsgrundlage, weil die gesetzlichen Vorgaben zur
Anteils- und Stimmrechtsmehrheit (§ 59e Abs. 2 Satz 1 BRAO) sowie zur Leitungsmacht und
Geschäftsführermehrheit (§ 59f Abs. 1 BRAO) der rechtsanwaltlichen Berufsträger
verfassungswidrig seien.
39
Die Gesetzesmaterialien ließen keinen sachlichen Grund erkennen, der die Bevormundung
anderer sozietätsfähiger Berufsgruppen - wie namentlich der Patentanwälte - durch die
Gesellschafter und Geschäftsführer aus der Rechtsanwaltschaft rechtfertigen könne. Den
fraglichen Regelungen fehle es an der Eignung, die Unabhängigkeit der Rechtsanwaltschaft zu
fördern. Eine Gefährdung anwaltlicher Unabhängigkeit durch Patentanwälte gebe es nicht. Dies
werde dadurch belegt, dass § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO Rechtsanwälten die berufliche
Zusammenarbeit mit Patentanwälten grundsätzlich gestatte. Es genüge, dass die anwaltliche
Leitungsmacht im Einzelfall bestehe, was mittelbar dadurch gesichert sei, dass die Gesellschaft
im Haftungsfall bei den verantwortlichen Gesellschaftern Regress nehmen könne.
40
Die angegriffenen Vorschriften seien auch nicht erforderlich. Es gebe keinen nachvollziehbaren
Grund dafür, Willensbildung und Organstellung der Rechtsanwaltsgesellschaft zu
reglementieren, wenn die Gesellschaft selbst schon an das Berufsrecht gebunden sei. Das gelte
erst recht, wenn - wie hier - auch die Gesellschafter rechtsgebunden seien und Nicht-Anwälte
ohnehin nicht anwaltlich tätig werden dürften. Eine Gefährdung der Unabhängigkeit sei bei den
gemischten Sozietäten in Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und der
Partnerschaftsgesellschaft bislang nicht aufgetreten, so dass die weniger belastende Alternative
in der Abschaffung der angegriffenen Vorschriften liege. Aus der fehlenden Eignung und
Erforderlichkeit folge auch die Unangemessenheit der angegriffenen Vorschriften.
41
Auch Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als allgemeiner Gleichheitssatz sei verletzt. Im
Vergleich zu den anwaltlichen Personengesellschaften werde die Beschwerdeführerin ohne
sachlichen Grund gesellschaftsrechtlichen Mehrheitserfordernissen unterworfen. Maßgeblich sei
nicht der offenkundige Unterschied in der Rechtsform, sondern der Bezug zum anwaltlichen
Handeln. Darin bestehe kein Unterschied zu den Personengesellschaften; denn im
Außenverhältnis gälten stets dieselben berufsrechtlichen Regeln zum Schutz der
Mandanteninteressen und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Anwaltliches Fehlverhalten
sei unabhängig von der Rechtsform; denn stets handelten natürliche Personen.
42
2. Mit weitgehend gleicher Begründung wendet sich die Beschwerdeführerin im
Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 236/12 gegen die Versagung ihrer Zulassung zur
Patentanwaltschaft. Sie ist der Ansicht, die - hier den Vorrang der Patentanwaltschaft regelnden -
Vorschriften zur Anteils- und Stimmrechtsmehrheit (§ 52e Abs. 2 Satz 1 PAO) sowie zur
Leitungsmacht und Geschäftsführermehrheit (§ 52f Abs. 1 PAO) seien mit der Verfassung nicht
vereinbar.
43
Außerdem hält die Beschwerdeführerin auch das in § 52e Abs. 3 PAO geregelte Verbot einer
Beteiligung Dritter an den Gesellschaftsanteilen und an dem Gewinn der Gesellschaft
(Drittbeteiligungsverbot) für verfassungswidrig. Darüber hinaus meint sie, dass die Ausführungen
des Bundesgerichtshofs zu § 3 Abs. 3 der Satzung und zu § 52c Abs. 2 PAO gegen das
Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstießen. Es gebe offenkundig keinen denkbaren
Gesichtspunkt, nach dem es erforderlich sein könnte, das gesetzliche Verbot einer Beteiligung
der Gesellschaft an anderen Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in
der Satzung zu wiederholen. Wenn die Satzungsbestimmung gesetzwidrig sein sollte, wäre sie
ohnehin unwirksam und könnte daher keinen Grund für die Versagung der Zulassung geben.
IV.
44
Zu den Verfassungsbeschwerden haben das Bundesministerium der Justiz namens der
Bundesregierung, die Bundesrechtsanwaltskammer, die Rechtsanwaltskammer München, die
Patentanwaltskammer, der Deutsche Anwaltverein und der Bundesverband Deutscher
Patentanwälte Stellung genommen.
45
1. Das Bundesministerium der Justiz hat auf die bei Zustellung der Verfassungsbeschwerden
übermittelten Fragen des Bundesverfassungsgerichts geantwortet, dass hinsichtlich der
berufsethischen Maßstäbe und hinsichtlich des Umfangs der beruflichen Unabhängigkeit keine
Unterschiede zwischen dem Rechtsanwalts- und dem Patentanwaltsberuf bestünden.
Erfahrungswerte zu eventuellen tatsächlichen Auswirkungen der Zuweisung der
gesellschaftsrechtlichen Leitungsmacht an eine Berufsgruppe in einer interprofessionellen
Berufsausübungsgesellschaft lägen der Bundesregierung nicht vor. Es gebe keine Hinweise
dafür, dass infolge der Leitungsmacht einer Mehrheitsgruppe eine andere Berufsgruppe, die sich
in der Minderheit befinde, an einer ordnungsgemäßen Berufsausübung gehindert würde.
46
Es seien zudem keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür bekannt, dass die berufliche
Unabhängigkeit in anwaltlichen Kapitalgesellschaften grundsätzlich anderen Gefahren
ausgesetzt sei als in Anwaltspersonengesellschaften. Ebenso wenig lägen Erfahrungswerte
über die Existenz von Interessenkonflikten zwischen den in interprofessionellen
Berufsausübungsgesellschaften vertretenen einzelnen Berufsgruppen vor.
47
2. Die Bundesrechtsanwaltskammer und die Rechtsanwaltskammer München, die Beklagte
eines der Ausgangsverfahren, halten die Verfassungsbeschwerden für unbegründet,
insbesondere habe der Gesetzgeber mit den angegriffenen Bestimmungen den ihm
eingeräumten Spielraum nicht überschritten. Auch der Deutsche Anwaltverein erachtet die
Verfassungsbeschwerden sowohl unter dem Gesichtspunkt der Berufsfreiheit als auch dem des
Gleichheitssatzes für nicht begründet.
48
3. In allen Stellungnahmen finden sich im Übrigen Ausführungen zur gegenwärtigen Situation
der interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwälten und Patentanwälten. Dabei
wurden von keiner Seite Erfahrungen mit beachtlichen Interessenkonflikten geschildert. Die
Bundesrechtsanwaltskammer teilt hierzu ergänzend mit, dass auch nach dem Ergebnis einer
Anfrage bei den verschiedenen Rechtsanwaltskammern keine einschlägigen Fälle bekannt
geworden seien. Nach Einschätzung der Patentanwaltskammer ergebe sich bei der
Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwälten und Patentanwälten wegen des weitgehend
identischen Berufsrechts und der gleichrangigen beruflichen Stellung nur ein geringes
Konfliktpotenzial. Die Patentanwaltskammer berichtet ferner, dass derzeit bei ihr 33
Patentanwälte eingetragen seien, die zugleich auch über die Zulassung als Rechtsanwälte
verfügten. Es seien derzeit 13 Patentanwaltsgesellschaften zugelassen, wobei keine dieser
Gesellschaften über eine doppelte Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft verfüge. Die
Gesellschafterzahl bewege sich zum weit überwiegenden Teil zwischen einer Person und vier
Personen; Ausnahmefall sei eine Patentanwaltsgesellschaft mit 39 Berufsträgern als
Gesellschaftern. Soweit für sie ersichtlich, seien nur in weniger als der Hälfte der
Patentanwaltsgesellschaften auch Rechtsanwälte tätig.
B.
49
Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 2998/11 ist vollständig, die
Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 236/12 überwiegend zulässig (I.). Im Umfang ihrer
Zulässigkeit sind beide Verfassungsbeschwerden begründet (II.).
I.
50
1. Die Beschwerdeführerin ist beschwerdefähig und beschwerdebefugt. Unschädlich ist, dass
sie mangels Eintragung im Handelsregister nach den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften (vgl.
§ 11 Abs. 1 GmbHG) noch nicht als juristische Person entstanden ist. Ihr stehen als
Vorgesellschaft ungeachtet des Umfangs ihrer Rechtsfähigkeit gemäß Art. 19 Abs. 3 GG
Grundrechte zu (vgl. BVerfGE 3, 383 <391>; 83, 341 <351>). Sie kann sich damit grundsätzlich
auch auf die für juristische Personen geschützte Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) berufen (vgl.
BVerfGE 126, 112 <136>; stRspr).
51
2. Soweit sich die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 236/12 gegen die Versagung ihrer
Zulassung zur Patentanwaltschaft wendet, ist ihre Verfassungsbeschwerde allerdings
hinsichtlich einzelner Rügen mangels einer Beschwer (a) sowie mangels hinreichender
Begründung (b) teilweise unzulässig.
52
a) An einer Beschwer fehlt es zunächst, soweit die Beschwerdeführerin sich nicht nur gegen die
Verfassungsmäßigkeit von Satz 1 des § 52f Abs. 1 PAO und die darin geforderte verantwortliche
Führung der Gesellschaft durch Patentanwälte wendet, sondern auch die Regelung von Satz 2
beanstandet, der für die Mehrheit der Geschäftsführer die Qualifikation als Patentanwalt
vorschreibt. Anders als im Verfahren 1 BvR 2998/11 zur Zulassung als
Rechtsanwaltsgesellschaft war die Regelung in dem Ausgangsverfahren zur
patentanwaltsrechtlichen Zulassung nicht entscheidungserheblich. Aus § 52f Abs. 1 Satz 2 PAO
wurde kein Grund für die Versagung der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft hergeleitet.
53
Ebenso wenig ist die Beschwerdeführerin beschwert, soweit sie die Verfassungswidrigkeit des
§ 52e Abs. 3 PAO geltend macht, der die Beteiligung Dritter an der Gesellschaft und deren
Gewinn untersagt. Auf dieser Vorschrift beruhen die angefochtenen Entscheidungen ersichtlich
nicht.
54
b) Mangels einer hinreichenden Begründung ist die Verfassungsbeschwerde insoweit
unzulässig, als sich die Beschwerdeführerin gestützt auf Art. 3 Abs. 1 GG gegen die
fachgerichtliche Auslegung und Anwendung des § 52c Abs. 2 PAO wendet, der die Beteiligung
von Patentanwaltsgesellschaften an Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen
Berufsausübung verbietet. Insbesondere erschließt sich nicht, aus welchem Grund es
offenkundig unhaltbar sein soll, die Versagung der Zulassung auf den unbestritten
rechtswidrigen Inhalt des § 3 Abs. 3 der Satzung zu stützen.
55
Die Unzulässigkeit dieser Rüge bleibt aber auf den konkreten Versagungsgrund beschränkt und
führt nicht zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde insgesamt. Zwar reicht das Vorliegen
schon dieses einen im Gutachten festgestellten Versagungsgrundes aus, um den Antrag der
Beschwerdeführerin auf Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft als abgelehnt anzusehen
(§ 52g Abs. 5, § 16 Abs. 4 Satz 2 PAO a.F.). Der Beschwerdeführerin bleibt es jedoch
unbenommen, die betreffende Satzungsbestimmung, von der sie ohnehin keinen Gebrauch
machen will, noch während des anhängigen Verfahrens an die gesetzlichen Vorgaben
anzupassen und damit diesen Versagungsgrund auszuräumen.
II.
56
Soweit die Verfassungsbeschwerden zulässig sind, sind sie auch begründet.
57
Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus
Art. 12 Abs. 1 GG. Die Eingriffe in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin (1.) sind
verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt (2.).
58
1. Das Grundrecht der Berufsfreiheit, also das Recht, eine Tätigkeit als Beruf zu ergreifen und frei
auszuüben (vgl. BVerfGE 82, 209 <223>; 122, 190 <206>), wird durch Art. 12 Abs. 1 GG
umfassend geschützt (vgl. BVerfGE 7, 377 <397>; 16, 6 <21>; 85, 248 <256>; 121, 317 <345>)
und steht auch der Beschwerdeführerin zu.
59
a) Nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 3 GG können juristische Personen den Schutz der
Berufsfreiheit beanspruchen, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die
ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person
offensteht (vgl. BVerfGE 115, 205 <229> m.w.N.). Dies gilt mithin auch für eine Gesellschaft mit
beschränkter Haftung (vgl. BVerfGE 131, 47 <57>). Zwar hat die Beschwerdeführerin diese
Gesellschaftsform noch nicht erreicht, als Vorgesellschaft erfüllt sie aber die Voraussetzungen
einer - im verfassungsrechtlichen Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG - juristischen Person (dazu oben
B. I.), auf die in der vorliegenden Konstellation auch das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12
Abs. 1 GG seinem Wesen nach anwendbar ist. Sie ist als Vorgesellschaft in weitem Umfang zum
Auftreten und Handeln im Rechts- und Geschäftsverkehr berechtigt und damit der Gesellschaft
mit beschränkter Haftung „bereits weitgehend angenähert“ (vgl. BGHZ 120, 103 <105 f.>).
Demgemäß unterliegt die Vorgesellschaft dem Recht der angestrebten Gesellschaftsform, soweit
dieses mit ihrem besonderen Zweck als Vorgesellschaft vereinbar ist und nicht die Eintragung im
Handelsregister voraussetzt (vgl. BGHZ 169, 270 <273> m.w.N.).
60
Wegen ihrer hiernach gegebenen Identität mit der Kapitalgesellschaft, auf deren Entstehen sie
angelegt ist, kann die Beschwerdeführerin bereits für sich den Schutz der Berufsfreiheit
jedenfalls insoweit in Anspruch nehmen, als ihre Funktion als notwendige Vorstufe für die
erstrebte Rechtsanwalts- und Patentanwaltsgesellschaft dies erfordert. Ihrem
Gesellschaftszweck entsprechend, das Entstehen einer Berufsausübungsgesellschaft
vorzubereiten und deren Tätigkeit zu ermöglichen, ist die Beschwerdeführerin mithin in eigenen
Rechten betroffen, wenn - wie hier - der Verwirklichung dieses Ziels Hindernisse
entgegengestellt werden.
61
b) Die verfahrensgegenständlichen Entscheidungen und die ihnen zugrunde liegenden
gesetzlichen Vorschriften greifen in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin ein. Sie versagen
der Beschwerdeführerin in der gegenwärtigen Organisationsform die Zulassung als
Rechtsanwalts- und Patentanwaltsgesellschaft und beschränken damit deren Möglichkeiten,
berufliche Tätigkeiten auszuüben, die Rechts- oder Patentanwälten vorbehalten sind. Bei den
hier maßgeblichen Vorschriften handelt es sich um Vorgaben zur Anteils- und
Stimmrechtsmehrheit (§ 59e Abs. 2 Satz 1 BRAO und § 52e Abs. 2 Satz 1 PAO) sowie zur
Leitungsmacht und zur Geschäftsführermehrheit (§ 59f Abs. 1 BRAO und § 52f Abs. 1 Satz 1
PAO), die über das allgemeine Gesellschaftsrecht hinaus eigene Begrenzungen für
Rechtsanwalts- und Patentanwaltsgesellschaften schaffen. Erfüllt die Beschwerdeführerin die
gesetzlichen Vorgaben nicht, bleibt ihr die Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft zur
Rechtsanwaltschaft ebenso versagt wie die Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft zur
Patentanwaltschaft. Sie ist damit nach den Regelungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes
(RDG) sowie nach den Bestimmungen des jeweils maßgeblichen Berufs- oder Verfahrensrechts
an der gewählten beruflichen Tätigkeit der Beratung und Vertretung in allen
Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs. 1 BRAO) oder auch nur in Patentangelegenheiten (§§ 3, 4
PAO) gehindert. Selbst wenn die Beschwerdeführerin ohne ihre entgegenstehende Satzung
abzuändern und, ohne die tatsächliche Struktur ihrer Gesellschafter und Geschäftsführer
anzupassen, die Eintragung in das Handelsregister und ihre damit verbundene Umwandlung in
eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung erreichen sollte, könnte sie mangels
berufsrechtlicher Zulassungen nicht die angestrebte berufliche Tätigkeit in der frei gewählten
Form einer Rechtsanwalts- und Patentanwaltsgesellschaft aufnehmen.
62
2. Dieser Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin ist nicht gerechtfertigt.
63
In das durch Art. 12 Abs. 1 GG garantierte einheitliche Grundrecht der Berufsfreiheit (stRspr, vgl.
nur BVerfGE 7, 377 <402>; 103, 172 <183>) darf nur auf gesetzlicher Grundlage und unter
Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden (stRspr, vgl. nur
BVerfGE 94, 372 <389 f.>; 103, 1 <10>; 126, 112 <139, 144>). Hier sind die Anforderungen an
die Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs nicht erfüllt. Zwar ist mit den angegriffenen
Bestimmungen eine ausreichende gesetzliche Grundlage gegeben, und der Gesetzgeber
verfolgt mit diesen Regelungen auch legitime Zwecke (a). Ungeachtet der Frage ihrer Eignung
sind die damit ermöglichten Eingriffe in die Berufsfreiheit jedoch zur Erreichung der
gesetzgeberischen Ziele jedenfalls nicht erforderlich (b).
64
a) Mit Blick auf die Sicherung sowohl der beruflichen Unabhängigkeit (aa) als auch der
berufsrechtlichen Qualifikationsanforderungen (bb) sowie der Beachtung des maßgeblichen
Berufsrechts (cc) verfolgt der Gesetzgeber mit den angegriffenen Regelungen zur Wahrung von
Entscheidungsgewalt und Einfluss der aufgrund der Zulassung als Rechtsanwalts- oder
Patentanwaltsgesellschaft jeweils gesellschaftsprägenden Berufsgruppe hinreichend legitime
Zwecke. Der Schutz der Rechtsuchenden vor Irreführung scheidet hingegen unter den
gegebenen Umständen zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Berufsfreiheit aus (dd).
65
aa) Die hier maßgeblichen gesetzlichen Regelungen der Rechtsanwalts- wie der
Patentanwaltsgesellschaft zielen ausweislich der Begründung des zugrunde liegenden
Gesetzentwurfs der Bundesregierung vorrangig auf die Sicherung der beruflichen
Unabhängigkeit.
66
Deutlich wird dies in erster Linie bei der Einzelbegründung zu § 59f Abs. 1 BRAO, der in einer
Rechtsanwaltsgesellschaft die Leitungsmacht und Geschäftsführermehrheit den Rechtsanwälten
vorbehält. Danach soll in einer solchen Berufsausübungsgesellschaft die ausschlaggebende
Entscheidungsgewalt den Rechtsanwälten überlassen bleiben, damit deren Eingreifen bei
Gefährdungen der inneren und äußeren Unabhängigkeit eines Rechtsanwalts möglich sei. Im
Verhältnis zu den Gesellschaftern und der Geschäftsführung müsse dem im konkreten Fall
verantwortlichen Rechtsanwalt dasselbe Maß an Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit
zustehen wie einem Anwaltssozius (vgl. BRDrucks 1002/97, S. 16). Den maßgeblichen Einfluss
von Rechtsanwälten sollen auch die Mehrheitserfordernisse sicherstellen, die § 59e Abs. 2
BRAO zugunsten dieser Berufsgruppe für die Geschäftsanteile und Stimmrechte in einer
Rechtsanwaltsgesellschaft vorschreibt (vgl. BRDrucks 1002/97, S. 15). Entsprechende
Erwägungen des Gesetzgebers liegen auch den angegriffenen Bestimmungen zur Sicherung
von Entscheidungsgewalt (§ 52f Abs. 1 Satz 1 PAO) und Einfluss (§ 52e Abs. 2 Satz 1 PAO) der
Patentanwälte in Patentanwaltsgesellschaften zugrunde. Insoweit stellt die
Gesetzesbegründung nicht nur heraus, dass die Vorschriften weitestgehend den für
Rechtsanwaltsgesellschaften geltenden Bestimmungen folgen, sondern nimmt ausdrücklich
Bezug auf die hierzu gegebene Begründung (vgl. BRDrucks 1002/97, S. 21).
67
Für beide Berufsausübungsgesellschaften soll die Unabhängigkeit der handelnden individuellen
Berufsträger gesichert werden, die sich keinen unzulässigen Einflussnahmen berufsfremder
Geschäftsführer oder Gesellschafter unterwerfen dürfen. Zudem soll - angesichts der Sicherung
des beherrschenden Einflusses der gesellschaftsprägenden Berufsgruppe - die Unabhängigkeit
der Gesellschaft geschützt werden, die selbst Trägerin der Zulassung ist und daher keinen
berufsfremden Einflüssen auf ihre Willensbildung sowie ihr Außenhandeln ausgesetzt sein soll.
Es handelt sich damit um nähere Ausgestaltungen des Leitbilds der beruflichen Unabhängigkeit,
die für Rechtsanwälte in § 1 BRAO und für Patentanwälte in § 1 PAO jeweils eine gesetzliche
Grundlage findet.
68
Mit dem Schutz der Unabhängigkeit verfolgt der Gesetzgeber für beide Berufe einen legitimen
Zweck. Für die Sicherung der beruflichen Unabhängigkeit von Rechtsanwältinnen und
Rechtsanwälten ergibt sich das aus dem Gemeinwohlziel einer funktionierenden Rechtspflege.
Die Wahrung ihrer Unabhängigkeit ist unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass Rechtsanwälte
als Organe der Rechtspflege (§ 1 BRAO) und berufene Berater und Vertreter der
Rechtsuchenden (§ 3 Abs. 1 BRAO) durch ihre berufliche Tätigkeit zu einer funktionierenden
Rechtspflege beitragen können (BVerfGE 117, 163 <182>). Nur als unabhängige Berufsträger
vermögen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sachgerechte Konfliktlösungen
herbeizuführen, vor Gericht die Interessen ihrer Mandantschaft wirksam zu vertreten und
zugleich staatliche Stellen möglichst vor Fehlentscheidungen zu Lasten ihrer Mandantschaft zu
bewahren (vgl. BVerfGE 108, 150 <161>). Anwaltliche Unabhängigkeit ist dabei auch im
Verhältnis zu Sozien und anderen Dritten zu wahren (vgl. Stürner/Bormann, NJW 2004, S. 1481
<1482>).
69
Hierbei können gerade die rechtlichen und faktischen Strukturen in Kapitalgesellschaften, die
trotz des Ziels einer gemeinsamen Berufsausübung eine enge persönliche Kooperation der
Berufsträger nicht zwingend erfordern, zu spezifischen Gefährdungen der beruflichen
Unabhängigkeit führen. Dass der Gesetzgeber auch dem begegnen will, zeigt sich etwa an § 59f
Abs. 4 BRAO, wonach die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte, die zu Geschäftsführern,
Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten bestellt sind, bei der Ausübung ihres Berufs zu
gewährleisten ist, und Einflussnahmen der Gesellschafter, namentlich durch Weisungen oder
vertragliche Bindungen, unzulässig sind. Weitergehend betont die Gesetzesbegründung, dass
den einzelnen Berufsträgern innerhalb der Berufsausübungsgesellschaft dasselbe Maß an
Unabhängigkeit zustehen muss wie einem Sozius in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder
der Partnerschaft; Vorgaben für seine Berufsausübung durch Kollegen sollen nur
ausnahmsweise etwa bei einem besonders haftungsgefährdenden oder einem sonst
berufsrechtswidrigen Verhalten zulässig sein (vgl. BRDrucks 1002/97, S. 16).
70
Für den Schutz der beruflichen Unabhängigkeit der Patentanwaltschaft kann nichts anderes
gelten. Auch Patentanwälte sind - innerhalb des ihnen gesetzlich zugewiesenen
Aufgabenbereichs - unabhängige Organe der Rechtspflege (§ 1 PAO) und werden als
unabhängige Berater und Vertreter tätig (§ 3 Abs. 1 PAO). Ihre berufliche Tätigkeit dient
ebenfalls dem Schutz der Rechtsuchenden sowie einer geordneten Rechtspflege (vgl. BVerfGE
97, 12 <26 f.>). Für den Schutz der Unabhängigkeit der Berufsträger vor besonderen
Gefährdungen in patentanwaltlichen Berufsausübungsgesellschaften findet sich zudem mit § 52f
Abs. 4 PAO eine § 59f Abs. 4 BRAO entsprechende Verbotsnorm. Angesichts der teilweise
identischen Berufsbilder gilt auch für Patentanwälte, dass sie zwar nicht umfassend wie
Rechtsanwälte, aber doch innerhalb ihres spezifischen Aufgabenbereichs nur unter der
Voraussetzung ihrer Unabhängigkeit zu einer rechtsstaatlichen, funktionierenden Rechtspflege
beitragen können. Das Ziel der Wahrung ihrer beruflichen Unabhängigkeit kann mithin als
legitimer Zweck in gleicher Weise wie bei Rechtsanwälten Eingriffe in die Berufsfreiheit von
Patentanwälten rechtfertigen.
71
Der legitime Zweck des Schutzes der beruflichen Unabhängigkeit trägt auch die zweite
Zielrichtung der angegriffenen Normen. Hier geht es darum, nicht nur die Unabhängigkeit der
jeweils handelnden Berufsträger als natürliche Personen, sondern auch die Unabhängigkeit der
sie beschäftigenden Berufsausübungsgesellschaften zu schützen. Rechtsanwalts- wie
Patentanwaltsgesellschaften sind durch das Gesetz so gestaltet, dass sie - nicht anders als
natürliche Personen - selbst mit den Aufgaben und Befugnissen eines Rechts- oder
Patentanwalts tätig werden können und tätig werden dürfen. Ihr Unternehmensgegenstand ist
die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten (§ 59c Abs. 1 BRAO) beziehungsweise
Patentangelegenheiten (§ 52c Abs. 1 PAO). Rechts- und Patentanwaltsgesellschaft können
insbesondere als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigte beauftragt werden und haben bei
dieser Tätigkeit selbst die Rechte und Pflichten eines Rechts- beziehungsweise Patentanwalts
(vgl. § 59l Satz 1 und 2 BRAO, § 52l Satz 1 und 2 PAO). Es ist demnach nur konsequent, dass
auch diese Gesellschaften gemäß § 59m Abs. 2 BRAO und § 52m Abs. 2 PAO zur Erfüllung der
wesentlichen Berufspflichten wie eine natürliche Person verpflichtet sind. Das Tätigwerden einer
Rechtsanwalts- wie einer Patentanwaltsgesellschaft kann demnach unmittelbar zu
Gefährdungen für die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege führen, sollte die eigene berufliche
Unabhängigkeit der Gesellschaften nicht gewährleistet sein. Solche Gefährdungen zu
verhindern, ist mithin ebenfalls legitimer Zweck der angegriffenen Vorschriften. Da rechts- wie
patentanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften eigene Zurechnungssubjekte
berufsrechtlicher Pflichten sind, deren Identität auch bei einem Wechsel in den Personen ihrer
Gesellschafter und der übrigen Berufsträger unverändert fortbesteht, kommt dieser Schutz
beruflicher Unabhängigkeit zugleich künftigen Berufsträgern zugute, weil diese bei ihrem Eintritt
nicht in vorgefundene Abhängigkeitsverhältnisse geraten.
72
bb) Als weiteren legitimen Zweck verfolgt der Gesetzgeber mit den angegriffenen Bestimmungen
die Sicherung der berufsrechtlichen Qualifikationsanforderungen.
73
Diese ergeben sich für die Berufsträger als natürliche Personen zum einen aus § 4 BRAO, der
den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf grundsätzlich von der Befähigung zum Richteramt
abhängig macht, und zum anderen aus § 5 PAO, wonach der Zugang zum Beruf des
Patentanwalts an die in §§ 6 bis 8 PAO genannten praktischen und theoretischen Fähigkeiten,
Erfahrungen und Kenntnisse geknüpft ist. Die berufsrechtlichen Qualifikationserfordernisse
dienen mit dem Schutz der Rechtspflege und dem Schutz der Rechtsuchenden vor einem
Tätigwerden fachlich ungeeigneter Personen wichtigen Gemeinschaftsgütern (vgl. BVerfGE 75,
246 <267>).
74
Da auch die Berufsausübungsgesellschaften als solche zur rechts- und patentanwaltlichen
Tätigkeit zugelassen sind, aber als juristische Personen nicht selbst handeln können, gilt es
sicherzustellen, dass für sie nur Personen bei der Rechtsberatung und Vertretung tätig werden,
die ihrerseits über die vorgeschriebene Zulassung als Rechts- oder Patentanwalt verfügen. Dem
dient in erster Linie der Berufsträgervorbehalt, der ein Handeln natürlicher Personen für die
Gesellschaft vom Erwerb der entsprechenden berufsrechtlichen Qualifikation abhängig macht. Er
hat in § 59l Satz 3 BRAO und § 52l Satz 3 PAO für wesentliche Bereiche gesetzliche
Regelungen gefunden, erstreckt sich aber auf die gesamte rechtsbesorgende Tätigkeit (vgl.
unten B. II. 2. b bb <1>). Daneben sollen auch die angegriffenen Vorschriften die
berufsrechtlichen Qualifikationsanforderungen gewährleisten. Nach der Gesetzesbegründung ist
eine Leitlinie der gesetzlichen Ausgestaltung, dass die Anwaltsgesellschaften nicht nur
Instrumente zur gemeinschaftlichen Berufsausübung der in ihr verbundenen Personen sind,
sondern als juristische Personen durch das ihnen zurechenbare Verhalten ihrer Vertreter auch
selbst Erbringer rechtsbesorgender Dienstleistungen (vgl. BRDrucks 1002/97, S. 12). Angesichts
dieser Erwägungen lässt sich - mit dem Bundesgerichtshof in einer der
Ausgangsentscheidungen (Urteil vom 10. Oktober 2011 - AnwZ 1/10 -, Rn. 18 - juris;
ähnlich bereits BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2007 - AnwZ 91/06 -, Rn. 13 - juris) - den
angegriffenen Bestimmungen der Zweck beilegen, auf dem Wege der Sicherung von Einfluss
und Entscheidungsgewalt der gesellschaftsprägenden Berufsgruppe deren fachliche
Qualifikation auch für die rechtsbesorgende Tätigkeit der Gesellschaft selbst zu gewährleisten.
75
cc) Mit den angegriffenen Vorschriften wird schließlich noch ein dritter legitimer Zweck verfolgt;
denn mit der Sicherung des maßgeblichen Einflusses der gesellschaftsprägenden Berufsgruppe
wird auch ein Hindernis für Entscheidungen und Maßnahmen in interprofessionellen
Berufsausübungsgesellschaften geschaffen, die ihrem Berufsrecht widersprechen.
76
Derartige Verstöße gegen das einschlägige Berufsrecht müssen nicht zwingend in Folge von
Abhängigkeiten gegenüber Berufsfremden entstehen. Ihnen kommt daher gegenüber der
Sicherung beruflicher Unabhängigkeit eigenständige Bedeutung zu. Aufgrund ihrer Bindung an
das eigene Berufsrecht kann die Dominanz der jeweils gesellschaftsprägenden Berufsträger bei
den Geschäftsanteilen und Stimmrechten sowie bei der Leitungsmacht und Geschäftsführung
dazu beitragen, dass deren Berufsrecht auch in der Gesellschaft beachtet wird. Da das
Berufsrecht wiederum dem Funktionieren der Rechtspflege sowie dem Schutz der
Rechtsuchenden dient, verfolgen die angegriffenen Vorschriften auch in dieser Hinsicht einen
legitimen Zweck.
77
dd) Hingegen kommt ein Schutz vor Irreführung in der vorliegenden Konstellation als legitimer
Zweck der angegriffenen Regelungen nicht in Betracht.
78
Der Schutz der Rechtsuchenden vor einer irreführenden Außendarstellung kann allerdings
grundsätzlich ein Gemeinwohlzweck sein, der Eingriffe in die Berufsfreiheit auch bei
rechtsberatender Tätigkeit zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerfGE 112, 255 <263>). Hier ist
jedoch bereits zweifelhaft, ob die Rechtsuchenden mit dem Auftreten einer
Berufsausübungsgesellschaft als Rechts- oder Patentanwaltsgesellschaft eine Erwartung an
bestimmte innere Strukturen wie die Mehrheitsverhältnisse der Geschäftsanteile und
Stimmrechte sowie die Leitungsmacht und die Geschäftsführermehrheit der
gesellschaftsprägenden Berufsgruppe verbinden und in dieser Hinsicht überhaupt einer
Fehlvorstellung erliegen können. Dessen ungeachtet ist zumindest im gegebenen Fall, in dem
eine gleichzeitige Zulassung als Rechtsanwalts- und Patentanwaltsgesellschaft angestrebt wird,
die Gefahr einer Irreführung von vornherein ausgeschlossen, weil bereits die doppelte
Firmierung mit der Angabe beider Berufe der Erwartung, die Gesellschaft werde intern von einer
der beiden Berufsgruppen nach Maßgabe der angegriffenen Vorschriften dominiert, die
Grundlage entzieht. Werden beide Berufsgruppen im Gesellschaftsnamen genannt, so lässt sich
kein klarer Hinweis auf den beherrschenden Vorrang eines der Berufe erkennen.
79
b) Die Eignung der angegriffenen Vorschriften zur Erreichung der festgestellten legitimen
Zwecke kann dahinstehen. Denn soweit sie die Zusammenarbeit beider Berufe in
Rechtsanwalts- und Patentanwaltsgesellschaften betreffen, können die Bestimmungen den
Anforderungen der Verhältnismäßigkeit jedenfalls deshalb nicht genügen, weil sie nicht
erforderlich sind, um die festgestellten legitimen Zwecke des Schutzes der beruflichen
anwaltlichen Unabhängigkeit (aa), der Sicherstellung der beruflichen
Qualifikationsanforderungen (bb) und der Verhinderung von Berufsrechtsverstößen (cc) zu
erreichen.
80
Zur Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zählt die Erforderlichkeit, weil Eingriffe in
Grundrechte nicht weiter gehen dürfen als das verfolgte Gesetzesziel dies erfordert. An der
Erforderlichkeit fehlt es, wenn der Gesetzgeber hierfür ein anderes, gleich wirksames, aber das
Grundrecht nicht oder weniger stark einschränkendes Mittel hätte wählen können (vgl. BVerfGE
126, 112 <144 f.> m.w.N.). Auch unter Berücksichtigung des Beurteilungs- und
Prognosespielraums, über den der Gesetzgeber bei Einschätzung der Erforderlichkeit einer von
ihm getroffenen Regelung verfügt (vgl. BVerfGE 126, 112 <145> m.w.N.), fehlt es hier an dieser
Voraussetzung.
81
aa) Die verfahrensgegenständlichen Anforderungen an die Gesellschafter- und
Geschäftsführungsstruktur sind zum Schutz der anwaltlichen Unabhängigkeit nicht erforderlich,
weil die Erreichung dieses Ziels bereits durch gesetzlich geregelte Berufspflichten der
beteiligten Rechts- und Patentanwälte sichergestellt ist. Diese zielen auf konkrete Verstöße im
Einzelfall und belasten damit die Berufsträger weniger als die angegriffenen Beschränkungen
des Gesellschaftsrechts.
82
(1) So ist es Rechtsanwälten gemäß § 43a Abs. 1 BRAO und Patentanwälten gemäß § 39a Abs.
1 PAO untersagt, Bindungen einzugehen, durch die ihre berufliche Unabhängigkeit gefährdet
wird. Aufgrund der Verweisungen in § 59m Abs. 2 BRAO und § 52m Abs. 2 PAO trifft diese
Berufspflicht unmittelbar auch die rechts- und patentanwaltlichen
Berufsausübungsgesellschaften selbst. Damit sind in umfassender Weise solche rechtlichen wie
faktischen, organisatorischen wie nach außen wirkenden Gestaltungen von
Gesellschaftsstrukturen verboten, die Gefahren für die vom Gesetz für beide Berufe
vorausgesetzte Unabhängigkeit schaffen oder mit ihnen einhergehen.
83
Zudem schützt das Berufsrecht die Unabhängigkeit der Berufsträger dadurch, dass es mit § 59f
Abs. 4 Satz 2 BRAO und § 52f Abs. 4 Satz 2 PAO Einflussnahmen der Gesellschafter auf die
berufliche Tätigkeit des einzelnen Rechtsanwalts oder Patentanwalts untersagt. Diesen
Verboten widersprechende Weisungen sind nichtig und daher unbeachtlich. Unzulässige
Einflussnahmen stellen außerdem sanktionsbewehrte Berufspflichtverletzungen dar.
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Die interprofessionelle Zusammenarbeit von Rechtsanwälten und Patentanwälten schafft keine
spezifischen Gefährdungen, die hier weitere Eingriffe in die Berufsfreiheit rechtfertigen könnten.
Insbesondere sind keine Übergriffe in die berufliche Unabhängigkeit durch Angehörige der
jeweils anderen Berufsgruppe zu befürchten. Die Berufsträger beider Gruppen befassen sich
nicht nur gleichermaßen mit rechtlicher Beratung und Vertretung, ihnen ist vielmehr aus dem
eigenen Berufsrecht die große Bedeutung beruflicher Unabhängigkeit in ihrem Aufgabenbereich
bekannt. Das Berufsrecht für Rechtsanwälte und Patentanwälte stimmt insgesamt weitgehend
und insbesondere hinsichtlich der Bestimmungen zur Wahrung beruflicher Unabhängigkeit
überein. Wesentliche Abweichungen finden sich nur wegen der verschiedenen Tätigkeitsfelder,
nicht aber - wie von den im Verfahren abgegebenen Stellungnahmen bestätigt oder zumindest
nicht in Abrede gestellt - hinsichtlich des Berufsethos und allgemein der rechtlichen
Ausgestaltung.
85
(2) Die Wirksamkeit dieser berufsrechtlichen Bestimmungen für die Wahrung der beruflichen
Unabhängigkeit bleibt bezogen auf die Zusammenarbeit von einander so ähnlichen Berufen wie
hier des Rechtsanwalts und des Patentanwalts nicht hinter der zurück, die sich mit den
angegriffenen Regelungen erreichen lässt. Anders als die Bestimmungen, die Einfluss und
Entscheidungsgewalt einer Berufsgruppe sicherstellen wollen, erreichen die Verbote des
Berufsrechts das gesetzgeberische Ziel unmittelbar, indem sie im konkreten Fall Bindungen
untersagen, welche die Unabhängigkeit gefährden.
86
Zudem sind keine Umstände zu erkennen, die angesichts der geltenden gesetzlichen Gestaltung
von Berufsausübungsgesellschaften - insbesondere bei dem Gebot aktiver Berufsausübung
(§ 59e Abs. 1 Satz 2 BRAO, § 52e Abs. 1 Satz 2 PAO) und dem Verbot von Drittbeteiligungen
(§ 59e Abs. 3 BRAO, § 52e Abs. 3 PAO) - spezifische Gefährdungen der Unabhängigkeit durch
die kapitalgesellschaftliche Organisationsform befürchten lassen. Es spricht daher auch für eine
ausreichende Wirksamkeit des berufsrechtlichen Schutzes der beruflichen Unabhängigkeit, dass
bei den ebenfalls zulässigen Formen interprofessioneller beruflicher Zusammenarbeit als
Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder Partnerschaftsgesellschaft keine vergleichbaren
Anforderungen an die Gesellschafter- und Geschäftsführungsstruktur wie bei einer
Berufsausübungsgesellschaft bestehen. Bestätigt wird dies durch die Rechtsprechung, die
Literatur sowie die im vorliegenden Verfahren abgegebenen Stellungnahmen, denen sich keine
konkreten Hinweise auf unzulässige berufliche Abhängigkeiten innerhalb interprofessioneller
Sozietäten entnehmen lassen, obgleich personengesellschaftliche Zusammenschlüsse bei der
satzungsmäßigen Ausgestaltung der Stimmrechte und Geschäftsführung keinen zwingenden
Regelungen unterworfen sind. Dementsprechend wurden solche Vorgaben auch im Zuge der
Annäherung der Partnerschaftsgesellschaft an das Haftungsregime einer Kapitalgesellschaft
durch Zulassung einer beschränkten Berufshaftung (vgl. § 8 Abs. 4 PartGG n.F.) nicht
nachgeholt.
87
bb) Auch soweit die angegriffenen Vorschriften auf die Sicherung der rechtsanwaltlichen
beziehungsweise patentanwaltlichen Qualifikationsanforderungen auf der Ebene der
Berufsausübungsgesellschaften zielen, stehen im maßgeblichen Berufsrecht weniger
belastende, aber gleichermaßen geeignete Mittel zur Verfügung.
88
(1) Hierfür genügt bereits der für beide Berufsausübungsgesellschaften geltende umfassende
Berufsträgervorbehalt. Rechtsanwalts- und Patentanwaltsgesellschaften sind als solche
Erbringer rechtsbesorgender Dienstleistungen, können von den Rechtsuchenden entsprechend
beauftragt werden und haben bei ihrer beruflichen Tätigkeit insbesondere als Prozess- oder
Verfahrensbevollmächtigte die Rechte und Pflichten eines Rechtsanwalts beziehungsweise
Patentanwalts (§ 59l Satz 1 und 2 BRAO, § 52l Satz 1 und 2 PAO). Zur Leistung ihrer
rechtsbesorgenden Dienste sind die Gesellschaften aber auf natürliche Personen angewiesen.
Dass diese Beratung und Vertretung der Rechtsuchenden nur durch hinreichend qualifizierte
Personen geschieht, wird dadurch sichergestellt, dass für die Berufsausübungsgesellschaft nur
Organe und Vertreter handeln dürfen, in deren Person die für die Erbringung rechtsbesorgender
Leistungen gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen müssen.
Mithin bleibt die tatsächliche rechtsbesorgende Tätigkeit solchen Berufsträgern vorbehalten, die
ihrerseits zur Rechtsanwaltschaft beziehungsweise zur Patentanwaltschaft zugelassen sind und
damit die in § 4 BRAO und § 5 PAO bestimmten Qualifikationserfordernisse in eigener Person
erfüllen müssen.
89
Der geschilderte Berufsträgervorbehalt ist zwar nur für die Beauftragung einer Rechtsanwalts-
oder Patentanwaltsgesellschaft als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtige in § 59l Satz 3
BRAO und § 52l Satz 3 PAO ausdrücklich gesetzlich geregelt. Indessen kann mit Blick auf den
erforderlichen Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifizierter Rechtsberatung (vgl. § 1 Abs. 1
RDG) für reine Beratungsmandate, die keine Vertretung der Rechtsuchenden einschließen,
nichts anderes gelten. Dies entspricht auch einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und
Literatur. So hat bereits das Bayerische Oberste Landesgericht in seiner grundlegenden
Entscheidung zur Zulässigkeit einer Rechtsanwalts-GmbH aus § 4 BRAO und § 5 PAO
hergeleitet, dass in einer solchen Gesellschaft diejenigen Personen, die eine rechtsberatende
Tätigkeit ausüben, selbst die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft haben müssen (BayObLG,
Beschluss vom 24. November 1994 - 3 Z BR 115/94 -, juris, Rn. 20; vgl. auch OLG Nürnberg,
Beschluss vom 14. Januar 2013 - 10 WF 1449/12 -, juris, Rn. 8). Soweit ersichtlich geht das
Schrifttum ebenfalls davon aus, dass sich aus dem Zusammenschluss als
Rechtsanwaltsgesellschaft keine Erweiterung der Befugnisse einer anderen Berufsgruppe ergibt
und demnach auch im Rahmen einer Beratungstätigkeit der jeweilige tatsächliche
Leistungserbringer über die notwendige berufliche Qualifikation als Rechtsanwalt verfügen muss
(vgl. etwa Girotto, Die Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung, 2002, S. 164 <234>;
Zuck, MDR 1998, S. 1317 <1320>; Merkner, AnwBl. 2004, S. 529 <534>). Zudem wird auch § 7
Abs. 4 PartGG, der für Partnerschaftsgesellschaften weitgehend inhaltsgleich mit § 59l BRAO
eine ausdrückliche Regelung nur für Vertretungsmandate trifft, ebenfalls so ausgelegt, dass
Partner und Vertreter stets nur im Rahmen ihrer persönlichen beruflichen Befugnisse - und mithin
nur bei entsprechender Qualifikationen - tätig werden dürfen (vgl. Henssler, in: Henssler/Prütting,
Bundesrechtsanwaltsordnung, 3. Aufl. 2010, § 7 PartGG, Rn. 8 ff.).
90
Aufgrund des umfassend geltenden Berufsträgervorbehalts ist sichergestellt, dass auch in
interprofessionellen Berufsausübungsgemeinschaften, also bei Beteiligung verschiedener
sozietätsfähiger Berufe (§ 59e Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 59a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BRAO; § 52e
Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52a Abs. 2 PAO), sämtliche rechtsbesorgende Dienstleistungen stets nur
von Berufsträgern erbracht werden dürfen, die in ihrer Person die gesetzlichen Voraussetzungen
für diese Tätigkeit erfüllen. Auch bei gleichzeitiger Zulassung einer interprofessionellen
Berufsausübungsgemeinschaft als Rechtsanwalts- und Patentanwaltsgesellschaft bedeutet dies,
dass Rechtsuchenden außerhalb von Patentangelegenheiten (vgl. § 3 Abs. 5 PAO) umfassende
Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten nur durch Berufsträger zuteil werden kann,
die selbst die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft erlangt haben, was wiederum voraussetzt, dass
sie die Voraussetzungen der durch § 4 BRAO geforderten fachlichen Qualifikation namentlich in
Gestalt der Befähigung zum Richteramt erfüllen. Nur in Patentangelegenheiten im Sinne der
§§ 3, 4 PAO sind für die Gesellschaft auch solche Berufsträger zur Beratung und Vertretung
befugt, die zur Patentanwaltschaft zugelassen sind und damit die insoweit maßgeblichen
fachlichen Voraussetzungen der §§ 5 ff. PAO in eigener Person erfüllen. Eine umfassende, über
Patentangelegenheiten hinausgehende Rechtsbesorgung bleibt den allein zur
Patentanwaltschaft zugelassenen Berufsträgern hingegen untersagt, weil dem auch bei Tätigkeit
für eine Gesellschaft mit doppelter Zulassung als Rechtsanwalts- und Patentanwaltsgesellschaft
der Vorbehalt zugunsten rechtsanwaltlicher Berufsträger - also insbesondere § 59l Satz 3 BRAO
- entgegensteht.
91
(2) Ist somit bereits durch den umfassenden Berufsträgervorbehalt in jeder Hinsicht
gewährleistet, dass auch für das Tätigwerden einer interprofessionellen
Berufsausübungsgemeinschaft von Rechts- und Patentanwälten die
Qualifikationsanforderungen beider rechtsbesorgender Berufe in jedem Einzelfall erfüllt sind, so
bedarf es angesichts dieser Regelungen nicht noch eines strengeren Schutzes durch die
angegriffenen Bestimmungen zur Sicherung von Einfluss und Entscheidungsmacht der
gesellschaftsprägenden Berufsgruppe innerhalb der Gesellschaft. Mit dem Berufsträgervorbehalt
steht schon für sich genommen ein gleich wirksames Mittel zur Erreichung des Ziels notwendiger
beruflicher Qualifikation zur Verfügung, so dass weitere Grundrechtseingriffe durch die
angegriffenen Normen nicht erforderlich sind.
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cc) Auch für den Schutz vor berufsrechtswidrigem Handeln sind die angegriffenen Vorschriften
nicht erforderlich.
93
Wird den Angehörigen der im konkreten Fall gesellschaftsprägenden Berufsgruppe mit den
angegriffenen Regelungen der maßgebliche Einfluss vorbehalten, so kann es ihnen zwar
aufgrund ihrer Leitungsmacht (§ 59f Abs. 1 Satz 1 BRAO; § 52f Abs. 1 Satz 1 PAO) möglich sein,
Verstöße gegen das maßgebliche Berufsrecht durch die anderen Berufsgruppen zu verhindern.
Hier ist aber eine persönliche Bindung sämtlicher Berufsträger an das für die Gesellschaft
maßgebliche Berufsrecht das mildere Mittel. Sie ist mit Blick auf die freie, unreglementierte
Berufsausübung weniger belastend; denn sie setzt unmittelbar bei den maßgeblichen
berufsrechtlichen Pflichten an und vermeidet weitergehende Eingriffe in die inneren Strukturen
der Berufsausübungsgesellschaft, die das angestrebte Ziel nur indirekt erreichen könnten.
94
Der unmittelbare Ansatz einer Bindung an das Berufsrecht rechtfertigt zudem die Annahme einer
zumindest gleichen, wenn nicht sogar gesteigerten Wirksamkeit. Dies zeigen Erfahrungen mit
der Bindung an das für die Gesellschaft maßgebliche Berufsrecht, wie sie für Berufsfremde etwa
in Wirtschaftsprüfungsgesellschaften durch § 56 Abs. 1 WPO oder in
Steuerberatungsgesellschaften durch § 72 Abs. 1 StBerG vorgesehen sind. Dort sieht der
Gesetzgeber auch bei interprofessioneller Zusammenarbeit die Angehörigen der
sozietätsfähigen Berufe als hinreichend qualifiziert an, um auch den „fremden“ Berufspflichten
Genüge zu tun. Aus der Praxis sind keine Hinweise bekannt geworden, die diese Einschätzung
auch nur in Zweifel ziehen könnten. Es gibt daher keinen Grund, die Wirksamkeit einer
wechselseitigen berufsrechtlichen Bindung bei der Zusammenarbeit von Rechts- und
Patentanwälten in Rechts- oder Patentanwaltsgesellschaften in Frage zu stellen, zumal das
Recht gerade dieser beiden rechtsbesorgenden Berufe weitgehend durch parallele, zumindest
aber durch vergleichbare Vorgaben gekennzeichnet ist.
III.
95
Da die Verfassungsbeschwerden, soweit sie zulässig sind, bereits aufgrund einer Verletzung der
Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) Erfolg haben, bedarf es keiner Entscheidung, ob weitere
Grundrechte, wie namentlich der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) oder die
Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) verletzt sind.
IV.
96
1. Die mit den Verfassungsbeschwerden mittelbar angegriffenen § 59e Abs. 2 Satz 1 und § 59f
Abs. 1 BRAO verstoßen gegen das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG und sind nichtig, soweit sie
der Zulassung einer interprofessionellen Gesellschaft als Rechtsanwaltsgesellschaft (§ 59c
BRAO) und damit der Möglichkeit eigener Betätigung der Gesellschaft im Rechtsanwaltsberuf
(§ 59l BRAO) entgegenstehen, wenn nicht die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte
sowie die verantwortliche Führung und die Mehrheit der Geschäftsführer den Rechtsanwälten
überlassen sind. In gleicher Weise verstoßen die mit den Verfassungsbeschwerden mittelbar
angegriffenen § 52e Abs. 2 Satz 1 und § 52f Abs. 1 Satz 1 PAO gegen das Grundrecht aus
Art. 12 Abs. 1 GG und sind nichtig, soweit sie der Zulassung einer interprofessionellen
Gesellschaft als Patentanwaltsgesellschaft (§ 52c PAO) und damit der Möglichkeit eigener
Betätigung der Gesellschaft im Patentanwaltsberuf (§ 52l PAO) entgegenstehen, wenn nicht die
Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte sowie die verantwortliche Führung den
Patentanwälten überlassen sind.
97
2. Soweit die angegriffenen Entscheidungen auf der Grundlage der für teilweise nichtig erklärten
Bestimmungen ergangen sind, verletzten sie die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus
Art. 12 Abs. 1 GG.
98
a) Dies gilt in dem Verfahren 1 BvR 2998/11, das die Zulassung der Beschwerdeführerin als
Rechtsanwaltsgesellschaft betrifft, für alle angegriffenen Entscheidungen; denn der
Ablehnungsbescheid der Rechtsanwaltskammer sowie die Urteile des Anwaltsgerichtshofs und
des Bundesgerichtshofs beruhen auf der Anwendung von § 59e Abs. 2 Satz 1 und § 59f Abs. 1
BRAO und damit auf der mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Rechtslage.
99
b) In dem die Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft betreffenden Verfahren 1 BvR 236/12
beruhen die im Gutachten der Patentanwaltskammer unter Nummer 4 und Nummer 5
festgestellten Gründe für eine Versagung der Zulassung auf der Anwendung von § 52f Abs. 1
Satz 1 beziehungsweise § 52e Abs. 2 Satz 1 PAO und damit auf den Vorschriften, die in dieser
Hinsicht Art. 12 Abs. 1 GG missachten. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München verletzt
nur insoweit die Berufsfreiheit der Beschwerdeführerin, als er zu ihrem Nachteil ergangen ist und
den Versagungsgrund unter Nummer 4 des Gutachtens bestätigt. Der Beschluss des
Bundesgerichtshofs geht darüber hinaus, weil er nicht nur den Versagungsgrund unter
Nummer 4 bestätigt, sondern den weiteren im Gutachten unter Nummer 5 genannten, auf § 52e
Abs. 2 Satz 1 PAO beruhenden Grund für die Versagung der Zulassung zur Patentanwaltschaft
feststellt.
100
Sofern der Beschluss des Bundesgerichtshofs zum Nachteil der Beschwerdeführerin auch
Nummer 5 des Gutachtens als Grund für die Versagung der Zulassung gemäß § 52c Abs. 2 PAO
bestätigt, ist die in dieser Hinsicht (vgl. oben B. I. 2. b) wie auch hinsichtlich weiterer Rügen (vgl.
oben B. I. 2. a) unzulässige Verfassungsbeschwerde zu verwerfen.
101
3. Da sich die Verfassungsbeschwerde in dem Verfahren 1 BvR 2998/11 als begründet erweist,
sind der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen in diesem Verfahren nach § 34a Abs. 2
BVerfGG zu erstatten. Hingegen ist in dem Verfahren 1 BvR 236/12 gemäß § 34a Abs. 2 und
Abs. 3 BVerfGG nur eine teilweise Erstattung der Auslagen anzuordnen, die sich an dem
anteiligen Erfolg der Verfassungsbeschwerde orientiert.
102
4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14
Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).
Kirchhof
Gaier
Eichberger
Schluckebier
Masing
Paulus
Baer
Britz