Urteil des BVerfG vom 23.05.2006

BVerfG: subjektives recht, eröffnung des verfahrens, öffentliche gewalt, öffentliches amt, vorbehalt des gesetzes, verfassungsbeschwerde, vorläufiger rechtsschutz, anfechtung, kreis, ermessensausübung

Entscheidungen
L e i t s ä t z e
zum Beschluss des Ersten Senats vom 23. Mai 2006
- 1 BvR 2530/04 -
1. Art. 3 Abs. 1 GG vermittelt dem Bewerber um das Amt eines Insolvenzverwalters einen Rechtsanspruch auf
fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens nach § 56 Abs. 1 InsO.
2. Es ist mit dem grundgesetzlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes vereinbar, eine Anfechtung der Bestellung
zum Insolvenzverwalter durch Mitbewerber und einen vorläufigen Rechtsschutz zur Verhinderung der
Bestellung zu versagen.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2530/04 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Rechtsanwalts Dr. T...
- Bevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. Thiel, Weill & Kollegen,
Markt 8, 32423 Minden -
1. unmittelbar gegen
den Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 14. Oktober 2004 - 15 VA 11/04 -,
2. mittelbar gegen
§ 34 Abs. 2, § 6 Abs. 1 der Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl I S. 2866) in der
Fassung der Änderung vom 5. April 2004 (BGBl I S. 502)
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - unter Mitwirkung
des Präsidenten Papier,
der Richterin Haas,
des Richters Steiner,
der Richterin Hohmann-Dennhardt,
und der Richter Hoffmann-Riem,
Bryde,
Gaier,
Eichberger
am 23. Mai 2006 beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe:
A.
1
Der Beschwerdeführer, ein als Insolvenzverwalter tätiger Rechtsanwalt, wendet sich gegen die Versagung von
Rechtsschutz gegen eine ihn nicht berücksichtigende Entscheidung über die Bestellung zum Insolvenzverwalter.
I.
2
Nach § 56 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) ist zum Insolvenzverwalter eine für den jeweiligen Einzelfall
geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche
Person zu bestellen. § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Rechtspflegergesetzes (RPflG) behält dem Richter die Zuständigkeit für
das Eröffnungsverfahren einschließlich der Entscheidung über den Eröffnungsantrag und die Person des
Insolvenzverwalters vor, während dem Rechtspfleger im Wesentlichen die Zuständigkeit für die Durchführung des
Verfahrens - mit Rückholrecht für den Richter (vgl. § 18 Abs. 2 RPflG) - verbleibt.
3
Nach § 6 Abs. 1 InsO unterliegen die Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen einem Rechtsmittel,
in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsieht. Dies ist hinsichtlich der Bestellung zum
Insolvenzverwalter nicht der Fall. Vielmehr sieht § 34 Abs. 2 InsO die Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde nur
gegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und nur für den Schuldner vor.
4
Die Gläubiger können nach § 57 Satz 1 InsO in der ersten Gläubigerversammlung, die auf die Bestellung des
Insolvenzverwalters folgt, eine andere Person zum Insolvenzverwalter wählen. Hierfür ist gemäß § 57 Satz 2 InsO
sowohl eine Mehrheit der abstimmenden Gläubiger als auch mehr als die Hälfte der Summe der Forderungsbeträge
der abstimmenden Gläubiger erforderlich. Das Gericht kann die Bestellung des Gewählten nur versagen, wenn dieser
für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist (§ 57 Satz 3 InsO). Die Ablehnung der Bestellung des Gewählten
kann jeder Insolvenzgläubiger mit der sofortigen Beschwerde anfechten (§ 57 Satz 4 InsO).
II.
5
Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in M. Er wurde nach eigenen Angaben ab dem Jahre 1998 zunächst vom
Amtsgericht M. und dann nach Zuständigkeitsverlagerung vom Amtsgericht B. in etwa 350 Verfahren zum
Insolvenzverwalter bestellt. Zur Bewältigung der Aufgaben bei der Führung von Insolvenzverfahren hält er nach
seinem Vorbringen einen umfangreichen Mitarbeiterstab vor. Das Amtsgericht B. teilte dem Beschwerdeführer mit,
dass er in die zentrale Datei des Gerichts mit den Namen derjenigen Personen, deren Eignung als Insolvenzverwalter
von den zuständigen Richtern allgemein bejaht werde, aufgenommen sei.
6
1. Mitte 2004 beauftragte das Amtsgericht B. den Beschwerdeführer nach einem Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens als Sachverständigen und bestellte ihn anschließend auch zum vorläufigen Insolvenzverwalter.
Nach Erstattung eines Gutachtens durch den Beschwerdeführer eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren,
bestellte aber nicht den Beschwerdeführer, sondern einen früher bei ihm beschäftigten Rechtsanwalt zum
Insolvenzverwalter. Nach Angaben des Beschwerdeführers wurde er seit Mitte Juni 2004 vom Amtsgericht B. nicht
mehr zum Insolvenzverwalter bestellt und hierdurch in nahezu einhundert Verfahren nicht berücksichtigt.
7
2. Der Beschwerdeführer stellte bei dem zuständigen Oberlandesgericht im Verfahren zur Anfechtung von
Justizverwaltungsakten (§§ 23 ff. EGGVG) die Anträge, die Bestellung seines früheren Mitarbeiters aufzuheben und
an dessen Stelle ihn, den Beschwerdeführer, zum Insolvenzverwalter zu ernennen. Außerdem beantragte er, das
Insolvenzgericht anzuweisen, ihn bei künftigen Bestellungsentscheidungen insbesondere als Insolvenzverwalter nicht
zu übergehen.
8
Mit dem angegriffenen Beschluss verwarf das Oberlandesgericht die Anträge als unzulässig. Die Anträge des
Beschwerdeführers hätten ausschließlich in richterlicher Unabhängigkeit zu treffende Entscheidungen über die
Auswahl der Person des Insolvenzverwalters und mithin Akte der Rechtsprechung im funktionellen Sinne zum
Gegenstand. Die Entscheidungen unterlägen damit nicht dem Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 EGGVG, sondern
könnten allenfalls im Verfahren nach der Insolvenzordnung auf Grund der dort vorgesehenen sofortigen Beschwerde
nach § 34 Abs. 2, § 6 Abs. 1 InsO überprüft werden. Ob der Beschwerdeführer zur Einlegung dieses Rechtsmittels
aus eigenem Recht befugt sei, könne im gegebenen Verfahren dahingestellt bleiben.
III.
9
Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Entscheidung des
Oberlandesgerichts sowie mittelbar gegen § 34 Abs. 2, § 6 Abs. 1 InsO, soweit dort keine Anfechtungsmöglichkeit für
den abberufenen oder übergangenen Insolenzverwalter vorgesehen sei und es an einer gesetzlichen Regelung fehle,
die ein justiziables Bestellungsverfahren für die beim Amtsgericht gelisteten Insolvenzverwalter garantiere oder deren
Übergehen verhindere. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 3, Art. 12, Art. 14 und Art. 19 Abs. 4 GG.
10
Bei der Bestellungsentscheidung des Amtsgerichts handele es sich um einen Akt mit Doppelwirkung. Gegenüber
den Bewerbern um das Amt des Insolvenzverwalters sei sie als Justizverwaltungsakt anzusehen und als solche nach
§§ 23 ff. EGGVG anfechtbar. Im Verhältnis zum Insolvenzschuldner und den Gläubigern liege ein Akt der
Rechtsprechung vor, der über die Vorschriften von § 34 Abs. 2, § 6 Abs. 1 InsO justiziabel sei. Nur durch eine
willkürfreie Bestellung des Insolvenzverwalters verwirkliche sich der Anspruch des Einzelnen auf Ausübung seines
grundrechtlich geschützten Berufes. Die Chancengleichheit der Bewerber müsse gerichtlicher Prüfung zugänglich
sein; allein hierdurch werde die Beachtung subjektiver Rechte gewährleistet. Darüber hinaus müssten sachliche
Gründe vorliegen, wenn in Abweichung von der allseits praktizierten Regel nicht der im Insolvenzeröffnungsverfahren
bestellte Sachverständige und vorläufige Insolvenzverwalter zum Insolvenzverwalter ernannt werde. Hierin liege eine
Verletzung des Art. 14 GG, weil infolge der Vorarbeit als Sachverständiger und vorläufiger Insolvenzverwalter eine
gefestigte Rechtsposition geschaffen werde, die nicht willkürlich entzogen werden dürfe.
IV.
11
Zu der Verfassungsbeschwerde haben Stellung genommen das Bundesministerium der Justiz namens der
Bundesregierung,
der
Präsident
des
Bundesgerichtshofes,
die
Bundesrechtsanwaltskammer,
die
Bundessteuerberaterkammer, der Deutsche Anwaltverein, der Bundesverband der Steuerberater e.V., der Verband
Insolvenzverwalter Deutschlands e.V. und der Bundesverband Deutscher Banken.
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1. Das Bundesministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Eine gerichtliche
Überprüfung der gerichtlichen Bestellung des Insolvenzverwalters für ein konkretes Insolvenzverfahren sei nicht
erforderlich. Mit dem Eröffnungsbeschluss und der darin enthaltenen Benennung eines Insolvenzverwalters liege
bereits eine gerichtliche Entscheidung vor, die mittelbar auch über das Begehren der erfolglosen Konkurrenten
befinde; letztere hätten keinen Anspruch auf eine weitere gerichtliche Entscheidung. Bei der Bestellung eines
Insolvenzverwalters handele es sich um einen Akt rechtsprechender Gewalt, weil er untrennbar mit dem
Eröffnungsbeschluss verbunden sei, der seinerseits Rechtsprechung sei. Nichts anderes gelte bei separater
Betrachtung der Auswahlentscheidung, weil sie eine verbindliche Aussage enthalte, wer nach Auffassung des
Gerichts am besten für das konkrete Insolvenzverfahren geeignet sei. Nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung
müsse abgewählten Insolvenzverwaltern kein Rechtsmittel gegen ihre Abwahl zur Verfügung gestellt werden; dies
müsse auch für den Fall gelten, in dem eine vorläufige Rechtsposition als Insolvenzverwalter noch gar nicht erlangt
sei. Die Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit durch die fehlende Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Bestellung
eines Konkurrenten zum Insolvenzverwalter sei geeignet und erforderlich, um die auch im Gemeinwohlinteresse
liegende zügige Abwicklung des Insolvenzverfahrens zu ermöglichen.
13
Darüber hinaus führe die Einführung eines Rechtsmittels gegen die Auswahl eines Insolvenzverwalters zu
erheblichen rechtstatsächlichen Schwierigkeiten. Konkurrentenklagen seien mit der Eilbedürftigkeit dieser
Entscheidungen nicht zu vereinbaren. In verfassungskonformer Auslegung der maßgeblichen Vorschriften könne es in
atypischen Fällen wie dem vorliegenden jedoch geboten sein, dass das Insolvenzgericht in einer kurzen Begründung
die wesentlichen Gesichtspunkte benenne, die für den ausgewählten Verwalter sprächen.
14
2. Der Präsident des Bundesgerichtshofes hat eine Stellungnahme des Vorsitzenden des IX. Zivilsenats vorgelegt.
Dieser weist darauf hin, dass die Entscheidung über die Auswahl des Insolvenzverwalters in erster Linie den
Interessen der Gläubiger des Schuldners diene. Wenn es von Verfassungs wegen notwendig sei, übergangenen
Bewerbern Rechtsschutz zu gewähren, sei darauf Rücksicht zu nehmen, dass die Eröffnung und der Fortgang des
Insolvenzverfahrens durch einen Konkurrentenstreit nicht gehemmt werden dürften, weil sonst verfassungsrechtlich
geschützte Gläubigerinteressen beeinträchtigt würden. Ein Wechsel in der Person des Insolvenzverwalters verursache
in der Praxis einen erheblichen zusätzlichen organisatorischen und finanziellen Aufwand. Ein primärer Rechtsschutz
könne für längere Zeit die Verfahrensabwicklung lähmen und Sanierungsversuche stark beeinträchtigen. Zudem
müsse nach einer etwaigen Gerichtsentscheidung zugunsten eines anderen Insolvenzverwalters den Gläubigern
Gelegenheit gegeben werden, nach ihrem eigenen Ermessen erneut den ersten oder einen dritten Insolvenzverwalter
zu wählen. Daher sollte allenfalls ein Fortsetzungsfeststellungsbegehren zugelassen werden.
15
3. Nach Ansicht der Bundesrechtsanwaltskammer beruft sich der Beschwerdeführer zu Recht auf Art. 19 Abs. 4
GG, soweit der auf Bestellung des Beschwerdeführers zum Insolvenzverwalter gerichtete Antrag als unzulässig
zurückgewiesen wurde. Die Bestellung eines Insolvenzverwalters sei ein Akt öffentlicher Gewalt. Sie könne nicht als
ein Akt wertender, unabhängiger richterlicher Erkenntnis qualifiziert werden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht
aus dem Zusammenhang der Auswahlentscheidung mit dem Eröffnungsbeschluss, selbst wenn letzterer ein
Rechtsprechungsakt sein sollte. Eröffnungsbeschluss und Verwalterbestellung seien nämlich voneinander
unabhängig. Mit der Einordnung der Verwalterbestellung als Akt öffentlicher Gewalt stehe auch in Einklang, dass die
Tätigkeit der Insolvenzgerichte bei der Anwendung des § 839 Abs. 2 BGB nicht als Rechtsprechung angesehen
werde. Dementsprechend kämen Richter bei entsprechenden Entscheidungen nicht in den Genuss des
Spruchrichterprivilegs. Im Ergebnis gelange man zu derselben Erkenntnis, wenn man die Auswahl eines
Insolvenzverwalters für ein konkretes Verfahren als spruchrichterliche Tätigkeit qualifiziere. Der Beschwerdeführer
könne dann im Hinblick auf die Grundrechtsrelevanz der Entscheidung den aus Art. 20 Abs. 3 GG resultierenden
Justizgewährleistungsanspruch reklamieren, weil die Gewährung von Rechtsschutz zur Verwirklichung der
Berufsfreiheit des Beschwerdeführers erforderlich sei. Die Eilbedürftigkeit der Auswahlentscheidung stehe einer
nachträglichen Konkurrentenklage nicht entgegen. Die Konkursordnung habe die Anfechtbarkeit sämtlicher
Entscheidungen des Konkursgerichts gekannt, ohne dass nennenswerte Praxisprobleme bekannt geworden seien.
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4. Die Bundessteuerberaterkammer hält die Verfassungsbeschwerde ebenfalls für begründet. Der Richter werde bei
der Bestellungsentscheidung nicht als Rechtsprechungsorgan tätig, sondern entscheide außerhalb seiner
spruchrichterlichen Tätigkeit und nicht in seiner typischen Funktion als Instanz der Streitentscheidung. Hieran ändere
auch der zeitliche Zusammenhang mit dem Eröffnungsbeschluss nichts, weil sich beide Entscheidungen trennen
ließen. Wirke der Staat durch sein Handeln auf Wettbewerbsverhältnisse ein, indem er eine bestimmte Person für ein
Amt bestelle, sei der Schutzbereich der Berufsfreiheit eröffnet und berechtige die nicht ernannten Personen zu einer
Konkurrentenklage. Der Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes erfordere es auch, dass die wesentlichen, bei der
Auswahlentscheidung vom Insolvenzgericht zu beachtenden Verfahrensgrundsätze vom Gesetzgeber selbst geregelt
würden.
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5. Auch der Deutsche Anwaltverein sieht die Verfassungsbeschwerde als begründet an, weil die Entscheidung über
die Auswahl des Insolvenzverwalters Ausübung von öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG sei. Es fehle
am streitentscheidenden Charakter der Bestellungsentscheidung, weil sie wegen der Abwahlmöglichkeit der
Gläubigerversammlung nicht letztverbindlich sei. Allein der Umstand, dass im Eröffnungsbeschluss auch über die
Person des Insolvenzverwalters zu entscheiden sei, mache die Entscheidung nicht zu einem Akt der
Rechtsprechung. Die Auswahl des Insolvenzverwalters werde nur anlässlich des Eröffnungsbeschlusses getroffen
und sei der Eröffnungsentscheidung zudem nachgeordnet. Werde auf der Stufe der Auswahl des Insolvenzverwalters
Rechtsschutz verneint, laufe der auf der Ebene der Vorauswahl gewährte Rechtsschutz im Ergebnis leer.
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6. Der Bundesverband der Steuerberater hält eine gerichtliche Überprüfung der Bestellungsentscheidung für
angebracht, weil diese möglicherweise von sachfremden Aspekten überlagert werde.
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7. Der Verband Insolvenzverwalter Deutschlands hat ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten von Prof. Dr.
Wolfram Höfling vorgelegt. Die Verwalterbestellung sei von Art. 19 Abs. 4 GG nicht erfasste
Rechtsprechungstätigkeit. Es spreche vieles dafür, in der mit dem Eröffnungsbeschluss verbundenen
Insolvenzverwalterbestellung einen Akt der Rechtsprechung im funktionellen Sinne zu sehen. Es handele sich um
Rechtsprechung im engeren Sinne, wenn mit der Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens im Widerstreit der
insoweit durchaus gegenläufigen, auch grundrechtlich fundierten Interessen nach Maßgabe des Rechts der geeignete
Insolvenzverwalter zu bestimmen sei. Jedenfalls sei das Insolvenzeröffnungsverfahren ein streitiges Verfahren, in
dem sich Gläubiger und Schuldner gegenüberstünden. Ausgewogener Rechtsschutz sei aber im Rahmen des
allgemeinen
Justizgewährleistungsanspruchs
geboten,
weil
die
Insolvenzverwalterbestellung
im
Gewährleistungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG erfolge. Bei - wie hier - mehrpoligen Rechtsverhältnissen komme dem
Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Mögliche Kontrollansprüche von Insolvenzverwaltern, die bei der
konkreten Bestellung nicht zum Zuge gekommen seien, könnten nur in einer die Gläubigerinteressen wahrenden
Weise anerkannt werden. Die Etablierung einer umfassenden Konkurrentenklage widerspreche § 57 InsO und dem
"Eilgebot des Insolvenzverfahrens". Insbesondere kämen auch keine Rechtsbehelfe mit Suspensiveffekt in Betracht.
Zu berücksichtigen sei auch, dass schon nach geltendem Recht der zu Unrecht übergangene Prätendent einen
Amtshaftungsanspruch geltend machen könne, weil das Spruchrichterprivileg, das der Bewahrung der materiellen
Rechtskraft diene, auf die Verwalterbestellung keine Anwendung finde. Hiernach könne die Möglichkeit einer
Fortsetzungsfeststellungsbeschwerde ins Auge gefasst werden.
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8. Nach Ansicht des Bundesverbandes Deutscher Banken ist eine Konkurrentenklage mit dem Wesen des
Insolvenzverfahrens unvereinbar. Eine bestmögliche Befriedigung der Forderungen der Gläubiger setze eine
rechtzeitige Verfahrenseröffnung und eine zügige Durchführung des Verfahrens voraus. Ein obsiegender Konkurrent
könne zudem immer nur eine vorläufige Position als Insolvenzverwalter erstreiten, weil die endgültige Wahl durch die
Gläubigerversammlung erfolge. In deren Recht zur endgültigen Auswahl des Insolvenzverwalters könne insbesondere
auch nicht durch eine spätere Entscheidung im Konkurrentenklageverfahren eingegriffen werden. Dem durch das
Insolvenzgericht nicht berücksichtigten Verwalter bleibe es im Übrigen unbenommen, sich den Insolvenzgläubigern im
Vorfeld der ersten Gläubigerversammlung als der am besten geeignete Bewerber zu präsentieren und so im Ergebnis
zum Zuge zu kommen. Richtig sei, dass ein Verfahren vorhanden sein müsse, das sicherstelle, dass tatsächlich von
allen potentiellen Bewerbern derjenige gefunden werde, der am ehesten den gesetzlichen Anforderungen entspreche.
Hierzu sollten bei den Insolvenzgerichten oder den Industrie- und Handelskammern ständige Konsultationskreise mit
Vertretern der regelmäßig betroffenen Gläubigergruppen eingerichtet werden. Diesem Kreis solle für die jeweilige
Insolvenz ein Vorschlagsrecht bezüglich der Person des Verwalters eingeräumt werden. Das Insolvenzgericht solle
zwar rechtlich hieran nicht gebunden, wohl aber gehalten sein, das Abweichen von dem Vorschlag zu begründen.
B.
21
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet. Der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts
verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten.
22
Entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts kann dem Beschwerdeführer allerdings Rechtsschutz nicht mit dem
Hinweis auf eine spruchrichterliche Tätigkeit des Insolvenzrichters bei der Auswahl des Insolvenzverwalters
verweigert werden (I. 1.). Ebenso wenig scheitert die Verfassungsbeschwerde am Fehlen eines subjektiven Rechts
des Beschwerdeführers, auch wenn sich dieses in dem Anspruch auf eine pflichtgemäße Ausübung eines weiten
Auswahlermessens des Insolvenzrichters erschöpft (I. 2.). Mit Blick auf die kollidierenden Rechtsgüter anderer
Grundrechtsträger kann der Beschwerdeführer zwar Rechtsschutz beanspruchen, aber nur eingeschränkt (I. 3.) und
nicht für das von ihm verfolgte Rechtsschutzziel (II.).
I.
23
1. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert demjenigen Rechtsschutz, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten
verletzt ist. Als öffentliche Gewalt im Verständnis des Art. 19 Abs. 4 GG werden auch die Gerichte eingeordnet, wenn
sie außerhalb ihrer rechtsprechenden Tätigkeit auf Grund eines ausdrücklich normierten Richtervorbehalts tätig
werden. In diesen Fällen handeln die Gerichte zwar in voller richterlicher Unabhängigkeit, aber nicht in ihrer typischen
Funktion als neutrale Instanzen der Streitentscheidung. Vielmehr treffen sie Entscheidungen, die, auch soweit sie
funktional Ausübung vollziehender Gewalt sind, im Interesse eines besonderen rechtsstaatlichen Schutzes nicht der
Exekutive oder jedenfalls nicht ihr allein überlassen werden (vgl. BVerfGE 107, 395 <406>). Derartige Entscheidungen
sind nicht Teil der rechtsprechenden Tätigkeit, gegen die Art. 19 Abs. 4 GG den Rechtsweg nicht eröffnet.
24
a) Die nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG dem Richter vorbehaltene Bestellung des Insolvenzverwalters geschieht -
entgegen der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts im Ausgangsverfahren - nicht in Ausübung rechtsprechender
Gewalt (vgl. zum Begriff der rechtsprechenden Gewalt BVerfGE 103, 111 <136 ff.>).
25
aa) Die Auswahlentscheidung zählt nicht zur Rechtsprechung im materiellen Sinne, insbesondere lässt sie sich nicht
dem traditionellen Kernbereich der Rechtsprechung zuordnen. Auch bei funktionellem Verständnis kann die Auswahl
des Insolvenzverwalters nicht als Rechtsprechung angesehen werden; denn der Insolvenzrichter entscheidet hier
keinen Rechtsstreit. Bei der Insolvenzverwalterbestellung gestaltet der Richter vielmehr selbst ein Rechtsverhältnis.
26
bb) Die Zuordnung der Bestellungsentscheidung zur Ausübung rechtsprechender Gewalt ergibt sich auch nicht aus
der Einbettung der Insolvenzverwalterbestellung in den Gesamtzusammenhang anderer Regelungen des
Insolvenzverfahrens.
27
Das Oberlandesgericht vertritt in der angegriffenen Entscheidung die Auffassung, angesichts der ausdrücklichen
Regelung in § 27 Abs. 2 Nr. 2 InsO, derzufolge der Eröffnungsbeschluss Namen und Anschrift des
Insolvenzverwalters enthalten müsse, sei die Auswahl des Insolvenzverwalters Teil der mit dem Eröffnungsbeschluss
zu treffenden richterlichen Entscheidung und damit ebenfalls rechtsprechende Tätigkeit. Dem ist selbst dann nicht zu
folgen, wenn mit dem Oberlandesgericht davon ausgegangen wird, dass die richterliche Entscheidung über die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Rechtsprechungsakt zu qualifizieren ist. Das Oberlandesgericht zieht mit § 27
Abs. 2 Nr. 2 InsO lediglich die Vorschrift über den notwendigen Inhalt des Eröffnungsbeschlusses heran, beachtet
aber nicht die für das Verfahren maßgebliche Regelung in § 27 Abs. 1 Satz 1 InsO. Diese trennt zwischen den beiden
Entscheidungen des Insolvenzgerichts, indem sie bestimmt, dass das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter
ernennt, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Hiernach erschöpft sich der Zusammenhang zwischen dem
Eröffnungsbeschluss und der Bestellungsentscheidung darin, dass ohne die Entscheidung, ein Insolvenzverfahren zu
eröffnen, weder Notwendigkeit noch Anlass besteht, einen Insolvenzverwalter zu bestellen. Ein Hinweis dafür, dass
beiden Entscheidungen dieselbe Qualität als Rechtsprechungsakt beizulegen ist, lässt sich dem Gesetz mithin nicht
entnehmen.
28
b) Einer Gewährung von Rechtsschutz kann auch § 6 Abs. 1 InsO nicht entgegenstehen
.
dieser Vorschrift nur solche Entscheidungen des Insolvenzgerichts einem Rechtsmittel, für die - im Unterschied zur
Insolvenzverwalterbestellung nach § 56 InsO - in der Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorgesehen ist. Als
Regelung des einfachen Gesetzesrechts könnte § 6 Abs. 1 InsO aber den Rechtsweg nicht verstellen, wenn dieser
von Verfassungs wegen eröffnet sein sollte.
29
2. Das Grundgesetz garantiert umfassenden Rechtsschutz nur zu dem Zweck des Schutzes subjektiver Rechte und
daher auch nur unter der Voraussetzung, dass die Verletzung einer Rechtsposition geltend gemacht wird, die die
Rechtsordnung im Interesse des Einzelnen gewährt (vgl. BVerfGE 27, 297 <305>; 83, 182 <194>; 113, 273 <310>).
Hingegen genügt weder die Verletzung nur wirtschaftlicher Interessen noch die Verletzung von Rechtssätzen, die
lediglich Reflexwirkungen haben, weil in ihnen der Einzelne allein aus Gründen des Interesses der Allgemeinheit
begünstigt wird (vgl. BVerfGE 83, 182 <194>). Welche Rechte der Einzelne hiernach geltend machen kann, bestimmt
sich - abgesehen von Grundrechten und sonstigen verfassungsmäßigen Rechten - nach den Regelungen des
einfachen Rechts. Der Gesetzgeber befindet darüber, unter welchen Voraussetzungen dem Bürger ein Recht zustehen
und welchen Inhalt es haben soll (vgl. BVerfGE 78, 214 <226>; 83, 182 <195>).
30
a) Das einfache Recht regelt in § 56 Abs. 1 InsO die Bestellung eines Insolvenzverwalters. Nach dieser Vorschrift
ist eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem
Schuldner unabhängige natürliche Person zum Insolvenzverwalter zu bestellen. Diese Regelung dient der
sachgerechten Durchführung des Insolvenzverfahrens und damit der Wahrung der Interessen der Gläubiger sowie
auch des Schuldners. Sie ist nicht zu dem Zweck geschaffen, Insolvenzverwaltern die berufliche Betätigung zu
ermöglichen und schafft daher für sich genommen keine subjektiven Rechte hinsichtlich der Bestellung zum
Insolvenzverwalter. In Einklang hiermit räumen die Fachgerichte dem zuständigen Richter bei der Bestimmung des
Insolvenzverwalters aus dem Kreis der im Sinne des § 56 Abs. 1 InsO geeigneten Bewerber ein weites
Auswahlermessen ein (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 1985 - III ZR 105/84 -, NJW-RR 1986, S. 412 <414>; OLG
Düsseldorf, Beschluss vom 24. Juni 1996 - 3 VA 4/95 -, NJW-RR 1996, S. 1273 jeweils zur Auswahl des
Konkursverwalters nach § 78 Abs. 1 KO).
31
Die Auswahlentscheidung des Richters unterliegt jedoch der Bindung an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG).
Maßgebend ist vorliegend der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Verbot einer willkürlichen
Ungleichbehandlung begründet bei Einräumung von Ermessen eine Verpflichtung zu dessen sachgerechter Ausübung.
Der mit dem konkreten Fall befasste Richter darf seine Entscheidung für einen bestimmten Insolvenzverwalter daher
nicht nach freiem Belieben treffen; er hat sein Auswahlermessen vielmehr pflichtgemäß auszuüben. Da hiernach bei
der Auswahlentscheidung auch die durch Art. 3 Abs. 1 GG geschützten Interessen der geeigneten Bewerber zu
berücksichtigen sind, besteht für diese im Rahmen der Bestellung zum Insolvenzverwalter ein Anspruch auf
pflichtgemäße Ermessensausübung (vgl. BVerfGE 96, 100 <115>; 113, 273 <310 f.>). Jeder Bewerber um das
Insolvenzverwalteramt muss eine faire Chance erhalten, entsprechend seiner in § 56 Abs. 1 InsO vorausgesetzten
Eignung berücksichtigt zu werden (vgl. BVerfGK 4, 1 <8>). Insofern verfügt er über ein subjektives Recht, für das
Rechtsschutz gewährleistet sein muss.
32
b) Für die Bestellung zum Insolvenzverwalter gilt nicht Art. 33 Abs. 2 GG, denn der Insolvenzverwalter übt kein
öffentliches Amt aus. Da es regelmäßig mehrere geeignete Bewerber geben wird, ist dem Richter in § 56 Abs. 1 InsO
Ermessen bei der Auswahl des Insolvenzverwalters eingeräumt. Dieses Ermessen soll eine Entscheidung unter
angemessener Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen der Gläubiger und des Schuldners ermöglichen.
Entscheidet der Richter nach dieser Maßgabe und unter Nutzung seines Einschätzungs- und Auswahlspielraums, liegt
darin keine Verletzung des Gleichheitssatzes gegenüber dem Prätendenten.
33
aa) Bei der Auswahl des Insolvenzverwalters aus dem Kreis der geeigneten Bewerber sind die Interessen der
Gläubiger und des Schuldners des konkreten Insolvenzverfahrens maßgebend. Danach richtet sich die Auswahl
sachgerechter Kriterien.
34
aaa) Das Insolvenzverfahren ist Teil des Zwangsvollstreckungsrechts. Es zielt damit unmittelbar auf den Schutz
und die Durchsetzung verfassungsrechtlich geschützter privater Interessen. Nach § 1 InsO dient das
Insolvenzverfahren dazu, die Forderungen der Gläubiger gemeinschaftlich zu befriedigen, indem Vermögen des
Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere
zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Vorrangiger Zweck des Insolvenzverfahrens ist damit unter
Berücksichtigung der Lage des Schuldners die bestmögliche Befriedigung der Forderungen der Gläubiger, die auch im
Rahmen der Zwangsvollstreckung als private vermögenswerte Rechte von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sind (vgl.
BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. Juni 2005 - 1 BvR 224/05 -, NZM 2005, S. 657
<659>). Der Gesetzgeber hat mit der Schaffung des Insolvenzverfahrens in Wahrnehmung seiner Verpflichtung
gehandelt, auch bei der Ausgestaltung des Verfahrensrechts die grundrechtliche Gewährleistung des Eigentums zu
beachten (vgl. BVerfGE 51, 150 <156>).
35
Auch die Interessen des Schuldners spielen eine Rolle, weil die Insolvenzordnung nicht nur die Verwertung seines
Vermögens, sondern auch die Möglichkeit einer Entscheidung für den Erhalt eines Unternehmens des Schuldners
vorsieht; außerdem gibt es für natürliche Personen die Möglichkeit der Restschuldbefreiung. Soweit der Erhalt eines
Unternehmens in der Hand des Schuldners in Frage steht, sind zudem Eigentumspositionen im Sinne des Art. 14
Abs. 1 GG betroffen; im Übrigen kann aus Gründen eines angemessenen Schuldnerschutzes auch das
Sozialstaatsprinzip berührt sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. Dezember 2005 -
1 BvL 9/05 -, ZVI 2006, S. 125 <127>).
36
bbb) Insbesondere der Schutz der Gläubigerrechte erfordert eine zügige Entscheidung über die Bestellung des
Insolvenzverwalters und damit auch eine schleunige Auswahl unter den Bewerbern. Der Insolvenzverwalter hat
unmittelbar nach Eröffnung des Verfahrens mögliche Sanierungschancen und Möglichkeiten zu
Gesamtveräußerungen zu ermitteln sowie das Vermögen zu sichern, zu erhalten und vor drohenden Wertverlusten zu
bewahren. Er muss unter Umständen das Unternehmen einstweilen fortführen, die erforderlichen Personalmaßnahmen
treffen und Arbeitsplätze nach Möglichkeit erhalten.
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(1) Im Einzelnen erfordert die Verwaltung der Insolvenzmasse beispielsweise die Einhaltung von Liefer- und
Abnahmefristen sowie die Betreuung etwaiger langfristiger Geschäftsbeziehungen mit Dauerschuldcharakter. Das dem
Insolvenzverwalter nach § 103 InsO zustehende Wahlrecht über die Erfüllung gegenseitiger Verträge muss nach einer
entsprechenden Aufforderung durch den Vertragspartner unverzüglich ausgeübt werden (§ 103 Abs. 2 Satz 2 InsO)
und unterliegt somit einem "Beschleunigungsgebot". Auf Grund seines Einrückens in die Arbeitgeberfunktion hat der
Insolvenzverwalter die unaufschiebbaren, sich aus der Rechtsnatur des Arbeitsverhältnisses laufend ergebenden
Maßnahmen zu treffen. Vor allem hat er kontinuierlich das Direktionsrecht des Arbeitgebers auszuüben und über die
Erteilung von Arbeitszeugnissen oder die Gewährung von Urlaub zu befinden.
38
(2) Neben derartigen privatrechtlichen Pflichten und Obliegenheiten muss der Insolvenzverwalter in Bezug auf das
durch ihn verwaltete Vermögen auch die laufenden öffentlichrechtlichen Pflichten für den Schuldner erfüllen. Diese
Pflichten erfordern regelmäßig ein unverzügliches oder fristgemäßes Handeln, womit sich eine verzögerte Bestellung
des Insolvenzverwalters nicht vereinbaren lässt. Dies gilt beispielsweise für die Einhaltung ordnungs- und
umweltrechtlicher Normenstandards und die daran anknüpfende Störerverantwortlichkeit des Insolvenzverwalters in
den Grenzen seiner Sachherrschaft über die Insolvenzmasse (vgl. BVerwGE 107, 299; 122, 75). Weiterhin ist der
Insolvenzverwalter gemäß § 34 AO für die Einhaltung der steuerrechtlichen Pflichten hinsichtlich der Masse
verantwortlich, insbesondere für die fristgemäße Abgabe von Steuererklärungen sowie diesbezügliche Buchführungs-
und Nachweispflichten.
39
(3) Hinzu kommt, dass in der Praxis der Insolvenzverfahren eine Vorentscheidung über die Person des späteren
Insolvenzverwalters oftmals bereits mit der Auswahl des vorläufigen Insolvenzverwalters zu treffen ist. Da nicht nur
seine Qualifikation der eines Insolenzverwalters entsprechen muss (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 56 InsO), sondern
der vorläufige Insolvenzverwalter insbesondere bei Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben, die Masse zu sichern und
zu erhalten (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 InsO) und die Entscheidung über die Verfahrenseröffnung vorzubereiten
(vgl. § 22 Abs. 3 InsO), für das Insolvenzverfahren nutzbare Kenntnisse erwerben kann, ist es zwar nicht zwingend,
aus Sachgründen aber häufig nahe liegend, dass er bei einer Verfahrenseröffnung auch zum Insolvenzverwalter
bestellt wird. Die Situation, in der der Richter über die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters und dessen
Person zu entscheiden hat, zeichnet sich dabei durch eine nochmals gesteigerte Eilbedürftigkeit aus; denn diese
Sicherungsmaßnahme wird erforderlich, wenn es gilt, nachteilige Veränderungen der Vermögenslage des Schuldners
zu verhindern (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 1 InsO).
40
bb) Die für bipolare Rechtsverhältnisse entwickelten Regeln zur Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen
bedürfen einer Anpassung an die Besonderheiten der hier gegebenen multipolaren Konfliktlage. Es kann nicht allein
das Interesse der Bewerber an chancengleichem Zugang zum Insolvenzverwalteramt in den Blick genommen werden,
sondern es ist auch - und in erster Linie - das Interesse der Gläubiger und des Schuldners an einem reibungslosen
und zügigen Fortgang des Insolvenzverfahrens und damit insbesondere an einer schleunigen Bestellung des
Insolvenzverwalters zu berücksichtigen.
41
Soweit unterschiedliche Interessen aufeinander zu beziehen sind, müssen die jeweiligen Vor- und Nachteile bei der
Verwirklichung der verschiedenen betroffenen Rechtsgüter in ihrer Gesamtheit berücksichtigt werden. Das weite
Auswahlermessen des Insolvenzrichters erlaubt es insbesondere, sachwidrige Verzögerungen des
Insolvenzverfahrens zu vermeiden. Diesem Ziel stände beispielsweise das Erfordernis einer Bestenauslese entgegen.
Sie würde insbesondere wegen der dann notwendigen Ausschreibung der zu besetzenden Position (vgl. dazu für das
Notaramt BVerfGE 73, 280 <296>), wegen der erforderlichen Gelegenheit zu aussagekräftigen Bewerbungen, wegen
der Sichtung und Prüfung der Bewerbungsunterlagen und schließlich wegen der Bewertung der Prätendenten mit dem
Ziel der Auswahl des für das konkrete Verfahren am ehesten geeigneten Bewerbers erhebliche Zeit beanspruchen.
Damit wären Verzögerungen zu befürchten, die das Insolvenzverfahren zur Erreichung der mit ihm verfolgten Ziele
ungeeignet machen würden.
42
Dem Interesse der Bewerber an chancengleichem Zugang zum Insolvenzverwalteramt trägt Rechnung, dass die
Ermessensausübung nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG dem Richter überlassen bleibt. Die Regelung geht davon aus,
dass Richter auf Grund ihrer persönlichen und richterlichen Unabhängigkeit und ihrer strikten Unterwerfung unter das
Gesetz die Rechte aller Betroffenen - auch der Prätendenten um das Insolvenzverwalteramt - im Einzelfall am besten
und sichersten wahren können (vgl. BVerfGE 103, 142 <151> zum Richtervorbehalt bei Art. 13 Abs. 2 GG).
43
cc) Die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Bewerber um die Bestellung zum
Insolvenzverwalter im konkreten Fall fordert eine der Sicherung des chancengleichen Zugangs angemessene
Verfahrensgestaltung (vgl. BVerfGE 73, 280 <296>). Da keine Bestenauslese erfolgt, muss zwar nicht wie bei der
Bewerbung um ein öffentliches Amt durch das Verfahren gewährleistet sein, dass tatsächlich unter allen potentiellen
Bewerbern derjenige gefunden wird, der am ehesten den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Erforderlich ist aber
ein Verfahren, das dem Richter nicht nur eine zügige Eignungsprüfung für das konkrete Verfahren ermöglicht, sondern
ihm außerdem hinreichende Informationen für eine pflichtgemäße Ausübung des Auswahlermessens verschafft und
verfügbar macht. Hierbei kommt insbesondere dem weithin üblichen Vorauswahlverfahren entscheidende Bedeutung
zu. Es kann dem Richter einen Rahmen geben, der ihm trotz der Eilbedürftigkeit der Bestellungsentscheidung eine
hinreichend sichere Tatsachengrundlage für eine sachgerechte Auswahlentscheidung im konkreten
Insolvenzverfahren vermittelt (vgl. BVerfGK 4, 1 <9>).
44
aaa) Um diese Funktion erfüllen zu können, darf sich ein dem konkreten Insolvenzverfahren vorgelagertes
allgemeines Vorauswahlverfahren nicht nur auf das Erstellen einer Liste mit Namen und Anschriften interessierter
Bewerber beschränken. Es muss vielmehr auch die Erhebung, Verifizierung und Strukturierung der Daten
gewährleisten, die nach der Einschätzung des jeweiligen Insolvenzrichters nicht nur für die Feststellung der Eignung
eines Bewerbers im konkreten Fall maßgebend sind, sondern vor allem auch eine sachgerechte Ermessensausübung
bei der Auswahl des Insolvenzverwalters aus dem Kreis der geeigneten Bewerber ermöglichen.
45
bbb) Es ist Aufgabe der Fachgerichte, Kriterien für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers sowie für eine
sachgerechte Ausübung des Auswahlermessens zu entwickeln. Soweit Auswahllisten geführt werden, bleibt den
Fachgerichten deren Gestaltung überlassen. Zu beachten ist jedoch, dass das Modell einer "geschlossenen Liste",
nach dem die Zahl der aufgenommenen Bewerber begrenzt ist und nur bei Ausscheiden einer bereits geführten Person
ein neuer Bewerber in den Kreis möglicher Insolvenzverwalter aufgenommen wird, der Chancengleichheit der
Bewerber nicht hinreichend Rechnung trägt (vgl. BVerfGK 4, 1 <7 ff.>). Eine Liste ist daher so zu führen, dass in sie
jeder Bewerber aufgenommen wird, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine generelle, von der
Typizität des einzelnen Insolvenzverfahrens gelöste Eignung für das Amt des Insolvenzverwalters erfüllt. Ebenso
wenig kann es Aufgabe einer Auswahlliste sein, lediglich Bestellungsentscheidungen zu ermöglichen, die sich rein
formal und turnusmäßig an der Reihenfolge der Anmeldungen zur Auswahlliste ausrichten ("reine Listenlösung"). Eine
solche Vorgehensweise kann nicht sicherstellen, dass eine mit Blick auf die Eigenheiten des konkreten Verfahrens
und die spezielle Eignung der Bewerber sachgerechte und damit pflichtgemäße Ermessensausübung erfolgt (kritisch
auch Eickmann, in: Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2006, § 56 Rn. 23; Graeber, in:
Münchener Kommentar, Insolvenzordnung, 2001, § 56 Rn. 77; Koenig/Hentschel, ZIP 2005, S. 1937 <1939>).
46
dd) Dem hiernach durch § 56 Abs. 1 InsO normativ eröffneten Einschätzungsspielraum der Insolvenzrichter steht
auch das verfassungsrechtliche Gebot lückenlosen Rechtsschutzes nicht entgegen. Die grundgesetzliche Garantie
des Rechtsschutzes umfasst einen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle, soweit es um die
Verwirklichung subjektiver Rechte der Rechtsuchenden geht (vgl. BVerfGE 107, 395 <401, 408>). Diese kann
allerdings nicht weiter reichen als die materiell-rechtliche Bindung der Instanz, deren Entscheidung überprüft werden
soll. Die geschützten Rechtspositionen ergeben sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ebenso wenig wie aus dem
Justizgewährungsanspruch, sondern werden von ihnen jeweils vorausgesetzt. Gerichtliche Kontrolle endet daher dort,
wo das materielle Recht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise das Entscheidungsverhalten nicht vollständig
determiniert und dem Entscheider einen Einschätzungs- und Auswahlspielraum belässt (vgl. BVerfGE 103, 142
<156 f.>). Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass sich die gerichtliche Überprüfung der Auswahl eines
Insolvenzverwalters einerseits auf die Einhaltung der Grenzen des Ermessensspielraums des Insolvenzrichters
beschränkt, andererseits mit dieser reduzierten Kontrolldichte aber auch erfolgen muss (vgl. BVerfGE 84, 34 <53>).
47
3. Die grundgesetzliche Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes schließt Einschränkungen nicht aus, wenn im
Einzelfall widerstreitende grundrechtlich fundierte Interessen zum Ausgleich zu bringen sind. Hierbei müssen nicht nur
die betroffenen Belange angemessen gewichtet werden, vielmehr ist in Bezug auf die Auswirkungen der Regelung
auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. BVerfGE 88, 118 <124 f.>). Dies führt hier dazu, dass
eine Anfechtung der Bestellung zum Insolvenzverwalter durch nicht zum Zuge gekommene Prätendenten ebenso
ausgeschlossen ist wie die Verhinderung einer Bestellung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
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a) Mit Blick auf die hiernach zulässige Ausgestaltung des Justizgewährungsanspruchs erlangt die - bereits
geschilderte - multipolare Konfliktlage Bedeutung. Auch insoweit stehen die Interessen des Staates und die insoweit
gleichgerichteten Interessen vor allem der Gläubiger sowie in zweiter Linie auch des Schuldners auf der einen Seite
den Interessen der Bewerber um das Insolvenzverwalteramt auf der anderen Seite gegenüber. Erstere sind an einem
reibungslosen und damit effektiven Insolvenzverfahren interessiert, letztere an einem uneingeschränkten,
weitreichenden Rechtsschutz für ihren Anspruch auf sachgerechte Ermessensentscheidung.
49
aa) Das Ziel der bei der Bestellungsentscheidung des Insolvenzgerichts nicht berücksichtigten Prätendenten ist
darauf gerichtet, auf dem Wege einer Drittanfechtung der Bestellung anstelle des aus ihrer Sicht zu Unrecht
ausgewählten Mitbewerbers zum Insolvenzverwalter berufen zu werden, oder aber vergleichbar mit der
fachgerichtlichen Rechtsprechung zur Konkurrentenklage im Beamtenrecht durch die Inanspruchnahme vorläufigen
Rechtsschutzes die Bestellung des Mitbewerbers zum Insolvenzverwalter zu verhindern und durch einen
Neubescheidungsantrag selbst Zugang zu diesem Amt zu erhalten (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des
Zweiten Senats vom 19. September 1989 - 2 BvR 1576/88 -, NJW 1990, S. 501).
50
bb) Demgegenüber sind namentlich die Gläubiger daran interessiert, dass weitere Kosten, Verzögerungen und
Komplikationen im Ablauf des Insolvenzverfahrens durch gerichtliche Auseinandersetzungen um die Person des
Insolvenzverwalters unterbleiben.
51
aaa) So wären im Fall einer durch die Anfechtung des Prätendenten bewirkten Entlassung des zunächst bestellten
Insolvenzverwalters mit einer nachfolgenden erneuten Auswahlentscheidung des Insolvenzrichters und
anschließenden erneuten Anfechtungsmöglichkeiten schwerwiegende Verzögerungen verbunden, die mit der bereits
geschilderten Eilbedürftigkeit des Insolvenzverfahrens nicht zu vereinbaren sind. Hinzu kommt, dass sich auch dann,
wenn die Entscheidung über einen Wechsel im Insolvenzverwalteramt unanfechtbar geworden wäre, weitere
Verzögerungen anschlössen, weil die Überleitung des Insolvenzverfahrens auf einen anderen Insolvenzverwalter mit
einem nicht unerheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand einhergeht (vgl. dazu Hess/Ruppe, NZI 2004, S. 641 <645>). Den
Umständen nach ist nicht ohne weiteres zu erwarten, dass der neue Verwalter von seinem Vorgänger die notwendigen
Informationen vollständig und ordnungsgemäß erhält, weshalb es an der Grundlage für anstehende Entscheidungen
fehlen kann. Erforderlich werden dann erneute Abstimmungen mit den Gläubigern und dem Insolvenzgericht.
Außerdem entstehen der Masse durch die Bestellung eines neuen Verwalters erhebliche weitere Kosten. Der
ausgeschiedene Insolvenzverwalter und sein Nachfolger müssen sich nicht etwa das Honorar eines Verwalters teilen,
vielmehr erhalten beide eine eigene Vergütung, die sich gemäß den allgemeinen Regeln nach der der Verwaltung
unterliegenden Teilungsmasse richtet (vgl. Eickmann, Vergütungsrecht, Kommentar zur InsVV, 2. Aufl., 2001, vor
§ 1, Rn. 58; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Vergütung in Insolvenzverfahren, 2. Aufl., 1999, § 1 InsVV Rn. 36).
52
Selbst in Insolvenzverfahren, bei denen Rechtsmittel der Konkurrenten letztlich ohne Erfolg bleiben, kann es allein
wegen der Anhängigkeit solcher Rechtsstreite zu nachteiligen Folgen für das betreffende Insolvenzverfahren kommen.
Die Unbefangenheit der Amtsführung, die § 56 Abs. 1 InsO unter dem Aspekt der Unabhängigkeit von den Gläubigern
und dem Schuldner anspricht, ist nicht sichergestellt, wenn der Insolvenzverwalter jederzeit gewärtig sein muss,
wegen - von ihm nicht zwingend mitverantworteter - Rechtsfehler bei seiner Bestellung entlassen zu werden. Hierunter
kann angesichts der vielfältigen und komplexen Aufgaben die Qualität der Abwicklung des Insolvenzverfahrens leiden;
denn der Insolvenzverwalter wird weder allein im Interesse der Gläubiger noch allein im Interesse des Schuldners
tätig, sondern hat vielfältige Aufgaben wahrzunehmen, für deren Erfüllung er allen Verfahrensbeteiligten gegenüber
verantwortlich ist (vgl. Kind, in: Braun, Insolvenzordnung, 2. Aufl. 2004, § 56 Rn. 22).
53
bbb) Zu schwerwiegenden Nachteilen, insbesondere zu Verzögerungen, die den Verfahrenszweck gefährden, kommt
es auch, wenn der ausgewählte Prätendent zunächst nicht bestellt, sondern den Mitbewerbern vorläufiger
Rechtsschutz gewährt wird. Könnte durch einstweilige Anordnung die Bestellung eines Mitbewerbers zum
Insolvenzverwalter verhindert werden, wäre bis zur gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache eine zügige
Abwicklung des Insolvenzverfahrens selbst bei Ernennung eines vorläufigen Insolvenzverwalters gescheitert. Zwar
kann nach § 22 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen auf den
vorläufigen Insolvenzverwalter übergehen und in diesem Fall auch ein Unternehmen fortgeführt werden (§ 22 Abs. 1
Nr. 2 InsO), eine Verwertung des Schuldnervermögens "im technischen Sinne" nach § 159 InsO scheidet indessen
aus (vgl. BGHZ 146, 165 <172>). Das Verfahren bliebe demnach im Wesentlichen auf die Sicherung und Erhaltung
des Schuldnervermögens beschränkt, das gemäß § 1 Satz 1 InsO vorrangige Ziel, die Forderungen der Gläubiger
eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen (vgl. BGHZ 148, 252 <258>), könnte für längere Zeit nicht erreicht
werden.
54
b) Die Besonderheiten bei multipolaren Rechtsverhältnissen sind auch für die abwägende Prüfung der
Verhältnismäßigkeit bei Beschränkungen des Rechtsschutzes zu beachten.
55
aa) Hiernach ist das Interesse des Prätendenten an einem möglichst effektiven Rechtsschutz zur Durchsetzung
seines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung dem Interesse insbesondere der Gläubiger an einem
reibungslosen und zügigen Fortgang des Insolvenzverfahrens gegenüber zu stellen. Es ist auf diese Weise eine
Lösung zu finden, die dem Grundsatz der Herstellung praktischer Konkordanz gerecht wird (vgl. BVerfG, Beschluss
des Ersten Senats vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 u.a. -, EuGRZ 2006, S. 159 <166 f.>).
56
bb) Im vorliegenden Fall kann dem auf Art. 14 Abs. 1 GG gestützten Interesse der Gläubiger nur dadurch Rechnung
getragen werden, dass der Rechtsschutz zugunsten der Bewerber um das Insolvenzverwalteramt unter Ausschluss
einer Möglichkeit zur Drittanfechtung der Bestellung wie auch unter Ausschluss vorläufigen Rechtsschutzes gewährt
wird (so im Ergebnis auch OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 12 VA 1/04 -, NJW-RR 2005, S. 1075
<1079>; Holzer/Kleine-Cosack/Prütting, Die Bestellung des Insolvenzverwalters, 2001, S. 58 f.; Lüke, in:
Kübler/Prütting, Kommentar zur Insolvenzordnung, Stand: Mai 2005, § 56 Rn. 26). Andere Wege zur Vermeidung der
geschilderten, den Verfahrenszweck vereitelnden Nachteile sind nicht eröffnet. Diese Lösung erscheint auch
angemessen, weil nach dem vom Gesetzgeber mit Blick auf die Gewährleistung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG)
verfolgten Ziel des Insolvenzverfahrens den Interessen der Gläubiger und des Schuldners Vorrang gegenüber den
Interessen der Prätendenten an beruflicher Betätigung zukommt (vgl. oben unter I. 2. b aa aaa).
57
cc) Weitergehende Einschränkungen des Rechtsschutzes der Bewerber um das Insolvenzverwalteramt können
gegenläufige Interessen der Gläubiger und des Schuldners allerdings nicht rechtfertigen. So bleibt ein zügiger und
reibungsloser Verlauf des Insolvenzverfahrens nicht nur von der Erhebung einer Amtshaftungsklage (Art. 34 GG,
§ 839 BGB) eines übergangenen Prätendenten unberührt. Vielmehr können auch von einem Antrag, der auf
Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Insolvenzverwalterbestellung wegen fehlerhafter Ausübung des
Auswahlermessens gerichtet ist, keine Störungen des Verfahrensablaufs ausgehen. Da es grundsätzlich mit dem
Justizgewährungsanspruch zu vereinbaren ist, die Rechtsschutzgewährung von einem vorhandenen und
fortbestehenden Rechtsschutzinteresse abhängig zu machen (vgl. BVerfGE 96, 27 <39 f.>; 104, 220 <232>), bleibt
insoweit allerdings den Fachgerichten die Prüfung eines im Einzelfall gegebenen Feststellungsinteresses, das sich
auch aus dem diskriminierenden Charakter der Entscheidung ergeben kann (vgl. BVerfGE 104, 220 <234>), als
Zulässigkeitsvoraussetzung überlassen (vgl. dazu OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Mai 2005, a.a.O.; Lüke, in:
Kübler/Prütting, a.a.O.).
II.
58
Vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund bleibt die Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg. Für das
Rechtsschutzziel des Beschwerdeführers ist die Eröffnung des Rechtsweges verfassungsrechtlich nicht geboten. Die
angegriffene Entscheidung kann daher ebenso wenig verfassungsrechtlich beanstandet werden wie das Fehlen einer
gesetzlichen Regelung für die vom Beschwerdeführer erstrebte Anfechtung der Bestellungsentscheidung.
59
1. Der Beschwerdeführer hat im Ausgangsverfahren die Anträge verfolgt, die Bestellung eines Mitbewerbers zum
Insolvenzverwalter aufzuheben und ihn selbst zum Insolvenzverwalter in dem betreffenden Insolvenzverfahren zu
bestellen; er hat außerdem beantragt, das Insolvenzgericht anzuweisen, ihn in künftigen Insolvenzverfahren bei der
Ernennung insbesondere zum Insolvenzverwalter nicht zu übergehen.
60
2. Mit den beiden ersten Anträgen hat der Beschwerdeführer auf dem Weg der Anfechtung der Begünstigung eines
Dritten und eines damit verbundenen Verpflichtungsantrags Rechtsschutz in einer Verfahrensart erstrebt, die durch die
Verfassung mit Blick auf die kollidierenden Rechtsgüter namentlich der am Insolvenzverfahren beteiligten Gläubiger
nicht geboten ist (vgl. oben unter I. 3. b bb). Für den dritten Antrag kann der Beschwerdeführer Rechtsschutz nicht
beanspruchen, weil ihm die Position, die er auf diesem Wege durchsetzen will, nicht als subjektives Recht zusteht.
Als Bewerber um ein Insolvenzverwalteramt kann sich der Beschwerdeführer nicht auf ein subjektives Recht auf
Bestellung zum Insolvenzverwalter berufen (vgl. oben unter I. 2. a). Die von ihm erstrebte regelmäßige Berufung in
das Insolvenzverwalteramt kann der Beschwerdeführer auch nicht als Ergebnis pflichtgemäßer Ermessensausübung
beanspruchen; eine solche Praxis des Insolvenzgerichts wäre im Gegenteil nicht sachgerecht, sondern
ermessensfehlerhaft, weil sich bei ihr die Auswahl nicht an den Erfordernissen des jeweiligen Verfahrens ausrichtete
(vgl. oben unter I. 2. b cc bbb).
Papier
Haas
Steiner
Hohmann-Dennhardt
Hoffmann-Riem
Bryde
Gaier
Eichberger