Urteil des BSG vom 05.09.2006

BSG: heilbehandlung, versorgung, verwaltungsakt, ausschuss, öffentlich, ermächtigung, rechtsmittelbelehrung, approbation, vorverfahren, abrechnung

Bundessozialgericht
Urteil vom 05.09.2006
Sozialgericht Reutlingen S 4 U 1811/99
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 2 U 1071/03
Bundessozialgericht B 2 U 8/05 R
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Januar 2005
aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
1
Der Kläger, ein niedergelassener Orthopäde, begehrt, an der besonderen unfallmedizinischen Heilbehandlung als sog
H-Arzt beteiligt zu werden. Umstritten ist, ob er die von den Spitzenverbänden der Unfallversicherungsträger
festgelegten fachlichen Voraussetzungen für eine derartige Tätigkeit erfüllt.
2
Im Rahmen seiner Ausbildung hat der Kläger als Arzt im Praktikum ca ein Jahr und drei Monate in einer
Berufsgenossenschaftlichen Klinik sowie weitere drei Monate in der chirurgischen Abteilung eines Krankenhauses
gearbeitet. Nach Erteilung der Approbation war er als Assistenzarzt ein weiteres Jahr in der Chirurgie und sodann
knapp fünf Jahre in einer Orthopädischen Klinik tätig. Seit 1997 war er Praxisassistent eines - am H-Arzt-Verfahren
teilnehmenden - Orthopäden, dessen Praxis er zum 1. Juli 1998 übernommen hat.
3
Den im April 1998 beim Landesverband Südwestdeutschland der gewerblichen Berufsgenossenschaften (LVBG)
gestellten Antrag auf Beteiligung als H-Arzt lehnte der im Abkommen Ärzte/Unfallversicherungsträger vorgesehene
Ausschuss aus Ärzten und Vertretern des LVBG ab, weil die in den Richtlinien der Unfallversicherungsträger über die
Beteiligung von H-Ärzten geforderte Voraussetzung einer mindestens zweijährigen Tätigkeit auf dem Gebiet der
Unfallchirurgie nach der Approbation nicht gegeben sei. Mit Schreiben vom 26. Februar 1999, dem eine
Rechtsmittelbelehrung und eine Kopie des Beschlusses beigefügt waren, teilte der LVBG dem Kläger diese
Entscheidung mit.
4
Der Kläger erhob dagegen am 6. April 1999 zunächst Widerspruch, über den bisher nicht entschieden wurde, und am
12. Juli 1999 sodann Klage. Nachdem der ursprünglich beklagte LVBG eingewandt hatte, nicht er, sondern der
gemeinsame Ausschuss bzw die durch ihn handelnden Vertragspartner des Ärzteabkommens seien die
verantwortlichen Entscheidungsträger, hat der Kläger die Klage umgestellt und beantragt, die Spitzenverbände der
Unfallversicherungsträger und die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) zu verpflichten, ihn als H-Arzt zuzulassen.
Sozialgericht (SG) und Landessozialgericht (LSG) haben die Klage als zulässig und insbesondere die Beklagten als
passivlegitimiert angesehen. Die Beteiligung als H-Arzt erfolge nicht durch Verwaltungsakt, sondern durch öffentlich-
rechtlichen Vertrag, der von den Spitzenverbänden und der KÄV gemeinsam mit dem Arzt abzuschließen sei. In der
Sache haben beide Vorinstanzen einen Anspruch des Klägers auf Beteiligung verneint. Das LSG hat in seinem die
Berufung zurückweisenden Urteil vom 26. Januar 2005 auf die "Anforderungen der Unfallversicherungsträger für die
Beteiligung am H-Arzt-Verfahren" und die darin festgelegten Zulassungsvoraussetzungen verwiesen, die der Kläger
nicht erfülle. Dass die "Anforderungen" von den Spitzenverbänden und nicht von den einzelnen
Unfallversicherungsträgern erlassen worden seien, sei durch die gesetzliche Ermächtigung in § 34 Abs 1 Satz 2 des
Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) gedeckt. Auch inhaltlich stünden die der Qualitätssicherung dienenden
Zulassungsvoraussetzungen mit höherrangigem Recht in Einklang.
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Mit der Revision rügt der Kläger Verstöße gegen materielles Gesetzes- und Verfassungsrecht. Die Anforderungen für
die Beteiligung am H-Arzt-Verfahren müssten nach der klaren Regelung in § 34 Abs 1 Satz 2 SGB VII von den
jeweiligen Unfallversicherungsträgern aufgestellt werden. Eine Übertragung auf die Spitzenverbände verbiete sich
nicht nur vom Wortlaut, sondern auch aus systematischen Erwägungen. Denn in den verschiedenen Absätzen des §
34 SGB VII werde genau zwischen den Unfallversicherungsträgern auf der einen und den Verbänden der
Unfallversicherungsträger auf der anderen Seite unterschieden. Von daher sei auszuschließen, dass der Gesetzgeber
die Vorschrift etwa versehentlich zu eng gefasst habe. Da die "Anforderungen" von einer sachlich unzuständigen
Stelle erlassen worden seien, komme ihnen keine rechtliche Wirkung zu.
6
Abgesehen davon werde durch die starren Regelungen zu den Qualifikationsnachweisen die Berufsfreiheit der
zulassungswilligen Ärzte in unzulässiger Weise eingeschränkt. Dafür, dass bei der Feststellung der fachlichen
Befähigung zum H-Arzt Tätigkeiten auf dem Gebiet der Unfallchirurgie nur anerkannt würden, wenn sie nach der
Approbation abgeleistet worden seien, gebe es keinen sachlichen Grund. Denn auch durch die Tätigkeit als Arzt im
Praktikum werde eine entsprechende Qualifikation erworben, was sich daran zeige, dass die betreffenden Zeiten bei
der ärztlichen Weiterbildung angerechnet werden könnten. Auf den Vorschlag, seine unfallmedizinischen Kenntnisse
und Fähigkeiten im Rahmen eines Kolloquiums zu überprüfen, sei der Zulassungsausschuss nicht eingegangen.
7
Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. Januar 2005 und das Urteil
des Sozialgerichts Reutlingen vom 4. März 2002 aufzuheben und die Beklagten unter Aufhebung der Entscheidung
des Ausschusses Ärzte/Unfallversicherungsträger zu verpflichten, ihn an der besonderen unfallmedizinischen
Heilbehandlung als H-Arzt zu beteiligen.
8
Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
II
9
Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das LSG
zurückverwiesen werden muss, damit Verfahrenshindernisse, die einer Entscheidung über den erhobenen Anspruch
entgegenstehen, beseitigt werden können (§ 170 Abs 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
10
Ein solches Hindernis ist die fehlende Passivlegitimation der derzeitigen Beklagten.
11
Der Kläger hat die ursprünglich gegen den LVBG gerichtete Klage bereits in erster Instanz geändert und sowohl in der
mündlichen Verhandlung vor dem SG als auch später im Berufungsverfahren die Verurteilung der Spitzenverbände der
Unfallversicherungsträger und der KÄV beantragt. Diese Institutionen sind indes nicht die richtigen Anspruchsgegner,
weil die Entscheidung über die Zulassung als H-Arzt nicht von ihnen, sondern von dem LVBG zu treffen ist und im
konkreten Fall auch getroffen wurde.
12
Die Zuständigkeit des LVBG ergibt sich aus § 34 Abs 2 SGB VII in Verbindung mit dem zwischen den
Bundesverbänden der Unfallversicherungsträger und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung geschlossenen Vertrag
über die unfallmedizinische Versorgung.
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§ 34 Abs 2 SGB VII bestimmt, dass die Unfallversicherungsträger an der Durchführung der besonderen
unfallmedizinischen Behandlung die Ärzte und Krankenhäuser zu beteiligen haben, die den von ihnen nach § 34 Abs 1
Satz 2 SGB VII festgelegten Anforderungen entsprechen. Das Nähere zur Beteiligung niedergelassener Ärzte haben
die Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger und die Kassenärztliche Bundesvereinigung in dem Vertrag
geregelt, den sie in Erfüllung des gesetzlichen Auftrags aus § 34 Abs 3 Satz 1 SGB VII mit Wirkung für ihre Mitglieder
über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte und die Art und Weise der Abrechnung
geschlossen haben. § 32 Abs 1 des Vertrages Ärzte/Unfallversicherungsträger vom 29. November 2000 (DÄ 2001,
Sonderbeilage zu Heft 4) sieht ebenso wie die inhaltsgleiche Regelung in dem früheren, im Zeitpunkt der
Verwaltungsentscheidung noch in Kraft befindlichen Abkommen Ärzte/Unfallversicherungsträger (Ärzteabkommen)
vom 23. März 1984 (DÄ 1984, B-2111) vor, dass die Zulassung als H-Arzt bei dem zuständigen Landesverband der
gewerblichen Berufsgenossenschaften zu beantragen ist. Über den Antrag entscheidet nach § 32 Abs 2 des Vertrages
ein Ausschuss, der sich aus je drei Vertretern der für den Praxissitz des Arztes zuständigen KÄV und des
zuständigen Landesverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften zusammensetzt.
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Mit der Einrichtung eines paritätisch besetzten Ausschusses orientieren sich die Vertragspartner an dem Modell, das
im Krankenversicherungsrecht für die Zulassung von Ärzten zur vertragsärztlichen Versorgung entwickelt worden ist.
Anders als die dortigen Zulassungs- und Berufungsausschüsse (siehe dazu §§ 96, 97 SGB V; § 70 Nr 4 SGG) ist der
für die Beteiligung am H-Arzt-Verfahren vorgesehene Ausschuss indessen weder gegenüber den Vertragspartnern
rechtlich verselbstständigt und mit eigenen rechtlichen Befugnissen ausgestattet noch in einem Prozess
beteiligtenfähig. Seinen Entscheidungen kann deshalb, wie das LSG mit Recht angenommen hat, nur im
Innenverhältnis zwischen Unfallversicherungsträgern und KÄV Bedeutung zukommen. Im Außenverhältnis
entscheidet der zuständige Landesverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, der das Votum des
Ausschusses in eine gegenüber dem Arzt wirkende Zulassungsentscheidung umsetzt. Nur dieses Verständnis der
vertraglichen Regelung wird den gesetzlichen Vorgaben aus § 34 Abs 3 Satz 1 SGB VII gerecht; denn danach obliegt
die Zulassung als H-Arzt nicht einem paritätisch besetzten Gremium als Einrichtung der gemeinsamen
Selbstverwaltung von Berufsgenossenschaften und Ärzten, sondern allein den Unfallversicherungsträgern. Dass für
sie als Entscheidungsträger der jeweilige Landesverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften handeln soll,
ergibt sich aus den Regelungen in § 32 Abs 1 Satz 2 und Abs 3 des Vertrages sowie aus der Parallele zu den
Vorschriften über die Zulassung als Durchgangsarzt, die ausdrücklich dem Landesverband übertragen ist (§ 24 des
Vertrages Ärzte/Unfallversicherungsträger).
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Die vertraglichen Regelungen über die Zulassung als H-Arzt und die Kompetenzzuweisung an die Landesverbände der
gewerblichen Berufsgenossenschaften sind durch die gesetzliche Ermächtigung in § 34 Abs 3 SGB VII gedeckt und
verletzen kein höherrangiges Recht.
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Aus der Beschreibung des Vertragsgegenstandes in § 34 Abs 3 Satz 1 SGB VII ("Durchführung der Heilbehandlung,
Vergütung der Ärzte und Zahnärzte, Art und Weise der Abrechnung") ist zum Teil geschlossen worden, dass sich die
Regelungsbefugnis der Vertragspartner auf Vereinbarungen über die Durchführung der Zusammenarbeit mit dem
bereits zugelassenen Leistungserbringer beschränke und die Zulassung selbst nicht umfasse (so Krasney in:
Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, Stand: 2006, § 34 RdNr 21). Diese Auslegung erscheint in
Ansehung des aus dem übrigen Wortlaut und dem Gesamtzusammenhang ersichtlichen Zwecks der
Ermächtigungsvorschrift zu eng. Wenn das Gesetz den Vertragspartnern ausdrücklich aufgibt, die von den
Unfallversicherungsträgern gemäß § 34 Abs 1 Satz 2 SGB VII festgelegten fachlichen und organisatorisch-
technischen Voraussetzungen für eine Beteiligung als H-Arzt beim Abschluss der Verträge zu berücksichtigen, so
zeigt dies, dass dem Gesetzgeber offenkundig eine umfassende Regelung aller mit der Sicherstellung der besonderen
unfallmedizinischen Heilbehandlung durch vertragsärztliche Leistungserbringer zusammenhängenden Detailfragen
vorgeschwebt hat.
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Dass hierzu auch das Zulassungsverfahren gehört, muss auch deshalb angenommen werden, weil das Gesetz selbst
sich zu diesem Punkt eigener Vorgaben enthält. Die Vorschrift, dass die Unfallversicherungsträger die hierfür
geeigneten Ärzte als H-Ärzte zu beteiligen haben (§ 34 Abs 2 SGB VII), kommt ohne ergänzende
Ausführungsbestimmungen nicht aus. Denn es bedarf zumindest der Festlegung, welche Stelle die
Zulassungsentscheidung treffen soll und welches Verfahren dabei einzuhalten ist. Dabei kann die Aufgabenzuweisung
an "die Unfallversicherungsträger" nicht so verstanden werden, dass jede Berufsgenossenschaft und jede Unfallkasse
eigene H-Ärzte für ihre jeweiligen Versicherten bestellen soll, mit der Folge, dass der an einer solchen Tätigkeit
interessierte Arzt sich bei jedem der zahlreichen Versicherungsträger im Bundesgebiet um eine Zulassung bemühen
müsste. Vielmehr muss schon aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität die Möglichkeit bestehen, durch
vertragliche Vereinbarung gemeinsame Zulassungsinstanzen zu schaffen, um auf diesem Wege eine gleichmäßige,
allen Trägern und ihren Versicherten zur Verfügung stehende Versorgung mit H-Ärzten sicherzustellen.
18
Wortlaut und Sprachgebrauch des Gesetzes schließen eine Übertragung der Zulassungsentscheidung auf die
Landesverbände der gewerblichen Berufsgenossenschaften nicht aus. Zwar wird bei der Festlegung der
Zuständigkeiten in den verschiedenen Absätzen des § 34 SGB VII sehr genau zwischen den
Unfallversicherungsträgern auf der einen und ihren Verbänden auf der anderen Seite unterschieden. Daraus folgt
jedoch zunächst nur, dass bestimmte Aufgaben bereits unmittelbar durch Gesetz den Verbänden anvertraut sind.
Soweit die Unfallversicherungsträger angesprochen werden, wendet sich das Gesetz ersichtlich nicht an die einzelne
Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse, sondern an "die Unfallversicherungsträger" als Institution. Aus der
Formulierung in § 34 Abs 2 SGB VII kann deshalb nicht abgeleitet werden, dass die Entscheidung über die
Beteiligung eines Arztes an der h-ärztlichen Versorgung dem einzelnen Unfallversicherungsträger vorbehalten sein
soll. Nachdem bereits das unter der Geltung der Reichsversicherungsordnung (RVO) geschlossene Ärzteabkommen
vom 23. März 1984 eine für alle Unfallversicherungsträger einheitliche Zulassungspraxis eingeführt und die
Zuständigkeit für die Beteiligung am H-Arzt-Verfahren auf den jeweiligen Landesverband der gewerblichen
Berufsgenossenschaften bzw einen dort angesiedelten Zulassungsausschuss übertragen hatte, wäre vom
Gesetzgeber eine Klarstellung zu erwarten gewesen, wenn er die langjährige vertragliche Praxis nicht hätte billigen
wollen.
19
Aus alledem folgt, dass sich der Anspruch des Arztes auf Beteiligung an der besonderen unfallmedizinischen
Behandlung entsprechend § 32 des Vertrages Ärzte/Unfallversicherungsträger gegen den zuständigen Landesverband
der gewerblichen Berufsgenossenschaften richtet und auch im Prozess gegen ihn geltend gemacht werden muss.
20
Der LVBG ist als nichtrechtsfähige Personenvereinigung gemäß § 70 Nr 2 SGG beteiligtenfähig. Nichtrechtsfähige
Personenvereinigungen im Sinne dieser Vorschrift sind Personenmehrheiten, auch Verbände von juristischen
Personen, die nicht selbst rechtsfähig sind oder sonst juristischen Personen gleichgestellt sind. Sie sind fähig, als
Kläger, Beklagter oder Beigeladener an einem Verfahren vor einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit teilzunehmen,
soweit ihnen in Bezug auf den Prozessgegenstand eigene Rechte und Pflichten zustehen (zu dieser Voraussetzung in
Anlehnung an § 61 Nr 2 VwGO: BSG SozR 1500 § 70 Nr 3). Letzteres ist beim LVBG hinsichtlich der ihm vertraglich
übertragenen Aufgaben der Fall.
21
Richtige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, denn die Entscheidung über die
Beteiligung als H-Arzt ergeht durch Verwaltungsakt. Der anderslautenden Auffassung des Berufungsgerichts, das
ebenso wie die Unfallversicherungsträger (vgl Nr 6.1 der Anforderungen für die Teilnahme am H-Arzt-Verfahren idF
vom 1. Mai 2001) und der überwiegende Teil der unfallversicherungsrechtlichen Literatur (Benz in: Schulin, Handbuch
der Sozialversicherung, Unfallversicherungsrecht, 1996, § 44, RdNr 76; ders in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: 2006,
K § 34 RdNr 8; Ricke in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: 2006, § 34 SGB VII RdNr 6;
Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, 1997, § 34 SGB VII RdNr 21; Schmitt, SGB VII, 2. Aufl 2004, § 34
RdNr 21) eine Zulassung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag verlangt, kann nicht gefolgt werden.
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Die Beziehungen der Unfallversicherungsträger zu den an der besonderen unfallmedizinischen Heilbehandlung
teilnehmenden Ärzten und Krankenhäusern sind öffentlich-rechtlicher Natur. Das war schon bisher allgemein
anerkannt (vgl BSGE 71, 27, 28 f = SozR 3-2200 § 559 Nr 1 mwN) und ist durch die detaillierte Ausgestaltung der
Vorschriften über die h-ärztliche Versorgung im SGB VII weiter verdeutlicht worden. Die für die Beteiligung am H-Arzt-
Verfahren in § 34 SGB VII vorgesehenen Entscheidungsstrukturen sind denen des Krankenversicherungsrechts
nachgebildet. Dort besteht seit langem Konsens, dass die Zulassung von Ärzten und nichtärztlichen
Leistungserbringern, also die Entscheidung über das "Ob" der Teilnahme an der medizinischen Versorgung der
Versicherten, durch Verwaltungsakt zu treffen ist (vgl Hess in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht,
Stand: 2006, § 95 SGB V RdNr 12; § 124 SGB V RdNr 3a; § 126 SGB V RdNr 3; BSG SozR 3-2500 § 124 Nr 2 S 13
f; BSG SozR 3-2500 § 126 Nr 1 S 4 f). Der Grund liegt darin, dass es sich um eine durch normative Vorgaben
festgelegte, gebundene Entscheidung handelt, die für eine vertragliche Gestaltung keinen Spielraum lässt.
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Die Voraussetzungen, die ein an der Durchführung der besonderen unfallmedizinischen Behandlung interessierter Arzt
im Hinblick auf die fachliche Befähigung, die sächliche und personelle Ausstattung und die zu übernehmenden
Pflichten erfüllen muss, sind in den von den Unfallversicherungsträgern aufgrund der Ermächtigung in § 34 Abs 1 Satz
2 SGB VII festgelegten "Anforderungen für die Teilnahme am H-Arzt-Verfahren" abschließend geregelt. Sie stehen
nicht zur Disposition der Vertragsparteien. Der Zulassungsstelle selbst ist, wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 34
Abs 2 SGB VII ("haben ... zu beteiligen") ergibt, kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum eröffnet; sie hat
insbesondere keine Handhabe, die Beteiligung von Bedarfsgesichtspunkten abhängig zu machen. Der antragstellende
Arzt hat einen durch das Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 des Grundgesetzes (GG)) und den
Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 Abs 1 GG) garantierten Anspruch auf Zulassung, wenn er die Anforderungen erfüllt
(siehe dazu auch die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung in BR-Drucks 263/95, S 239 zu § 34 Abs 2
SGB VII). Diese rechtlichen Rahmenbedingungen stellen sich als "entgegenstehende Rechtsvorschriften" im Sinne
des § 53 Abs 1 Satz 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) dar, die eine Beteiligung im Wege des
öffentlich-rechtlichen Vertrages ausschließen und die Zulassungsentscheidung als (mitwirkungsbedürftigen)
Verwaltungsakt qualifizieren (wie hier: Krasney, aaO, § 34 RdNr 18). Soweit der Senat in früheren Entscheidungen
(Urteil vom 25. Juni 1992 – 2 RU 25/91 – HV-Info 1992, 2162, 2175 zur Zulassung eines Krankenhauses zum
Verletzungsartenverfahren; Urteil vom 25. Juni 1992 – 2 RU 24/91 – BSGE 71, 27 = SozR 3-2200 § 559 Nr 1 zur
Beendigung einer solchen Zulassung) eine andere Auffassung vertreten und eine Gestaltung durch öffentlich-
rechtlichen Vertrag als zulässig angesehen hat, erklärt sich das aus der damaligen abweichenden Rechtslage und
steht der jetzigen Einordnung nicht entgegen.
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Abweichend von der Auffassung des LSG bestehen gegen eine Zulassung von H-Ärzten durch die Landesverbände
der gewerblichen Berufsgenossenschaften keine verwaltungsverfahrensrechtlichen Einwände. Insbesondere schließt §
88 Abs 3 SGB X die Übertragung hoheitlicher Entscheidungsbefugnisse auf Verbände von Versicherungsträgern nicht
aus. Verbände dürfen allerdings nach dieser Vorschrift Verwaltungsakte nur erlassen, soweit sie hierzu durch Gesetz
oder aufgrund eines Gesetzes berechtigt sind. Diese Voraussetzung ist indes in Bezug auf die Landesverbände der
gewerblichen Berufsgenossenschaften erfüllt.
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Bei dem Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger, der die Zuständigkeit der Landesverbände für die Beteiligung von
Ärzten an der besonderen unfallmedizinischen Behandlung begründet, handelt es sich um einen sog
Normsetzungsvertrag, durch den die vertragschließenden Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger und die
Kassenärztliche Bundesvereinigung kraft gesetzlichen Auftrags für ihre Mitglieder unmittelbar geltendes Recht setzen.
Das Regelungskonzept der Normsetzung durch Kollektivvertrag, das seinen Ursprung im Kassenarztrecht hat,
rechtfertigt sich aus den Funktionsnotwendigkeiten eines auf dem Sachleistungsgrundsatz aufbauenden Systems der
medizinischen Versorgung und ist mit dem Grundgesetz vereinbar (eingehend dazu: BSGE 94, 50 = SozR 4-2500 §
72 Nr 2, jeweils RdNr 64 ff mwN). Dabei ist es unschädlich, dass auf Seiten der Unfallversicherungsträger an der
Normsetzung Verbände beteiligt sind, die nicht als Körperschaften des öffentlichen Rechts, sondern als eingetragene
Vereine des Privatrechts organisiert sind. Da hinter den Verbänden die in ihnen zusammengeschlossenen
körperschaftlich verfassten Versicherungsträger stehen, ergeben sich gegen ihre Beleihung mit
Rechtsetzungsbefugnissen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl BSGE 94, 50 = SozR 4-
2500 § 72 Nr 2, jeweils RdNr 74 mwN). Die Befugnis des LVBG zum Erlass von Verwaltungsakten beruht nach
alledem auf einer wirksamen normativen Grundlage, so dass den Anforderungen des § 88 Abs 3 SGB X Genüge
getan ist. Dass die Ermächtigung möglicherweise nicht in der nach § 88 Abs 3 Satz 2 SGB X vorgeschriebenen
Weise bekannt gemacht worden ist, lässt ihre Wirksamkeit und die Wirksamkeit der auf ihrer Grundlage ergangenen
Bescheide unberührt (Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 5. Aufl 2005, § 88 RdNr 18).
26
Die für die Beteiligung am H-Arzt-Verfahren vorgeschriebene Handlungsform ist im vorliegenden Fall eingehalten
worden. Denn das Schreiben vom 26. Februar 1999, mit dem der LVBG dem Kläger die ablehnende Entscheidung
bekanntgegeben hat, ist nach Form und Inhalt ein Verwaltungsakt. Die Mitteilung, es bleibe bei der vom Ausschuss
beschlossenen Ablehnung des Zulassungsantrags, stellt sich schon äußerlich nicht als Ablehnung eines
Vertragsangebots, sondern als einseitige Regelung dar. Durch die Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung wird der
Regelungscharakter unterstrichen. Dabei kommt es für die Qualifizierung des Verwaltungshandelns nicht auf die
subjektiven Vorstellungen der entscheidenden Stelle, sondern auf den objektiven Sinngehalt der von ihr abgegebenen
Erklärung an; der Adressat einer behördlichen Maßnahme oder Entscheidung kann davon ausgehen, dass sich die
ausführende Stelle der Rechtsform bedient, die das Gesetz vorsieht (BSGE 77, 219, 222 f = SozR 3-2500 § 124 Nr 3
S 28).
27
Nachdem die Spitzenverbände der Unfallversicherungsträger und die KÄV nicht die richtigen Anspruchsgegner sind,
müsste die Klage im gegenwärtigen Verfahrensstadium mangels Passivlegitimation der Beklagten ohne Sachprüfung
als unbegründet abgewiesen werden. Dem Kläger muss indes aus Gründen der Prozessökonomie Gelegenheit
gegeben werden, den Mangel durch eine erneute Klageänderung (Umstellung der Klage auf den LVBG als Beklagten)
zu beheben (BSGE 8, 113, 114 f; BSGE 77, 102, 103 = SozR 3-2500 § 38 Nr 1). Da dies im Revisionsverfahren nicht
möglich ist (§ 168 Satz 1 SGG), muss das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das LSG
zurückverwiesen werden (BSGE 20, 69, 73 = SozR § 537 RVO aF Nr 36).
28
Ein weiteres prozessuales Hindernis, das derzeit einer Sachentscheidung entgegensteht, liegt darin, dass die
Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bisher nicht in einem Vorverfahren nachgeprüft worden ist. Das
Widerspruchsverfahren ist vom Kläger ordnungsgemäß eingeleitet worden. Das Widerspruchsschreiben vom 6. April
1999 ist zwar nicht innerhalb der Monatsfrist des § 84 Abs 1 SGG beim LVBG eingegangen; der Widerspruch war aber
gleichwohl rechtzeitig, weil die dem Bescheid vom 26. Februar 1999 beigefügte Rechtsmittelbelehrung mit dem
Hinweis auf die Klage als zulässigen Rechtsbehelf fehlerhaft war (§ 66 Abs 2 Satz 1 SGG).
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Das bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen nach § 78 SGG obligatorische Vorverfahren ist nicht entbehrlich, weil
keiner der in § 78 Abs 1 Satz 2 SGG genannten Ausnahmefälle vorliegt. Das Vorverfahren ist hier auch nicht während
des Klagverfahrens dadurch nachgeholt worden, dass der LVBG - damals noch als Beklagter – der Klage
entgegengetreten ist und ihre Abweisung beantragt hat. Der früher verbreiteten Auffassung, dass bei Identität von
Widerspruchsbehörde und prozessführender Behörde in der Klageerwiderung und dem Antrag auf Abweisung der
Klage als unbegründet gegebenenfalls ein Widerspruchsbescheid gesehen werden könne, ist in der neueren
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) mit überzeugenden Gründen entgegengetreten worden (BSG SozR
3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1 S 10 f; vgl auch die ablehnenden Stimmen im Schrifttum: Schlegel in: Hennig, SGG, Stand:
2006, § 78 RdNr 17; Leitherer in: Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 78, RdNr 3c; Binder in: Lüdtke
(Hrsg), Handkommentar zum SGG, 2. Aufl 2006, § 78 RdNr 17). Sie kann jedenfalls für die Fälle nicht gelten, in denen
- wie hier - die Verwaltungsbehörde irrtümlich davon ausgegangen ist, dass dem Betroffenen aus prozessualen
Gründen kein Anspruch auf Überprüfung der getroffenen Entscheidung zusteht, und sie sich deshalb sachlich mit dem
Begehren des Klägers/Widerspruchsführers nicht befasst hat.
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Auch zur Nachholung des Vorverfahrens muss dem Kläger Gelegenheit gegeben werden, bevor über seine Klage
abschließend entschieden wird (Leitherer, aaO § 78 RdNr 3a mwN).
31
Ergänzend ist für die weitere Sachbehandlung auf Folgendes hinzuweisen:
Bei der Prüfung, ob der Kläger die Voraussetzungen für eine Beteiligung als H-Arzt erfüllt, sind die "Anforderungen der
Unfallversicherungsträger für die Teilnahme am H-Arzt-Verfahren" vom 1. Mai 2001 (abgedruckt bei
Brackmann/Krasney, aaO, § 34 RdNr 30) in der im Entscheidungszeitpunkt maßgebenden Fassung zugrunde zu
legen. Die Anwendung der früheren, im Antragszeitpunkt noch geltenden "Richtlinien über die Beteiligung von H-
Ärzten" vom 7. Oktober 1963 in der seit 1. Januar 1991 geltenden Fassung (abgedruckt bei Lauterbach, Gesetzliche
Unfallversicherung, 3. Aufl, Stand: 1996, § 557 RVO RdNr 51), die aus verfassungsrechtlichen Gründen im Hinblick
auf das Günstigkeitsprinzip in Betracht kommen könnte, ist nicht geboten, weil sie den Kläger im Hinblick auf die
Anrechnung von Tätigkeitszeiten schlechter stellen würde.
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Den Haupteinwand des Klägers, die "Anforderungen der Unfallversicherungsträger für die Teilnahme am H-Arzt-
Verfahren" seien unwirksam und für die Beteiligungsentscheidung unbeachtlich, weil sie entgegen § 34 Abs 1 Satz 2
SGB VII nicht von den Unfallversicherungsträgern, sondern von deren Spitzenverbänden festgelegt worden seien, hat
das LSG mit Recht nicht gelten lassen. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang klargestellt, dass das
Gesetz den Begriff "die Unfallversicherungsträger" als Funktionsbezeichnung verwendet und damit nicht festlegen
will, dass die übertragenen Aufgaben zwingend von dem einzelnen Unfallversicherungsträger erledigt werden müssen.
Die Annahme, der Gesetzgeber habe erreichen wollen, dass jede der seinerzeit über 50 gewerblichen und
landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften sowie der zahlreichen Unfallkassen eigene Anforderungen für die
Qualitätssicherung der unfallmedizinischen Heilbehandlung entwickelt, die dann in den Verträgen nach § 34 Abs 3
SGB VII zu berücksichtigen wären, ist fernliegend. Wenn das Gesetz daher in § 34 Abs 1 Satz 2 von den
Unfallversicherungsträgern spricht, schließt das nicht aus, dass diese die Aufgabe, einheitliche Qualitätsstandards für
die Heilbehandlung zu entwickeln, auf ihre Spitzenverbände übertragen.
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Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.