Urteil des BSG vom 31.01.2005

BSG (einkommen, höhe, monat, abzug, sicherung, berechnungsmethode, pauschale, berechnung, aufnahme einer erwerbstätigkeit, kind)

BUNDESSOZIALGERICHT Urteil vom 18.6.2008, B 14 AS 55/07 R
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - vertikale
Berechnungsmethode - minderjähriges Kind in Bedarfsgemeinschaft - Kindergeld -
keine Absetzbarkeit eines Pauschbetrags für Privatversicherungsbeiträge -
Ermächtigungskonformität - Verfassungsmäßigkeit
Leitsätze
Innerhalb der Bedarfsgemeinschaft ist der individuelle Anspruch des einzelnen Partners auf Alg
II nach dem Verhältnis seines Bedarfs zum Gesamtbedarf zu berechnen (horizontale
Berechnungsmethode); es ist nicht nach Ermittlung der individuellen Bedarfe der Partner nur
das überschießende Einkommen zu verteilen (vertikale Berechnungsmethode).
Tatbestand
1 Streitig ist, ob die Beklagte den Klägerinnen für den Zeitraum von April bis 31. Juli 2005
höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) zu erbringen hat.
2 Die 1967 geborene Klägerin zu 1) ist die Mutter der 1997 geborenen Klägerin zu 2). Die
Klägerin zu 2) ist Schülerin. Für sie sind in dem oben benannten Zeitraum Kindergeld in
Höhe 154,- EUR sowie Unterhalt von 249,- EUR bzw 257,- EUR monatlich gezahlt worden.
Die Klägerin zu 1) erzielte im streitbefangenen Zeitraum mit Ausnahme des Monats April
2005 Erwerbseinkommen als Verkäuferin. Die Klägerinnen bewohnen einen Teil eines im
Miteigentum der Klägerin zu 1) stehenden Hauses. Der Klägerin zu 1) wurde eine
Eigenheimzulage gewährt, die im streitigen Zeitraum monatlich 276,95 EUR (Betrag auf
zwölf Monate verteilt) betrug.
3 Durch bestandskräftigen Bescheid vom 31. Januar 2005 bewilligte die Beklagte den
Klägerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II
(Arbeitslosengeld II und Sozialgeld) für den Zeitraum vom 1. März bis 31. Juli 2005
in Höhe von 667,12 EUR monatlich. Am 16. März 2005 änderte die Beklagte diesen
Bescheid mit Wirkung zum 1. April 2005 wegen einer wesentlichen Änderung ab und
gewährte ab diesem Zeitpunkt nur noch 390,17 EUR an Leistungen nach dem SGB II. Sie
berücksichtigte bei der Berechnung der Leistungen der Klägerin zu 1) die Eigenheimzulage
und bei der Klägerin zu 2) das Kindergeld sowie den Unterhalt als deren jeweiliges
Einkommen. Einen Pauschbetrag für private Versicherungen brachte sie hiervon nicht in
Abzug. Ferner legte die Beklagte eine Regelleistung der Klägerin zu 1) von 345,- EUR und
eine Leistung für Mehrbedarf als Alleinerziehende in Höhe von 41,- EUR monatlich zu
Grunde. Für die Klägerin zu 2) ging sie von einer monatlichen Regelleistung von 207,- EUR
aus. Daneben berechnete sie den Unterkunftsbedarf der Klägerinnen mit je 238,56 EUR.
Den Widerspruch der Klägerin zu 1) wegen der Berücksichtigung der Eigenheimzulage als
Einkommen beschied die Beklagte abschlägig (Widerspruchsbescheid vom 6. April 2005).
Durch Bescheid vom 11. Mai 2005 änderte die Beklagte den Bescheid vom 31. Januar 2005
ab dem 1. Mai 2005 wegen einer wesentlichen Änderung erneut ab. Zur Begründung führte
sie aus, die Klägerin zu 1) habe ab diesem Zeitpunkt Erwerbseinkommen in Höhe von 160,-
EUR monatlich erzielt. Hiervon seien zwar Freibeträge u.a. für Versicherungen (Kfz-
Haftpflichtversicherung und Pauschale für private Versicherungen) in Abzug zu bringen.
Gleichwohl sei unter Berücksichtigung dieses Einkommens die Höhe der Leistungen nach
dem SGB II auf 313,05 EUR abzusenken. Für den Monat Juli 2005 erfolgte alsdann durch
Bescheid vom 13. Juni 2005 eine Änderung des Bescheides vom 11. Mai 2005 (Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 305,05 EUR) wegen der Gewährung eines
höheren Unterhaltsbeitrags für die Klägerin zu 2) (nunmehr 257,- EUR). Nachdem das
Sozialgericht Oldenburg (SG) die Beklagte durch Beschluss vom 24. Juni 2005 (S 45 AS
415/05 ER) im vorläufigen Rechtsschutzverfahren verpflichtet hatte, Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne "Anrechnung" der Eigenheimzulage
als Einkommen zu gewähren, änderte die Beklagte die Bescheide vom 16. März, 11. Mai
und 13. Juni 2005 ab dem 1. Mai 2005 entsprechend dem Ausspruch des SG ab (Bescheid
vom 30. Juni 2005). Den Monat April 2005 sparte sie mit der Begründung aus, dass die
rechtliche Argumentation einer weiteren Überprüfung bedürfe.
4 Hiergegen haben die Klägerinnen eingewendet, auch im Monat April 2005 dürfe die
Eigenheimzulage nicht als Einkommen berücksichtigt werden. Ebenso wenig stelle das
Kindergeld Einkommen der Klägerin zu 1) dar und es sei im Monat April 2005 von diesem
Einkommen eine Pauschale für private angemessene Versicherungen in Abzug zu bringen.
Durch Urteil vom 14. März 2006 hat das SG Oldenburg der Klage insoweit stattgegeben, als
es die Beklagte verpflichtet hat, für den gesamten streitigen Zeitraum Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung der Eigenheimzulage als
Einkommen zu erbringen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Durch Bescheid vom 18.
Mai 2005 führte die Beklagte dieses Urteil aus. Das Landessozialgericht Niedersachsen-
Bremen (LSG) hat die Berufung der Klägerinnen hiergegen durch Urteil vom 24. April 2007
zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt: Die Bescheide der Beklagten seien
nach Maßgabe der nicht angegriffenen Änderung durch das SG rechtmäßig. Die Zurechnung
des Kindergeldes als Einkommen der Klägerin zu 2) sei nach § 11 Abs 1 Satz 3 iVm Satz 2
SGB II nicht zu beanstanden. Zwar sei das Kindergeld einkommenssteuerrechtlich dem
Kindergeldberechtigten, also im Regelfall dem berechtigten Elternteil zuzurechnen. Dieses
gelte jedoch nur soweit, wie das Kindergeld nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts des
Kindes benötigt werde. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen dieses Regelungskonzept
bestünden nicht. Für die Klägerin zu 2) habe während des gesamten streitigen Zeitraums ein
Regelbedarf von 207,- EUR plus 238,56 EUR für Kosten der Unterkunft bestanden. Dem
sich hieraus ergebenden Gesamtbedarf von 445,56 EUR stünden Unterhalt von 249,- EUR
plus 154,- EUR Kindergeld gegenüber. Hieraus folge ein ungedeckter Bedarf von 42,56
EUR. Von dem Kindergeld der Klägerin zu 2) sei auch keine Pauschale für private
Versicherungen in Höhe von 30,- EUR in Abzug zu bringen. Dem stünden sowohl § 11 Abs
2 Nr 3 SGB II, als auch § 3 Nr 1 Alg II-V entgegen. Danach sei ein Pauschbetrag von 30,-
EUR monatlich für Beiträge zu privaten Versicherungen von dem Einkommen volljähriger
Hilfebedürftiger und von dem Einkommen minderjähriger Hilfebedürftiger abzusetzen, soweit
diese nicht mit volljährigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Mit diesem
Betrag würden die Beiträge für Versicherungen abgedeckt, die bei in einfachen
Verhältnissen lebenden Bürgern in Deutschland allgemein üblich seien. Es sei nicht zu
beanstanden, dass der Verordnungsgeber nicht für jeden Angehörigen der
Bedarfsgemeinschaft diese Pauschale vorsehe, denn es sei davon auszugehen, dass in
dem jeweiligen Haushalt nur eine dieser Versicherungen bestehe und der
Versicherungsschutz nicht nur den Versicherungsnehmer, sondern auch den Partner und die
haushaltsangehörigen minderjährigen Kinder umfasse. Es sei im Verlaufe des Verfahrens
auch nicht geltend gemacht worden, dass Versicherungsbeiträge von der Klägerin zu 2)
aufgebracht würden. Soweit im konkreten Fall die Pauschale im Monat April 2005 überhaupt
keine Berücksichtigung finde, sei dieses ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Pauschbetrag
sei keine zusätzliche Leistung, sondern werde nur in Abzug gebracht, wenn auch tatsächlich
Einkommen erzielt worden sei. Der von der Klägerin geltend gemachte Gesamtbeitrag für
Versicherungen von 13,40 EUR im Monat unterschreite die Pauschale. Deswegen sei sie im
Hinblick auf die Monate Mai bis Juli 2005 nicht beschwert. Im Übrigen begegne die
Berechnung der Leistungen nach dem SGB II durch den Beklagten keinen Bedenken und
seien diese auch nicht vorgebracht worden.
5 Die Klägerinnen machen mit der vom Senat zugelassenen Revision zum
Bundessozialgericht (BSG) eine Verletzung von § 62 Einkommensteuergesetz (EStG), § 13
SGB II, § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II und des Sozialstaatsprinzips aus Art 20 Abs 1 Grundgesetz
(GG) geltend.
6 Für den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Juli 2005 tragen die Klägerinnen vor, durch die von der
Beklagten angewendete "vertikale" Berechnungsmethode anstatt der nach § 9 Abs 2 Satz 3
SGB II vorgeschriebenen "horizontalen" mindere sich der Leistungsanspruch der Klägerin zu
1) um 4,92 EUR monatlich. Im Ergebnis folge hieraus zwar für die Bedarfsgemeinschaft
keine Änderung im Hinblick auf die Höhe der zustehenden Leistungen. Es ergebe sich
jedoch eine andere Aufteilung des Leistungsanspruchs zwischen den beiden Angehörigen
der Bedarfsgemeinschaft.
7 Für den Monat April 2005 gelte, dass die Versicherungspauschale vom Einkommen des
Kindes - also vom Kindergeld - in Abzug zu bringen sei, auch wenn dieses das einzige
Einkommen der Bedarfsgemeinschaft bilde. Ansonsten blieben die Aufwendungen für
Versicherungen, selbst dann, wenn sie tatsächlich getätigt würden, in einer solchen
Konstellation gänzlich unberücksichtigt. Fraglich sei bereits, ob es von der Verfassung
gedeckt sei, wenn das Kindergeld dem Kind als Einkommen zugeordnet werde. Nach der bis
zum 31. Dezember 2004 geltenden Rechtslage des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) sei
das Kindergeld in der Regel dem kindergeldberechtigten Elternteil als Einkommen
zugerechnet und die Versicherungspauschale von diesem Einkommen in Abzug gebracht
worden. Hieraus folge, übertragen auf das SGB II eine um 30,- EUR höhere Leistung. Durch
die andere Zuordnung im Rahmen des SGB II könnten Familien mit Kindern sich, wenn die
Versicherungspauschale nicht auch vom Kindergeld in Abzug gebracht werde, Hausrat- und
Haftpflichtversicherungen nicht mehr leisten, obwohl gerade sie diese besonders dringend
benötigten. Im Übrigen habe es der Regelung des § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II nicht bedurft,
denn auch wenn das Kindergeld als Einkommen des Kindergeldberechtigten anzusehen
wäre, könnte das Kind nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II entsprechend seinen individuellen
Bedarf an dem in der Bedarfsgemeinschaft vorhandenen Einkommen partizipieren. Das
Kindergeld würde lediglich als Einkommen auf alle Bedarfsgemeinschaftsmitglieder
aufgeteilt werden.
8 Ferner sei fraglich, ob die Vorschrift des § 3 Satz 1 Nr 3 Alg II-V der
Verordnungsermächtigung des § 13 Satz 1 Nr 3 SGB II entspreche, da sie nicht nur die Höhe
der Pauschale regele, sondern auch den Kreis der Begünstigten bestimme. Insoweit stehe §
3 Satz 1 Nr 3 Alg II-V auch nicht in Übereinstimmung mit § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II, der von
einer grundsätzlichen Absetzbarkeit der Versicherungsbeiträge vom Einkommen, also auch
dem Kindergeld ausgehe.
9 Zudem sei in der Regelleistung nach dem eindeutigen Wortlaut von § 20 Abs 1 SGB II kein
Betrag zur Unterhaltung von Versicherungen enthalten. Wenn ein Sicherungsbedürfnis
gerade von Familien mit Kindern anerkannt werde, sei es jedoch erforderlich, wenigsten bei
vorhandenem Einkommen die Versicherungspauschale in Abzug zu bringen.
10 Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. April 2007 aufzuheben
und das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 14. März 2006 sowie die Bescheide der
Beklagten vom 16. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2005
und vom 30. Juni 2005 zu ändern sowie die Beklagte zu verurteilen, den Klägerinnen im
Zeitraum vom 1. April bis 31. Juli 2005 höhere Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts zu gewähren.
11 Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
12 Sie vertritt die Auffassung, die Änderung der Berechnungsweise der Leistungen der
Klägerinnen - vertikale zur horizontalen - führe nicht zu höheren Leistungen der Klägerinnen.
Die Klägerinnen seien daher, zumindest bezogen auf den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Juli
2005 nicht beschwert. Zwar ergebe sich für die Klägerin zu 1) in diesem Zeitraum nach der
horizontalen Berechnungsweise ein um 4,92 EUR höherer, jedoch ein im gleichen Umfang
für die Klägerin zu 2) niedrigerer Leistungsanspruch. Da innerhalb der Bedarfsgemeinschaft
aus einem Topf gewirtschaftet werde, komme es zu einer faktischen Zusammenführung der
Individualansprüche in der Bedarfsgemeinschaft. Zumindest im konkreten Fall, in dem die
Höhe des einzelnen Leistungsanspruchs keinen Einfluss auf die Sozialversicherungspflicht
habe, würde eine Neubescheidung mit Berechnung nach der horizontalen
Berechnungsweise lediglich eine geänderte Ausweisung der Höhe der Individualansprüche
nach sich ziehen, nicht jedoch eine Änderung der Höhe des Leistungsbetrags an die
Bedarfsgemeinschaft.
13 Die Versicherungspauschale sei im Monat April 2005 nicht von dem Einkommen der
Klägerin zu 1) abzusetzen. Eine Ungleichbehandlung der volljährigen Hilfebedürftigen mit
Einkommen und solcher ohne Einkommen sei - soweit es die Versicherungspauschale
betreffe - sachlich gerechtfertigt. Ein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liege nicht vor. Ziel des
SGB II sei die Eingliederung der Hilfebedürftigen in Arbeit. Sie sollten in die Lage versetzt
werden ohne Leistungen nach dem SGB II zu leben. Um dieses Ziel zu erreichen seien
Anreize erforderlich. Ein derartiger Anreiz sei die Einräumung eines Freibetrags in Höhe der
pauschalierten Kosten für Versicherungen vom erzielten Einkommen. Die Deckung des
Bedarfs "Absicherung von Lebensrisiken durch Versicherung" sei nicht von der
Regelleistung nach § 20 Abs 1 SGB II umfasst; eine abweichende Festlegung der dort
benannten Bedarfe sei im SGB II nicht zulässig (§ 3 Abs 3 Satz 2 SGB II). Durch die
Regelleistung werde nur das sozio-kulturelle Existenzminimum gesichert. Die Absetzbarkeit
der Versicherungspauschale habe daher, wie das BSG bereits bestätigt habe, keine
leistungserhöhende Wirkung. Vor dem Hintergrund des Aspekts des Forderns in der Gestalt
der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sei die Absetzbarkeit von Versicherungsbeiträgen
ausschließlich vom erzielten Einkommen und nicht bei jeglichem Bezug von staatlichen
Sozialleistungen auch vom Sozialstaatsprinzip gedeckt. Die Alg II-V schränke den Kreis der
Anspruchsberechtigten auch nicht ein, sondern erweitere diesen um diejenigen
minderjährigen Kinder, die über genügend Einkommen verfügten, um keine
Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern zu bilden und deren Einkommen nicht aus
Erwerbstätigkeit stamme, sondern etwa Unterhalts- oder staatlichen Sozialleistungen.
Entscheidungsgründe
14 Die Revision der Klägerinnen ist zum überwiegenden Teil unbegründet. Lediglich die
Revision der Klägerin zu 1) betreffend den Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Juli 2005 ist
begründet. Sie hat insoweit einen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts (A). Die Klägerin hat durch die von der Beklagten in den angefochtenen
Bescheiden angewendete vertikale Berechnungsmethode individuell niedrigere Leistungen
erhalten, als ihr nach der gesetzlich vorgesehenen horizontalen Berechnungsweise (§ 9 Abs
2 Satz 3 SGB II) zugestanden hätten. Hieraus folgt in den Monaten Mai und Juni 2005 ein
Anspruch auf um 5,- EUR und im Juli 2005 um 4,- EUR höhere Leistungen für die Klägerin
zu 1) (1). Der Durchsetzung dieses Anspruchs der Klägerin zu 1) steht nicht entgegen, dass
die Bedarfsgemeinschaft insgesamt, unabhängig von der angewandten
Berechnungsmethode im Zeitraum vom 1. Mai bis 31. Juli 2005 Leistungen in zutreffender
Höhe erhalten hat. Da auch in der Bedarfsgemeinschaft Individualansprüche der einzelnen
Mitglieder erhalten bleiben, ist die Klägerin zu 1) materiell-rechtlich in Höhe von 14,- EUR
beschwert (2). Die Klage der Klägerin zu 2) betreffend diesen Zeitraum ist hingegen mangels
materiell-rechtlicher Beschwer unbegründet. Sie hat von Mai bis Juli 2005 höhere
Leistungen erhalten, als ihr nach der horizontalen Berechnungsmethode zugestanden hätten
(3). Die Revision der Klägerinnen ist im Hinblick auf die Leistungen für den Monat April 2005
unbegründet. Ihnen stehen für diesen Monat keine höheren Leistungen zu. Im Monat April
2005 war von dem einzigen Einkommen der Bedarfsgemeinschaft in der Gestalt des
Kindergeldes für die Klägerin zu 2) keine Versicherungspauschale für private
Versicherungen in Höhe von 30,- EUR abzusetzen. Das folgt aus § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II (idF
des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004, BGBl I 2014) iVm § 13 Satz 1 Nr 3
SGB II (idF des Vierten Gesetzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.
Dezember 2003, BGBl I 2954) und § 3 Nr 1 Alg II-V (idF vom 20. Oktober 2004, BGBl I 2622)
. Grundsätzlich ist zwar vom erzielten Einkommen eine Pauschale in Höhe von 30,- EUR
für private Versicherungen - unabhängig von den tatsächlichen Aufwendungen für
Versicherungen und Prüfung der Angemessenheit der Versicherungen im Einzelfall -
abzusetzen (1). Hiervon macht § 3 Nr 1 Alg II-V jedoch eine Ausnahme, wenn das
Einkommen der Bedarfsgemeinschaft lediglich aus dem Kindergeld eines minderjährigen
Kindes besteht (2). Die Regelung des § 3 Nr 1 Alg II-V ist ermächtigungskonform und
verfassungsgemäß (3).
15 Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 16. März
2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2005und vom 30. Juni 2005 .
16 Durch Bescheid vom 16. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April
2005 hat die Beklagte den bindenden Bescheid vom 31. Januar 2005 wegen einer
wesentlichen Änderung der Verhältnisse aufgehoben und die Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts neu festgestellt. Die wesentliche Änderung hat sie in dem Bezug der
Eigenheimzulage erkannt, welche sie als Einkommen bewertet hat.
17 Den Bescheid vom 31. Januar 2005 hat die Beklagte zwar anschließend nochmals durch
Bescheid vom 11. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober
2005 geändert. Sie hat dabei das von der Klägerin ab 1. Mai 2005 erzielte Einkommen
leistungsmindernd berücksichtigt. Diese Bescheide sind jedoch nicht Gegenstand des
Gerichtsverfahrens geworden; die Klägerinnen haben sie nicht mit der Klage angefochten,
weder SG, noch LSG haben die Bescheide nach § 96 SGG in das Verfahren einbezogen.
Die Klägerinnen haben auch keine entsprechende Verfahrensrüge im Revisionsverfahren
erhoben (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 8. Aufl 2005, §
96 RdNr 12). Die Klägerinnen wollten den Bescheid vom 11. Mai 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2005 auch ersichtlich nicht anfechten, denn sie
haben zur Begründung ihres Begehrens im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren nur
vorgebracht, die Versicherungspauschale hätte im Monat April 2005 bei der
Leistungsberechnung berücksichtigt werden müssen und die Eigenheimzulage stelle kein
Einkommen dar. Gegen die Berücksichtigung des Erwerbseinkommens der Klägerin zu 1)
wenden sie sich nicht.
18 Die Nichtberücksichtigung der Eigenheimzulage als Einkommen wird von der Beklagten,
wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich erklärt hat, nicht mehr
angegriffen.
19 Nach den von den Beteiligten nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen
Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bestehen keine Zweifel, dass die Klägerin zu 1)
Anspruch auf Alg II hat. Sie erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 SGB II, da sie das 15.
Lebensjahr vollendet hat, das 65. jedoch noch nicht, erwerbsfähig ist sowie ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Sie ist auch hilfebedürftig
iS des § 9 Abs 1 SGB II. Diesen Tatbestand erfüllt, wer seinen Lebensunterhalt … nicht oder
nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer
zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern
kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen Angehörigen oder von Trägern anderer
Sozialleistungen erhält. Die Klägerin zu 2) - als ihr minderjähriges Kind, das ihrem Haushalt
angehört - bildet mit ihr zusammen eine Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II
idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I 2014). Auch sie ist
hilfebedürftig, da sie sich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenem
Einkommen oder Vermögen verschaffen kann und hat Anspruch auf Sozialgeld nach § 28
SGB II.