Urteil des BVerfG vom 24.06.2014

BVerfG: nhg, hochschule, forschung, wissenschaftsfreiheit, organisation, verfassungsbeschwerde, entlassung, gefährdung, einfluss, schutz der gesundheit

L e i t s ä t z e
zum Beschluss des Ersten Senats vom 24. Juni 2014
- 1 BvR 3217/07 -
1. Die mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierte Mitwirkung von Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftlern im wissenschaftsorganisatorischen Gesamtgefüge einer Hochschule
erstreckt sich auf alle wissenschaftsrelevanten Entscheidungen. Dies sind auch
Entscheidungen über die Organisationsstruktur, den Haushalt und, weil in der
Hochschulmedizin mit der Wissenschaft untrennbar verzahnt, über die Krankenversorgung.
2. Je mehr, je grundlegender und je substantieller wissenschaftsrelevante personelle und
sachliche Entscheidungsbefugnisse dem Vertretungsorgan der akademischen
Selbstverwaltung entzogen und einem Leitungsorgan zugewiesen werden, desto stärker
muss die Mitwirkung des Vertretungsorgans an der Bestellung und Abberufung und an den
Entscheidungen des Leitungsorgans ausgestaltet sein.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 3217/07 -
Bundesadler
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn Prof. Dr. H…,
- Bevollmächtigte:
Schindhelm Rechtsanwaltsgesellschaft mbH,
Aegidientorplatz 2 B, 30159 Hannover -
gegen
a)
Art. 1 Nr. 63, § 63c Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 bis 6 und § 63e Abs. 2
Nr. 2, 3, 5, 10, 11, Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, 2, 4 des Gesetzes
zur Änderung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes und
anderer Gesetze vom 21. November 2006 (NdsGVBl S. 538),
b)
Art. 1 Nr. 11 (§ 63c Abs. 3 bis 6 NHG) des Gesetzes zur
Verbesserung der Chancengleichheit durch Abschaffung und
Kompensation der Studienbeiträge vom 11. Dezember 2013
(NdsGVBl S. 287)
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsident Kirchhof,
Gaier,
Eichberger,
Schluckebier,
Masing,
Paulus,
Baer,
Britz
am 24. Juni 2014 beschlossen:
1. § 63c Absatz 2 Satz 1, Absatz 3 Satz 2, Absatz 4 Satz 2, Absatz 5 Satz 1 und 2, Absatz 6
Satz 1 sowie § 63e Absatz 2 Nummer 2, Nummer 3, Nummer 5, Nummer 10, Nummer 11,
Absatz 3, Absatz 4 Satz 1 Nummer 1, Nummer 2, Nummer 4 und Absatz 4 Satz 2 des
Niedersächsischen Hochschulgesetzes vom 26. Februar 2007 (Niedersächsisches
Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 69; zuletzt geändert durch das Gesetz zur
Verbesserung der Chancengleichheit durch Abschaffung und Kompensation der
Studienbeiträge vom 11. Dezember 2013, Niedersächsisches Gesetz- und
Verordnungsblatt Seite 287) sind in ihrem Gesamtgefüge mit Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des
Grundgesetzes unvereinbar.
2. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.
3. Die unter Ziffer 1 angeführten Vorschriften bleiben bis zu einer Neuregelung durch den
Gesetzgeber nach Maßgabe der Gründe weiter anwendbar. Der Gesetzgeber hat bis zum
31. Dezember 2015 eine Neuregelung zu schaffen.
4. Das Land Niedersachsen hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu
erstatten.
5. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das
Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 100.000 € (in Worten: einhunderttausend Euro)
festgesetzt.
Gründe:
A.
1
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen hochschulorganisationsrechtliche Vorschriften
für die Medizinische Hochschule Hannover, die mit Wirkung zum 1. Januar 2007 in das
Niedersächsische Hochschulgesetz übernommen worden sind (NdsGVBl 2006 S. 538 - NHG -)
und - zum Teil - im Dezember 2013 geändert wurden (NdsGVBl S. 287).
I.
2
1. Die angegriffenen Vorschriften strukturieren die Verantwortung für die Leitung der
Medizinischen Hochschule Hannover. In Niedersachsen wurde diese Leitungsverantwortung in
der Universitätsmedizin vom Vertretungsorgan der Hochschulangehörigen, also dem
Fachbereichs- oder Fakultätsrat beziehungsweise dem Senat, seit 1998 zunehmend auf einen
Vorstand oder ein Präsidium als Leitungsorgan verlagert. Die Verfassungsbeschwerde richtet
sich gegen die nunmehr geltenden Regelungen der Bestellung, Neubestellung und Entlassung
des Vorstands nach § 63c Abs. 1 bis 6 NHG sowie gegen bestimmte Befugnisse des Vorstands
nach § 63e NHG, jeweils in der Fassung vom 26. Februar 2007 (NdsGVBl S. 69; zuletzt
geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2013, NdsGVBl S. 287).
3
2. Nach dem Niedersächsischen Hochschulgesetz in der Fassung vom 21. Januar 1994
(NdsGVBl S. 13 - NHG a.F. -) oblag dem Senat - und in der Universitätsmedizin nach § 121 Abs.
6 NHG a.F. dem Fachbereichsrat - die Entscheidung in allen die gesamte Hochschule oder den
Fachbereich betreffenden Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung. Der Senat konnte
neben dem Konzil, in dem die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer wie im Senat die
Mehrheit hatten, gemäß § 96 Abs. 1 NHG a.F. auch zu hochschulpolitischen Grundsatzfragen
Stellung nehmen. Die „insbesondere“ dem Senat vorbehaltenen Entscheidungen betrafen unter
anderem die Beschlussfassung über die Entwicklungsplanung, die Anmeldung des
Haushaltsbedarfs, die Errichtung, Änderung, Zusammenlegung und Aufhebung von
Einrichtungen der Hochschule einschließlich ihrer Organisationsstruktur und ihrer Aufgaben, die
Stellungnahme zu Berufungsvorschlägen und den Frauenförderplan. In der Universitätsmedizin
hatten die Hochschullehrenden nach den §§ 121 bis 125 NHG a.F. ebenfalls maßgeblichen
Einfluss, wohingegen der Vorstand die operative Verantwortung insbesondere für die
Krankenversorgung trug. So oblagen dem Fachbereichsrat alle wesentlichen, teils vom Vorstand
ausdrücklich nur vorzubereitenden Entscheidungen, wobei er die Krankenversorgung zu
berücksichtigen hatte und Entscheidungen des Vorstands beanstanden konnte, wenn sie
Forschung und Lehre nachteilig berührten; umgekehrt konnte der Vorstand Entscheidungen des
Fachbereichsrats beanstanden, wenn er die Krankenversorgung für beeinträchtigt hielt.
4
Grundsätzlich waren die Aufgaben des Leitungsorgans eingeschränkt. Das Präsidium oder
Rektorat nach § 86 Abs. 2 NHG a.F. oder der Vorstand des Klinikums nach § 123 NHG a.F.
waren für alle Angelegenheiten zuständig, die nicht einem anderen Organ übertragen waren. Im
Wesentlichen vertrat die Leitung die Hochschule nach außen und koordinierte die Arbeit nach
innen, sorgte also für das Zusammenwirken und die laufende Unterrichtung der Organe und
Gliederungen, der Mitglieder und Angehörigen der Hochschule, außerdem initiierte die Leitung
die erforderlichen Entscheidungsprozesse und wirkte auf die angemessene Berücksichtigung
der wesentlichen Belange hin. Nach § 86 Abs. 2 Satz 5 Nr. 1 NHG a.F. beziehungsweise § 123
Abs. 1 Nr. 8 NHG a.F. war die Leitung dafür zuständig, Vorschläge zur Entwicklungsplanung der
Hochschule auszuarbeiten.
5
Der Senat beziehungsweise der Fachbereichsrat hatten auf die Zusammensetzung der
Hochschul- oder Klinikumsleitung entscheidenden Einfluss. Rektor oder Rektorin wurden durch
das Konzil aufgrund eines Wahlvorschlags des Senats gewählt (§ 90 Abs. 2 Satz 1 NHG a.F.);
Prorektorinnen oder Prorektoren wurden vom Konzil auf Vorschlag von Rektor oder Rektorin
gewählt (§ 90 Abs. 3, § 89 Abs. 2 NHG a.F.). Die Ernennung des Kanzlers oder der Kanzlerin
erfolgte durch das Ministerium aufgrund eines Vorschlags der Hochschule (§ 92 Abs. 4 Satz 1
NHG a.F.), den der Senat auf der Grundlage eines Vorschlags der Hochschulleitung beschloss.
Falls eine Mehrheit nicht erreicht wurde, entschied der Senat auf Grund eines eigenen
Vorschlags (§ 92 Abs. 6 NHG a.F.). Die im Vorstand eines Klinikums entscheidenden
Vorsteherinnen oder Vorsteher klinischer Abteilungen, die auf Vorschlag des Fachbereichsrats -
bei der Medizinischen Hochschule Hannover damit auf Vorschlag des Senats - vom
Fachministerium bestellt waren, wurden von den Vorsteherinnen und Vorstehern aller
Abteilungen gewählt (§ 123 Abs. 3 NHG a.F.); die Medizinischen Zentren wurden von einem
nach Gruppen zusammengesetzten Vorstand, mit einer Mehrheit von fünf Hochschullehrenden,
geleitet (§ 124 Abs. 3 NHG a.F.).
6
3. Auf der Grundlage einer hochschulrechtlichen Experimentierklausel in § 125a NHG in der
Fassung vom 24. März 1998 (NdsGVBl 1998 S. 300; später § 46 NHG, NdsGVBl 2002 S. 286;
NdsGVBl 2004 S. 33) ermöglichte es der niedersächsische Gesetzgeber, die
Entscheidungsbefugnisse an den Hochschulen im Bereich Humanmedizin im Wege von
Verordnungen sukzessive umzugestalten, um neue Leitungsstrukturen zu testen. Die erste
Verordnung vom 16. Oktober 1998 (Verordnung zur Neuregelung von Aufgaben und
Organisation der Hochschulmedizin - HumanmedVO - NdsGVBl S. 670) wurde durch
Verordnungen vom 14. August 2001 (NdsGVBl S. 596) und vom 13. Januar 2003 (NdsGVBl S.
12) geringfügig geändert und dann mit der Verordnung vom 1. Dezember 2004 maßgeblich
anders gefasst (NdsGVBl S. 562). Im Jahre 2006 hat der niedersächsische Gesetzgeber die in
den Verordnungen experimentell erprobten neuen Leitungsstrukturen in das Niedersächsische
Hochschulgesetz übernommen, um die neuen Leitungsstrukturen endgültig festzuschreiben (vgl.
LTDrucks 15/2670, S. 61 f.).
7
4. Die Organisation der Universitätsmedizin muss zwei auch in der Verfassung verankerte
Aufgaben erfüllen: Wissenschaft und Krankenversorgung. Medizinische Hochschulen liegen
damit auf der Schnittstelle zwischen Wissenschafts- und Gesundheitssystem als Verbund von
Forschung und Lehre einerseits und der Krankenversorgung andererseits. So erbringen die
humanmedizinischen Einrichtungen in Niedersachsen „zusätzlich“ zur Wissenschaft (vgl. § 3
Abs. 5 NHG, § 1 Abs. 2 Grundordnung der Medizinischen Hochschule Hannover - GO MHH -)
Dienstleistungen im Rahmen des öffentlichen Gesundheitswesens, hochspezialisierte Aufgaben
der Krankenversorgung und Aufgaben in der Ausbildung von Angehörigen nicht-ärztlicher
Heilberufe.
8
Die Verbindung der beiden Bereiche - Wissenschaft und Krankenversorgung - ist bundesweit
nicht einheitlich organisiert (Wissenschaftsrat, Allgemeine Empfehlungen zur
Universitätsmedizin, 2007, S. 45 ff.): Im Kooperationsmodell arbeiten die Funktionsbereiche
(Medizinische Fakultät und Universitätsklinikum) getrennt, werden aber personell,
organisatorisch und sachlich verflochten und zur Zusammenarbeit verpflichtet; im
Integrationsmodell werden die Entscheidungsbefugnisse für Forschung, Lehre und
Krankenversorgung in einem Organ zusammengefasst. Niedersachsen hatte sich im Jahre 1998
mit der Humanmedizinverordnung für das Integrationsmodell entschieden. Dieses ist in der
Medizinischen Hochschule Hannover, der bislang einzigen nur medizinischen Hochschule
Deutschlands, besonders deutlich ausgeprägt, weil die Hochschulmedizin unabhängig von der
Universität zusammen mit dem Klinikum als eigene Hochschule etabliert ist
(Loos/Albrecht/Sander/Schliwen, in: EFI (Hrsg.), Forschung und Innovation in der
Universitätsmedizin, 2014, S. 88).
9
Die mehrfache Aufgabenstellung der Hochschulmedizin wirkt sich auch in finanzieller Hinsicht
aus. Das Zusammenspiel von Wissenschaft und Krankenversorgung führt dazu, dass Mittel für
Investitions- und Betriebskosten und für Forschung und Lehre voneinander unterschieden
werden müssen. In einigen Ländern ist deshalb der Universitätsmedizin eine getrennte
Haushaltsführung vorgegeben. Danach werden bei einer Organisation im Integrationsmodell die
jeweiligen Finanzmittel durch die Erstellung von Teilwirtschaftsplänen und gespaltene
Rechnungslegung oder Verwendungsnachweise regelmäßig getrennt (vgl. die gesetzliche
Verankerung der Trennungsrechnung in § 25 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2, § 24 Abs. 2 UniMedG
; § 17 Abs. 1 und 3, § 21 UKEG ; § 18 Abs. 2 und 3 UMG ;
§ 94 Abs. 3 und 5 ThürHG für die Hochschulmedizin nach dem Integrationsmodell; vgl. für die
Hochschulmedizin nach dem Kooperationsmodell Art. 5 Abs. 2 Satz 2, Art. 12 Satz 2
BayUniKlinG). Eine solche Vorgabe gibt es in Niedersachen nicht.
10
5. Die Medizinische Hochschule Hannover steht als Hochschule in Trägerschaft des Staates in
staatlicher Verantwortung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 NHG). Das zuständige Fachministerium trifft mit der
Medizinischen Hochschule Hannover aufgrund der Landeshochschulplanung und der
universitären Entwicklungsplanung Zielvereinbarungen, die alle wesentlichen Fragen der
Forschung und Lehre meist für mehrere Jahre regeln (§ 1 Abs. 3 Satz 1 und 4 NHG). In
Angelegenheiten der Selbstverwaltung unterliegt die Medizinische Hochschule Hannover der
Rechtsaufsicht und in staatlichen Angelegenheiten der Fachaufsicht des Fachministeriums.
Staatliche Angelegenheiten (§ 47 NHG) sind unter anderem die Personalverwaltung und die
Bewirtschaftung der den Hochschulen zugewiesenen Landesmittel sowie die
Krankenversorgung und andere Aufgaben auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens.
Das Fachministerium kann dazu jederzeit Auskunft verlangen, ein zentrales Organ der
Hochschule zur Pflichterfüllung anhalten und erforderlichenfalls die notwendigen Maßnahmen
an seiner Stelle treffen (§ 51 Abs. 1 NHG).
11
6. a) Die Entscheidungsbefugnisse innerhalb der Medizinischen Hochschule Hannover wurden
mit der Humanmedizinverordnung 1998 und dann mit den hier angegriffenen gesetzlichen
Regelungen vom Senat weitgehend auf einen dreiköpfigen Vorstand übertragen. Der Senat ist
wie zuvor für die Beschlussfassung über die Ordnungen der Hochschule, insbesondere auch die
Grundordnung, zuständig (§ 41 Abs. 1 NHG in der Fassung vom 26. Februar 2007, NdsGVBl
S. 69, zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2013, NdsGVBl S. 287) und beschließt -
im Einvernehmen mit dem Vorstand - die Grundzüge der Entwicklungsplanung sowie den
Gleichstellungsplan (§ 41 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 63e Abs. 2 Nr. 1 NHG); die tatsächliche
Entwicklungsplanung wird vom Vorstand allein beschlossen (§ 63e Abs. 2 Nr. 2 NHG). Ihm steht
daneben auch das Vorschlagsrecht für die Berufung von Professorinnen und Professoren (§ 26
Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 2 NHG) und die Beschlussfassung über den vom Präsidium
eingebrachten Wirtschafts- oder Haushaltsplan des Körperschaftsvermögens (§ 50 Abs. 2 Satz 2
NHG) zu. Er nimmt nach § 41 Abs. 2 Satz 2 NHG zu allen Selbstverwaltungsangelegenheiten
von grundsätzlicher Bedeutung Stellung. Der Senat hat gegenüber dem Vorstand ein
umfassendes Informationsrecht (§ 41 Abs. 3 Satz 1 NHG); der Vorstand ist dem Senat in
Selbstverwaltungsangelegenheiten rechenschaftspflichtig (§ 41 Abs. 2 Satz 3 NHG). An
weiteren Entscheidungen des Vorstands (Entscheidungen betreffend die Errichtung, Änderung,
Zusammenlegung und Aufhebung von Organisationseinheiten sowie die Festlegung ihrer
Aufgaben und Organisationsstrukturen, der Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan und dem
Abschluss einer Zielvereinbarung) ist der Senat in unterschiedlichem Maß (durch Benehmen,
Gelegenheit zur Stellungnahme und Anhörung) beteiligt.
12
Die zentrale Regelung des § 41 NHG über den Senat lautet:
§ 41 NHG
Senat
(1) 1 Der Senat beschließt die Ordnungen der Hochschule, soweit diese Zuständigkeit nicht
nach diesem Gesetz oder der Grundordnung der Fakultät oder einem anderen Organ
zugewiesen ist. 2 Für fakultätsübergreifende Studiengänge kann er Prüfungsordnungen
beschließen. 3 Er beschließt die Grundordnung und ihre Änderungen mit einer Mehrheit von
zwei Dritteln seiner Mitglieder. 4 Die Grundordnung und ihre Änderungen bedürfen der
Genehmigung.
(2) 1 Der Senat beschließt die Entwicklungsplanung nach § 1 Abs. 3 Satz 2 sowie den
Gleichstellungsplan im Einvernehmen mit dem Präsidium. 2 Er nimmt zu allen
Selbstverwaltungsangelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung Stellung, insbesondere zur
Errichtung, Änderung und Aufhebung von Fakultäten sowie zur Einführung, wesentlichen
Änderung und Schließung von Studiengängen. 3 Das Präsidium ist in allen Angelegenheiten
der Selbstverwaltung in seiner Entscheidungszuständigkeit dem Senat rechenschaftspflichtig.
4 Dazu gehören insbesondere Maßnahmen im Sinne von § 17 Abs. 2 Satz 1.
(3) 1 Der Senat hat gegenüber dem Präsidium ein umfassendes Informationsrecht. 2 Ihm ist
rechtzeitig vor einem Beschluss über den Wirtschaftsplan und vor Abschluss einer
Zielvereinbarung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(4) 1 Dem Senat gehören 13 Mitglieder mit Stimmrecht an. 2 Nach Maßgabe der Grundordnung
können dem Senat in einer Hochschule
1. mit bis zu 100 Planstellen für Professorenämter bis zu 19,
2. mit 101 bis 200 Planstellen für Professorenämter bis zu 25,
3. mit mehr als 200 Planstellen für Professorenämter bis zu 31
Mitglieder mit Stimmrecht angehören. 3 Sie werden nach Gruppen direkt gewählt. 4 Die
Präsidentin oder der Präsident führt ohne Stimmrecht den Vorsitz. 5 Bei der Entscheidung in
Angelegenheiten, die die Bewertung der Lehre betreffen, werden die Stimmen der Mitglieder der
Studierendengruppe doppelt gezählt; in diesen Angelegenheiten haben die Mitglieder der MTV-
Gruppe kein Stimmrecht.
13
b) Der Vorstand der Medizinischen Hochschule Hannover bildet, bedingt durch ihren Status als
eigenständige Hochschule, zugleich deren Präsidium. Der Vorstand besteht aus einem Mitglied
mit Zuständigkeit für das Ressort Forschung und Lehre (§ 63b Satz 4 Nr. 1 NHG), das zugleich
Präsident oder Präsidentin ist, einem Mitglied mit Zuständigkeit für das Ressort
Krankenversorgung (§ 63b Satz 4 Nr. 2 NHG) und einem Mitglied für das Ressort
Wirtschaftsführung und Administration (§ 63b Satz 4 Nr. 3 NHG). Die Vorstandsmitglieder sind
hauptberuflich tätig und werden für die Dauer von bis zu sechs Jahren durch das
Fachministerium bestellt.
14
Neben dem Vorstand und dem Senat ist an der Leitung der Hochschule der in Niedersachsen
mehrheitlich extern besetzte Hochschulrat (§ 52 NHG) beteiligt. Von seinen sieben Mitgliedern
sind fünf keine Hochschulangehörigen. Sie werden im Einvernehmen mit dem Senat vom
Fachministerium bestellt. Im Hochschulrat sind daneben der Senat der Hochschule sowie das
Fachministerium vertreten (§ 52 Abs. 2 NHG). Ein weiteres Organ der Medizinischen
Hochschule Hannover ist die Klinikkonferenz, die das Vorstandsmitglied für Krankenversorgung
berät (§ 63g NHG).
15
Die Konstitution des Vorstands richtet sich nach § 63c NHG, der mit Gesetz vom 11. Dezember
2013 modifiziert worden ist. Der Hochschulrat richtet zur Vorbereitung des Vorschlags für die
Bestellung der Vorstandsmitglieder Findungskommissionen mit zehn bis zwölf Mitgliedern ein
(Anlage 1 zu § 63c Abs. 2 Satz 1 NHG). Dies sind immer die jeweils anderen beiden Mitglieder
des Vorstands, zwei (für die Vorstandsmitglieder nach § 63b Satz 4 Nr. 2 NHG -
Krankenversorgung - und Nr. 3 - Wirtschaftsführung -) oder drei (für das Vorstandsmitglied nach
§ 63b Satz 4 Nr. 1 NHG - Forschung und Lehre -) Mitglieder des Hochschulrats, das
Fachministerium (ohne Stimmrecht) und die Gleichstellungsbeauftragte. Die Beteiligung des
Senats an der Findung unterscheidet sich je nach Vorstandsposition: In die
Findungskommission für die Präsidentin oder den Präsidenten entsendet der Senat drei, in die
Findungskommission für das Vorstandsmitglied für Wirtschaftsführung und Administration zwei
seiner Mitglieder; in der Findungskommission für das Vorstandsmitglied für Krankenversorgung
ist der Senat nicht vertreten. Bei diesen weiteren Mitgliedern des Vorstands werden die
Klinikkonferenz und der Pflegedienst beteiligt.
16
Auf die Findung folgt der Vorschlag zur Bestellung des Vorstands. Auch an dieser ist der Senat
in unterschiedlicher Weise beteiligt. Seit der Änderung durch das Gesetz vom 11. Dezember
2013 hat er das Recht, das Vorstandsmitglied für das Ressort Forschung und Lehre zur
Bestellung vorzuschlagen. Dieser Vorschlag bedarf nicht mehr des Einvernehmens mit dem
Hochschulrat, der nach § 63c Abs. 3 NHG nur noch Gelegenheit zur Stellungnahme erhält. Bei
der Bestellung der übrigen Vorstandsmitglieder ist dem Senat, der zuvor nicht beteiligt war,
Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Letztentscheidungsrecht bleibt beim
Fachministerium, das die Bestellung auch versagen kann (§ 63c Abs. 1 Satz 2 NHG).
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Die erneute Bestellung des Vorstandsmitglieds für Forschung und Lehre für weitere Amtszeiten
ohne Ausschreibung soll nach § 63c Abs. 4 NHG durch das Fachministerium auf Vorschlag des
Senats erfolgen und nicht mehr auf Vorschlag des Hochschulrats, der nur noch Gelegenheit zur
Stellungnahme erhält. Ein Recht zur Stellungnahme hat nun der Senat bei der erneuten
Bestellung der anderen Vorstandsmitglieder ohne Ausschreibung.
18
Die Beteiligung des Senats an der Entlassung des Vorstands durch das Fachministerium ist
ebenfalls gestaffelt. Die Entlassung des Vorstandsmitglieds für das Ressort Forschung und
Lehre soll nach § 63c Abs. 5 NHG bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auf mit
Dreiviertelmehrheit beschlossenen Vorschlag des Senats erfolgen. Das Vorschlagsrecht lag
früher beim Hochschulrat. Heute muss der Hochschulrat den Vorschlag bestätigen, doch
entscheidet der Senat, wenn die Bestätigung verweigert wird und eine Einigung scheitert. Der
Senat hat nach § 63c Abs. 6 NHG nunmehr auch Gelegenheit zur Stellungnahme bei der
Entlassung der übrigen Vorstandsmitglieder. § 63c NHG lautet in der aktuell geltenden Fassung:
§ 63 c
Bestellung und Entlassung der Vorstandsmitglieder der Medizinischen Hochschule Hannover
(1) 1 Die Vorstandsmitglieder werden durch das Fachministerium bestellt. 2 Wird die Bestellung
versagt, so ist eine andere Person vorzuschlagen. 3 Mit den Vorstandsmitgliedern ist zu
vereinbaren, dass Tätigkeiten, die geeignet sind, die Aufgaben des Vorstands zu
beeinträchtigen, nicht ausgeübt werden dürfen.
(2) 1 Zur Vorbereitung des Vorschlags für die Bestellung eines Vorstandsmitglieds richtet der
Hochschulrat eine Findungskommission ein, deren Zusammensetzung sich aus der Anlage 1
ergibt; soweit für die Mitglieder der Findungskommission eine Wahl vorgesehen ist, wird das
Nähere dazu in der Grundordnung bestimmt. 2 Das Vorstandsmitglied, dessen Nachfolge
vorbereitet wird, und Personen, die sich um die Mitgliedschaft im Vorstand beworben haben,
dürfen in der Findungskommission nicht mitwirken. 3 Die Mitglieder der Findungskommission
sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. 4 Die Findungskommission fasst ihre Beschlüsse mit
einfacher Mehrheit.
(3) 1 Die Bestellung des Vorstandsmitglieds nach § 63 b Satz 4 Nr. 1 erfolgt auf Vorschlag des
Senats; dem Hochschulrat ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 2 Die Bestellung der
übrigen Vorstandsmitglieder erfolgt auf Vorschlag des Hochschulrats im Einvernehmen mit dem
Vorstandsmitglied nach § 63 b Satz 4 Nr. 1; dem Senat ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu
geben. 3 Das Vorstandsmitglied, dessen Nachfolge vorbereitet wird, und Personen, die sich um
die Mitgliedschaft im Vorstand beworben haben, dürfen an dem Vorschlag nicht mitwirken.
(4) 1 Auf Vorschlag des Senats kann das Fachministerium das Vorstandsmitglied nach § 63 b
Satz 4 Nr. 1 ohne Ausschreibung für weitere Amtszeiten von jeweils bis zu sechs Jahren
bestellen; dem Hochschulrat ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 2 Auf Vorschlag des
Vorstands, zu dem der Hochschulrat sein Einvernehmen erklärt hat, kann das Fachministerium
das Vorstandsmitglied nach § 63 b Satz 4 Nr. 2 oder 3 ohne Ausschreibung für weitere
Amtszeiten von jeweils bis zu sechs Jahren bestellen; dem Senat ist Gelegenheit zur
Stellungnahme zu geben. 3 Absatz 3 Satz 3 gilt entsprechend.
(5) 1 Das Fachministerium soll das Vorstandsmitglied nach § 63 b Satz 4 Nr. 1 auf Vorschlag des
Senats bei Vorliegen eines wichtigen Grundes entlassen. 2 Der Vorschlag bedarf der Mehrheit
von drei Vierteln der Mitglieder des Senats und der Bestätigung des Hochschulrats. 3 Bestätigt
der Hochschulrat den Vorschlag des Senats nicht, so unternimmt der Senat einen
Einigungsversuch in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Hochschulrat. 4 Kommt eine Einigung
nicht zustande, so entscheidet der Senat mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Mitglieder
abschließend über den Vorschlag.
(6) 1 Das Fachministerium kann ein Vorstandsmitglied nach § 63 b Satz 4 Nr. 2 oder 3 auf
Vorschlag des Vorstands entlassen; Absatz 3 Satz 3 gilt entsprechend. 2 Der Vorschlag des
Vorstands bedarf des Einvernehmens des Hochschulrats; es müssen mindestens fünf
stimmberechtigte Mitglieder für die Erteilung des Einvernehmens gestimmt haben. 3 Dem Senat
ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
(7) 1 Ein nach Absatz 5 entlassenes Vorstandsmitglied hat nach Ablauf des Monats der
Entlassung einen Anspruch auf Zahlung der anteiligen Jahresgrundvergütung für die Dauer von
weiteren sechs Monaten. 2 Der Anspruch mindert sich um das in dieser Zeit von dem
ehemaligen Vorstandsmitglied erzielte steuerpflichtige Einkommen aus einer beruflichen
Tätigkeit.
19
c) Der Vorstand hat nach § 63e NHG umfassende Entscheidungsbefugnisse. Es handelt sich
sowohl um Befugnisse des Gesamtvorstands als auch um Einzelbefugnisse der drei
Vorstandsmitglieder. Die angegriffenen Regelungen zu den Befugnissen des Gesamtvorstands
betreffen die Zuständigkeiten des Gesamtvorstands für die Entwicklungsplanung (§ 63e Abs. 2
Nr. 2 NHG), die Errichtung, Änderung, Zusammenlegung und Aufhebung von
Organisationseinheiten sowie die Festlegung ihrer Aufgaben und Organisationsstrukturen (§ 63e
Abs. 2 Nr. 3 NHG) jeweils im Benehmen mit dem Senat (§ 63e Abs. 3 Satz 1 NHG), ferner die
Zuständigkeiten für die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan (§ 63e Abs. 2 Nr. 5 NHG)
nach Anhörung des Senats (§ 63e Abs. 3 Satz 3 NHG), für die Aufteilung der Sach-, Investitions-
und Personalbudgets auf die Organisationseinheiten (§ 63e Abs. 2 Nr. 10 NHG) und für die
Bereitstellung von Mitteln für zentrale Lehr- und Forschungsfonds (§ 63e Abs. 2 Nr. 11 NHG). Die
angegriffenen Regelungen über alleinige Befugnisse des Vorstandsmitglieds für Forschung und
Lehre betreffen die Organisation und Weiterentwicklung von Forschung und Lehre (§ 63e Abs. 4
Nr. 1 NHG), nur bei grundsätzlicher Bedeutung, einschließlich der Bildung von Schwerpunkten,
im Benehmen mit dem Senat (§ 63e Abs. 4 Satz 2 NHG), sowie die Aufteilung der Ressourcen
für die Forschung und die Lehre (§ 63e Abs. 4 Nr. 2 und Nr. 4 NHG), jeweils im Benehmen mit
dem Senat (§ 63e Abs. 4 Satz 2 NHG). § 63e NHG lautet:
§ 63 e
Aufgaben und Befugnisse des Vorstands und der Vorstandsmitglieder
(1) 1 Der Vorstand ist für alle Angelegenheiten der humanmedizinischen Einrichtung zuständig
und hat die dienstrechtlichen Befugnisse für das Hochschulpersonal inne. 2 Satz 1 gilt nicht,
soweit durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist. 3 An der Universität Göttingen vertritt die
Sprecherin oder der Sprecher des Vorstands die Universität in Angelegenheiten der
Universitätsmedizin nach außen. 4 Das Vorstandsmitglied nach § 63 b Satz 4 Nr. 1 der
Medizinischen Hochschule Hannover führt den Vorsitz im Senat ohne Stimmrecht und nimmt
zugleich mit einer Studiendekanin oder einem Studiendekan gemeinsam die Aufgaben eines
Dekanats wahr. 5 Das Vorstandsmitglied nach § 63 b Satz 4 Nr. 1 der Universität Göttingen ist
zugleich Dekanin oder Dekan der Medizinischen Fakultät.
(2) Vorstandsangelegenheiten sind die Aufgaben des Vorstands, die nicht nach den Absätzen 4
bis 6 einem einzelnen Vorstandsmitglied übertragen sind, insbesondere
1. die Erteilung des Einvernehmens zu dem jeweiligen Beschluss des Senats bei der
Medizinischen Hochschule Hannover oder des Fakultätsrats bei der Universitätsmedizin
Göttingen über die Grundzüge der Entwicklungsplanung und den Gleichstellungsplan,
2. die Beschlussfassung über die Entwicklungsplanung,
3. die Errichtung, Änderung, Zusammenlegung und Aufhebung von Organisationseinheiten
sowie die Festlegung ihrer Aufgaben und Organisationsstrukturen,
4. der Abschluss einer Zielvereinbarung,
5. die Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan,
6. die Beschlussfassung über den Jahresabschluss,
7. das strategische Controlling,
8. die Raum-, Investitions- und Geräteplanung,
9. der Abschluss von Pflegesatz- und sonstigen Vereinbarungen mit den Kostenträgern,
10. die Aufteilung der Sach-, Investitions- und Personalbudgets auf die Organisationseinheiten,
11. die Bereitstellung von Mitteln für einen zentralen Lehr- und einen zentralen Forschungsfonds,
12. die abschließende Entscheidung über Berufungsvorschläge des Fakultätsrats,
13. die Bestellung der Direktorinnen und Direktoren der Abteilungen sowie der Leiterinnen und
Leiter der sonstigen Organisationseinheiten,
14. die Führung der Berufungs- und Bleibeverhandlungen mit Professorinnen und Professoren,
soweit die Sach-, Investitions- und Personalausstattung betroffen ist, einschließlich des
Abschlusses von außertariflichen Angestelltenverträgen mit Professorinnen und Professoren, die
ärztliche Aufgaben wahrnehmen, sowie die sich daraus ergebenden Vertragsangelegenheiten,
15. die Genehmigung von Ordnungen, soweit eine andere Zuständigkeit nicht gegeben ist, und
16. sonstige ressortübergreifende Entscheidungen.
(3) 1 Entscheidungen nach Absatz 2 Nr. 3 sind bei der Medizinischen Hochschule Hannover im
Benehmen mit dem Senat und bei der Universitätsmedizin Göttingen im Benehmen mit dem
Fakultätsrat sowie, soweit die Krankenversorgung betroffen ist, auch im Benehmen mit der
jeweiligen Klinikkonferenz zu treffen. 2 Der Vorstand gibt vor Abschluss einer Zielvereinbarung
bei der Medizinischen Hochschule Hannover dem Senat und bei der Universitätsmedizin
Göttingen dem Fakultätsrat Gelegenheit zur Stellungnahme; über den Abschluss einer
Zielvereinbarung nach § 1 Abs. 3 informiert er die jeweilige Klinikkonferenz. 3 Vor der
Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan sind bei der Medizinischen Hochschule Hannover
der Senat und bei der Universitätsmedizin Göttingen der Fakultätsrat sowie die jeweilige
Klinikkonferenz zu hören.
(4) 1 Zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds nach § 63 b Satz 4 Nr. 1 gehören
1. die Organisation und Weiterentwicklung von Forschung und Lehre,
2. die Aufteilung der für die Forschung bestimmten Ressourcen,
3. die Evaluation der Forschung,
4. die Aufteilung der für die Lehre bestimmten Ressourcen,
5. die Evaluation der Lehre und
6. die Kooperation mit akademischen Lehrkrankenhäusern.
2 Entscheidungen nach Satz 1 Nr. 1 von grundsätzlicher Bedeutung einschließlich der Bildung
von Schwerpunkten sowie Entscheidungen und Maßnahmen nach Satz 1 Nrn. 2 bis 5 sind bei
der Medizinischen Hochschule Hannover im Benehmen mit dem Senat und bei der
Universitätsmedizin Göttingen im Benehmen mit dem Fakultätsrat zu treffen.
(5) 1 Zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds nach § 63 b Satz 4 Nr. 2 gehören
1. die Organisation der Krankenversorgung einschließlich der Leistungsplanung, der
Entscheidungen über die Bettenstruktur und der Qualitätssicherung,
2. die Aufteilung der für die Krankenversorgung vorgesehenen Ressourcen,
3. die Sicherstellung der Aus-, Fort- und Weiterbildung des in der Krankenversorgung
eingesetzten Personals und
4. die Organisation der Schulen für Fachberufe des Gesundheitswesens.
2 Entscheidungen nach Satz 1 Nr. 1 werden im Benehmen mit der Pflegedienstleitung und der
jeweiligen Direktorin oder dem jeweiligen Direktor der klinischen Abteilung getroffen.
3 Entscheidungen nach Satz 1 Nr. 2 werden im Benehmen mit der Klinikkonferenz getroffen.
(6) 1 Zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds nach § 63 b Satz 4 Nr. 3 gehören
1. die Leitung der Verwaltung der humanmedizinischen Einrichtung,
2. die betriebswirtschaftliche Unternehmensplanung und Unternehmensführung,
3. die Geräte-, Bau- und Liegenschaftsangelegenheiten,
4. die Personalverwaltung und Personalentwicklung und
5. die Wahrung der Ordnung und die Ausübung des Hausrechts sowie das betriebliche
Sozialwesen, die Arbeitssicherheit und der Umweltschutz.
2 Das Vorstandsmitglied nach § 63 b Satz 4 Nr. 3 ist Beauftragte oder Beauftragter für den
Haushalt, auch in Angelegenheiten der anderen Ressorts.
(7) 1 Die Vorstandsmitglieder können an den Sitzungen der Organe, der Gremien und der
Kommissionen der Hochschule beratend teilnehmen, soweit eine Aufgabe der
humanmedizinischen Einrichtung betroffen ist. 2 Satz 1 gilt nicht in Bezug auf
Prüfungskommissionen.
20
d) Der Vorstand fasst seine Beschlüsse einstimmig (§ 63f Abs. 1 Satz 1 NHG). Kommt ein
Beschluss nicht zustande, so genügt bei einer nochmaligen Abstimmung die einfache Mehrheit
(§ 63f Abs. 1 Satz 2 NHG). Nach dem durch das Gesetz vom 11. Dezember 2013 geänderten
§ 63f Abs. 1 Satz 3 NHG erhält das Vorstandsmitglied für das Ressort Forschung und Lehre bei
allen Beschlüssen, „die die Bereiche von Forschung und Lehre besonders berühren“, ein
Vetorecht. Das Vorstandsmitglied für Wirtschaftsführung und Administration hat nach dem durch
das Gesetz vom 11. Dezember 2013 neu in § 63f Abs. 1 NHG eingefügten Satz 4 ein solches
Vetorecht in Angelegenheiten, „die den Bereich der Wirtschaftsführung besonders berühren“.
§ 63f NHG lautet in dieser Fassung:
§ 63 f
Verfahren im Vorstand
(1) 1 Der Vorstand fasst seine Beschlüsse in Vorstandsangelegenheiten nach § 63 e Abs. 2
einstimmig. 2 Kommt ein Beschluss nach Satz 1 nicht zustande, so genügt bei einer
nochmaligen Abstimmung die einfache Mehrheit. 3 Beschlüsse in Angelegenheiten, die die
Bereiche von Forschung und Lehre besonders berühren, insbesondere in Angelegenheiten nach
§ 63 e Abs. 2 Nrn. 2, 4 und 10 bis 15, kommen gegen die Stimme des Vorstandsmitglieds nach
§ 63 b Satz 4 Nr. 1 nicht zustande. 4 Beschlüsse in Angelegenheiten, die den Bereich der
Wirtschaftsführung besonders berühren, insbesondere in Angelegenheiten nach § 63 e Abs. 2
Nrn. 3, 5 bis 8, 11 und 14, kommen gegen die Stimme des Vorstandsmitglieds nach § 63 b Satz
4 Nr. 3 nicht zustande.
(2) 1 Der Vorstand gibt sich eine Geschäftsordnung. 2 Darin ist auch die Vertretung der
Vorstandsmitglieder zu regeln. 3 Die Vorstandsmitglieder dürfen sich untereinander nicht
vertreten.
II.
21
Der Beschwerdeführer ist Hochschullehrer und Mitglied des Senats der Medizinischen
Hochschule Hannover. Er wendet sich gegen die Regelungen über die Bestellung und
Entlassung des Vorstands (§ 63c NHG) sowie gegen die Regelungen über die dem Vorstand
übertragenen Aufgaben und Befugnisse (§ 63e NHG). Er rügt eine Verletzung seiner
Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und eine Verletzung von Art. 19 Abs. 1 Satz 1
GG.
22
1. Der Beschwerdeführer hatte bereits 2003 gegen die damalige Humanmedizinverordnung den
Verwaltungsrechtsweg beschritten und vergeblich um Eilrechtsschutz nachgesucht. Das
Hauptsacheverfahren wurde nach Übernahme der Vorschriften in das Niedersächsische
Hochschulgesetz und Außerkrafttreten der relevanten Verordnung übereinstimmend für erledigt
erklärt und eingestellt.
23
In einem weiteren, beim Landgericht Hannover anhängigen Verfahren geht es um die
Verlängerung der Amtszeit des Vorstandsmitglieds für das Ressort Wirtschaftsführung und
Administration. Auf übereinstimmenden Antrag der Parteien hat das Landgericht das Ruhen des
Verfahrens bis zum Abschluss des Verfassungsbeschwerdeverfahrens angeordnet.
24
2. a) Der Beschwerdeführer hält die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Gesetz für
zulässig. Durch die angegriffenen Regelungen sei er selbst, gegenwärtig und auch unmittelbar
in seiner Wissenschaftsfreiheit betroffen. Die Regelungen bedürften keines besonderen
Vollzugsaktes, denn sie regelten unmittelbar die Struktur und Organisation der Medizinischen
Hochschule Hannover. Bei Grundrechtsschutz gegenüber Organisationsnormen sei nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die durch eine wissenschaftsinadäquate
Organisation bewirkte Grundrechtsgefährdung entscheidend. Da das Grundrecht aus Art. 5 Abs.
3 Satz 1 GG nur durch die personelle Einbindung in den Wissenschaftsbetrieb der Hochschule
wirksam genutzt werden könne, hänge die Verwirklichung des Grundrechts unmittelbar von der
Organisation dieses Betriebs ab.
25
b) Die Verfassungsbeschwerde sei begründet. Die Entscheidungskompetenz des Vorstands der
Medizinischen Hochschule Hannover gefährde die Wissenschaftsfreiheit mangels
ausreichender inhaltlicher Begrenzung und organisatorischer Absicherung strukturell.
26
aa) Die Bestellung und Entlassung der Vorstandsmitglieder sei mit Blick auf die ihnen
übertragenen Befugnisse zumindest mittelbar wissenschaftsrelevant. Dafür sei der Einfluss der
Hochschule über den Senat als einzigem Kollegialorgan mit einer Mehrheit der
Hochschullehrenden zu schwach. Die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer als Träger
des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit hätten insbesondere in den Findungskommissionen
keinen wesentlichen Einfluss auf den Bestellungsvorschlag. Das Letztentscheidungsrecht des
Fachministeriums werde dadurch noch verstärkt. Insgesamt begründe das strukturelle
Übergewicht des Hochschulrats gemeinsam mit dem Fachministerium eine konkrete Gefahr von
Blockaden.
27
Dieses Übergewicht werde auch nicht durch anderweitige Einfluss- oder Kontrollmöglichkeiten
ausbalanciert. Auch nach der Neufassung von § 63c Abs. 5 NHG erfolge die Entlassung des
Vorstandsmitglieds für Forschung und Lehre bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auf
Vorschlag von drei Vierteln der Mitglieder des Senats. Vorausgesetzt werde damit, dass das
Vorstandsmitglied eine schwerwiegende Pflichtverletzung begehe und dadurch das
Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten (Senat, Hochschulrat, Vorstandsmitgliedern)
zerstört sei. Der Senat habe damit nicht mehr die Möglichkeit, sich selbstbestimmt von einem von
ihm nicht mehr als Leitungsorgan akzeptierten Vorstandsmitglied für das Ressort Forschung und
Lehre zu trennen.
28
Auch die Regelungen zur Entlassung der anderen Vorstandsmitglieder verletzten weiterhin
Verfassungsrecht, denn der Senat habe nunmehr zwar ein Stellungnahmerecht zu dem
Vorschlag des Vorstands für Forschung und Lehre zur Entlassung eines anderen
Vorstandsmitglieds. Das schaffe aber keinen maßgeblichen Einfluss des Senats.
29
bb) Die Befugnisse des Vorstands seien mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht vereinbar. So berühre
die Entwicklungsplanung, die der Vorstand beschließe und die gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 NHG
die Entwicklungs- und Leistungsziele in den Grundzügen bestimme, unmittelbar Forschung und
Lehre. Es sei jedoch keine Beteiligung des Senats an der Beschlussfassung vorgesehen. Auch
Entscheidungen über Organisationseinheiten sowie Organisationsstrukturen berührten
Forschung und Lehre unmittelbar; mit dem Benehmen fehle ein entscheidender Einfluss des
Senats. Der Wirtschaftsplan betreffe unmittelbar wissenschaftsrelevante Angelegenheiten, der
Senat sei vor der Beschlussfassung aber lediglich zu hören. Die Befugnis zur Aufteilung der
Budgets auf die Organisationseinheiten sei zumindest mittelbar wissenschaftsrelevant, der
Senat jedoch nicht beteiligt. Dies gelte auch für die Entscheidung über die Bereitstellung der
zentralen Lehr- und Forschungsfonds.
30
Auch die alleinige Zuständigkeit des Vorstandsmitglieds für das Ressort Forschung und Lehre
für die Organisation und Weiterentwicklung von Forschung und Lehre sowie die Aufteilung der
für die Forschung und der für die Lehre bestimmten Ressourcen genüge nur mit dem Benehmen
des Senats nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Unter Berücksichtigung des
hochschulorganisatorischen Gesamtgefüges genügten die Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten
für die Hochschullehrenden also nicht, um die Wissenschaftsfreiheit strukturell zu sichern.
31
cc) Die angegriffenen Bestimmungen verletzten ferner das verfassungsrechtliche Verbot des
Einzelfallgesetzes aus Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG. Auch unter Berücksichtigung der
Gesetzgebungsgeschichte, insbesondere der Experimentierklausel, sei nicht nachzuvollziehen,
weshalb bei der Medizinischen Hochschule Hannover der Einfluss der Hochschullehrenden
noch stärker eingeschränkt worden sei als bei den anderen Hochschulen, während zugleich das
Leitungsorgan Vorstand im Vergleich zum Präsidium der anderen Hochschulen gestärkt worden
sei.
32
3. Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2014 hat der Beschwerdeführer zudem die mit Gesetz vom 11.
Dezember 2013 geänderten Regelungen des § 63c Abs. 3 bis 6 NHG angegriffen. Die
Neuregelung beseitige die Verletzung seines Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht,
sondern setze diese fort.
III.
33
Zur Verfassungsbeschwerde haben die Niedersächsische Staatskanzlei, das
Bundesverwaltungsgericht, der Senat der Medizinischen Hochschule Hannover, der Deutsche
Hochschulverband, der Verband Hochschule und Wissenschaft, der Allgemeine
Studierendenausschuss der Medizinischen Hochschule Hannover und der freie
zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) e.V. Stellung genommen.
34
1. Die Niedersächsische Staatskanzlei hat keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit
der angegriffenen Normen.
35
Die Verfassungsbeschwerde sei teilweise unzulässig, jedenfalls aber insgesamt unbegründet.
Im besonderen Bereich der Hochschulmedizin sei Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG mit dem Grundrecht
aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, das im Rahmen der Krankenversorgung Geltung beanspruche, in
praktische Konkordanz zu bringen, weshalb der durch die Freiheit der Forschung und Lehre
vermittelte Schutz der Partizipationsrechte schwächer ausfalle als in anderen
Hochschulbereichen. Der Einfluss des Senats sei mit der Neuregelung 2013 gestärkt worden.
Bei einer Gesamtschau ergebe sich keine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit.
36
2. Der für das Hochschulrecht zuständige 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat mitgeteilt,
dass er mit den umstrittenen Rechtsvorschriften bisher nicht befasst gewesen sei und damit
zusammenhängende Rechtsfragen nicht anstünden. Allerdings habe der 2. Senat in seinem
Urteil vom 26. November 2009 (BVerwGE 135, 286) die Verfassungsgemäßheit des
Stiftungsmodells der §§ 55 ff. NHG bejaht, welches auf Vorschriften beruhe, die Ähnlichkeiten
mit den hier angegriffenen Bestimmungen der § 63c und § 63e NHG aufwiesen. Auch die
schwächeren Formen einer Beteiligung des Senats wie die Stellungnahme oder die Anhörung
könnten gegebenenfalls verfassungskonform ausgelegt werden, dass ihnen eine schützende
Wirkung zugunsten des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zukomme.
37
Die Organisation der Krankenversorgung unterliege nicht ohne Weiteres den
verfassungsrechtlichen Garantien aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG, da sie als Zusatzaufgabe neben
Forschung und Lehre trete. Dass der Landesgesetzgeber den Ausgleich zwischen diesen
Aufgaben verfehlt habe, liege jedenfalls nicht auf der Hand.
38
3. Der Senat und der Allgemeine Studierendenausschuss der Medizinischen Hochschule
Hannover sowie der freie zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs) e.V. folgen im
Wesentlichen den Ausführungen in der Verfassungsbeschwerde. Sie rügen darüber hinaus
insbesondere die fehlende Beteiligung der Studierenden bei der Konstitution des Vorstands. Als
zentrales Gremium der Selbstverwaltung, das alle Hochschulmitglieder repräsentiere, müsse der
Senat neben dem Präsidium das zentrale Hochschulorgan bleiben.
39
4. Der Deutsche Hochschulverband und der Verband Hochschule und Wissenschaft schließen
sich den Ausführungen des Beschwerdeführers an. Das Gesamtgefüge der
Hochschulverfassung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes weise den Leitungsorganen
der Medizinischen Hochschule Hannover kaum eingeschränkte, substantielle, personelle und
sachliche Entscheidungsbefugnisse im wissenschaftsrelevanten Bereich zu, die im Gegenzug
nicht durch hinreichende Partizipationsrechte der Grundrechtsberechtigten, namentlich der mit
einer Mehrheit der Hochschullehrenden besetzten Vertretungsorgane, ausgeglichen würden.
Problematisch sei insbesondere die dominierende Rolle des mehrheitlich hochschulextern
besetzten Hochschulrats und die unzureichende Beteiligung der Hochschullehrenden an der
Wahl und Entlassung der Vorstandsmitglieder für die Ressorts Krankenversorgung sowie
Wirtschaftsführung und Administration. Ein besonderes Merkmal der Hochschulmedizin sei die
patientenbezogene klinische Forschung, weshalb auch diese Ressorts wissenschaftsrelevant
seien.
B.
40
Die Verfassungsbeschwerde ist überwiegend zulässig.
I.
41
1. Die Antragsänderung mit dem Ziel, nunmehr die durch das Gesetz vom 11. Dezember 2013
neu gefassten Regelungen in § 63c NHG neben den durch dieses Gesetz nicht geänderten
Befugnisnormen des Vorstands in § 63e NHG zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde zu
machen, ist zulässig (vgl. BVerfGE 13, 54 <94>; vgl. auch BVerfGE 87, 181 <194>).
42
2. Der Beschwerdeführer hat die Verfassungsbeschwerde innerhalb der Jahresfrist des § 93
Abs. 3 BVerfGG erhoben. Ob er zuvor in zulässiger Weise gegen die zum Teil inhaltsgleiche
Humanmedizinverordnung im Wege der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle (§ 47 VwGO)
vorgegangen war, ist dafür unerheblich. Der Wechsel von einer Verordnung zu einem Gesetz
nach Abschluss einer Experimentierphase hat nicht nur deklaratorische Bedeutung, sondern
belastet den Beschwerdeführer mit einer von nun an dauerhaften Regelung. Im Gesetz
manifestiert sich eine dauerhafte Entscheidung neuen Gewichts, weshalb die Frist des § 93 Abs.
3 BVerfGG erneut in Gang gesetzt wird (vgl. BVerfGE 61, 210 <233>).
II.
43
Der Beschwerdeführer ist überwiegend beschwerdebefugt.
44
1. Gegenüber Organisationsnormen für die Wissenschaft kann der Grundrechtsschutz aus Art. 5
Abs. 3 Satz 1 GG unmittelbar geltend gemacht werden, wenn eine wissenschaftsinadäquate
Organisation eine Grundrechtsgefährdung für den Beschwerdeführer bewirkt (vgl. BVerfGE 35,
79 <108>; 111, 333 <352>; 127, 87 <113>).
45
a) Hiernach ist die Beschwerdebefugnis auch gegeben, soweit sich die Verfassungsbeschwerde
gegen die eingeschränkte Mitwirkung des Senats bei der in § 63c Abs. 2 Satz 1 NHG geregelten
Findung der Vorstandsmitglieder richtet. Die Findung ist entscheidend für die Vorauswahl des
Vorstands. Zwar entscheidet die Findungskommission nicht verbindlich, sondern bereitet eine
Personalentscheidung lediglich vor. Doch wird tatsächlich, der gesetzlichen Zielsetzung der
Einrichtung der Findungskommission entsprechend, nur in den Vorstand bestellt, wer dort
„gefunden“ worden ist, oder aber nicht bestellt, wer dort abgelehnt wurde. Damit kommt bereits
der Findung eine erhebliche Bedeutung für die wissenschaftsrelevanten Entscheidungen an der
Hochschule zu.
46
b) Soweit der Beschwerdeführer sich gegen die Regelungen über die Bestellung, Neubestellung
und Entlassung des Vorstands sowie gegen die Übertragung von Befugnissen an diesen
wendet, ist er ebenfalls beschwerdebefugt. Seine Darlegungen lassen es als möglich
erscheinen, dass das durch die angegriffenen Vorschriften geregelte organisatorische
Gesamtgefüge die Wissenschaftsfreiheit strukturell gefährdet. Der Beschwerdeführer wendet
sich gegen Befugnisnormen nicht im Hinblick auf eine konkrete zukünftige Entscheidung, gegen
die dann auch zunächst fachgerichtlicher Rechtsschutz gesucht werden kann und müsste.
Vielmehr wendet er sich gegen eine wissenschaftsinadäquate Organisation, also gegen das
strukturelle Risiko wissenschaftsfremder Entscheidungen, die seine Wissenschaftsfreiheit
gefährden. Eine gegen die Organisation als wissenschaftsinadäquat gerichtete
Verfassungsbeschwerde ist ein aliud, nicht aber eine Vorstufe der Abwehr einer künftigen
Entscheidung, denn von zentraler Bedeutung ist die strukturelle Gefährdung der
Wissenschaftsfreiheit durch das hochschulorganisatorische Gesamtgefüge, die nicht nur dazu
genutzt wird, um eine eigentlich kritisierte Entscheidung im Einzelfall anzugreifen. Art. 5 Abs. 3
Satz 1 GG gewährleistet Grundrechtsschutz im Hinblick auf eine freiheitssichernde
Ausgestaltung von Wissenschaftsorganisationen durch den Staat. Die Wissenschaftsfreiheit
enthält einen Anspruch darauf, dass der Gesetzgeber durch die Ausgestaltung der Kreation der
Leitungsorgane kein System schafft, das typischerweise Entscheidungen ermöglicht, die die
Freiheit von Forschung und Lehre gefährden.
47
2. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde dagegen hinsichtlich der Regelung in § 63c Abs. 2
Satz 1 Halbsatz 2 NHG, wonach in der Grundordnung Näheres über die Wahl der Mitglieder der
Findungskommission bestimmt wird. Sie vermag insoweit nicht aufzuzeigen, dass damit die
Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten des Beschwerdeführers verbunden ist. Nach
§ 41 Abs. 1 Satz 3 NHG steht dem Senat als dem zentralen Organ für die Mitwirkung der
Hochschullehrenden an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen die Entscheidung über die
Grundordnung zu. Eine solche Befugnis lässt eine strukturelle Gefährdung der
Wissenschaftsfreiheit gerade nicht erkennen.
48
3. Der Beschwerdeführer ist hinsichtlich der in § 63c Abs. 2 Satz 2, § 63c Abs. 3 Satz 3, § 63c
Abs. 4 Satz 3, § 63c Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 NHG enthaltenen Regelungen, die bestimmte
Personen - betroffene Vorstandsmitglieder, Kandidatinnen und Kandidaten - von der Mitwirkung
bei der Bestellung, Neubestellung und Entlassung ausschließen, der
Verschwiegenheitsverpflichtung in § 63c Abs. 2 Satz 3 NHG und der Modalitäten der
Beschlussfassung in der Findungskommission gemäß § 63c Abs. 2 Satz 4 NHG nicht
beschwerdebefugt. Aus diesen Regelungen kann sich eine Gefährdung der
Wissenschaftsfreiheit nicht ergeben.
49
4. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels Beschwerdebefugnis überdies unzulässig, soweit
sie sich gegen Regelungen über die Universität Göttingen und gegen Mitwirkungsrechte der
Klinikkonferenz in § 63e NHG richtet. Die durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Rechte des
Beschwerdeführers sind dadurch nicht betroffen.
III.
50
Die Verfassungsbeschwerde genügt dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck
kommenden Grundsatz der Subsidiarität.
51
Es ist dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, vor einer Verfassungsbeschwerde gegen
Regelungen über Personalentscheidungen (§ 63c Abs. 1, Abs. 3 bis 6 NHG), in denen er eine
strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit sieht, zunächst den fachgerichtlichen
Rechtsweg gegen konkrete Personalentscheidungen zu beschreiten.
52
Gegen die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Planungsbefugnisse in § 63e Abs. 2
Nr. 2 und Nr. 5 NHG ist ein fachgerichtlicher Rechtsweg bereits nicht ersichtlich. Hinsichtlich der
Budgetbefugnisse in § 63e Abs. 2 Nr. 10 und Nr. 11 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 4 NHG ist
zwar nicht ausgeschlossen, den fachgerichtlichen Rechtsweg gegen einzelne
Ausstattungsentscheidungen zu beschreiten (vgl. für Hochschullehrende BVerfGE 127, 87
<125> m.w.N.); für den hier gegebenen Fall einer strukturellen Gefährdung der
Wissenschaftsfreiheit durch die Befugnis, solche Entscheidungen zu fällen, gilt dies jedoch nicht.
53
Die Verfassungsbeschwerde genügt dem Grundsatz der Subsidiarität auch, soweit sich der
Beschwerdeführer gegen die dem Vorstand übertragene Befugnis für
Organisationsentscheidungen in § 63e Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 NHG wendet. Für
diese Rüge, in dieser organisatorischen Ausgestaltung liege eine strukturelle Gefährdung der
durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG grundrechtlich geschützten Wissenschaftsfreiheit, ist kein
Rechtsweg eröffnet.
C.
54
Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie zulässig ist, weitgehend begründet. Die Regelungen
über die Bestellung und Abbestellung sowie über die Befugnisse des Vorstands in § 63c Abs. 1
Satz 1 und 2, Abs. 2 bis 6 und § 63e Abs. 2 Nr. 2, 3, 5, 10, 11, Abs. 3, Abs. 4 Satz 1, Nr. 1, 2, 4
NHG sind in ihrem Gesamtgefüge mit den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG an den
Schutz der Wissenschaftsfreiheit vor strukturellen Gefährdungen nicht vereinbar.
I.
55
1. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG enthält neben einem individuellen Freiheitsrecht eine objektive, das
Verhältnis von Wissenschaft, Forschung und Lehre zum Staat regelnde, wertentscheidende
Grundsatznorm. Der Staat muss danach für funktionsfähige Institutionen eines freien
universitären Wissenschaftsbetriebs sorgen und durch geeignete organisatorische Maßnahmen
sicherstellen, dass das individuelle Grundrecht der freien wissenschaftlichen Betätigung so weit
unangetastet bleibt, wie das unter Berücksichtigung der anderen legitimen Aufgaben der
Wissenschaftseinrichtungen und der Grundrechte der verschiedenen Beteiligten möglich ist (vgl.
BVerfGE 127, 87 <114>; stRspr). In einer wissenschaftlichen Einrichtung der
Universitätsmedizin, die sowohl Aufgaben der Forschung und Lehre wie auch Aufgaben der
Krankenversorgung erfüllt, hat der Gesetzgeber neben dem Schutz der Wissenschaftsfreiheit aus
Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und dem für die Aufgaben der Berufsausbildung bedeutsamen
Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 35, 79 <121>) auch den Schutz der Gesundheit
nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG zu berücksichtigen (vgl. dazu
BVerfGE 57, 70 <98 ff.>), die eng miteinander verzahnt sind.
56
2. Wissenschaft ist ein grundsätzlich von Fremdbestimmung freier Bereich autonomer
Verantwortung. Dem Freiheitsrecht liegt auch der Gedanke zu Grunde, dass eine von
gesellschaftlichen Nützlichkeits- und politischen Zweckmäßigkeitsvorstellungen freie
Wissenschaft die ihr zukommenden Aufgaben am besten erfüllen kann (vgl. BVerfGE 47, 327
<370>; 111, 333 <354>; 127, 87 <115>). Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verpflichtet daher den Staat zu
Schutz und Förderung wissenschaftlicher Betätigung und garantiert den in der Wissenschaft
Tätigen zugleich eine Teilhabe am Wissenschaftsbetrieb (vgl. BVerfGE 35, 79 <115 f.>); diese
Mitwirkung ist kein Selbstzweck, sondern dient dem Schutz vor wissenschaftsinadäquaten
Entscheidungen (vgl. BVerfGE 127, 87 <115>; 130, 263 <299 f.>).
57
3. Der Gesetzgeber verfügt über einen weiten Gestaltungsspielraum, um den
Wissenschaftsbetrieb mit Blick auf die unterschiedlichen Aufgaben von wissenschaftlichen
Einrichtungen und auf die Interessen aller daran Beteiligten in Wahrnehmung seiner
gesamtgesellschaftlichen Verantwortung zu regeln. Er ist nicht an überkommene Modelle der
Hochschulorganisation gebunden (vgl. BVerfGE 35, 79 <116>; 127, 87 <116 f.> m.w.N.; stRspr)
und darf zur Verwirklichung seiner hochschulpolitischen Auffassungen (vgl. BVerfGE 35, 79
<120>) Anforderungen an eine effiziente Organisation, gute Haushaltsführung und klare
Verantwortungszuweisung unterschiedlich gewichten. Die Sicherung der Wissenschaftsfreiheit
durch organisatorische Regelungen verlangt aber, dass die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler durch ihre Vertretung in Hochschulorganen Gefährdungen der
Wissenschaftsfreiheit abwehren und ihre fachliche Kompetenz zur Verwirklichung der
Wissenschaftsfreiheit in die Organisation einbringen können. Der Gesetzgeber muss für die
Organisation der Wissenschaftsfreiheit ein Gesamtgefüge schaffen, in dem
Entscheidungsbefugnisse und Mitwirkungsrechte, Einflussnahme, Information und Kontrolle so
beschaffen sind, dass Gefahren für die Freiheit von Lehre und Forschung vermieden werden
(vgl. BVerfGE 127, 87 <116 ff.>). Organisationsnormen sind dann mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG
nicht vereinbar, wenn durch sie ein Gesamtgefüge geschaffen wird, das die freie
wissenschaftliche Betätigung und Aufgabenerfüllung strukturell gefährdet (vgl. BVerfGE 127, 87
<115 f.>).
58
4. Die mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierte hinreichende Mitwirkung von Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftlern im wissenschaftsorganisatorischen Gesamtgefüge einer Hochschule
erstreckt sich auf alle wissenschaftsrelevanten Entscheidungen. Dies sind nicht nur
Entscheidungen über konkrete Forschungsvorhaben oder Lehrangebote, sondern auch über die
Planung der weiteren Entwicklung einer Einrichtung und über die Ordnungen, die für die eigene
Organisation gelten sollen (vgl. BVerfGE 35, 79 <123>). Wissenschaftsrelevant sind auch alle
den Wissenschaftsbetrieb prägenden Entscheidungen über die Organisationsstruktur und den
Haushalt (vgl. BVerfGE 35, 79 <123>; 61, 260 <279>; 127, 87 <124 ff., 126>), denn das
Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit liefe leer, stünden nicht auch die organisatorischen
Rahmenbedingungen und die Ressourcen zur Verfügung, die Voraussetzungen für die
tatsächliche Inanspruchnahme dieser Freiheit sind (vgl. BVerfGE 35, 79 <114 f.>). Soweit die
wissenschaftliche Tätigkeit mit der Erfüllung anderer Aufgaben wie der der Krankenversorgung
untrennbar verzahnt ist (vgl. BVerfGE 57, 70 <98 ff.>; siehe auch BVerfGE 111, 333 <359>; 127,
87 <125>), sind auch Entscheidungen über diese anderen Aufgaben wissenschaftsrelevant.
59
5. Der Gesetzgeber darf insbesondere die Art und Weise der Mitwirkung im
wissenschaftsorganisatorischen Gesamtgefüge frei gestalten, solange die wissenschaftlich
Tätigen an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen hinreichend mitwirken können (vgl.
BVerfGE 127, 87 <116 f.>). Angelegenheiten, die der Selbstbestimmung der Grundrechtsträger
unterliegen, dürfen allerdings ohnehin weder Vertretungsorganen noch Leitungsorganen zur
Entscheidung zugewiesen werden (vgl. BVerfGE 127, 87 <118>). Andere
wissenschaftsrelevante Angelegenheiten kann der Gesetzgeber angemessen ausgestalteten
Organen zur Entscheidung zuweisen. So können Vertretungsorgane die verfassungsrechtlich
garantierte Selbstbestimmung auch der Organisation von Wissenschaft sichern und vor
wissenschaftsgefährdenden Entscheidungen schützen, sofern sie pluralistisch
zusammengesetzt sind und es so ermöglichen, die auch innerhalb der Wissenschaft
bestehenden Unterschiede in die Organisation sachverständig einzubringen (zum funktionalen
Pluralismus BVerfGE 35, 79 <126 ff.>). Kleine Leitungsorgane sind demgegenüber auf straffe
Entscheidungsfindung hin angelegt und können in Distanz zu den einzelnen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dynamischer agieren.
60
6. Aus der Bedeutung plural zusammengesetzter Vertretungsorgane für die Selbstorganisation
der Wissenschaft folgt kein grundsätzlicher Vorrang solcher Organe gegenüber den
Leitungsorganen. Die Zuweisung von Entscheidungsbefugnissen an Leitungsorgane darf jedoch
nur in dem Maße erfolgen, wie sie inhaltlich begrenzt und organisatorisch so abgesichert sind,
dass eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaft ausscheidet (vgl. BVerfGE 111, 333
<357 f.>; 127, 87 <118>). Zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit kann es daher erforderlich sein,
den Grundrechtsberechtigten die Möglichkeit einzuräumen, ihre Auffassung mit Blick auf solche
Entscheidungen tatsächlich selbst durchzusetzen, und sie nicht auf die Möglichkeit bloßer
Stellungnahmen zu verweisen (vgl. für die Gruppe der Hochschullehrenden BVerfGE 35, 79
<145>). Aus der Wissenschaftsfreiheit ergibt sich dabei zwar kein Recht, die Personen zur
Leitung einer wissenschaftlichen Einrichtung ausschließlich selbst zu bestimmen (vgl. BVerfGE
111, 333 <365>). Doch ist das Recht eines plural zusammengesetzten Vertretungsorgans zur
Bestellung und auch zur Abberufung von Leitungspersonen ein zentrales und effektives Einfluss-
und Kontrollinstrument der wissenschaftlich Tätigen auf die Organisation. Je höher Ausmaß und
Gewicht der den Leitungspersonen zustehenden Befugnisse sind, desto eher muss die
Möglichkeit gegeben sein, sich selbstbestimmt von diesen zu trennen (vgl. BVerfGE 127, 87
<130 f.>). Je mehr, je grundlegender und je substantieller wissenschaftsrelevante personelle und
sachliche Entscheidungsbefugnisse dem kollegialen Selbstverwaltungsorgan entzogen und
einem Leitungsorgan zugewiesen werden, desto stärker muss im Gegenzug die Mitwirkung des
Selbstverwaltungsorgans an der Bestellung und Abberufung dieses Leitungsorgans und an
dessen Entscheidungen ausgestaltet sein. Der Gesetzgeber muss diesen Zusammenhang
durchgängig berücksichtigen.
61
7. Der organisationsrechtliche Gewährleistungsgehalt des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt vor der
strukturellen Gefährdung durch wissenschaftsinadäquate Entscheidungen in der Organisation
selbst und begrenzt die staatliche Aufsicht. Der Gesetzgeber muss ein hinreichendes Maß an
Mitwirkung der wissenschaftlich Tätigen an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen von
Leitungsorganen innerhalb der Organisation sichern. Zwar kann sich die staatliche Aufsicht
wissenschaftlicher Einrichtungen in Fragen allgemeiner Verwaltung an
Zweckmäßigkeitserwägungen orientieren, in wissenschaftsrelevanten Angelegenheiten ist sie
aber begrenzt (vgl. BVerfGE 35, 79 <122 f.>). Zugleich hat der Staat hier eine durch
weitreichende Aufsichtsrechte zu realisierende Verantwortung für die Krankenversorgung, die in
der Hochschulmedizin eng mit Forschung und Lehre verzahnt ist. Verfassungsrechtlich folgt
hieraus, dass das Grundrecht der medizinischen Hochschullehrenden aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1
GG auf Wissenschaftsfreiheit auch bei ihrer Tätigkeit in der Krankenbehandlung und -versorgung
nicht gänzlich ausgeklammert werden darf. Der Gesetzgeber muss einerseits dieses Grundrecht
achten, andererseits eine bestmögliche Krankenversorgung gewährleisten, denn auch insoweit
gilt es, verfassungsrechtlich in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG
anerkannte Rechtsgüter von großer Bedeutung zu schützen (vgl. BVerfGE 57, 70 <98 f.>).
Deshalb sind in der Krankenversorgung Entscheidungsbefugnisse so auszugestalten, dass die
selbstbestimmte Grundrechtswahrnehmung und die wissenschaftsadäquater Organisation
entsprechenden Mitwirkungsrechte der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler soweit wie
möglich erhalten bleiben.
II.
62
Die zulässig angegriffenen Regelungen des Niedersächsischen Hochschulgesetzes zur
Ausgestaltung der Leitung der Medizinischen Hochschule Hannover als eigenständiger
medizinischer Hochschule genügen in ihrer Gesamtheit nicht den sich aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1
GG ergebenden verfassungsrechtlichen Anforderungen. Im hochschulorganisatorischen
Gesamtgefüge sind die in ihrer Wissenschaftsfreiheit geschützten Angehörigen der Hochschule
über den Senat an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen im Verhältnis zum Vorstand nicht
hinreichend beteiligt. Die Organisationsanforderungen aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gelten auch
für medizinische Fakultäten und Hochschulen (1.). Das der Medizinischen Hochschule
Hannover durch die angegriffenen Vorschriften vorgegebene organisatorische Gesamtgefüge
aus Kreationsrechten und Entscheidungsbefugnissen birgt verfassungswidrige strukturelle
Gefahren für die Freiheit von Lehre und Forschung, weil weichenstellende Entscheidungen über
deren Entwicklung, Organisation und Ressourcen im Wesentlichen dem Gesamtvorstand
zugewiesen und dem Senat entzogen sind (2.). Dies wird bei prägenden
wissenschaftsrelevanten Entscheidungen nicht durch Vetorechte des für Forschung und Lehre
zuständigen Vorstandsmitglieds (3.) oder durch Kreationsrechte des Senats (4.) kompensiert.
63
1. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG schützt die Freiheit der Wissenschaft auch in einer verselbständigten
Hochschulklinik. Daher ergeben sich für eine Universitätsmedizin, die wie im Fall der
Medizinischen Hochschule Hannover nach einem Integrationsmodell ausgestaltet ist und in der
„zusätzlich“ (§ 3 Abs. 5 Satz 1 NHG, § 1 Abs. 2 GO MHH) zur Wissenschaft in erheblichem Maße
hochspezialisierte Aufgaben der Krankenversorgung wahrgenommen werden, aus der
Verfassung Anforderungen an die hinreichende Mitwirkung der Grundrechtsträger an
wissenschaftsrelevanten Entscheidungen. Eine strukturelle Gefährdung der
hochschulmedizinischen Forschung lässt sich im organisationsrechtlichen Gesamtgefüge nicht
unter Verweis auf den medizinischen Versorgungsauftrag rechtfertigen, weil beide letztlich
voneinander abhängig sind.
64
2. Durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet im hier zu beurteilenden
organisatorischen Gesamtgefüge, dass weichenstellende Entscheidungen über die Entwicklung,
die Organisation und die Ressourcen für Forschung und Lehre im Wesentlichen dem
Gesamtvorstand zugewiesen und dem Senat entzogen sind.
65
a) Verfassungsrechtlich bestehen allerdings gegen die Entscheidung des Gesetzgebers, die
Leitung einer wissenschaftlichen Hochschule auf einen dreiköpfigen Vorstand zu übertragen, im
Ausgangspunkt keine Bedenken. Das Grundgesetz enthält keine hochschulpolitische Vorgabe
für ein bestimmtes Leitungsmodell. Daher ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, in einer
medizinischen Hochschule selbst wissenschaftsrelevante Entscheidungen nicht allein dem
Senat oder nur dem - hier durch die Bestellungs- und Abberufungsvorschriften enger an den
Senat gebundenen (unten C. II. 4.) - für Forschung und Lehre zuständigen Mitglied des
Vorstands zu überantworten, sondern die für den Haushalt und auch für die Krankenversorgung
zuständigen Mitglieder des Vorstands an solchen Entscheidungen zu beteiligen. Soweit sich aus
der Verfassung ein Mitwirkungsrecht zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit an Entscheidungen
zum Haushalt und zur Krankenversorgung ergibt (oben C. I. 4.), erlaubt die Verfassung
umgekehrt auch, in der Ausgestaltung von Entscheidungsbefugnissen die weiteren in der
wissenschaftlichen Einrichtung zu übernehmenden Aufgaben mit dem Ziel des Ausgleichs (vgl.
BVerfGE 57, 70 <99>) im Sinne praktischer Konkordanz aller grundrechtlich geschützten
Belange zu berücksichtigen (vgl. Fehling, Die Verwaltung 2002, S. 399 <417>; Becker, Das
Recht der Hochschulmedizin, 2005, S. 112 ff.).
66
b) Auch das Niedersächsische Hochschulgesetz erkennt in der Ausgestaltung der
Wissenschaftsorganisation an, dass die Freiheit der medizinischen Forschung nicht zuletzt vor
den erheblichen Gefährdungspotenzialen geschützt werden muss, die aus
gesundheitspolitischen und ökonomischen - und damit nicht an die Eigengesetzlichkeiten von
Forschung und Lehre gebundenen, sondern mit ihnen auch in Konflikt stehenden - Vorgaben für
die Krankenversorgung resultieren (vgl. Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Struktur der
Hochschulmedizin, 1999, S. 47 ff.; grundsätzlich Becker, Das Recht der Hochschulmedizin,
2005, S. 61 ff.). Dementsprechend wurden mit dem Änderungsgesetz zum Niedersächsischen
Hochschulgesetz vom 11. Dezember 2013 Mitwirkungsrechte zugunsten des Senats normiert;
das für Forschung und Lehre zuständige Vorstandsmitglied hat gegenüber Entscheidungen
innerhalb des Vorstands nach § 63f Abs. 1 Satz 3 NHG eigene Vetopositionen erhalten, um
Forschung und Lehre davor zu schützen, der Aufgabe und den Anforderungen der
Krankenversorgung ohne Weiteres untergeordnet zu werden.
67
c) Es stößt auch nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken, den Beschluss über den
Entwicklungsplan nach § 63e Abs. 2 Nr. 2 NHG dem Vorstand zu überantworten. Denn in § 41
Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 63e Abs. 2 Nr. 1 NHG ist dem Senat die Befugnis zur
Entscheidung über die Grundzüge der Entwicklungsplanung zugewiesen; der Gesetzgeber
belässt damit die Weichenstellung für die Gesamtorganisation in der Hand des akademischen
Vertretungsorgans. Der Beschluss des Vorstands ist, was die Landesregierung bestätigt hat, an
diesen Beschluss des Senats auch gebunden (vgl. BVerfGE 127, 87 <127>). Es ist in einer
medizinischen Hochschule verfassungsrechtlich zudem unbedenklich, dass der Vorstand nach
§ 63e Abs. 2 Nr. 1 NHG zum Beschluss des Senats über die Grundzüge der
Entwicklungsplanung sein Einvernehmen erklären muss und daran auch die für den Haushalt
und die Krankenversorgung zuständigen Mitglieder des Gesamtvorstands beteiligt sind, um alle
in der Hochschulmedizin zu berücksichtigenden Rechtsgüter zum Ausgleich zu bringen. Zudem
hat das für Forschung und Lehre zuständige Mitglied des Vorstands bei der Beschlussfassung
über den Entwicklungsplan nach § 63e Abs. 2 Nr. 2 NHG nach § 63f Abs. 1 Satz 3 NHG ein
Vetorecht, falls die ressortspezifischen Belange berührt sind.
68
Im vorliegenden Fall ergeben sich verfassungsrechtliche Bedenken jedoch daraus, dass an der
Medizinischen Hochschule Hannover seit 2005 tatsächlich keine Entwicklungsplanung erfolgt
ist, sondern grundlegende Fragen nur im Rahmen der mit dem für die Hochschulen zuständigen
Ministerium zu treffenden Zielvereinbarung entschieden werden (vgl. § 1 Abs. 3 NHG). Die
Befugnis zum Abschluss einer Zielvereinbarung ist nach § 63e Abs. 2 Nr. 4 NHG dem Vorstand
zugewiesen; der Senat hat nach § 63e Abs. 2 Nr. 4 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 NHG
insoweit nur die Möglichkeit zur Stellungnahme. Damit ist eine hinreichende Mitwirkung an
grundlegenden wissenschaftsrelevanten Entscheidungen tatsächlich nicht gegeben. Ob dies
grundsätzlich mit den Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vereinbar ist (vgl. Groß, DVBl
2005, S. 721 <726 f.>; Trute, WissR 2000, S. 134 <144; 154>; vorsichtiger Fehling, Die
Verwaltung 2002, S. 399 <409>), ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden, da der
Beschwerdeführer § 63e Abs. 2 Nr. 4 NHG nicht angegriffen hat. Die Gesamtregelung ist jedoch
insofern defizitär, als sie offensichtlich ermöglicht, Gestaltungsrechte des Senats in der
Entwicklungsplanung zu unterlaufen. Es liegt im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, wie er
die Mitwirkungsrechte des Senats an Zielvereinbarungen zwischen Hochschule und Staat
ausgestaltet. Er kann sein Einvernehmen vorsehen oder aber die Zielvereinbarungen in ihrem
wissenschaftsrelevanten Teil zwingend an eine vom Senat zu beschließende
Entwicklungsplanung binden (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 NHG). In jedem Fall muss jedoch
sichergestellt sein, dass der Senat die Befugnis zur Entscheidung über die oder maßgebliche
Entscheidungsteilhabe an der Entwicklungsplanung tatsächlich nutzen kann; hierzu gehört, dass
er dazu gegebenenfalls erforderliche vorbereitende Handlungen des Vorstands notfalls auch
gerichtlich erzwingen kann. Insoweit könnte das Fehlen der hier verfassungsrechtlich gebotenen
Mitwirkung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auch nicht durch deren Einfluss auf
die Bestellung und Abberufung des Leitungsorgans (unten C. II. 4.) kompensiert werden.
69
d) Die Ausgestaltung der Entscheidungsbefugnisse stößt im hier normierten Gesamtgefüge auf
durchgreifende Bedenken, weil § 63e Abs. 2 Nr. 3 NHG die Entscheidungen über die
Organisation der Medizinischen Hochschule Hannover dem Vorstand zuweist, in dem die
Mitglieder für Forschung und Lehre und für Haushalt jeweils Vetorechte haben, aber eine
ausschlaggebende Beteiligung des Senats mit seinem gefächerten Sachverstand an der
Entscheidung nicht vorsieht. Der Vorstand muss sich mit diesem lediglich ins Benehmen setzen.
Das Niedersächsische Hochschulgesetz begrenzt damit im Gesamtgefüge, auch unter
Berücksichtigung der Bestellung und Abberufung des Vorstands, die Mitwirkung des Senats an
der Entscheidung über die Organisation als Weichenstellung auch für die Wissenschaft (vgl.
BVerfGE 35, 79 <123>) ausdrücklich in einer Weise, die mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG nicht
vereinbar ist. Eine Auslegung der Vorschrift, wonach das Benehmen als Einvernehmen
verstanden werden könnte, entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers.
70
e) Eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit kann aus den nicht hinreichenden
Mitwirkungsbefugnissen des Senats an den Entscheidungen des Vorstands über den
Wirtschaftsplan (§ 63e Abs. 2 Nr. 5 NHG) und die Aufteilung der Sach-, Investitions- und
Personalbudgets auf die Organisationseinheiten (§ 63e Abs. 2 Nr. 10 NHG) sowie über die
Bereitstellung von Mitteln für zentrale Lehr- und Forschungsfonds (§ 63e Abs. 2 Nr. 11 NHG)
resultieren, da die damit begründeten Einflussdefizite des Senats vorliegend nicht anderweitig
kompensiert sind.
71
aa) Grundlegende ökonomische Entscheidungen wie diejenige über den Wirtschaftsplan einer
Hochschule sind nicht etwa wissenschaftsfern, sondern angesichts der Angewiesenheit von
Forschung und Lehre auf die Ausstattung mit Ressourcen wissenschaftsrelevant. Haushalts- und
Budgetentscheidungen müssen die verfassungsrechtlich in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten
Anforderungen an den Schutz der Wissenschaftsfreiheit hinreichend beachten. Dennoch hat der
Gesetzgeber bei der Entscheidung über den Wirtschaftsplan neben dem Vetorecht des
Vorstandsmitglieds für Wirtschaftsführung und Administration kein Vetorecht zugunsten des
Vorstands für Forschung und Lehre vorgesehen.
72
Im Rahmen seines Gestaltungsspielraums ist der Gesetzgeber zwar nicht gezwungen, die
Wissenschaftsfreiheit allein durch die Ausgestaltung von Mitwirkungsrechten zu sichern. Er kann
auch auf gesetzliche Vorgaben zur Mittelverwendung zurückgreifen (vgl. BVerfGE 127, 87
<119 f.>). In Niedersachsen fehlen jedoch haushaltsrechtliche Regelungen, die zum Schutz der
Wissenschaftsfreiheit beitragen könnten, indem sie beispielsweise den Gefahren der internen
Quersubventionierung der Krankenversorgung aus Mitteln für Forschung und Lehre mit Hilfe
einer verbindlichen Trennungsrechnung zu begegnen suchen (zu den Regelungen der Länder
oben A. I. 4.). Die Rechenschaftspflicht des Vorstands nach § 41 Abs. 2 Satz 3 und 4 NHG, § 5
Abs. 5 GO MHH genügt für sich genommen nicht, um das Fehlen eines auch auf Mitgestaltung
gerichteten Teilhaberechts zu kompensieren.
73
Soweit die Befugnis über die Aufteilung der Budgets nach § 63e Abs. 2 Nr. 10 NHG die
operative Umsetzung der Vorgaben des Wirtschaftsplans umfasst, stößt eine Zuweisung an den
Vorstand nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken, da die besonderen Belange der
Wissenschaft durch das im Jahre 2013 eingefügte Vetorecht des für Forschung und Lehre
zuständigen Vorstandsmitglieds gesichert werden. Sind mit der Budgetaufteilung allerdings
tiefgreifende wissenschaftsrelevante Entscheidungen verbunden, dürften sie hier nicht ohne
Mitwirkung des Senats als dem von gefächertem wissenschaftlichen Sachverstand geprägten
Vertretungsorgan getroffen werden, deren Fehlen sich auch nicht durch eine Vetoposition im
Vorstand kompensieren lässt. Es liegt im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, das
Gesamtgefüge zur Sicherung der Wissenschaftsfreiheit selbst zu bestimmen.
74
bb) Die wissenschaftsrelevante Befugnis zur Bereitstellung von Mitteln für zentrale Fonds für die
Lehre und für die Forschung ist vom Gesetzgeber als Entscheidung über die Aufteilung des
Gesamtbudgets der Hochschule konzipiert. Der Gesetzgeber hat diese Befugnis dem Vorstand
zugewiesen, wobei den für Forschung und Lehre beziehungsweise für den Haushalt
zuständigen Vorstandsmitgliedern jeweils Vetorechte zustehen. Es stößt angesichts des
organisatorischen Gesamtgefüges jedoch auf verfassungsrechtliche Bedenken, dass der Senat
nach den angegriffenen Regelungen an dieser Entscheidung überhaupt nicht beteiligt ist. In
einem organisatorischen Gesamtgefüge, in der die Wissenschaftsfreiheit hinreichend geschützt
ist, kann dies den verfassungsrechtlichen Anforderungen zwar genügen, wenn beispielsweise
der Umfang der Mittel begrenzt ist. Zudem lässt sich eine strukturelle Gefährdung der
Wissenschaftsfreiheit vermeiden, wenn diese Entscheidung an einen unter Mitwirkung des
Senats erstellten Wirtschaftsplan gebunden wird und eine Abweichung von dieser Bindung
kontrolliert und korrigiert werden kann. All dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
75
3. Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Regelungen über die
Entscheidungsbefugnisse des für Forschung und Lehre zuständigen Vorstandsmitglieds stoßen
in der hier gewählten Ausgestaltung auf durchgreifende Bedenken. Zwar trägt es zum Schutz der
Wissenschaftsfreiheit bei, wenn in einem mehrköpfigen Vorstand eines Universitätsklinikums
eine eigene Zuständigkeit für Angelegenheiten von Forschung und Lehre geschaffen wird,
sofern der Senat auf die Berufung und Abbestellung dieses Vorstandsmitglieds wesentlichen
Einfluss hat. Zudem entspricht es der Bedeutung der in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten
Wissenschaftsfreiheit, wenn dieses Mitglied des Vorstands in einer medizinischen Hochschule
zugleich die herausgehobene Funktion des Präsidenten oder der Präsidentin der Hochschule
hat. Die Zuweisung wissenschaftsrelevanter Entscheidungsbefugnisse an eine Leitungsperson,
die enger an die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Hochschule rückgebunden ist,
kann die Mitwirkung eines Vertretungsorgans der akademischen Selbstverwaltung an derartigen
Entscheidungen allerdings nicht vollständig ersetzen.
76
a) Die Zuweisung von Entscheidungsbefugnissen über die Organisation und Weiterentwicklung
von Forschung und Lehre nach § 63e Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 NHG an das zuständige Mitglied des
Vorstands hält im hier maßgeblichen Gesamtgefüge einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht
stand. Es handelt sich dabei nicht lediglich um eine Aufgabenzuweisung zur Koordinierung,
sondern nach der Konzeption des Gesetzes um echte Gestaltungsbefugnisse. Das verdeutlicht
insbesondere § 63e Abs. 4 Satz 2 NHG, wonach über die Bildung von Schwerpunkten
entschieden werden kann. An diesen sogar im Kern wissenschaftsrelevanten Entscheidungen
ist der Senat nur bei grundsätzlicher Bedeutung und allein im Wege des Benehmens beteiligt.
Damit hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht hinreichend
beachtet, wonach einem - selbst nach den hier geltenden Vorschriften bestell- und abberufbaren
- Vorstand nur Entscheidungen zugewiesen werden dürfen, die nicht selbstbestimmt getroffen
werden müssen (vgl. BVerfGE 35, 79 <126 ff.>; 127, 87 <118>). Zudem dürfte der Gesetzgeber
zum organisatorischen Schutz der Wissenschaftsfreiheit vor Gefährdungen im Regelfall gehalten
sein, gerade bei den Weichenstellungen, die Forschung und Lehre unmittelbar betreffen, ein
Einvernehmen mit dem Vertretungsorgan akademischer Selbstverwaltung zu fordern.
77
b) Desgleichen ist jedenfalls im vorliegenden Gesamtgefüge die Entscheidungsbefugnis über
die Aufteilung der Mittel für Forschung und Lehre nach § 63e Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 4 NHG zu
beanstanden. Auch hier entscheidet das Vorstandsmitglied lediglich im Benehmen mit dem
Senat und unterliegt, soweit ersichtlich, keinen weiteren normativen Vorgaben (anders als
beispielsweise in Hamburg, wo die Grundsätze für die Ausstattung und die Mittelverteilung vom
Hochschulrat beschlossen werden, § 84 Abs. 1 Nr. 5 HmbHG, vgl. BVerfGE 127, 87 <125>). Die
im Einvernehmen mit dem Senat eingesetzte Forschungsdekanin und die
Forschungskommission, deren Mitglieder alle zwei Jahre vom Senat gewählt werden, bewertet
zwar interne Förderanträge, doch ist mit § 10 GO MHH nicht gesichert, dass so unter Mitwirkung
der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über die Mittelverteilung entschieden wird.
78
4. Die für die Wissenschaftsfreiheit strukturell bestehenden Gefahren werden im hier
maßgeblichen Gesamtgefüge nicht durch die Regelungen über die Findung, Bestellung,
Neubestellung und Entlassung des Vorstands kompensiert. Der Senat hat insbesondere keine
Möglichkeit, sich selbstbestimmt von einem Leitungsorgan zu trennen, das von ihm nicht mehr
akzeptiert wird. Das wiegt jedenfalls dann schwer, wenn dem Senat, wie hier, keine Kontroll- und
Informationsrechte und insbesondere keine anderen Einflussbefugnisse in Gestalt von
Vetorechten zustehen, so dass das Fehlen einer Befugnis zur Abwahl eine wirksame Kontrolle
des Vorstands durch den Senat faktisch unmöglich macht (vgl. BVerfGE 127, 87 <131>; oben C.
I. 6.).
79
a) Der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene § 63c Abs. 3 NHG zur Bestellung der
Mitglieder des Vorstands stößt in einem Gesamtgefüge, in dem der Gesetzgeber dieses
Leitungsorgan einerseits mit weitreichenden Befugnissen ausstattet, andererseits aber den
Senat als akademisches Vertretungsorgan nicht durchgehend zur Mitwirkung berechtigt,
jedenfalls teilweise auf durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken.
80
aa) Dem aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG resultierenden Schutz vor wissenschaftsinadäquaten
Organisationsstrukturen ist allerdings durch die mit der Änderung des § 63c Abs. 3 Satz 1 NHG
nunmehr ausschlaggebende Mitwirkung des die Perspektiven der wissenschaftlich tätigen
Angehörigen der Hochschule abbildenden Vertretungsorgans insofern Rechnung getragen, als
es nun bei der Bestellung des für Forschung und Lehre zuständigen Vorstandsmitglieds das
alleinige Vorschlagsrecht hat.
81
bb) Keine verfassungsrechtlichen Einwände ergeben sich gegen die Vorschriften über die
Bestellung des für die Krankenversorgung zuständigen Vorstandsmitglieds. Zwar sind in der
Hochschulmedizin Forschung und Lehre und Krankenversorgung eng miteinander verzahnt
(oben C. I. 1.). Auch hat das Vorstandsmitglied für die Krankenversorgung erhebliche
wissenschaftsrelevante Mitentscheidungsbefugnisse, da Entscheidungen unter anderem über
die Entwicklungsplanung, die Organisationsstruktur, die Zielvereinbarung, den Wirtschaftsplan,
die Budgetaufteilung und den Lehr- und Forschungsfonds im Vorstand gemeinsam getroffen
werden (§ 63e Abs. 2 Nr. 2, 3, 4, 5, 10, 11, § 63f Abs. 1 Satz 1 NHG). Doch liegt es im
Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Bestellungen dieses Vorstandsmitglieds an das
Vorschlagsrecht eines externen Gremiums wie den in Niedersachsen mehrheitlich extern
besetzten Hochschulrat (§ 52 NHG) zu binden. Den wissenschaftlichen Belangen trägt der
Gesetzgeber zumindest seit 2013 in vertretbarer Weise Rechnung, insoweit er dem Senat das
Recht zur Stellungnahme zu dieser Bestellung einräumt.
82
cc) Die Ausgestaltung der Kreation des Leitungsorgans der Hochschule stößt bei der derzeitigen
Ausgestaltung der Befugnisse des Vorstands insofern auf verfassungsrechtliche Bedenken, als
das für Wirtschaftsführung und Administration zuständige Vorstandsmitglied ohne hinreichende
Mitwirkung des Senats auf Vorschlag des externen Hochschulrats im Einvernehmen mit dem für
Forschung und Lehre zuständigen Vorstandsmitglied bestellt wird. Nach dem vom
niedersächsischen Gesetzgeber gewählten dreiköpfigen Vorstandsmodell mit eigenen Ressorts
ist dieses Vorstandsmitglied sowohl der Krankenversorgung wie auch der Wissenschaft
verpflichtet. Der Senat kann zu der Bestellung auch nach der 2013 neu gefassten Regelung nur
Stellung nehmen. Anders als die Krankenversorgung handelt es sich jedoch bei den
Haushaltsangelegenheiten nicht um eine Aufgabe, die in den prägenden Bereichen gänzlich
anderen, wissenschaftsfremden Eigengesetzlichkeiten unterliegt. Vielmehr sind
Haushaltsentscheidungen in der Sache regelmäßig auch Entscheidungen über die tatsächliche
Möglichkeit, medizinische Forschung und Lehre zu betreiben (oben C. I. 4.). Auch hat der
niedersächsische Gesetzgeber dem für den Haushalt zuständigen Vorstandsmitglied erhebliche
Mitwirkungsbefugnisse an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen zugewiesen, die über die
des für Krankenversorgung zuständigen Mitglieds hinausgehen, weil ihm bei der Entscheidung
über die Organisationsstruktur, den Wirtschaftsplan und die Lehr- und Forschungsfonds eigene
Vetorechte zukommen (§ 63f Abs. 1 Satz 4 NHG). Diesen steht nur bei der Bereitstellung von
Mitteln für einen Lehr- und einen Forschungsfonds (§ 63e Abs. 2 Nr. 11 NHG) ein gegenläufiges
Vetorecht des für Forschung und Lehre zuständigen Mitglieds des Vorstands gegenüber.
83
b) Die zum Schutz der Wissenschaftsfreiheit erforderliche Mitwirkung eines Vertretungsorgans
bei der Kreation einer wie hier starken Hochschulleitung darf nicht dadurch in Frage gestellt sein,
dass dem Staat die Möglichkeit verbleibt, die Bestellung nach § 63c Abs. 1 Satz 1 und 2 NHG
beliebig nach Maßstäben einer eigenen Personalpolitik zu versagen. Zwar nehmen die
Hochschulen nicht nur Selbstverwaltungsaufgaben, sondern auch staatliche Aufgaben wahr.
Daher darf die Besetzung der Leitung als Kondominialangelegenheit von Staat und Hochschule
ausgestaltet (vgl. BVerfGE 111, 333 <362 f.>), aber auch als Angelegenheit der
Selbstverwaltung allein dem Vertretungsorgan der Hochschule zugewiesen werden (vgl. § 39
Abs. 2 Hessisches Hochschulgesetz, § 63 Abs. 2 Satz 1 Brandenburgisches Hochschulgesetz,
§ 80 Abs. 1 Satz 1 Hamburgisches Hochschulgesetz). Jedenfalls dürfen die Mitwirkungsrechte
der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst weder durch staatliche Befugnisse noch
durch Befugnisse eines mehrheitlich extern besetzten Hochschulrats entwertet werden.
Dementsprechend ist auch das in § 63c Abs. 1 Satz 1 und 2 NHG geregelte Bestellungsrecht so
zu verstehen, dass dem Staat hier kein freies politisches Ermessen zusteht. Die Bestellung des
für Forschung und Lehre zuständigen Vorstandsmitglieds darf nur versagt werden, wenn
rechtlich tragfähige Gründe vorliegen, die also von einem die Wissenschaft als Bereich
autonomer Verantwortung (oben C. I. 2.) achtenden, entsprechend gewichtigen öffentlichen
Interesse getragen sein müssen.
84
c) Durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet es, der Bestellung einer wie hier
mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten Hochschulleitung ein Findungsverfahren
vorzuschalten, in dem - anders als nach dem für sonstige Hochschulen geltenden § 38 Abs. 2
Satz 2 NHG - eine Mitwirkung der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nicht hinreichend
gesichert ist. Dem Findungsverfahren, das der Gesetzgeber mit § 63c Abs. 2 Satz 1 NHG
zwingend vorschaltet, da er anders als in § 38 Abs. 2 Satz 4 NHG keine Empfehlung normiert
hat, kommt nach der Konzeption des Gesetzgebers für die Bestellung der Vorstandsmitglieder
entscheidende Bedeutung zu. Zwar muss dem Vorschlag einer Findungskommission nicht
gefolgt werden, doch kann die Findungskommission entscheidend filtern, wer überhaupt als
Vorstandsmitglied in Betracht gezogen wird. Insofern gelten die Mitwirkungsanforderungen zum
Schutz der Wissenschaftsfreiheit, die hier an die Bestellung von Vorstandsmitgliedern zu richten
sind (oben C. I. 6.; C. II. 4. a), auch für die Ausgestaltung des Findungsverfahrens. Die
Mitwirkung des Vertretungsorgans an der Findung von Vorstandsmitgliedern muss im hier zu
beurteilenden Gesamtgefüge gewichtig sein, um Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit
auszuschließen, weil dem Vorstand umfangreiche und substanzielle wissenschaftsrelevante
Entscheidungsbefugnisse zugewiesen sind und er nur begrenzt weiteren Kontrollmechanismen -
durch normative Bindungen oder durch Einwirkungsrechte - unterliegt.
85
aa) Die Regelung des § 63c Abs. 2 Satz 1 NHG erweist sich im Gesamtgefüge insoweit als
defizitär, als dem Senat als Vertretungsorgan akademischer Selbstverwaltung bei der Findung
des Vorstandsmitglieds für Forschung und Lehre ein ausschlaggebender Einfluss fehlt. Der
Gesetzgeber muss sicherstellen, dass gerade für das Wissenschaftsressort in einem
mehrköpfigen Vorstand keine Person vorgeschlagen werden kann, die nicht das Vertrauen der
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genießt.
86
bb) Die Ausgestaltung der Findung eines Vorstandsmitglieds mit der Zuständigkeit für die
Krankenversorgung unterliegt zwar nicht denselben Mitwirkungsanforderungen wie die Findung
des Vorstandsmitglieds für Forschung und Lehre. Jedoch sind beide Aufgabengebiete
miteinander verzahnt (oben C. I. 1.) und im Vorstandsmodell auch Entscheidungsbefugnisse
miteinander verbunden (oben C. II. 2. a), weshalb eine Findung ohne jegliche Mitwirkung des
Senats als dem Vertretungsorgan der Grundrechtsträger eine strukturelle Gefährdung der
Wissenschaftsfreiheit darstellt.
87
cc) Ein Findungsverfahren hinsichtlich des für den Haushalt der Hochschule zuständigen
Vorstandsmitglieds muss ebenfalls sicherstellen, dass die Belange der Wissenschaft
hinreichend gewichtig zum Tragen kommen. Daraus folgt die Aufgabe für den Gesetzgeber, eine
Mitwirkung des Vertretungsorgans an der Findung entsprechend auszugestalten. Die Regelung
des Niedersächsischen Hochschulgesetzes, wonach bei diesem Vorstandsmitglied zwei von elf
stimmberechtigten Mitgliedern der Findungskommission durch den Senat bestimmt werden,
erscheint angesichts der gewichtigen Befugnisse des Vorstands daher als nicht hinreichend.
88
d) Auch die Regelungen zur Neubestellung einer Hochschulleitung unterliegen im
Ausgangspunkt denselben Anforderungen an die Mitwirkung des Vertretungsorgans und damit
an die Legitimation durch die Grundrechtsträger, die auch an die Bestellung und die Findung zu
stellen sind. Allerdings darf der Gesetzgeber hier berücksichtigen, ob an der erstmaligen
Bestellung das Vertretungsorgan akademischer Selbstverwaltung mitgewirkt hat.
89
aa) Die Regelung in § 63c Abs. 4 Satz 1 NHG, die das Vorschlagsrecht zur Neubestellung des
für Forschung und Lehre zuständigen Mitglieds dem Senat zuweist, dann eine Stellungnahme
des Hochschulrats und schließlich die Bestellung durch das Fachministerium vorsieht, ist dann
verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn der Senat an Findung und Bestellung entsprechend
mitgewirkt hat.
90
bb) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist auch die Ausgestaltung der Neubestellung für das
Vorstandsmitglied für die Krankenversorgung, das auf Vorschlag des Vorstands im
Einvernehmen mit dem Hochschulrat und einer Stellungnahme des Senats erneut bestellt
werden kann (§ 63c Abs. 4 Satz 2 NHG). Die gering ausgeprägte Mitwirkung des Senats
rechtfertigt sich aus der anders gearteten Aufgabenstellung dieses Vorstandsmitglieds (oben C.
II. 4. a bb).
91
cc) Eine strukturelle Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit ist allerdings nicht ausgeschlossen,
wenn der Gesetzgeber die Mitwirkung des Vertretungsorgans bei der Neubestellung des für
Haushalt zuständigen Vorstandsmitglieds auf die zurückgenommene Möglichkeit der
Stellungnahme beschränkt (§ 63c Abs. 4 Satz 2 NHG).
92
e) Im Gesamtgefüge der Hochschulorganisationen kommt der Möglichkeit des
Vertretungsorgans, sich von einem Leitungsorgan zu trennen, umso größere Bedeutung zu, je
mehr Befugnisse diesem zugewiesen und dem Vertretungsorgan entzogen sind (vgl. BVerfGE
127, 87 <130 f.>).
93
aa) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist es, wenn der Gesetzgeber hier auch die Perspektive
extern besetzter Organe, also hier diejenige des Hochschulrats, zur Geltung kommen lässt
(§ 63c Abs. 5 Satz 2 und 3 NHG), solange dieser dem Vertretungsorgan akademischer
Selbstverwaltung sein Mitwirkungsrecht nicht aus der Hand nehmen kann (§ 63c Abs. 5 Satz 4
NHG).
94
bb) Verfassungsrechtlich unbedenklich ist auch, wenn der Staat eine derart schwerwiegende
Entscheidung wie die Entlassung eines Vorstands- oder Präsidiumsmitglieds nochmals
bestätigen muss. Soweit es sich jedoch um Vorstandsmitglieder handelt, denen
wissenschaftsrelevante Befugnisse zukommen, darf ein solches Aufsichtsrecht des Staates die
Selbstbestimmungsrechte der Grundrechtsträger nicht konterkarieren (oben C. I. 6.). Daher stößt
es nicht auf Bedenken, wenn § 63c Abs. 5 Satz 1 NHG vorgibt, dass das Fachministerium das für
Forschung und Lehre zuständige Vorstandsmitglied auf Vorschlag des Senats entlassen „soll“.
Im Unterschied dazu räumt der Gesetzgeber dem Fachministerium bei der Entlassung der
anderen Vorstandsmitglieder ein Ermessen ein, über den Vorschlag des Vorstands im
Einvernehmen mit dem Hochschulrat (§ 63c Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 NHG) und mit der
Möglichkeit zur Stellungnahme des Senats zu entscheiden; das Fachministerium „kann“ dem
Vorschlag nach § 63c Abs. 6 Satz 1 NHG folgen. Soweit das für das Vorstandsmitglied für
Krankenversorgung gilt, ist dies verfassungsrechtlich unbedenklich, da den besonderen
Belangen des Krankenversorgungsauftrags auf diese Weise Rechnung getragen werden darf.
Verfassungsrechtlich bedenklich ist diese Ausgestaltung der Mitwirkungsrechte jedoch bei dem
Vorstandsmitglied für Wirtschaftsführung und Administration, das wissenschaftsrelevante
Entscheidungsbefugnisse hat.
95
cc) Die Regelung des § 63c Abs. 5 Satz 1 und 2 NHG stößt insoweit auf durchgreifende
verfassungsrechtliche Bedenken, als sie die Belange der Wissenschaft an einer
ausschlaggebenden Mitwirkung an der Kreation von Leitungsorganen zugunsten des Schutzes
der Interessen des betroffenen Leitungsorgans an einem Verbleib im Amt zu stark zurückdrängt.
Zwar muss der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Entlassungsverfahren nicht nur das
Interesse der Grundrechtsträgerinnen und Grundrechtsträger des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG
berücksichtigen, an der Bestellung und Abberufung der für Wissenschaftsbelange zuständigen
Leitungsorgane ausschlaggebend mitzuwirken. Der Gesetzgeber kann über die dem Staat
zustehenden Aufsichtsrechte hinaus vielmehr auch die Interessen der betroffenen Person zu
schützen suchen. Jedoch drängt ein Entlassungsverfahren wie in § 63c Abs. 5 Satz 1 und 2
NHG, wonach das Vertretungsorgan zwar eine Entlassung vorschlagen darf, dabei aber an eine
Dreiviertelmehrheit und einen wichtigen Grund gebunden ist, die Belange der Wissenschaft in
einem diese gefährdenden Maß zurück. Zwar ist es verfassungsrechtlich zulässig,
Entscheidungen von Vertretungsorganen an qualifizierte Mehrheiten zu binden. Doch stößt es
auf erhebliche Bedenken, wenn diese von den Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen
allein nicht erreicht werden kann (vgl. BVerfGE 127, 87 <130 f.> und bereits BVerfGE 35, 79
<132 f.>) und die Entlassung überdies an eng gefasste sachliche Voraussetzungen geknüpft
wird. Es ist verfassungsrechtlich zulässig und zum Schutz der Betroffenen auch geboten, eine
Entlassungsentscheidung an sachliche Kriterien zu binden. Die Bindung der Entlassung an
einen wichtigen Grund muss angesichts des hier sehr hoch angesetzten Quorums jedoch zur
Wahrung der Wissenschaftsfreiheit so verstanden werden, dass dieser Grund gegeben ist, wenn
die erforderliche Mehrheit im Vertretungsorgan für die Abbestellung votiert; dieses weist dann
grundsätzlich darauf hin, dass ein Leitungsorgan das Vertrauen der Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler verloren hat (vgl. auch BVerwGE 135, 286 <301>).
96
5. Das hochschulorganisatorische Gesamtgefüge, das die angegriffenen Regelungen der
§§ 63c, 63e NHG nach dem Integrationsmodell zur Organisation der Hochschulmedizin und
nach dem Vorstandsmodell zur Organisation der Hochschulleitung ausgestalten, verstößt auch
unter Berücksichtigung des weiten Spielraums, der dem Gesetzgeber bei der Gestaltung der
Hochschulorganisation zukommt, und auch unter Berücksichtigung des Auftrags, bei der
Organisation der Hochschulmedizin die Aufgabe der Krankenversorgung hinreichend zu
berücksichtigen, gegen Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG. Die dem Vorstand insgesamt und die dem für
Forschung und Lehre zuständigen Vorstandsmitglied allein zugewiesenen
Entscheidungsbefugnisse werden weder durch Mitwirkungsrechte des Vertretungsorgans
akademischer Selbstverwaltung selbst noch durch die Beteiligung an der Kreation der Leitung
durch das Vertretungsorgan hinreichend gegen die strukturelle Gefahr wissenschaftsinadäquater
Entscheidungen gesichert. Vetopositionen innerhalb des Vorstands können die fehlenden
Mitwirkungsrechte des Vertretungsorgans nicht kompensieren.
III.
97
Anhaltspunkte für eine Verletzung von Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG sind nicht ersichtlich. Auch
Organisationsgesetze, die eine einzige Hochschule verfassen, begründen Zuständigkeiten,
Aufgaben, Befugnisse und Verfahren für eine Vielzahl von Fällen.
IV.
98
Da die Verfassungsbeschwerde überwiegend zulässig und begründet ist, sind dem
Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen gemäß § 34a Abs. 2 BVerfGG vollständig zu
erstatten (vgl. BVerfGE 86, 90 <122>).
99
Die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit für das
Verfassungsbeschwerdeverfahren beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1
Satz 1 RVG.
Kirchhof
Gaier
Eichberger
Schluckebier
Masing
Paulus
Baer
Britz