Urteil des BSG vom 29.01.2009

BSG: vergütung, gestehungskosten, vergleich, betriebsführung, schiedsstelle, pflegeheim, verpflegung, schiedsspruch, versorgung, aufwand

Bundessozialgericht
Urteil vom 29.01.2009
Sozialgericht Freiburg S 5 P 549/06
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 4 P 721/07
Bundessozialgericht B 3 P 7/08 R
Die Revision der Beklagten und des Beigeladenen zu 4. gegen die Urteile des Landessozialgerichts Baden-
Württemberg vom 7. Dezember 2007 - L 4 P 721/07 - und des Sozialgerichts Freiburg vom 23. November 2006
werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte bei ihrer erneuten Schiedsentscheidung die
Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu beachten hat. Die Beklagte und der Beigeladene zu 4. tragen je zur
Hälfte die Kosten des Revisions- verfahrens mit Ausnahme der Kosten der übrigen Beigeladenen; insoweit sind
Kosten nicht zu erstatten. Der Streitwert wird für alle Instanzen auf 135.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I
1
Streitig ist ein Schiedsspruch der Beklagten über die leistungsgerechte Vergütung für allgemeine Pflegeleistungen und
über ein angemessenes Entgelt für Unterkunft und Verpflegung bei stationärer Pflege.
2
Die Klägerin betreibt ein Pflegeheim in R. mit 40 Pflegeplätzen; eine Tarifbindung besteht nicht. Bis Januar 2005
waren als Pflegevergütungen Pflegesätze von 42 Euro (Pflegeklasse I), 54,50 Euro (Pflegeklasse II) und 72 Euro
(Pflegeklasse III) sowie 19 Euro täglich als Entgelt für Unterkunft und Verpflegung vereinbart worden. Für den hier
streitigen Zeitraum vom 17.10.2005 bis 31.10.2006 verlangte die Klägerin von den Beigeladenen Vergütungen und
Entgelte von 48,53 Euro (Pflegeklasse I), 63,21 Euro (Pflegeklasse II), 81,16 Euro (Pflegeklasse III) sowie 21,15 Euro
täglich für Unterkunft und Verpflegung. Zur Begründung trug sie vor, die zuletzt vereinbarten Pflegesätze seien nicht
kostendeckend, weshalb sie den Mitarbeitern vertraglich zugesagtes Weihnachtsgeld nicht habe auszahlen können.
Unter Berücksichtigung der Wettbewerbslage in der Nähe zur Schweiz müsse sie mit höheren
Personaldurchschnittskosten kalkulieren. Auf den Vergleich allein mit anderen nicht tarifgebundenen Einrichtungen
könne sie deshalb nicht verwiesen werden. Verhandlungen zwischen der Klägerin und den Beigeladenen über die
Höhe und Angemessenheit dieser Ansätze blieben erfolglos. Die daraufhin von der Klägerin angerufene Beklagte ist
dem Erhöhungsverlangen nur zum Teil gefolgt und hat mit Schiedsspruch vom 22.11.2005 die Pflegevergütungen auf
42,60 Euro (Pflegeklasse I), 55,15 Euro (Pflegeklasse II) und 73 Euro (Pflegeklasse III) sowie das Entgelt für
Unterkunft und Verpflegung auf 19,30 Euro täglich festgesetzt. Zwar seien die von der Klägerin beanspruchten
Beträge für sich genommen nicht zu beanstanden; insbesondere lägen sie unter den Sätzen tarifgebundener
Einrichtungen, soweit ihr - der Beklagten - das in der Schiedspraxis bekannt geworden sei. Auch bei einem externen
Vergleich mit anderen ebenfalls nicht tarifgebundenen Einrichtungen seien die festgesetzten Werte angemessen.
Jedoch zeige der Vergleich der Kalkulationen für die Jahre 2003 und 2004 mit dem hier zur Entscheidung
anstehenden Zeitraum, dass die Klägerin in der Vergangenheit mit geringeren Kostenansätzen kalkuliert habe und
deshalb die nunmehr beanspruchten höheren Pflegesätze nicht gerechtfertigt erschienen. Bei den Sachkosten sei die
Kalkulation der Klägerin ebenfalls nicht in vollem Umfang begründet, weil sie - die Beklagte - insoweit generell der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folge und geringfügig niedrigere Beträge ansetze.
3
Das Sozialgericht (SG) hat die zu beteiligenden Pflegekassen (§ 85 Abs 2 Satz 1 SGB XI), den Landkreis L. und den
Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) nach § 75 Abs 2 Satz 1, 1. Alt SGG zum
Rechtsstreit beigeladen, den Schiedsspruch aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung des Schiedsantrags
verurteilt (Urteil vom 23.11.2006). Die Berufung dagegen ist erfolglos geblieben (Urteil des Landessozialgerichts (LSG)
vom 7.12.2007): Den Gestehungskosten komme nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei der
Bestimmung der marktgerechten Preise keine besondere Bedeutung zu (Verweis auf Senatsurteil vom 14.12.2000 - B
3 P 19/00 R -, BSGE 87, 199 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1). Zu Recht habe die Beklagte aber zunächst eine
Plausibilitätskontrolle der von der Klägerin geltend gemachten prospektiven Kosten vorgenommen. Zu Unrecht habe
die Beklagte indes den externen Vergleich mit anderen Pflegeheimen auf nicht tarifgebundene Einrichtungen
beschränkt. Auch sei ein Verweis auf Erfahrungswerte nur dann zulässig, wenn diese in gerichtlich überprüfbarer Form
in den Entscheidungsgründen nachvollziehbar dargelegt würden; dem genüge der angefochtene Schiedsspruch nicht.
4
Hiergegen richten sich die Revisionen der beklagten Schiedsstelle und des KVJS. Die Beklagte ist der Auffassung,
dass ein externer Vergleich zur Feststellung der leistungsgerechten Vergütung ungeeignet sei. Maßgeblich müssten
vielmehr die von ihr geprüften prospektiven Gestehungskosten der Einrichtung sein. Auch sei sie im
Schiedsstellenverfahren nicht zu eigenen Ermittlungen verpflichtet. Der KVJS ist der Auffassung, dass in den
externen Vergleich alle Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Größe, den Personalschlüssel, den Einzugsbereich
sowie die Tarifbindung einzubeziehen seien. Zudem seien die vom LSG aufgestellten Begründungsanforderungen
überspannt.
5
Die Beklagte und der Beigeladene zu 4. beantragen, die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 7.12.2007 und des
SG Freiburg vom 23.11.2006 zu ändern und die Klage abzuweisen.
6
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II
7
Die Revisionen der Beklagten und des Beigeladenen zu 4. sind unbegründet. Im Ergebnis zutreffend haben die
Vorinstanzen entschieden, dass der angefochtene Schiedsspruch rechtswidrig und der Schiedsantrag der Klägerin
neu zu bescheiden ist. Hierbei wird die Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu beachten sein.
8
1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Der
Sachentscheidung steht insbesondere nicht entgegen, dass die auf § 75 Abs 2 Satz 1, 1. Alt SGG gestützte
Beiladung des revisionsführenden KVJS rechtswidrig gewesen ist. Nach dieser Vorschrift ist ein Dritter notwendig
zum Rechtsstreit beizuladen, soweit er an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung
auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Diese Beteiligtenstellung kommt dem KVJS nach dem
Verfahrensrecht des SGB XI nicht zu. Parteien der Pflegesatzvereinbarung und deshalb im Rechtsstreit über den
Schiedsspruch ggf notwendig beizuladen sind neben dem Träger des Pflegeheims und den Pflegekassen die
sonstigen Sozialversicherungsträger oder von ihnen gebildete Arbeitsgemeinschaften sowie der für den Sitz des
Pflegeheims zuständige - örtliche oder überörtliche - Träger der Sozialhilfe (vgl § 85 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB XI, hier in
der für den angefochtenen Schiedsspruch maßgeblichen und bis zum 30.6.2008 geltenden Fassung von Art 1 Nr 31
Buchst a des Ersten SGB XI-Änderungsgesetzes vom 14.6.1996, BGBl I 830). Das war für den streitigen Zeitraum
vom 17.10.2005 bis 31.10.2006 nach baden-württembergischem Landesrecht der örtliche Sozialhilfeträger, hier der -
zutreffend beigeladene - Landkreis L. (vgl § 2 Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch Baden-
Württemberg vom 1.7.2004, GBl BW 469, 534, iVm §§ 8 Nr 5, 61 ff SGB XII in der Ursprungsfassung vom
27.12.2003, BGBl I 3022). Dagegen war der KVJS als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (vgl § 3 Abs 1 Gesetz über
den Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (G-KVJS) vom 1.7.2004, GBl BW 469, 572) nach
der Zuständigkeitszuweisung in Baden-Württemberg und dem Verfahrensrecht des § 85 SGB XI im hier maßgeblichen
Zeitraum weder Partei der Pflegesatzvereinbarung noch Beteiligter des Schiedsverfahrens. Daran ändert auch nichts,
dass er nach baden-württembergischem Landesrecht die örtlichen Sozialhilfeträger ua beim Abschluss von
Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB XI zu beraten und zu unterstützen hat und deshalb aufgrund einer
Verwaltungsvereinbarung regelmäßig die Belange der Sozialhilfeträger in Vergütungsverhandlungen nach dem SGB XI
wahrnimmt (vgl § 3 Abs 4 Satz 1 Nr 1 G-KVJS); auch hiernach war er von Gesetzes wegen nicht als Partei, sondern
nur als Vertreter des zuständigen Sozialhilfeträgers an der Vergütungsvereinbarung bzw dem Schiedsverfahren zu
beteiligen (vgl § 85 Abs 4 Satz 3 SGB XI). Dies ist offenbar den Beteiligten bei Pflegekassen, Sozialhilfeträgern und
Leistungserbringern nicht bewusst gewesen. Vielmehr hat der Vorsitzende der beklagten Schiedsstelle in der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, dass der KVJS regelmäßig als Partei am Schiedsverfahren
beteiligt worden ist. Diese Verfahrensweise toleriert der Senat aus Gründen der Rechtssicherheit für alle bis zur
Verkündung dieses Urteils (29.1.2009) ergangenen Schiedssprüche der Beklagten. Rechtsnachteile entstehen den
übrigen Beteiligten dadurch nicht. Um zu vermeiden, dass der Bestand einer großen Zahl von Schiedssprüchen alleine
aus formellen Gründen angreifbar sein könnte, hält der Senat es aus Vertrauensschutzgründen für angemessen,
Schiedssprüche unter formeller Beteiligung des KVJS nicht allein wegen dieses Zuständigkeitsfehlers als rechtswidrig
Schiedssprüche unter formeller Beteiligung des KVJS nicht allein wegen dieses Zuständigkeitsfehlers als rechtswidrig
einzustufen (vgl zu einer ähnlichen Konstellation: Urteil des erkennenden Senats vom 12.6.2008 - B 3 P 2/07 R -, zur
Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen, dort RdNr 17). Daraus folgt vorliegend zum einen, dass die
Beteiligung des KVJS an dem hier streitbefangenen Schiedsstellenverfahren rechtmäßig gewesen ist und er
andererseits auch aufgrund der vom SG beschlossenen Beiladung statthaft und zulässig Revision hat einlegen
können.
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2. Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung in formeller Hinsicht sind § 76 SGB XI iVm § 85 Abs 5 Satz 1
und § 87 Satz 3 Halbsatz 1 SGB XI - jeweils idF des Pflegeversicherungsgesetzes - PflegeVG - vom 26.5.1994
(BGBl I 1014). Danach setzt die Schiedsstelle mit der Mehrheit ihrer Mitglieder (§ 76 Abs 3 Satz 4 SGB XI) die
Pflegesätze bzw die Entgelte für Unterkunft und Verpflegung auf Antrag einer Vertragspartei unverzüglich fest, wenn
eine Vereinbarung darüber innerhalb von sechs Wochen nach schriftlicher Aufforderung zur Verhandlung nicht
zustande gekommen ist. Angestrebt wird damit eine zügige Konfliktlösung, soweit sich die Vertragsparteien über die
Pflegesätze und die Vergütung für Unterkunft und Verpflegung in der Pflegeeinrichtung nicht verständigen können (vgl
BT-Drucks 12/5262 S 146 zu § 94 Abs 5). Verfahrensziel ist ein weitgehender Interessenausgleich zwischen
Leistungserbringern sowie Leistungsverpflichteten und Pflegeheimbewohnern. Auf der einen Seite hat die
Schiedsstelle dem Interesse der Leistungserbringer an der angemessenen Vergütung ihrer Leistungen und damit
mittelbar auch dem öffentlichen Interesse an einer ausreichenden Versorgung mit Pflegeeinrichtungen Rechnung zu
tragen. Auf der anderen Seite trägt sie die Verantwortung für eine kostengünstige Leistungserbringung; dies betrifft
neben der Solidargemeinschaft aller Beitragszahler insbesondere auch die Heimbewohner, die den von der sozialen
Pflegeversicherung mit den Pauschalbeträgen nach § 43 SGB XI nicht abgedeckten Anteil der Pflegevergütung sowie
das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung selbst zu tragen haben. Dies sind erhebliche Belastungen, die etwa im
Jahr 2007 zusammen mit den ebenfalls auf die Pflegebedürftigen entfallenden Investitionskostenanteilen (§ 82 Abs 3
Satz 1 SGB XI) durchschnittlich pro Monat von 1.244 Euro in Pflegestufe I bis zu 1.647 Euro in Pflegestufe III
betragen haben (vgl Statistisches Bundesamt, Pflegestatistik 2007: Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung, 4.
Bericht: Ländervergleich: Pflegeheime, S 15 und Rothgang/Borchert/Müller/Unger, GEK-Pflegereport 2008, S 75 mit
FN 26). Mittelbar ist auch das Interesse von Angehörigen und Sozialhilfeträgern betroffen, soweit Heimbewohner die
Lasten nicht tragen können; alleine für die öffentliche Hand ist dadurch im Jahre 2006 eine Nettobelastung von 1.929
Mrd Euro entstanden (vgl Statistisches Bundesamt, Fachserie 13 Reihe 2, Sozialhilfe, Ausgabe 2006, S 1257).
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3. Materielle Grundlage der angefochtenen Entscheidung ist § 84 Abs 2 Satz 1 und 4 SGB XI iVm § 82 Abs 1 und 2
sowie § 85 Abs 3 SGB XI - jeweils in der bis Oktober 2006 gültigen Fassung. Nach diesen Vorschriften hat sich das
Vergütungsregime für stationäre Pflegeleistungen bis zum heutigen Stand wie folgt entwickelt:
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a) Dem Grundkonzept nach ist das Vergütungsrecht für Pflegeeinrichtungen seit Einführung des SGB XI durch das
PflegeVG maßgeblich von der Erwartung bestimmt, durch eine Wettbewerbsorientierung Anreize für möglichst
kostengünstige Leistungen setzen zu können. Grundlage hierfür ist die mit dem Ersten SGB XI-Änderungsgesetz vom
14.6.1996 (BGBl I 830) eingefügte Regelung des § 85 Abs 2 Satz 2 SGB XI, wonach - anders als im
kollektivvertraglichen System der vertragsärztlichen Versorgung (vgl § 82 Abs 2 SGB V) - für jedes zugelassene
Pflegeheim die Vergütung gesondert festzulegen ist. Hierdurch soll anstelle einer für alle Einrichtungen einheitlichen
Preisgestaltung eine im Preiswettbewerb ausdifferenzierte Preisbildung befördert werden (vgl BT-Drucks 13/3696 S 16
zu § 85). Getragen ist dies von der Erwartung, dass die Einrichtungen ihre Leistungen in einer Wettbewerbssituation
aus eigenem Interesse möglichst kostengünstig anbieten werden (dieser Einschätzung ist auch der Senat in seinen
Entscheidungen vom 14.12.2000 zum bis dahin erreichten Rechtsstand gefolgt, vgl BSGE 87, 199, 203 = SozR 3-
3300 § 85 Nr 1 S 6; dazu näher unter 4.). Dies wird weiter dadurch unterstützt, dass nach Maßgabe des Bundesrechts
die Zulassung ua zur stationären Pflegeversorgung - anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) die
Versorgung durch Vertragsärzte (vgl §§ 99 ff SGB V) und durch Krankenhäuser (vgl § 109 SGB V) - gemäß § 72 Abs
3 Satz 1 Halbsatz 2 SGB XI unabhängig vom Versorgungsbedarf zu erfolgen hat. Deshalb ist - von den faktischen
Zugangsschranken aufgrund der Investitionsförderung auf Landesebene nach § 9 SGB XI einmal abgesehen (vgl § 82
Abs 3 Satz 1 SGB XI) - ungeachtet des tatsächlichen Bedarfs jede Pflegeeinrichtung durch Versorgungsvertrag zur
Erbringung von Pflegeleistungen zuzulassen, wenn sie nur den inhaltlichen Anforderungen nach § 72 Abs 3 Satz 1
Halbsatz 1 SGB XI genügt. Ausdrücklich soll hierdurch ein geschlossener Markt von Pflegeeinrichtungen verhindert
und neuen innovativen Leistungsanbietern der Zugang zum Pflegemarkt offen gehalten und so der Wettbewerb unter
den Pflegeeinrichtungen gefördert werden (vgl BT-Drucks 12/5262 S 136 zu § 81 Abs 3). Als flankierende Maßnahme
hat der Gesetzgeber die Pflegekassen durch das Erste SGB XI-Änderungsgesetz schließlich zusätzlich verpflichtet,
den Versicherten bei Inanspruchnahme von Pflegeleistungen eine Leistungs- und Preisvergleichsliste zur Verfügung
zu stellen (vgl § 72 Abs 5 SGB XI idF des Ersten SGB XI-Änderungsgesetzes seit dem 1.1.2002 geregelt in § 7 Abs
3 SGB XI idF des Pflege-Qualitätssicherungsgesetzes - PQsG - vom 9.9.2001, BGBl I 2320; zu den Motiven vgl BT-
Drucks 13/3696 S 15). Auch das zielte auf die Verstärkung des Wettbewerbs unter den Einrichtungen.
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b) Von diesem Wettbewerbskonzept ist auch das Vergütungsregime des SGB XI für die stationäre Pflege maßgeblich
geprägt. Schon nach der Ursprungsfassung des § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XI hatten zugelassene Pflegeheime und
Pflegedienste Anspruch auf eine "leistungsgerechte Vergütung" der allgemeinen Pflegeleistungen (Pflegevergütung)
und bei stationärer Pflege auf ein "angemessenes Entgelt" für Unterkunft und Verpflegung; dem entsprechend müssen
die Pflegesätze zur Vergütung der Pflegeleistungen "leistungsgerecht" sein (§ 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI) und das
Entgelt für Unterkunft und Verpflegung "in einem angemessenen Verhältnis zu den Leistungen" stehen (§ 87 Satz 2
SGB XI). Vorbild hierfür waren entsprechende Regelungen zur Vergütung von Krankenhäusern und von Einrichtungen
nach dem BSHG. In beiden Bereichen war der Gesetzgeber vor der Verabschiedung des PflegeVG von dem dort bis
dahin geltenden Kostendeckungsprinzip (vgl § 4 Satz 2 KHG in der bis zum 31.12.1992 geltenden Fassung; dies
ausformend § 17 Abs 1 Satz 1 KHG und § 93 Abs 2 Satz 1 BSHG in der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung)
abgerückt und hatte ähnliche Vergütungsvorschriften wie in § 84 Abs 2 Satz 1 und 4 SGB XI eingeführt (vgl § 17 Abs
1 Satz 3 KHG in der bis zum 29.4.2002 geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes - GSG - vom
21.12.1992 (BGBl I 2266), nunmehr inhaltlich im Wesentlichen gleichlautend § 17 Abs 2 Satz 1 KHG idF des
Fallpauschalengesetzes vom 23.4.2002 (BGBl I 1412); vgl auch § 93 Abs 2 Satz 2 BSHG idF von Art 1 Nr 9 des
Zweiten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms - 2. SKWPG - vom
21.12.1993 (BGBl I 2374)). Leitend dafür war die Einschätzung des damaligen Gesetzgebers, dass sich das
Kostendeckungsprinzip nicht bewährt habe und einer wirtschaftlichen Leistungserbringung entgegenstehe. Die bis
dahin geltende Selbstkostendeckungsgarantie habe eine "grundsätzliche Fehlsteuerung" bewirkt; sie habe die
Erstattung nachgewiesener Betriebskosten zur nahezu automatischen Folge und biete keinen Anreiz für eine
wirtschaftliche Betriebsführung. In Zukunft müssten deshalb nicht die Kosten, sondern die Leistungen maßgeblich
sein (vgl BT-Drucks 12/3608 S 130 ff zum GSG; ähnlich BT-Drucks 12/5510 S 10 ff zu § 93 BSHG). Diese
Einschätzung hat sich auch der Gesetzgeber des PflegeVG ausdrücklich zu eigen gemacht. Seine Vorgabe der
leistungsgerechten Vergütung bedeutet deshalb eine "klare Absage an jegliche Form der Kostenerstattung" (vgl BT-
Drucks 12/5262 S 144 zu § 93 Abs 2).
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c) Diese Intention des Gesetzgebers zur Vergütung von stationären Pflegeleistungen wird durch Mitwirkungspflichten
der jeweiligen Pflegeheime nach § 85 Abs 3 SGB XI ergänzt. Deren Obliegenheiten waren in der ursprünglichen
Fassung vor allem auf Nachweise zum Leistungsinhalt konzentriert; erforderlich waren Angaben zu "Art, Inhalt und
Umfang der Leistungen" unter Einschluss der personellen und sachlichen Ausstattung des Pflegeheimes (vgl § 85
Abs 3 Satz 2 und 3 SGB XI idF des PflegeVG). Durch das Erste SGB XI-Änderungsgesetz wurden diese
Nachweisobliegenheiten nach Inhalt und der Form ausgeweitet. In dieser - inhaltlich seither im Wesentlichen
unveränderten - Fassung lautet § 85 Abs 3 Satz 2 bis 4 SGB XI: "Das Pflegeheim hat Art, Inhalt, Umfang und Kosten
der Leistungen, für die es eine Vergütung beansprucht, durch Pflegedokumentationen und andere geeignete
Nachweise rechtzeitig vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen darzulegen. Soweit dies zur Beurteilung seiner
Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall erforderlich ist, hat das Pflegeheim auf Verlangen einer
Vertragspartei zusätzliche Unterlagen vorzulegen und Auskünfte zu erteilen. Hierzu gehören auch
pflegesatzerhebliche Angaben zum Jahresabschluss nach der Pflege-Buchführungsverordnung, zur personellen und
sachlichen Ausstattung des Pflegeheims einschließlich der Kosten sowie zur tatsächlichen Stellenbesetzung und
Eingruppierung." Damit sollten die Nachweispflichten über die Personalbesetzung und Personaleingruppierung im
Hinblick auf den hohen Anteil der Personalkosten an den Pflegesätzen erhöht werden (vgl BT-Drucks 13/4091 S 42 zu
Nr 28).
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d) Diese Grundsätze zur Vergütung von stationären Pflegeleistungen hat der Gesetzgeber in der Folgezeit noch
mehrfach modifiziert. Im ersten Schritt hat er zunächst durch das PQsG mit Wirkung zum 1.1.2002 als § 80a SGB XI
das Instrument der Leistungs- und Qualitätsvereinbarung (LQV) eingefügt, die nunmehr gemäß § 84 Abs 5 SGB XI idF
des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes - PflegeWEG - vom 28.5.2008 (BGBl I 874) Bestandteil der
Pflegesatzvereinbarung selbst geworden ist. In dieser letzten Fassung gilt nunmehr, dass die Pflegesatzvereinbarung
die wesentlichen Leistungs- und Qualitätsmerkmale einer Einrichtung festzulegen hat. Hierzu gehören insbesondere (§
84 Abs 5 Satz 2 SGB XI idF des PflegeWEG) "1. die Zuordnung des voraussichtlich zu versorgenden
Personenkreises sowie Art, Inhalt und Umfang der Leistungen, die von der Einrichtung während des nächsten
Pflegesatzzeitraums erwartet werden, 2. die von der Einrichtung für den voraussichtlich zu versorgenden
Personenkreis individuell vorzuhaltende personelle Ausstattung, gegliedert nach Berufsgruppen, sowie 3. Art und
Umfang der Ausstattung der Einrichtung mit Verbrauchsgütern (§ 82 Abs 2 Nr 1)." Durch diese gesetzliche
Differenzierung ist die bis dahin in den Pflegesatzverhandlungen - jedenfalls formal - in einem Schritt
zusammengefasste Festlegung der Leistungsinhalte und der Vergütung auf zwei Teilelemente aufgeteilt und die
Festlegung der von dem Pflegeheim erwarteten Leistung verselbstständigt worden. Motiv für die Modifizierungen des
PQsG war zum einen das Ziel, die Vorhaltung des erforderlichen Personals überprüfbar zu machen und dadurch die
Situation der Pflegebedürftigen zu verbessern. Zum anderen zielte die Neuregelung auf Korrekturen bei der
Vergütungsfindung: Maßgebend war für den Gesetzgeber die Einschätzung, dass sich die Kostenträger entgegen der
gesetzlichen Intention häufig an einem "Durchschnittswertemodell" orientieren und auf Vergütungen zu
durchschnittlichen Vergütungssätzen hinwirkten. Dies laufe dem Anspruch der Heime auf eine leistungsgerechte
Vergütung zuwider und sei zudem Kosten treibend. Denn wenn nur Durchschnittswerte maßgebend seien, könne nach
der systemimmanenten Logik auch günstigen Einrichtungen die Anpassung an das arithmetische Mittel nicht verwehrt
werden. Deshalb sei ein Vergleich mit solchen Einrichtungen geboten, die in ihren individuellen Leistungen konkret
vergleichbar seien - ua als Grundlage dafür würden separate LQV benötigt (vgl BT-Drucks 14/5395 S 20).
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e) Diese kritische Bewertung der Vergütung stationärer Pflegeleistungen nur anhand von Durchschnittswerten hat den
Gesetzgeber zuletzt auch bei der Änderung der Vergütungsregelungen durch das PflegeWEG geleitet. Demzufolge
können bei der Bemessung der Pflegesätze nun diejenigen Pflegeeinrichtungen "angemessen berücksichtigt werden,
die nach Art und Größe sowie hinsichtlich der in § 84 Abs 5 SGB XI genannten Leistungs- und Qualitätsmerkmale im
Wesentlichen gleichartig sind" (so § 84 Abs 2 Satz 7 SGB XI idF des PflegeWEG). Bezweckt wurde damit die
Klarstellung, dass für den Vergleich von Pflegeeinrichtungen im Hinblick auf die Bemessung der Pflegesätze nur die
in den wesentlichen Vergleichskriterien gleichartigen und nicht auch die wesensfremden Einrichtungen herangezogen
werden können. Dies bedeute - so der Gesetzgeber - eine Einschränkung der Rechtsprechung des erkennenden
Senats vom 14.12.2000 (Hinweis auf BSGE 87, 199 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1, dazu nachfolgend 3.). Die dort
entwickelten Grundsätze und Maßstäbe dürften "nicht gegen den Willen einer Vertragspartei, sondern nur noch auf
gemeinsamen Wunsch aller Vertragsparteien zur Anwendung kommen" (vgl BT-Drucks 16/7439 S 71 zu Nr 50
Buchstabe a bb).
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4. Mit Urteilen vom 14.12.2000 (vgl BSGE 87, 199 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1) hatte der erkennende Senat auf der
Grundlage der damaligen Gesetzeslage entschieden, dass als leistungsgerechte Vergütung iS von § 84 Abs 2 Satz 1
SGB XI in erster Linie der für vergleichbare Leistungen verlangte Marktpreis anzusehen ist. Den Gestehungskosten
hatte er dagegen Bedeutung nur für den Fall beigemessen, dass ein üblicher Marktpreis nicht ermittelt werden kann,
weil entweder eine hinreichend große Zahl von vergleichbaren Angeboten nicht vorliegt oder weil die zu vergleichenden
Einrichtungen Unterschiede der Qualität nach aufweisen. Leitend dafür war die Einschätzung, dass der Gesetzgeber
des PflegeVG einen freien Wettbewerb der Einrichtungen angestrebt habe. Dies sei zwar nicht konsequent
durchgehalten; insbesondere hätten die Kassen eine starke Verhandlungsposition. Der Wettbewerb zwischen den
Pflegeeinrichtungen und das natürliche Gewinnstreben der Unternehmer würden jedoch dafür sorgen, dass die
Pflegeleistungen unter dem Blickwinkel ihrer Gestehungskosten möglichst kostengünstig angeboten würden.
Kontrollinteressen der Kassen könnten nur dahin bestehen, dass die erbrachten Leistungen dem Angebot und den zu
stellenden Qualitätsanforderungen entsprächen. Regelmäßig sei es deshalb ausreichend, zur Bestimmung der
leistungsgerechten Vergütung den jeweiligen Marktpreis zu ermitteln (BSGE 87, 199, 203 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S
6).
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5. In der Literatur ist diese Rechtsprechung auf Kritik gestoßen. Methodisch richtet sie sich vor allem gegen die
Annahme, dass Pflegevergütungen unter Wettbewerbsbedingungen zustande kommen. Ein funktionierender
Pflegemarkt bestehe nicht, deshalb könne die Vergütung nicht nach Angebot und Nachfrage bestimmt werden (vgl zB
Igl in: Igl/Klie, Pflegeversicherung auf dem Prüfstand, 2000, S 29, 54; Pezina, PKR 2002, 23, 25; Riege, SozVers
2001, 292, 293; Bröcheler in: Köbl/Brünner, Die Vergütung von Einrichtungen und Diensten nach SGB XI und BSHG,
2001, S 61, 72 f). Dem stehe bereits das Kräfteungleichgewicht zwischen Pflegeeinrichtungen und Pflegekassen
entgegen (so Neumann, SGb 2007, 521, 524 f; ferner Brünner, Vergütungsvereinbarungen für Pflegeeinrichtungen
nach SGB XI, 2001, S 166 f; skeptisch auch Vogel/Schmäing in: Klie/Krahmer, SGB XI, 3. Aufl 2009, § 84 RdNr 9).
Unvereinbar mit der Annahme eines rein wirtschaftlich agierenden Pflegemarkts seien auch die weitgehende
Ermächtigung der Pflegekassen zu Wirtschaftlichkeitsprüfungen (§ 79 SGB XI) und zur Einholung von
Kostennachweisen (§ 85 Abs 3 SGB XI) sowie die Kartellierung der Pflegekassen beim Vertragsabschluss (§ 85 Abs
2 Satz 1 SGB XI; vgl dazu Mayer, NZS 2008, 639, 642; Neumann, SGb 2001, 405, 409 und 2007, 521, 524 f; ders in:
Köbl/Brünner, aaO, S 25, 33 ff; Neumann/Bieritz-Harder, Die leistungsgerechte Pflegevergütung, 2002, 33 f; Brünner,
aaO, S 167; Riege, ZfS 2001, 268, 273; zurückhaltender Udsching in: Schnapp, Handbuch des sozialrechtlichen
Schiedsverfahrens, 2004, S 171 f RdNr 417). Offen sei des Weiteren, welches die leistungsbezogenen
Vergleichsmerkmale sein sollen (Plantholz, Sozialrecht aktuell 2008, 163, 164 f). Problematisch sei schließlich auch
noch die Bewertung von Tarifbindungen: Insoweit könnte sich eine Schere zwischen Gestehungskosten und
Refinanzierung öffnen, die existenzgefährdend sei; entsprechende Streitigkeiten würden auf dem Rücken der
Mitarbeiter ausgetragen (Mayer, NZS 2008, 639, 644 f; Plantholz, aaO, 163 ff; Bröcheler in: Köbl/Brünner, aaO, 61, 72
f; ähnlich Philipp, Sozialrecht aktuell 2008, 112; Riege, aaO, 268, 270 f; Brünner, aaO, S 178 ff).
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6. Die mit den Urteilen vom 14.12.2000 (BSGE 87, 199 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1) begründete Rechtsprechung führt
der erkennende Senat nur noch teilweise fort. Allerdings hält er daran fest, dass ausschließlich auf Gestehungskosten
gestützte Vergütungsansprüche im geltenden Recht keine Grundlage finden. Jedoch gibt er die Auffassung auf, dass
sich die Vergütung im Allgemeinen ausschließlich nach Marktpreisen bestimmt und die kalkulatorischen
Gestehungskosten regelmäßig außer Betracht bleiben.
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a) Im Ausgangspunkt hält der Senat daran fest, dass die Pflegevergütung auf einem marktorientierten
Versorgungskonzept beruhen muss und Ansprüche nach einem reinen Selbstkostendeckungsprinzip nicht bestehen.
Das belegen Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte des § 84 Abs 2 Satz 1 und 4 SGB XI, wonach die
Pflegesätze leistungsgerecht sein und es einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen müssen,
seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen. Schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift besteht kein Anspruch auf eine
ausschließlich nach den Gestehungskosten bemessene Vergütung. Maßgeblich ist vielmehr, welche Leistungen die
Einrichtung erbringt und welcher Aufwand "einem" Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung dafür "im
Allgemeinen" entsteht. Ein Abstellen allein auf die voraussichtlichen Kosten des jeweiligen Trägers reicht dazu nicht
aus, wie sich zudem aus Systematik und Entstehungsgeschichte der Norm ergibt. Die Anlehnung an die Neufassung
des § 17 Abs 1 Satz 3 KHG idF des GSG (dazu oben unter 3.b) besagt nämlich, dass die Pflegevergütung nicht
schlechterdings auf die Erstattung nachgewiesener Selbstkosten gerichtet sein darf (Knittel in: Krauskopf, Soziale
Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand November 2008, § 84 SGB XI RdNr 4; Mühlenbruch in: Hauck/Noftz,
SGB XI, Stand August 2008, K § 84 RdNr 14; Vogel/Schmäing in: Klie/Krahmer, aaO, § 84 RdNr 8; Wigge in:
Wannagat, SGB XI, Stand Dezember 2003, § 84 RdNr 9; Udsching, SGB XI, 2. Aufl 2000, § 84 RdNr 5). Dies belegen
schließlich auch die Gesetzesmaterialien mit dem Hinweis, dass die Regelung eine "klare Absage" an jegliche Form
der Kostenerstattung bedeute (vgl BT-Drucks 12/5262 S 144 zu § 93 Abs 2). Diese Systementscheidung des
Gesetzgebers wäre missachtet, würde § 84 Abs 2 Satz 1 und 4 SGB XI als Grundlage für Vergütungsansprüche auf
Kostendeckungsbasis verstanden.
20
b) Der Senat hält aber nicht daran fest, dass die Höhe der Gestehungskosten für die zu vereinbarende Vergütung
grundsätzlich bedeutungslos ist und es regelmäßig nur auf die "Feststellung von Marktpreisen" ankommt (so die
Urteile vom 14.12.2000, vgl BSGE 87, 199, 203 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6). Dem stehen die Regelungen des § 85
Abs 3 Satz 2 bis 4 SGB XI für das Pflegesatzverfahren entgegen, wonach das Pflegeheim vor Beginn der
Pflegesatzverhandlungen geeignete Nachweise für Art, Inhalt, Umfang und Kosten der Leistungen, für die eine
Vergütung beansprucht wird, darzulegen hat, ggf ergänzt durch zusätzliche Unterlagen bis hin zum Jahresabschluss
nach der Pflege-Buchführungsverordnung. Diese Verpflichtung galt zwar im Kern nach Ergänzung des § 85 Abs 3
SGB XI durch das Erste SGB XI-Änderungsgesetz (vgl dazu oben 3.c) bereits zum Zeitpunkt der
Senatsentscheidungen vom 14.12.2000. Ihr musste aus damaliger Sicht jedoch noch keine solch entscheidende
Bedeutung beigemessen werden. Für die Urteile vom 14.12.2000 war vielmehr die Einschätzung des Senats
maßgebend, dass Pflegeleistungen weitgehend standardisiert sind und ein Einrichtungsträger aus Gründen des
Wettbewerbs nur daran interessiert sein kann, seine Leistungen möglichst kostengünstig anzubieten (vgl BSGE 87,
199, 203 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6). Den voraussichtlichen Gestehungskosten hat der Senat damals hingegen
keine wesentlich eigenständige Bedeutung zugemessen, weil die am Markt durchsetzbare Vergütung als Korrektiv für
überhöhte Kosten gesehen wurde und deshalb wohl nicht vorhersehbar war, dass Einrichtungen zB auch bei
unterdurchschnittlichen Gestehungskosten eine durchschnittliche Vergütung beanspruchen würden. Dem
entsprechend schien auch dem Gesetzgeber ursprünglich der Nachweis der voraussichtlichen Gestehungskosten als
entbehrlich (vgl BT-Drucks 12/5262 S 145 zu § 94 Abs 3).
21
Diese Erwartungen haben sich im weiteren Verlauf so nicht bestätigt. In der Literatur sind sie ohnehin skeptisch
beurteilt worden (dazu oben unter 5.). Auch ist nicht zu übersehen, dass die Anwendung des externen Vergleichs in
der Schiedsstellenpraxis erhebliche Umsetzungsprobleme bereitet hat (Griep, PflR 2008, 153, 162). Vor allem haben
sich die dem Pflegevergütungsrecht zu Grunde liegenden Einschätzungen des Gesetzgebers seither gewandelt.
Zunächst hat er sich bei Einführung der LQV durch das PQsG zum 1.1.2002 (dazu oben unter 3.d) von der Erkenntnis
leiten lassen, dass das bisherige Vergütungsregime in der Praxis der stationären Pflege nicht zu der erwarteten
wettbewerbsorientierten Ausdifferenzierung geführt, sondern nur Kosten treibend gewirkt und eine unerwünschte
Vereinheitlichung der Pflegesätze befördert hat. Zudem wurde festgestellt, dass Heimbewohnern Pflegesätze und
Entgelte in Rechnung gestellt wurden, denen keine entsprechende Personalausstattung zu Grunde lag (vgl BT-Drucks
14/5395 S 19 f zu 4c und 6). Eine ähnlich kritische Wertung des Gesetzgebers liegt den gesetzlichen Modifizierungen
im PflegeWEG zu Grunde (dazu oben unter 3.b; vgl auch BT-Drucks 16/7439 S 71 zu Nr 50 Buchstabe a bb). Hierin
kommt zum Ausdruck, dass sich die ursprünglichen Erwartungen des Gesetzgebers an ein wettbewerbsorientiertes
Leistungserbringungsrecht nicht wie gewünscht bestätigt haben. Unter diesen Umständen kann auch der Senat nicht
unverändert von der - früheren - Einschätzung ausgehen, dass der Markt überhöhten Vergütungsforderungen und
mangelhafter Pflegequalität hinreichend entgegenwirken wird und es deshalb - ohne Berücksichtigung der
prognostischen Gestehungskosten nach Maßgabe von § 85 Abs 3 Satz 2 bis 4 SGB XI - in erster Linie auf die
Feststellung von Marktpreisen ankommen kann.
22
7. Die spätestens mit Inkrafttreten des PQsG zum 1.1.2002 in das geltende Recht eingeführten Ansätze zu stärker
ausdifferenzierten Pflegevergütungen geben dem Senat Anlass, seine Rechtsprechung zu modifizieren. Grundlage
hierfür sind die Regelung des Pflegesatzverfahrens in § 85 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1, Satz 3 und 4 SGB XI sowie die
Bemessungsgrundsätze des § 84 Abs 2 Satz 1 und 4 SGB XI, jeweils idF des PflegeWEG, die der Sache nach aber
auch schon für den hier streitigen Vergütungszeitraum von Oktober 2005 bis Oktober 2006 entsprechend galten.
Grundsätzlich sind Pflegesatzverhandlungen und evtl nachfolgende Schiedsstellenverfahren nach einem
zweigliedrigen Prüfungsmuster durchzuführen: Grundlage der Verhandlung über Pflegesätze und Entgelte ist zunächst
die Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der in der Einrichtung erbrachten Leistungen nach § 85 Abs 3 Satz 2
Halbsatz 1 und Satz 3 SGB XI (Prognose - näher dazu unter 8.). Daran schließt sich in einem zweiten Schritt die
Prüfung der Leistungsgerechtigkeit nach § 84 Abs 2 Satz 1 und 4 SGB XI an. Maßgebend hierfür sind die
Kostenansätze vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen (externer Vergleich - näher dazu unter 9.). Im
Ergebnis sind Pflegesätze und Entgelte dann leistungsgerecht iS von § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI, wenn erstens die
voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung nachvollziehbar und plausibel dargelegt werden und sie zweitens
in einer angemessenen und nachprüfbaren Relation zu den Sätzen anderer Einrichtungen für vergleichbare Leistungen
stehen. Geltend gemachte Pflegesätze und Entgelte sind dann nicht angemessen, wenn Kostenansätze und erwartete
Kostensteigerungen nicht plausibel erklärt werden können oder wenn die begehrten Sätze im Verhältnis zu anderen
stationären Pflegeeinrichtungen unangemessen sind.
23
8. Zunächst ist - im ersten Prüfungsschritt - die Plausibilität der einzelnen Kostenansätze festzustellen. Die
Vergütungsforderung einer Einrichtung ist nicht ausreichend belegt, wenn sie nicht auf einer plausiblen und
nachvollziehbaren Darlegung der voraussichtlichen Gestehungskosten beruht.
24
a) Wie bereits dargestellt, sollen sich die Pflegesätze und Entgelte trotz ihrer Wettbewerbsorientierung nicht nur an der
marktüblichen Vergütung für solche Leistungen orientieren, sondern auch an den voraussichtlichen
Gestehungskosten. Eine Vergütung für stationäre Pflegeleistungen ist deshalb im Grundsatz erst dann
leistungsgerecht (zur wirtschaftlichen Betriebsführung vgl unten unter 9.), wenn sie die Kosten einer Einrichtung
hinsichtlich der voraussichtlichen Gestehungskosten unter Zuschlag einer angemessenen Vergütung ihres
Unternehmerrisikos und eines etwaigen zusätzlichen persönlichen Arbeitseinsatzes sowie einer angemessenen
Verzinsung ihres Eigenkapitals deckt.
25
Die voraussichtlichen Gestehungskosten müssen plausibel und nachvollziehbar sein, also die Kostenstruktur des
Pflegeheims erkennen und eine Beurteilung seiner Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall zulassen (§
85 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 und Satz 3 SGB XI). Deshalb hat das Pflegeheim zunächst geeignete Nachweise
beizubringen; die Vorlage einer reinen Kostenkalkulation ohne weitere Angaben reicht in aller Regel nicht aus. Die
Kostenkalkulation ist vielmehr hinreichend zu belegen und muss tatsächlich nachvollziehbar sein. Diesem
Plausibilitätserfordernis wird etwa genügt, wenn Kostensteigerungen zB auf erhöhte Energiekosten zurückzuführen
sind oder im Personalbereich auf die normale Lohnsteigerungsrate begrenzt bzw durch Veränderungen im
Personalschlüssel oder bei der Fachkraftquote bedingt sind. Nicht von vornherein als unplausibel ausgeschlossen ist
auch die Erhöhung von Kostenansätzen, die in den Vorjahren aufgrund fehlerhafter Kalkulation oder sogar bewusst -
etwa um Marktsegmente zu erobern - zu niedrig angesetzt worden sind; im letzteren Fall besteht allerdings eine
besonders substanziierte Begründungspflicht des Pflegeheims. Für eine erfolgreiche Plausibilitätsprüfung ist es indes
nicht ausreichend, wenn eine erhebliche und nicht durch konkrete Fakten belegte Erhöhung der Personalkosten mit
der Begründung begehrt wird, diese Beträge seien an dem durchschnittlichen tariflichen Arbeitgeberaufwand pro
Vollzeitstelle orientiert, den die beklagte Schiedsstelle ohne Nachweis der konkreten Gestehungskosten regelmäßig
anerkenne (zu einer solchen Begründung vgl Senatsurteil vom 29.1.2009 - B 3 P 6/08 R -, Umdruck S 3 und 12).
26
Reichen die Angaben des Pflegeheims für eine abschließende Plausibilitätskontrolle der Kostenansätze nicht aus,
sind nach § 85 Abs 3 Satz 3 und 4 SGB XI zusätzliche Unterlagen vorzulegen und/oder Auskünfte zu erteilen. Dies
kann von der weiteren Konkretisierung der zu erwartenden Kostenlast über die Angabe von Stellenbesetzungen und
Eingruppierungen bis zu pflegesatzerheblichen Auskünften zum Jahresabschluss entsprechend den Grundsätzen
ordnungsgemäßer Pflegebuchführung reichen und besteht auf Verlangen einer Vertragspartei (dazu unten unter 10.),
soweit dies zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit eines Pflegeheims im Einzelfall erforderlich
ist. Aber auch insoweit kommt es nur auf eine Plausibilitätsprüfung an, selbst im Hinblick auf die am 1.1.1996 in Kraft
getretene und zuletzt durch das Achte Euro-Einführungsgesetz vom 23.10.2001 (BGBl I 2702) geänderte Pflege-
Buchführungsverordnung vom 22.11.1995 (BGBl I 1528). Nach deren § 7 Satz 1 und 2 haben die zugelassenen
Pflegeeinrichtungen eine Kosten- und Leistungsrechnung zu führen, die ua die Ermittlung und Abgrenzung der Kosten
der jeweiligen Betriebszweige sowie die Erstellung der Leistungsnachweise nach den Vorschriften des Achten
Kapitels des SGB XI ermöglichen muss. Bei Zweifeln über die voraussichtlichen künftigen Gestehungskosten kann
die Nachweispflicht der Einrichtung deshalb bis zum Nachweis der in der Vergangenheit angefallenen Kosten reichen.
Dies folgt mittelbar auch aus der Schutznorm des § 85 Abs 3 Satz 5 SGB XI, wonach personenbezogene Daten zu
anonymisieren sind; die Pflegeeinrichtung kann also im Zweifelsfall zu einer weitgehenden Offenlegung ihrer
betriebswirtschaftlichen Berechnungsgrundlagen verpflichtet sein. Zusammengefasst folgt daraus, dass das
Pflegeheim seine Vergütungsforderung in tatsächlicher Hinsicht so zu belegen hat, dass die für die Zukunft geltend
gemachte Entwicklung seiner Gestehungskosten plausibel und nachvollziehbar ist.
27
b) Diese Anforderungen an die Plausibilitätsprüfung stehen nicht im Widerspruch zu dem wettbewerbsorientierten
Vergütungsregime des SGB XI. Sie sind vielmehr Rechtfertigung dafür, dass im Pflegesatzverfahren mit der Mehrheit
der Kostenträger (§ 85 Abs 4 Satz 1 SGB XI) bzw der Schiedsstellenmitglieder (§ 76 Abs 3 Satz 4 SGB XI) gemäß §
85 Abs 6 Satz 1 SGB XI verbindliche Entscheidungen zu Lasten der Heimbewohner und aller Kostenträger getroffen
werden können. Dies setzt eine hinreichende Tatsachengrundlage für die Einschätzung voraus, dass die von der
Einrichtung geltend gemachten Pflegesätze und Entgelte angemessen und den Heimbewohnern sowie der
Versichertengemeinschaft bzw der Allgemeinheit deshalb entsprechende Zahlungen zuzumuten sind. Dass der
Gesetzgeber die dafür erforderliche Vergewisserung gemäß § 85 Abs 3 Satz 2 bis 4 SGB XI an die nachvollziehbare
Darlegung der voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung geknüpft hat, ist nicht zu beanstanden. Im
Gegenteil liegt eine solche Vorgehensweise nahe, weil die Pflegesatzvereinbarungen gemäß § 85 Abs 2 Satz 2 SGB
XI einrichtungsindividuell auszuhandeln sind und das Vergütungsregime des SGB XI damit - im Interesse von
Kostenträgern und Einrichtungen gleichermaßen - auf möglichst ausdifferenzierte und den Einrichtungsbesonderheiten
Rechnung tragende Vergütungen zielt. Soweit danach Angaben über Kostenstrukturen und betriebswirtschaftliche
Kennzahlen verlangt werden, die im allgemeinen Geschäftsverkehr üblicherweise nicht zu offenbaren sind, hält der
Senat dies wegen der sozialrechtlichen Bindung aller Beteiligter (§ 1 SGB XI) für hinnehmbar. Zu beachten ist jedoch,
dass die Anforderung solch weitgehender Auskünfte durch die Pflegekassen bzw die Schiedsstellen einen besonders
intensiven Eingriff in die Rechtssphäre einer Pflegeeinrichtung darstellt und deshalb auf Ausnahmen zu beschränken
ist, in denen die prognostische Angemessenheit der geltend gemachten Kostenansätze anders nicht ermittelbar ist.
28
9. Auch nachvollziehbare prognostische Gestehungskosten rechtfertigen den geltend gemachten Vergütungsanspruch
nur, soweit er - im zweiten Prüfungsschritt - dem Vergütungsvergleich mit anderen Einrichtungen standhält und sich
insoweit als leistungsgerecht iS von § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI erweist. Das folgt aus § 84 Abs 2 Satz 4 und Satz 7
SGB XI idF des PflegeWEG (vgl oben unter 3.d und e), wonach die Pflegesätze wirtschaftlicher Betriebsführung
entsprechen müssen und hierbei die Pflegesätze derjenigen Einrichtungen angemessen berücksichtigt werden
können, die im Wesentlichen gleichartig sind; diese Grundsätze galten auch schon in dem hier streitbefangenen
Zeitraum Oktober 2005 bis Oktober 2006. Wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht der Vergütungsanspruch danach
regelmäßig ohne weitere Prüfung, wenn der geforderte Pflegesatz nebst Entgelt für Unterkunft und Verpflegung im
unteren Drittel der zum Vergleich herangezogenen Pflegevergütungen liegt. Ist dies nicht der Fall, sind die von der
Einrichtung geltend gemachten Gründe auf ihre wirtschaftliche Angemessenheit zu überprüfen. Die Einhaltung der
Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter sind dabei immer als wirtschaftlich angemessen zu werten.
29
a) Obergrenze der Vergütungsforderung ist - auch bei nachvollziehbar prognostischen Gestehungskosten - das Maß
des auch im Vergleich mit der Vergütung anderer Einrichtungen wirtschaftlich Angemessenen. Das folgt insbesondere
aus § 84 Abs 2 Satz 4 und 7 SGB XI, mit dem der Gesetzgeber die Pflegevergütung in Abkehr vom
Selbstkostendeckungsprinzip am Leitbild der Leistungsgerechtigkeit (§ 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI) ausgerichtet hat.
Leistungsgerecht sind die Pflegesätze danach, soweit sie es einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung
ermöglichen, seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen (§ 84 Abs 2 Satz 4 SGB XI). Insoweit sind Pflegesätze und
Entgelte einerseits an den individuellen Besonderheiten des Pflegeheims auszurichten, als es um "seinen
Versorgungsauftrag" geht; Bezugspunkt hierfür ist der einrichtungsindividuelle Versorgungsauftrag, wie er sich aus
dem Versorgungsvertrag und weiteren Vereinbarungen - insbesondere den LQV nach § 84 Abs 5 SGB XI idF des
PflegeWEG - im Einzelfall ergibt. Maßstab der Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung ist andererseits nicht der im
Einzelfall, sondern der dazu allgemein erforderliche Betriebsaufwand. Augenfälliger Ausdruck dessen ist zunächst,
dass die Pflegesätze nach § 84 Abs 2 Satz 4 SGB XI "einem" Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung die
Erfüllung seines Versorgungsvertrages ermöglichen müssen. Zum Maßstab erhoben ist dadurch der generalisierte
Vergütungsbedarf eines idealtypischen und wirtschaftlich operierenden Pflegeheimes (ebenso BVerwGE 108, 47, 55
zur inhaltsgleichen Klausel des § 93 Abs 2 Satz 2 BSHG idF des 2. SKWPG). Bestätigt wurde dies zuletzt durch die
mit dem PflegeWEG eingefügte Regelung des § 84 Abs 2 Satz 7 SGB XI, wonach bei Bemessung der
Pflegevergütung die Pflegesätze derjenigen Pflegeeinrichtungen angemessen berücksichtigt werden können, die nach
Art und Größe sowie hinsichtlich der Leistungs- und Qualitätsmerkmale im Wesentlichen gleichartig sind. Das zielt
zwar einerseits auf eine Korrektur der Urteile des erkennenden Senats vom 14.12.2000 (vgl BT-Drucks 16/7439 S 71
zu Nr 50 Buchstabe a bb); andererseits drückt sich darin aber auch aus, dass die Leistungsgerechtigkeit der
Pflegesatzforderung nicht alleine nach einrichtungsindividuellen Kosten zu beurteilen ist, sondern dazu auch ein
Vergleich mit anderen Einrichtungen erforderlich ist. Diese Wertung lag den Vergütungsregelungen des SGB XI schon
vor der Verabschiedung des PflegeWEG zu Grunde (vgl nur BT-Drucks 14/5395 S 20 zu § 80a SGB XI idF des
PQsG).
30
b) Methode der Wahl zur Beurteilung der Leistungsgerechtigkeit einer Vergütungsforderung für stationäre
Pflegeleistungen ist weiterhin, wie vom Senat bereits mit den Urteilen vom 14.12.2000 entschieden (BSGE 87, 199,
203 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6 f), der externe Vergleich mit anderen Einrichtungen; allerdings nach dem
modifizierten Prüfungsansatz des Senats nunmehr mit anderer Grundlage und Zielrichtung (dazu unten unter c).
Rechtsgrundlage hierfür ist seit dem Inkrafttreten des PflegeWEG am 1.7.2008 die Regelung des § 84 Abs 2 Satz 7
SGB XI. Für den Zeitraum davor (hier: Oktober 2005 bis Oktober 2006) gilt dies entsprechend; von der Notwendigkeit
des Vergleichs mit den Pflegesätzen anderer Einrichtungen war der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit dem
Regelungskonzept einer leistungsgerechten Vergütung schon zuvor ausgegangen (vgl BT-Drucks 14/5395 S 20 zu §
80a SGB XI idF des PQsG). Dem können sich die Einrichtungsträger auch nicht unter Verweis auf die
Gesetzesmaterialien deshalb entziehen, weil die Grundsätze der Senatsentscheidungen vom 14.12.2000 "nicht gegen
den Willen einer Vertragspartei, sondern nur noch auf gemeinsamen Wunsch aller Vertragsparteien zur Anwendung
kommen dürfen" (so BT-Drucks 16/7439 S 71 zu Nr 50 Buchstabe a bb). Damit ist lediglich zum Ausdruck gebracht,
dass die in den Urteilen vom 14.12.2000 herausgestellte Orientierung an durchschnittlichen Marktpreisen nur mit
Zustimmung auch der Kostenträger zur Grundlage der Pflegesatzbemessung erhoben werden darf; an der
gegenteiligen Meinung hält der Senat indes - wie dargelegt - ohnehin nicht fest. Nicht frei sind Einrichtungs- und
Kostenträger hingegen, ob die Pflegesatzforderung auf wirtschaftliche Angemessenheit überprüft und insoweit auch
einem Fremdvergleich unterzogen wird; das ist nach dem Vergütungskonzept des SGB XI mit den Vorgaben
insbesondere des § 84 Abs 2 Satz 1 und 4 SGB XI vielmehr rechtlich geboten (zu den daraus resultierenden
Darlegungsanforderungen vgl unten 10.). Insoweit unterscheidet sich die vorstehende Regelung in ihren rechtlichen
Wirkungen nicht von der vergleichbaren Norm des § 17 Abs 2 Satz 2 KHG, wonach bei der Beachtung des
Grundsatzes der Beitragssatzstabilität die Vergütungen vergleichbarer Krankenhäuser angemessen zu
berücksichtigen sind. Zu einer entsprechenden Pflicht verdichtet sich das nach § 84 Abs 2 Satz 7 SGB XI
eingeräumte Ermessen, weil anders nicht zu beurteilen ist, ob die beanspruchte Vergütung den Grundsätzen
wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht.
31
c) Allerdings bestimmt das Ergebnis des externen Vergleichs die angemessene Pflegevergütung nicht abschließend.
Davon war der Senat noch in den Urteilen vom 14.12.2000 ausgegangen. Danach sollte auf diesem Weg der -
durchschnittliche - Marktpreis als regelmäßig verbindliche Richtgröße der leistungsgerechten Vergütung ermittelt
werden, soweit ein solcher Marktpreis feststellbar und er nicht aus Gründen mangelnder Pflegequalität unverwertbar
war (vgl BSGE 87, 199, 203 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6 f). Diese rechtlich verbindliche Wirkung kann dem externen
Vergleich im Rahmen der modifizierten Senatsrechtsprechung zur leistungsgerechten Pflegevergütung heute nicht
mehr zukommen. Leistungsgerecht ist eine Pflegevergütung - wie dargelegt - nur dann, wenn sie erstens mit
nachvollziehbaren prognostischen Gestehungskosten unterlegt ist und sich zweitens im Hinblick auf die Vergütung
anderer Einrichtungen nicht als unwirtschaftlich erweist. Die Pflegesätze anderer Einrichtungen können demzufolge
nur eine Vergleichsgröße im Rahmen der Angemessenheitskontrolle nach § 84 Abs 2 Satz 4 und 7 SGB XI darstellen,
nicht aber eine unmittelbar verbindliche Bemessungsgröße für Pflegesatz und Entgelt sein. Insoweit ist der externe
Vergleich kein Ersatz für die von den Pflegesatzparteien und ggf der Schiedsstelle vorzunehmende Bewertung der
Pflegesatzforderung auf ihre wirtschaftliche Angemessenheit, sondern Grundlage dieser Bewertung.
32
d) Materieller Maßstab der auf der Grundlage des externen Vergleichs vorzunehmenden Bewertung ist § 84 Abs 2
Satz 4 SGB XI. Danach ist die Pflegesatzforderung leistungsgerecht iS von § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI, wenn der von
der Vergütung abzudeckende - und hinreichend nachvollziehbare - Aufwand der Einrichtung den Grundsätzen
wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Aufwand zur Erfüllung des
Versorgungsauftrages gerade dieser Einrichtung und nach Maßgabe der Kriterien des § 84 Abs 2 Satz 7 SGB XI im
Vergleich zu den Pflegesätzen anderer Einrichtungen als unwirtschaftlich anzusehen ist. Insoweit sind drei
Fallgruppen zu unterscheiden:
33
(1) Stets als leistungsgerecht anzusehen sind Pflegesätze und Entgelte für Unterkunft und Verpflegung, die über die
günstigsten Eckwerte vergleichbarer Einrichtungen nicht hinausreichen. Insoweit ist mit dem niedrigsten
Pflegesatz/Entgelt derjenige Betrag bezeichnet, der zur Erfüllung des Versorgungsauftrages als noch ausreichend
angesehen wird. Entspricht die Pflegesatzforderung dem günstigsten Pflegesatz vergleichbarer Einrichtungen oder
bleibt sie gar darunter, kann der Einrichtung eine unwirtschaftliche Betriebsführung deshalb schon im Ansatz nicht
entgegengehalten werden. Weitere Prüfungen im Hinblick auf die wirtschaftliche Betriebsführung und die
Leistungsgerechtigkeit der Vergütung sind in diesem Fall entbehrlich.
34
(2) Ebenfalls regelmäßig ohne weitere Prüfung als leistungsgerecht anzusehen sind Pflegesatz- und
Entgeltforderungen im unteren Drittel der vergleichsweise ermittelten Pflegesätze/Entgelte. Das entnimmt der Senat
dem Rechtsgedanken des § 35 Abs 5 Satz 4 SGB V idF von Art 1 Nr 23 Buchstabe d des GKV-
Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 (BGBl I 2190). Danach soll der Festbetrag für Arzneimittel in einer der
Festbetragsgruppen nach § 35 Abs 1 Satz 2 SGB V "den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls
zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis einer Standardpackung nicht übersteigen". Ziel ist es, hierdurch
Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, einen wirksamen Preiswettbewerb auszulösen und sich an möglichst
preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten (§ 35 Abs 5 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V idF von Art 1 Nr 6 des
GKV-Solidaritätsstärkungsgesetzes - GKV-SolG - vom 19.12.1998 (BGBl I 3853)) und dabei zugleich eine im
Allgemeinen ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung zu
gewährleisten (§ 35 Abs 5 Satz 1 SGB V idF des Gesundheitsreformgesetzes - GRG - vom 20.12.1988 (BGBl I
2477)). Insoweit ist mit der auf das GKV-SolG zurückgehenden Drittel-Regelung die bis dahin geltende Maßgabe
ersetzt worden, wonach die Festbetragsfestsetzung an den preisgünstigen Apothekenabgabepreisen auszurichten war
(§ 35 Abs 5 Satz 3 Halbsatz 1 SGB V idF des GRG). Nach der hierfür maßgeblichen Einschätzung erschien das
Tatbestandsmerkmal "preisgünstig" als nicht hinreichend konkret und deshalb als Hindernis bei der praktischen
Umsetzung der Festbetragsregelung (vgl BT-Drucks 14/24 S 17 zu Nr 6). Getragen ist die Drittel-Regelung danach
von der gesetzlichen Wertung, dass eine Versorgung - dort: mit Arzneimitteln - im unteren Drittel des Preissegments
als "preisgünstig" und damit als hinreichend wirtschaftlich anzusehen ist. Weder Versicherte noch Leistungserbringer
sind danach insoweit - anders hingegen nunmehr etwa bei der Hilfsmittelversorgung nach § 127 Abs 1 Satz 1 SGB V
idF des GKV-OrgWG vom 15.12.2008 (BGBl I 2426) - darauf verwiesen, notwendig die preisgünstigste Versorgung zu
wählen bzw anzubieten, solange sie nur im unteren Drittel des relevanten Preissegments bleiben.
35
Dieser Rechtsgedanke ist nach Interessenlage und Systematik auf die Beurteilung von Pflegesatzforderungen
übertragbar. Einerseits zielt das Vergütungsrecht des SGB XI mit dem Maßstab der wirtschaftlichen Betriebsführung
auf eine möglichst kostengünstige und Wirtschaftlichkeitsreserven ausschöpfende Versorgung. Das entspricht auch
den Interessen von Heimbewohnern und Kostenträgern. Deshalb ist ein höherer Pflegesatz bei vergleichbarer
Pflegeleistung stets der Rechtfertigung bedürftig und nach § 84 Abs 2 Satz 4 SGB XI nur dann leistungsgerecht iS
von § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI, wenn sich der von der Vergütung abgedeckte Aufwand der Einrichtung im Rahmen
des wirtschaftlich Angemessenen hält. Andererseits ist es den Heimträgern innerhalb dieses Rahmens auch nicht
verwehrt, ihre Pflegeleistungen zu höheren Pflegesätzen anzubieten. Zudem sind zuletzt in das SGB XI eingefügte
Regelungen von dem Bestreben getragen, eine Vergütungsspirale nach unten zu Lasten der Pflegequalität und auf
Kosten einer unter das ortsübliche Maß abgesunkenen Arbeitsvergütung zu vermeiden (vgl §§ 72 Abs 3 Satz 1 Nr 2,
84 Abs 2 Satz 7 SGB XI und hierzu BT-Drucks 16/7439 S 67 zu Nr 40 Buchstabe c aa sowie S 71 zu Nr 50
Buchstabe a bb). Wie bei der Arzneimittelversorgung unter dem Regime von Festbetragsregelungen nach § 35 SGB V
- anders indes bei Rabattverträgen gemäß § 130a Abs 8 SGB V idF von Art 1 Nr 97 Buchstabe i) des GKV-WSG vom
26.3.2007 (BGBl I 378) - lässt das Recht der stationären Pflegevergütung sonach eine Bandbreite von
Pflegevergütungen zu, innerhalb derer sich wirtschaftlich angemessene Pflegesätze ausbilden können und die jeweils
- iS von § 35 Abs 5 Satz 2 Halbsatz 1 SGB V - als hinreichend kostengünstig anzusehen sind. Dies rechtfertigt es,
die Pflegesätze analog § 35 Abs 5 Satz 4 SGB V jedenfalls im unteren Drittel des beim externen Vergleich ermittelten
Vergütungsbereichs in aller Regel ohne weitere Prüfung als wirtschaftlich angemessen und deshalb leistungsgerecht
anzusehen.
36
(3) Auch oberhalb des unteren Drittels vergleichbarer Pflegevergütungen kann sich eine Forderung als
leistungsgerecht erweisen, sofern sie auf einem - zuvor nachvollziehbar prognostizierten - höheren Aufwand der
Pflegeeinrichtung beruht und dieser nach Prüfung im Einzelfall wirtschaftlich angemessen ist. Das ist der Fall, soweit
die Einrichtung Gründe für einen höheren Pflegesatz oder ein höheres Entgelt für Unterkunft und Verpflegung aufzeigt
und diese den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung entsprechen. Gründe für einen in diesem Sinne als
wirtschaftlich angemessen anzusehenden höheren Aufwand können sich insbesondere aus Besonderheiten im
Versorgungsauftrag der Einrichtung ergeben, etwa aus besonders personalintensiven Betreuungserfordernissen, aus
besonderen Leistungsangeboten zugunsten der Heimbewohner oder einem in der Pflegequalität zum Ausdruck
kommenden höheren Personalschlüssel (vgl BT-Drucks 16/7439 S 71 zu Nr 50 Buchstabe a bb). Rechtfertigende
Gründe für einen höheren Pflegesatz können auch aus Lage und Größe einer Einrichtung folgen, wenn sich daraus
wirtschaftliche Nachteile gegenüber der Lage oder dem Zuschnitt anderer Einrichtungen ergeben und der
Sicherstellungsauftrag der Pflegekassen (vgl § 69 Satz 1 SGB XI idF des PflegeVG) ohne die vergleichsweise teure
Einrichtung nicht erfüllt werden kann. Schließlich genügen auch die Einhaltung einer Tarifbindung und ein deswegen
höherer Personalkostenaufwand stets den Grundsätzen wirtschaftlicher Betriebsführung; dies ergibt sich nunmehr als
ausdrückliche Folge der Regelung des § 72 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB XI idF des Art 1 Nr 40 Buchstabe c aa des
PflegeWEG, galt aber - als Rechtfertigung für eine höhere Vergütungsforderung - entsprechend schon zuvor, wenn die
Tarifbindung einen höheren Personalkostenaufwand der Einrichtung bedingte. An der auf anderer Grundlage
beruhenden Einschränkung in den Urteilen vom 14.12.2000 (BSGE 87, 199, 203 f = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 6 f) hält
der Senat nicht mehr fest. Entscheidend kommt es jeweils in der Gesamtbewertung darauf an, ob der von der
Einrichtung geforderte Vergütungssatz im Vergleich mit günstigeren Pflegesätzen und Entgelten anderer
Einrichtungen im Hinblick auf die Leistungen der Einrichtung und die Gründe für ihren höheren Kostenaufwand
(dennoch) als insgesamt angemessen und deshalb leistungsgerecht iS von § 84 Abs 2 Satz 1 SGB XI anzusehen ist.
Ist diese Frage zu bejahen, dann sind Pflegesatz- und Entgeltforderungen auch oberhalb des unteren
Vergleichsdrittels wirtschaftlich angemessen.
37
e) Der Senat geht davon aus, dass in diesen neu strukturierten externen Vergleich grundsätzlich alle
Pflegeeinrichtungen eines bestimmten Bezirks - Stadt, Landkreis oä - einzubeziehen sind, ohne dass es auf deren
Größe oder sonstige äußere Beschaffenheit ankommt. Er lässt aber ausdrücklich offen, ob sich nicht im Einzelfall
abweichende Kriterien ergeben können, die die Vergleichbarkeit lokal oder regional benachbarter Einrichtungen
gleichwohl beeinträchtigen und denen durch Differenzierungen Rechnung zu tragen ist. Dies könnten etwa
Besonderheiten im Versorgungsauftrag einer Einrichtung sein, aber auch sehr personalintensive
Betreuungserfordernisse oder besondere Leistungsangebote; fehlende oder bestehende Tarifbindungen, die religiöse,
weltanschauliche und sozialpolitische Ausrichtung der Trägerinstitutionen oder deren Organisationsform gehören
jedenfalls nicht dazu.
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10. Grundlage der Vergütung von stationären Pflegeeinrichtungen sind die von den Betreibern beizubringenden
Angaben über die voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung einerseits und ihrer Einordnung im
Vergütungsgefüge der übrigen Einrichtungen andererseits. Hieraus ergeben sich wechselseitige Darlegungslasten auf
beiden Ebenen der vorstehend skizzierten Prüfung:
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a) Für die 1. Prüfungsstufe - Nachvollziehbarkeit der prognostizierten Kostenansätze (vgl oben unter 8.) - hat
zunächst die Einrichtung ihre voraussichtlichen Gestehungskosten zu benennen und ggf durch Unterlagen zu belegen.
Daraus erwächst für die Pflegekassen aus der im Rechtsverhältnis zu den Versicherten bestehenden
Treuhänderstellung (vgl BSGE 87, 199, 201 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 4) bereits auf dieser ersten Prüfungsstufe die
Rechtspflicht, die von der Einrichtung vorgelegte Kalkulation in sich und ggf auch im Vergleich mit den Werten
anderer Einrichtungen auf Schlüssigkeit und Plausibilität in dem Sinne zu überprüfen, ob diese Kostenkalkulation eine
nachvollziehbare Grundlage für die vergleichende Bewertung auf der zweiten Prüfungsstufe sein kann. Ist das nicht
der Fall, haben die Pflegekassen den Einrichtungsträger bereits in dieser Phase der Prüfung substanziiert auf
Unschlüssigkeiten im eigenen Vorbringen hinzuweisen oder durch geeignete Unterlagen anderer Einrichtungen mit
Verweis auf deren Kostenstruktur konkret darzulegen, dass die aufgestellte Kalkulation der voraussichtlichen
Gestehungskosten nicht plausibel erscheint. Wird die Kostenprognose der Einrichtung durch ein solch substanziiertes
Bestreiten der Kostenträger erschüttert, muss die Einrichtung wiederum im Nachweisverfahren nach § 85 Abs 3 Satz
3 und 4 SGB XI weitere Belege dafür beibringen, dass ihre Vergütungsforderung auf einer plausiblen Kalkulation der
voraussichtlichen Gestehungskosten beruht. Entsprechendes gilt für das Schiedsstellenverfahren (vgl unten unter
11.).
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b) Für die 2. Prüfungsstufe - externer Vergütungsvergleich (vgl oben unter 9.) - haben zunächst die Kostenträger dem
Pflegeheim und - soweit die Schiedsstelle angerufen ist - dieser alle notwendigen Informationen zur Verfügung zu
stellen, die einen Vergleich der von der Einrichtung geforderten Vergütung mit den Pflegesätzen anderer Einrichtungen
nach den vorstehend dargelegten Kriterien erlaubt. Dazu sind die Pflegekassen im Rahmen ihrer Sachwalterstellung
im Verhältnis zu den Versicherten verpflichtet, weil die notwendige Kenntnis über die Pflegevergütungen der
vergleichbaren Einrichtungen ausschließlich bei ihnen anfällt und die Angaben unschwer von ihnen aufbereitet werden
können. Zu erstrecken haben sich die Angaben auf Pflegesätze und Entgelte aller Einrichtungen in dem einschlägigen
räumlichen Markt, also ohne Unterscheidung nach der Tarifbindung. Diese hat für den Vergleich von
Pflegevergütungen als solche keine rechtliche Relevanz; Bedeutung kann der Tarifbindung nur zukommen, soweit
dies höhere Gestehungskosten bedingt und im Rahmen der Angemessenheitskontrolle einen Pflegesatz auch
oberhalb des unteren Preisdrittels rechtfertigen kann (vgl oben unter 9.d - 3. Fallgruppe). Besteht hiernach - auf der
Grundlage des externen Vergleichs - Rechtfertigungsbedarf für einen Pflegesatz und/oder Entgelte oberhalb des
unteren Vergleichsdrittels, so hat zunächst die Einrichtung die Gründe anzugeben und nachvollziehbar zu belegen, die
- aus ihrer Sicht - die höhere Pflegesatzforderung angemessen erscheinen lassen. Dazu haben wiederum die
Kostenträger nach Maßgabe ihrer - notfalls noch zu beschaffenden - Marktkenntnis Stellung zu nehmen, sodass
sowohl dem Einrichtungsträger als auch - bei ihrer Anrufung - der Schiedsstelle eine sachgerechte Beurteilung der
Pflegesatzforderung möglich ist.
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11. Im Hinblick auf den im Prüfverfahren bestehenden Beurteilungsspielraum der Schiedsstelle sind die Vorinstanzen
im Anschluss an die Urteile des Senats vom 14.12.2000 (aaO) zutreffend von einer eingeschränkten gerichtlichen
Kontrollmöglichkeit des Schiedsspruchs ausgegangen. Der Schiedsspruch stellt seiner Natur nach einen
Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges Gremium dar. Insbesondere mit der paritätischen
Zusammensetzung, dem Mehrheitsprinzip und der fachlichen Weisungsfreiheit (§ 76 Abs 4 SGB XI) will der
Gesetzgeber die Fähigkeit dieses Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen
und zu einer Entscheidungsfindung nutzen, die nicht immer die einzig sachlich vertretbare ist und häufig
Kompromisscharakter aufweist. Gleichwohl haben die Schiedsstellen eine umfassende Aufklärungspflicht und dürfen
Aufklärungsermittlungen auf beiden Seiten durchführen. Sie müssen aber das Beschleunigungsgebot beachten (§ 85
Abs 5 Satz 1 SGB XI) und sollten Auflagen zur Sachverhaltsklärung möglichst schon mit der Ladung zum
Schiedstermin verbinden. Die Möglichkeit zum Erlass von sog Beweislastentscheidungen ist nicht ausgeschlossen,
falls eine der Schiedsparteien den gemachten Auflagen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt, in der Praxis aber
durch den Umstand beschränkt, dass ein Schiedsspruch auch unmittelbare Wirkung für die am Verfahren nicht direkt
beteiligten Heimbewohner besitzt (§ 85 Abs 6 Satz 1 SGB XI) und sie nicht "Opfer" von Beweislastentscheidungen
werden dürfen. Den Abschluss des Verfahrens bildet bei fehlender Einigung der Schiedsspruch, der mit einer
hinreichenden Begründung zu versehen ist (vgl BSGE 87, 199, 202 = SozR 3-3300 § 85 Nr 1 S 5 mwN).
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Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze und des Entscheidungsspielraums der Schiedsstelle ist
gerichtlich ausschließlich zu überprüfen, ob die Ermittlung des Sachverhalts in einem fairen Verfahren unter Wahrung
des rechtlichen Gehörs erfolgt ist, ob zwingendes Gesetzesrecht beachtet und ob der bestehende
Beurteilungsspielraum eingehalten worden ist. Dies setzt voraus, dass die gefundene Abwägung durch die
Schiedsstelle Eingang in die Begründung des Schiedsspruchs gefunden hat. Die Anforderungen hieran dürfen im
Hinblick auf Stellung und Funktion der Schiedsstelle jedoch nicht überspannt werden. Die Schiedsstelle unterhält -
jedenfalls im Wesentlichen - keinen eigenen Verwaltungsunterbau und ist deshalb in besonderer Weise auf die
Mitwirkung der Beteiligten angewiesen. Es ist deshalb in der Regel nicht zu beanstanden, wenn sich die
Schiedsstellenbegründung auf die in diesem Rahmen vorgebrachten Angaben der Beteiligten oder von ihren
Mitgliedern selbst eingeführte Hinweise bezieht. Dies kann auch in knapper Form erfolgen, soweit dies für die
Beteiligten verständlich ist und sich nicht auf Tatsachen bezieht, die in der Schiedsstellenverhandlung selbst in
Zweifel gezogen worden sind.
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12. Hiervon ausgehend erweist sich der angefochtene Schiedsspruch als rechtswidrig, wie von den Vorinstanzen im
Ergebnis richtig entschieden. Allerdings ist er aus den dargelegten Gründen nicht bereits deshalb aufzuheben, weil die
Beklagte seine Geltung zu Unrecht auch auf den KVJS erstreckt hat (vgl oben unter 1.). Auch ist entgegen der
Auffassung des LSG nicht entscheidend, dass auf der 2. Prüfungsstufe - externer Vergütungsvergleich (vgl oben
unter 9.) - eine Differenzierung zwischen tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Einrichtungen grundsätzlich nicht
zulässig ist. Dies trifft zwar zu; auf die externe Vergleichbarkeit kommt es jedoch zunächst noch nicht an, weil die
beklagte Schiedsstelle die Erhöhung der Pflegesätze bereits auf der 1. Prüfungsstufe - Plausibilität der
Kostenprognose (vgl oben unter 8.) - als nicht hinreichend gerechtfertigt angesehen hat. Diese Einschätzung trägt den
Schiedsspruch indes nicht. Hat einer der Beteiligten der Pflegesatzverhandlungen substantiierte Zweifel an der
Kostenprognose des Pflegeheims nach § 85 Abs 3 Satz 2 SGB XI, muss der Einrichtung Gelegenheit gegeben
werden, ihre Prognose durch Nachweise nach § 85 Abs 3 Satz 3 und 4 SGB XI näher zu unterlegen (vgl oben unter
10.a). Das gilt auch für das Schiedsstellenverfahren. Die Beklagte hätte deshalb dem Vorbringen der Klägerin
nachgehen müssen, dass die vereinbarten Pflegesätze bereits in der Vergangenheit nicht kostendeckend gewesen
seien, weshalb etwa vertraglich zugesagtes Weihnachtsgeld nicht habe ausgezahlt werden können. So hätte
Gelegenheit gegeben werden müssen, die tatsächlichen Gestehungskosten in der Vergangenheit zu belegen, etwa
durch Vorlage von Jahresabschlüssen nach § 85 Abs 3 Satz 4 SGB XI. Erst auf Grundlage und nach Auswertung
solcher Unterlagen hätte entschieden werden dürfen, dass die geltend gemachte Pflegesatzforderung nicht
hinreichend nachvollziehbar ist. Das wird die Beklagte nachzuholen und auf dieser Basis zu entscheiden haben, ob
die geforderten - plausiblen - Pflegevergütungen und Entgelte nach Maßgabe der oa Ausführungen (vgl oben unter 9.)
ggf auf einer 2. Prüfungsstufe dem externen Vergleich mit den Vergütungen und Entgelten anderer Einrichtungen im
maßgeblichen Umkreis entsprechen. Ebenfalls weitere Prüfung und Substantiierung ist erforderlich im Hinblick auf den
Sachkostenansatz, den die Beklagte ohne ausreichende Begründung von 12,99 Euro auf 12,75 Euro gekürzt hat.
Zwar hängt der Begründungsaufwand eines Schiedsspruchs unter Berücksichtigung der spezifischen Besonderheiten
des Schiedsstellenverfahrens von den Einwänden ab, die die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung gegen die
tatsächlichen Annahmen der Schiedsstelle erheben. Deshalb kann etwa der Verweis auf Einkaufsmöglichkeiten in
einem bestimmten Ort ausreichen, wenn in der Schiedsstellenverhandlung dazu nichts Abweichendes vorgetragen
wird (vgl Senatsurteil vom 29.1.2009 - B 3 P 6/08 R -, Umdruck S 21). Nicht ausreichend ist jedoch der Hinweis auf
die allgemeine Spruchpraxis der Schiedsstelle, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist.
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13. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung, die
Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und § 47 Abs 1 Gerichtskostengesetz. Der Senat folgt der
Streitwertberechnung des LSG, hält aber die Festsetzung nur der Hälfte des Streitwerts für nicht angemessen.