Urteil des BSG vom 13.07.2010

BSG: pflege, leistungserbringer, stadt, begriff, zink, ausnahme, entlastung, willkürverbot, vergleich, behandlung

Bundessozialgericht
Urteil vom 13.07.2010
Sozialgericht Dortmund S 41 SO 226/06
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 20 SO 27/08
Bundessozialgericht B 8 SO 13/09 R
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. April 2009 wird
zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
1
Im Streit ist ein Anspruch des Klägers - Inhaber eines ambulanten Pflegedienstes - auf Übernahme weiterer Kosten
für die ambulante Pflege der im Jahre 2006 verstorbenen Hilfeempfängerin in der Zeit vom 1.6. bis 31.12.2005.
2
Der Beklagte gewährte der Hilfeempfängerin antragsgemäß dem Grunde nach Hilfe zur Pflege in Form der Übernahme
eines Teils der angemessenen Kosten (unter Berücksichtigung von Einkommen) des vom Kläger betriebenen
ambulanten Dienstes für die Zeit vom 1.6.2005 bis 31.1.2006; die monatliche Einzelabrechnung sollte mit dem Kläger
erfolgen (Bescheid vom 3.1.2006). Während des nachfolgenden Widerspruchsverfahrens verstarb die
Hilfeempfängerin. Der Kläger zeigte dem Beklagten unter Berufung auf § 19 Abs 6 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch -
Sozialhilfe - (SGB XII) seinen Eintritt in dieses Verfahren an und beantragte die Übernahme der ihm für die Pflege der
Hilfeempfängerin in der Zeit vom 1.6.2005 bis 31.12.2005 entstandenen, noch ungedeckten Kosten in Höhe von 14
741,75 Euro. Der Beklagte übernahm zunächst nicht gedeckte Pflegekosten in Höhe von 2986,88 Euro (Bescheid
vom 20.6.2006), berief sich später aber im Widerspruchsverfahren auf die fehlende Anwendbarkeit des § 19 Abs 6
SGB XII für ambulante Dienste (Widerspruchsbescheid vom 26.10.2006).
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Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 3.3.2008;
Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 27.4.2009). Zur Begründung seiner Entscheidung hat
das LSG ausgeführt, das SG habe die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, weil dem Kläger der geltend
gemachte Anspruch nicht zustehe. Die vom Kläger in Bezug genommene Regelung des § 19 Abs 6 SGB XII gelte nur
für Ansprüche auf stationäre oder teilstationäre Leistungen, nicht jedoch für Ansprüche auf Übernahme der Kosten,
die für Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes entstanden seien. Der in § 19 Abs 6 SGB XII verwendete Begriff
der "Leistungen für Einrichtungen" erfasse nach Wortlaut, Systematik, Gesetzeshistorie und Zweck nicht die von
ambulanten Pflegediensten erbrachten Leistungen.
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Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 19 Abs 6 SGB XII. Die Vorschrift erfasse nach dem
objektiven Willen des Gesetzgebers auch die von ambulanten Pflegediensten erbrachten Leistungen in häuslicher
Umgebung. Der Zweck des § 19 Abs 6 SGB XII und der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 Grundgesetz
(GG) geböten eine Einbeziehung ambulanter Pflegedienste, weil auch diese in ihrem berechtigten Vertrauen auf die
Übernahme der Kosten durch den Sozialhilfeträger schutzwürdig seien und deren Einbeziehung letztlich die
Erbringung einer schnellen Hilfe durch Dritte im Sinne des Hilfebedürftigen fördere. Ein sachlicher Grund für die
Differenzierung zwischen stationären Einrichtungen und ambulanten Diensten sei nicht erkennbar. Zudem seien
stationäre Einrichtungen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Stärke eher in der Lage, finanzielle Ausfälle zu verkraften, als
kleinere ambulante Dienste, die daher in einem höheren Maße schutzbedürftig seien. Eine andere Auslegung der
Norm widerspreche dem im Gesetz formulierten Grundsatz "ambulant vor stationär". In der Sache sei der von dem
Beklagten vorgenommene Abzug eines "Eigenanteils" durch Berücksichtigung von Einkommen der Verstorbenen
nicht gerechtfertigt.
5
Der Kläger beantragt, das Urteil des LSG sowie den Gerichtsbescheid des SG aufzuheben und den Beklagten unter
Abänderung des Bescheids vom 3. Januar 2006 in der Gestalt des Bescheids vom 20. Juni 2006, beide in der Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 26. Oktober 2006, zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember
2005 weitere Kosten in Höhe von 11 754,87 Euro zu erstatten.
6
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
7
Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
II
8
Die zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Das LSG hat die Berufung
des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf
Übernahme weiterer Kosten für die ambulante Pflege der Hilfeempfängerin als deren Rechtsnachfolger im Zeitraum
vom 1.6. bis 31.12.2005.
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Gegenstand des Verfahrens sind der von der Widerspruchsbehörde nicht ausdrücklich bezeichnete, von ihr aber
sachlich einbezogene und an die Hilfeempfängerin adressierte Bescheid vom 3.1.2006 und der an den
Prozessbevollmächtigten des Klägers adressierte Bescheid vom 20.6.2006, beide in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 26.10.2006 (§ 95 SGG). Mit dem Bescheid vom 3.1.2006 hat der Beklagte der
Hilfeempfängerin dem Grunde nach Hilfe zur Pflege für den Zeitraum 1.6.2005 bis 31.1.2006 in Form der (teilweisen)
Übernahme der Kosten des vom Kläger betriebenen ambulanten Pflegedienstes gewährt; Gegenstand des
Klageverfahrens sind jedoch auch die in entsprechender Anwendung des § 86 SGG Gegenstand des
Widerspruchsverfahrens gewordenen konkludenten monatlichen Leistungsbewilligungen geworden, die in den
Zahlungen an den Kläger zu sehen sind. Mit dem Bescheid vom 20.6.2006 gegenüber dem Kläger änderte der
Beklagte zugleich diese Bescheide.
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Gegen die genannten Bescheide wendet sich der Kläger mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54
Abs 1 Satz 1, Abs 4 iVm § 56 SGG). Richtiger Klagegegner ist der Oberbürgermeister der Stadt Bochum
(Funktionsbezeichnung). Die kreisfreie Stadt Bochum ist sachlich und örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe (§ 97
Abs 1, § 98 Abs 1 SGB XII iVm § 3 Abs 2 SGB XII und §§ 1, 2 Landesausführungsgesetz zum SGB XII für das Land
Nordrhein-Westfalen (NRW) vom 16.12.2004 - Gesetz- und Verordnungsblatt (GVBl) NRW 816 -, zuletzt geändert
durch das Gesetz vom 9.6.2009 - GVBl NRW 335 - sowie § 2 der Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes
NRW vom 16.12.2004 - GVBl NRW 817 -, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 11.5.2009 - GVBl NRW 299).
Der Oberbürgermeister ist als Behörde der Stadt Bochum nach § 70 Nr 3 SGG iVm § 3 des Gesetzes zur Ausführung
des SGG im Lande NRW (vom 8.12.1953 - GVBl NRW 412 -, zuletzt geändert durch Art 3 des Gesetzes vom
26.1.2010 - GVBl NRW 30) iVm § 63 Abs 1 Satz 1 Gemeindeordnung für das Land NRW (in der Fassung der
Bekanntmachung vom 14.7.1994 - GVBl NRW 666 -, zuletzt geändert durch Art 4 des Gesetzes vom 17.12.2009 -
GVBl NRW 950) beteiligtenfähig (zum Behördenprinzip vgl Senatsurteile vom 29.9.2009 - B 8 SO 19/08 R - und vom
2.2.2010 - B 8 SO 21/08 R).
11
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der noch ungedeckten Kosten für die der Hilfeempfängerin in der Zeit
vom 1.6. bis 31.12.2005 erbrachten ambulanten Pflegeleistungen aus § 19 Abs 6 SGB XII (in der Normfassung des
Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB vom 27.12.2003 - BGBl I 3022). Danach steht der
Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld, soweit die Leistung den Berechtigten
erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat. Damit
regelt die Vorschrift nach der ausdrücklichen Formulierung der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 13/3904, S 45 zu Nr
8b: "Anspruch auf einen Dritten übergehen läßt") einen besonderen Fall der Sonderrechtsnachfolge im Sinne einer
cessio legis (so auch: Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 19 RdNr 62, Stand August 2009; Adolph in
Linhart/Adolph, SGB II/SGB XII/AsylbLG, B III § 19 SGB XII RdNr 76, Stand Juli 2009; Schoch in Münder, Lehr- und
Praxiskommentar (LPK) SGB XII, 8. Aufl 2008, § 19 SGB XII RdNr 56; Coseriu in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann,
Kommentar zum Sozialrecht, 2009, § 19 SGB XII RdNr 17; Zeitler, NDV 1997, 4 ff zu § 28 Abs 2
Bundessozialhilfegesetz (BSHG); Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 25.4.2001 - 5 B 570/99;
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 9.1.2003 - 12 B 00.670 -, und LSG NRW, Beschluss vom
30.10.2006 - L 20 B 94/06 SO -, jeweils zu § 28 BSHG; offen gelassen noch vom Senat in SozR 4-1500 § 183 Nr 8
RdNr 8; aA: Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl 2010, § 19, SGB XII RdNr 37; Dauber in Mergler/Zink,
Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil II, § 19 SGB XII RdNr 38, Stand Januar 2010). § 19 Abs 6 SGB
XII begründet keinen originären eigenen Anspruch iS eines subjektiven Rechts. Die in § 19 Abs 6 SGB XII genannten
Personen treten bei Vorliegen der in der Vorschrift geregelten Voraussetzungen vielmehr in die Rechtsstellung des
verstorbenen Hilfeempfängers ein.
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Die Leistungen zur häuslichen Pflege, die der vom Kläger betriebene ambulante Dienst gegenüber der verstorbenen
Hilfeempfängerin im streitgegenständlichen Zeitraum erbracht hat, sind keine "Leistungen für Einrichtungen" iS des §
19 Abs 6 SGB XII. Der Gesetzgeber unterscheidet schon bei der Begriffsbestimmung im Zweiten Kapitel Erster
Abschnitt ("Grundsätze der Leistungen") zwischen "Leistungen außerhalb von Einrichtungen" (ambulante Leistungen)
und Leistungen in teilstationären oder stationären Einrichtungen (teilstationäre oder stationäre Leistungen). Beide
Begriffe werden in § 13 Abs 1 SGB XII (in der Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in
das SGB) in gesetzestypischer Weise durch Klammerzusätze (teilweise; siehe außerdem § 13 Abs 2 SGB XII)
legaldefiniert (vgl auch § 75 Abs 1, § 35 Abs 1 SGB XII). Ambulante Leistungen werden hiernach "außerhalb von
Einrichtungen" erbracht; ambulante Dienste sind mithin gerade nicht Einrichtungen iS dieser Definition.
13
Der Begriff "Einrichtung" war bereits nach dem Rechtsverständnis des BSHG der Oberbegriff für "Anstalten", "Heime"
und "gleichartige Einrichtungen" (zB in § 97 Abs 4 BSHG; vgl Schoch in Münder, LPK-BSHG, 4. Aufl 1994, § 97
BSHG RdNr 47 ff; Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 97 BSHG RdNr 89 ff). Nach der vom
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zu dieser Vorschrift entwickelten Rechtsprechung handelt es sich bei einer
Einrichtung iS dieser Vorschrift um einen in einer besonderen Organisationsform zusammengefassten Bestand von
personellen und sächlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen
wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist (BVerwGE 95, 149, 152; BVerwG, Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 42/91 -,
FEVS 45, 52 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 13/91 -, FEVS 45, 183 ff; Urteil vom 24.2.1994 - 5 C 17/91 -, ZfSH/SGb
1995, 535 ff) und Leistungen der Sozialhilfe erbringt. Wesentliches Merkmal einer Einrichtung iS des Sozialhilferechts
war seit jeher die räumliche Bindung an ein Gebäude (BVerwGE 48, 228 ff = Buchholz 436.0 § 40 BSHG Nr 6;
BVerwGE 95, 149, 152; BVerwG, Urteil vom 24.2.1994 – 5 C 42/91 -, FEVS 45, 52 ff; Lippert in Mergler/Zink, aaO, §
13 SGB XII RdNr 42).
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Die - vom Kläger geforderte - Gleichstellung ambulanter Leistungserbringer mit stationären bzw teilstationären
Leistungserbringern im Hinblick auf den Anspruchsübergang nach § 19 Abs 6 SGB XII ist auch nicht vor dem
Hintergrund des Gleichheitsgrundsatzes (Art 3 Abs 1 GG) geboten. Der Gleichheitssatz verbietet es, eine Gruppe von
Normadressaten im Verhältnis zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen
keine Unterschiede solcher Art und solchen Gewichts bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigten
könnten (BVerfGE 55, 72, 88; 93, 386, 397 mwN) und gebietet somit, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich
Ungleiches ungleich zu behandeln (stRspr des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG): BVerfGE 1, 14, 52; 13, 46, 53;
zuletzt 112, 164, 174). Dabei obliegt es grundsätzlich dem Gesetzgeber, die Sachverhalte auszuwählen, an die er
dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er somit im Rechtssinne als gleich ansehen will (BVerfGE 75, 108, 157; 103, 310,
318 mwN), soweit die Auswahl sachgerecht ist (BVerfGE 53, 313, 329; 103, 310, 318), was anhand der
Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts zu beurteilen ist (BVerfGE 17, 122, 130; 75, 108, 157; 103, 310, 318).
Die Anforderungen an den Differenzierungsgrund werden durch den Regelungsgegenstand und das
Differenzierungskriterium bestimmt und reichen vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (BVerfGE 99, 367, 388; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28.5.2008 - 1 BvR
2257/06).
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Die Situation ambulanter Leistungserbringer und die der Erbringer von stationären bzw teilstationären Leistungen ist
nicht vergleichbar, sodass deren unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf den Anspruchsübergang nach § 19 Abs
6 SGB XII keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellt. Durch den Anspruchsübergang sollen die Träger einer
Einrichtung, die Hilfe zur Pflege erbracht haben, und Pflegepersonen im Sinne von nahen Angehörigen des
Pflegebedürftigen, die Pflege geleistet haben, in ihrem Vertrauen auf die Gewährung von Leistungen geschützt
werden. Die besondere Schutzwürdigkeit dieses Vertrauens resultiert bei Pflegepersonen aus dem Umstand der
geleisteten persönlichen Pflege aufgrund einer emotionalen Verbundenheit mit dem Pflegebedürftigen und der damit
verbundenen Entlastung der Solidargemeinschaft. Das Vertrauen von Einrichtungen, die (teil-)stationäre Leistungen
erbringen, ist besonders schutzwürdig. (Teil-)Stationäre Pflege wird im Regelfall gewährt, wenn ambulante Hilfen nicht
ausreichend sind, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der Hilfebedürftige in einem zunehmenden Maße
pflegebedürftig wird. Dem in § 13 Abs 1 Satz 3 bis 5 SGB XII normierten Regel-Ausnahme-Verhältnis ("ambulant vor
stationär") kann entnommen werden, dass der Gesetzgeber grundsätzlich von höheren Kosten für die (teil-)stationäre
Pflege im Vergleich zur ambulanten Pflege ausgeht. Das Kostenrisiko ist für den Erbringer (teil-)stationärer Leistungen
typischerweise größer als für einen ambulanten Leistungserbringer. Zudem dürften Einrichtungsträger ihre Leistungen
im Regelfall in größeren zeitlichen Abständen abrechnen, sodass sie eher gefährdet sind, den Anspruch auf
Leistungen in einem größeren Umfang durch den Tod des Hilfeberechtigten zu verlieren. Dieser Unterschied
rechtfertigt die Beschränkung des in § 19 Abs 6 SGB XII geregelten Anspruchsübergangs auf die Erbringer von (teil-
)stationären Leistungen.
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Bei dieser typisierenden Betrachtung ist besonders zu beachten, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des
früheren § 28 Abs 2 BSHG als Vorgängerregelung des § 19 Abs 6 SGB XII nicht den Fall vor Augen hatte, dass es -
wie vorliegend - um höhere Leistungen nach Leistungsbewilligung geht, sondern der Leistungserbringer sollte nicht leer
ausgehen, wenn der Hilfebedürftige vor der Bewilligung der Sozialhilfeleistung verstirbt (BT-Drucks 13/3904, S 45 zu
Nr 8b des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Sozialhilferechts). Es kann dahinstehen, ob § 19 Abs 6 SGB XII
nicht im Hinblick darauf teleologisch reduziert werden muss; jedenfalls akzentuiert die der Gesetzesbegründung
zugrunde liegende Konstellation das beschriebene höhere Risiko von Einrichtungen gegenüber den ambulanten
Diensten.
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Dass im Einzelfall die Kosten für die geleistete ambulante Pflege den Umfang der Kosten einer (teil-)stationären
Pflege erreichen oder auch übersteigen, steht dem nicht entgegen. Bei der Regelung von Massenerscheinungen kann
der Gesetzgeber typisierende und generalisierende Regelungen treffen; die dabei entstehenden Härten und
Ungerechtigkeiten müssen hingenommen werden, wenn die Benachteiligung nur eine kleine Zahl von Personen betrifft
und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (BVerfGE 79, 87, 100; 91, 93, 115; 98, 365, 385).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 SGG. Das Verfahren ist für den Kläger gerichtskostenfrei; dies ergibt
sich aus § 183 Satz 1 und 3 SGG. Nach § 183 Satz 3 SGG steht den in Satz 1 genannten Personen (hier:
Leistungsempfänger) derjenige gleich, der im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Da sich der
Kläger eines Rechts als Sonderrechtsnachfolger nach der verstorbenen Hilfebedürftigen berühmt, ist er hiernach
kostenrechtlich mit dieser gleichzustellen (vgl zur Stellung des Sonderrechtsnachfolgers nach § 19 Abs 6 SGB XII:
BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 8).