Urteil des BVerfG vom 18.03.2009

BVerfG: vergütung, verfassungsbeschwerde, verein, grundrecht, wirtschaftlichkeit, gestaltungsspielraum, fachkunde, berufsfreiheit, variation, berufsausübung

Entscheidungen
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2374/07 -
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn K...,
gegen
a)
den Beschluss des Landgerichts Marburg vom 8. August 2007 - 3 T 114/06 -,
b)
den Beschluss des Amtsgerichts Frankenberg vom 29. November 2005 - 53 XVII
579/04 -
hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
die Richterin Hohmann-Dennhardt
und die Richter Gaier,
Kirchhof
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S.
1473) am 18. März 2009 einstimmig beschlossen:
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.
Gründe:
I.
1
Der Beschwerdeführer - ein als Berufsbetreuer tätiger Rechtsanwalt - macht mit seiner Verfassungsbeschwerde eine
mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarende Ungleichbehandlung durch die - die Umsatzsteuer mit umfassenden -
Inklusivstundensätze nach § 4 Abs. 1 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG) geltend.
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1. § 4 VBVG sieht für Betreuer mit abgeschlossener Hochschulausbildung einen Inklusivstundensatz von 44 € vor,
der nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VBVG Ansprüche auf Ersatz anlässlich der Betreuung entstandener Aufwendungen sowie
anfallende Umsatzsteuer mit abgilt. Sie betrifft ohne Unterschied ehrenamtliche Betreuer, Betreuer aus
gemeinnützigen Betreuungsvereinen sowie individuelle Berufsbetreuer wie den Beschwerdeführer. Da der
Inklusivstundensatz die vom Betreuer zu entrichtende Umsatzsteuer einschließt, muss ein individueller
Berufsbetreuer den Normalsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG von 19 % von der Vergütung abziehen, während eine
Betreuung durch einen gemeinnützigen Verein nach § 12 Abs. 2 Nr. 8a Satz 1 UStG nur auf 7 % Umsatzsteuer
gemindert wird; Betreuer, deren Umsätze im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen haben und im
laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen werden, haben als so genannte Kleinunternehmer
nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG sogar die Möglichkeit, jegliche Umsatzsteuerbelastung zu vermeiden.
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2. Der Beschwerdeführer nahm als Rechtsanwalt eine Betreuung wahr, für die ihm das Vormundschaftsgericht des
Amtsgerichts Frankenberg eine Vergütung von 44 € pro Stunde gewährte. Das Landgericht Marburg wies mit
Beschluss die sofortige Beschwerde dagegen zurück und ließ keine weitere Beschwerde zu. Die Regelung des § 4
Abs. 2 VBVG sei nicht zu beanstanden, denn für die Pauschalierung der Betreuervergütung bestünden hinreichend
sachliche Gründe. Eine willkürliche Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem durch die pauschale Abgeltung der
Umsatzsteuer liege nicht vor.
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3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG, weil
ehrenamtliche Betreuer, Vereinsbetreuer und individuelle Berufsbetreuer im wirtschaftlichen Endergebnis nach Abzug
der Umsatzsteuer unterschiedlich vergütet würden. Der Gesetzgeber habe damit eine Förderung der ehrenamtlichen
Betreuung bezweckt, obwohl die Betreuer gemeinnütziger Vereine gar nicht ehrenamtlich, sondern beruflich im
Angestelltenverhältnis zu ihrem Verein tätig würden. Die zusätzliche Begünstigung von Betreuern, die
Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG sind, sei nicht mit dem Wegfall von Verfahrensaufwand für die
Festsetzung der Vergütung zu rechtfertigen. Überdies würde § 4 VBVG die vom Bundesverfassungsgericht in der
Entscheidung BVerfGE 101, 333 ff. angemahnte Trennung von Betreuung im Ehrenamt, im gemeinnützigen Verein
und in selbständiger Berufsausübung außer Acht lassen und habe auch die besondere berufliche Fachkunde eines
Rechtsanwalts bei der Betreuung nicht zum Anlass für eine Erhöhung des Stundensatzes von 44 € genommen.
II.
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Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Sie wird aber nicht zur Entscheidung angenommen, denn sie hat keine
Aussicht auf Erfolg. Für eine Verletzung des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG durch den Inklusivstundensatz
des § 4 VBVG unter Einschluss der Umsatzsteuer ist nichts ersichtlich.
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1. Der in § 4 VBVG vorgesehene feste Stundenbetrag ist sachlich gerechtfertigt, um verwaltungsaufwendige,
unterschiedliche Abrechnungen zu vermeiden. Dem Gesetzgeber steht bei Vergütungsregelungen grundsätzlich ein
Gestaltungsspielraum zu, ob er Einzelabrechnungen, Pauschalierungen oder fixe Sätze vorsieht. Die Einbeziehung
von Betreuungsaufwendungen und Umsatzsteuer in den vom Gesetzgeber nunmehr gewählten Fixbetrag ist sachlich
legitimiert, um aus öffentlichen Haushaltsmitteln gezahlte Vergütungen am Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit auszurichten. Der Ansatz eines festen Gesamtbetrages einschließlich Umsatzsteuer ist nach der
bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht zu beanstanden, denn das im Beschluss des
Ersten Senats vom 15. Dezember 1999 (1 BvR 1904/95 u.a.; BVerfGE 101, 331 <355>) beanstandete Fehlen einer
Berücksichtigung der Umsatzsteuer bei der Vergütung von Betreuern ist nunmehr beseitigt; ausweislich des § 4 Abs.
2 Satz 1 VBVG ist sie in den Inklusivstundensatz einberechnet worden. Jedem Betreuer wird mithin im Stundensatz
Umsatzsteuer in Höhe des Normaltarifs nach § 12 Abs. 1 UStG vergütet. Davon geht auch der Beschwerdeführer aus,
der nicht einen Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG wegen unterlassenen
Einbezugs der Umsatzsteuerpflicht, sondern einen Verstoß gegen das Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG
wegen des Einbezugs des umsatzsteuerlichen Normaltarifs in die Vergütung rügt, obwohl manche Betreuer
umsatzsteuerrechtlich anders belastet werden.
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2. Der Beschwerdeführer rügt einen Gleichheitsverstoß durch § 4 VBVG, weil er aus der Vergütung die volle
Umsatzsteuer von 19 % abführen müsse, während anderen die umsatzsteuerliche Belastung nach den Vorschriften
der §§ 12 und 19 UStG gemindert oder vollständig erlassen würde. Zwar hat der Gesetzgeber § 4 VBVG mit dem Ziel
einer Förderung von gemeinnützigen Betreuungsvereinen und ehrenamtlicher Betreuung beschlossen (vgl. BTDrucks
15/4874, S. 25 f. und 31). Die Differenzierung der den Betreuern verbleibenden Vergütungsleistung ergibt sich aber
erst aus der Variation der Umsatzsteuertarife, die in §§ 12 und 19 UStG angeordnet ist. Besonders deutlich zeigt sich
die Tatsache, dass die ungleiche Behandlung der drei Gruppen vom Umsatzsteuerrecht ausgeht, in der vom
Beschwerdeführer vorgetragenen Heraufsetzung des Umsatzsteuertarifs von 16 % auf 19 %. Diese Aufspreizung der
Belastung ergibt sich allein aus § 12 Abs. 1 UStG ohne jegliche Veränderung des § 4 VBVG. Ein Gleichheitsverstoß
könnte sich demnach allenfalls aus den umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften ergeben, denn die tatsächliche und
rechtliche Beschwer geht bei einer derartigen Fixbetragsvergütung immer von der nachträglichen Steuerbelastung des
Vergütungsempfängers aus.
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3. Es bleibt dem Beschwerdeführer unbenommen, gegen die umsatzsteuerlichen Steueranmeldungen oder
Bescheide in den Veranlagungszeiträumen der Vergütung und mittelbar gegen die Steuerentlastung nach § 12 Abs. 2
Nr. 8a und § 19 Abs. 1 UStG vorzugehen und dort einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG aus der Sicht aller
umsatzsteuerpflichtigen Unternehmer wegen der Entlastungen für gemeinnützige Körperschaften oder
Kleinunternehmer zu rügen.
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Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
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Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Hohmann-Dennhardt
Gaier
Kirchhof