Urteil des BSG vom 06.09.2007

BSG: öffentlich, apotheker, rückabwicklung, krankenkasse, report, fälschung, bruchteil, abrechnung, klagebegehren, abgrenzung

Bundessozialgericht
Beschluss vom 06.09.2007
Sozialgericht Koblenz S 12 KR 539/06
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 5 B 162/07 KR
Bundessozialgericht B 3 SF 1/07 R
Auf die weitere Beschwerde des Beklagten werden die Beschlüsse des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 31.
Mai 2007 und des Sozialgerichts Koblenz vom 27. März 2007 aufgehoben. Der Rechtsweg zu den Gerichten der
Sozialgerichtsbarkeit ist eröffnet. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen in beiden Instanzen die Beteiligten
jeweils zur Hälfte. Der Streitwert wird auf 16.400 Euro festgesetzt.
Gründe:
I
1
Streitig ist der Rechtsweg für die Klage einer Krankenkasse gegen einen Apotheker auf Rückzahlung der Vergütung
für Arzneimittel, die aufgrund gefälschter Rezepte abgegeben worden sein sollen.
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Die Klägerin hat dem Beklagten, der bis Ende Juli 2006 eine Apotheke in Koblenz betrieben hat, für im März 2004 und
Februar 2005 erfolgte Lieferungen des Arzneimittels Norditropin SimpleXx 15 mg N1 in elf Fällen insgesamt 81.969,50
Euro gezahlt. Dabei handelt es sich um ein Wachstumspräparat, das vornehmlich bei Kleinwüchsigkeit von Kindern
eingesetzt wird. In der Bodybuilder-Szene wird das Präparat indes zur Förderung des Muskelaufbaus benutzt, darf von
den Vertragsärzten für diesen Zweck aber nicht verschrieben werden. Die Klägerin behauptet, alle elf
"vertragsärztlichen Verordnungen" seien gefälscht gewesen, wie sich bei einer späteren Überprüfung der
Abrechnungen herausgestellt habe. Die Fälschungen seien für einen Apotheker aufgrund mehrerer Auffälligkeiten ohne
Weiteres erkennbar gewesen. Der Beklagte habe aber nicht nur fahrlässig, sondern nach dem Ergebnis der
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sogar vorsätzlich gehandelt; denn er habe mit dem ihm bekannten Fitnessstudio-
Betreiber und Bodybuilder C.W., der die gefälschten Rezepte vorgelegt und die Präparate zwecks Weiterverkaufs in
der Bodybuilder-Szene erhalten habe, zu ihrem Nachteil zusammengearbeitet.
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Mit der am 6.12.2006 beim Sozialgericht Koblenz (SG) erhobenen Klage macht die Klägerin gegen den Beklagten,
gesamtschuldnerisch haftend mit C.W., einen Anspruch auf Zahlung von 81.969,50 Euro geltend. Sie stützt ihr
Begehren auf Schadensersatz wegen Verstoßes gegen den Arzneiliefervertrag, auf Schadensersatz wegen
unerlaubter Handlung sowie auf ein "Rückforderungsverlangen wegen Zahlung ohne Rechtsgrund". Auf ihren Antrag,
vorab über den zulässigen Rechtsweg zu entscheiden, hat das SG gemäß § 17a Abs 2 Satz 1 GVG nach Anhörung
der Beteiligten, die beide den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für gegeben halten, diesen
Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das - bei Zulässigkeit des Zivilrechtsweges - sachlich und
örtlich zuständige Landgericht Koblenz (LG) verwiesen (Beschluss vom 27.3.2007). Das Landessozialgericht
Rheinland-Pfalz (LSG) hat die Beschwerde des Beklagten zurückgewiesen (Beschluss vom 31.5.2007). Es hat
ausgeführt, für den Rechtsstreit sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 13 GVG eröffnet.
Maßgeblich für die Abgrenzung zwischen zivil- und sozialgerichtlichen Streitigkeiten sei die Natur des
Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch schwerpunktmäßig hergeleitet werde. Bei dem von der Klägerin in
erster Linie geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen unerlaubter Handlung (§§ 823 ff BGB) handele es
sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit, für die der Rechtsweg zu den Sozialgerichten weder gemäß § 51 SGG
noch durch spezialgesetzliche Zuweisung eröffnet sei. Zwar schließe der auf Landesebene geschlossene öffentlich-
rechtliche Arzneiliefervertrag Vergütungsansprüche des Apothekers für die Abgabe von Arzneimitteln auf gefälschte
Verschreibungen aus, sofern der Apotheker die Fälschung gekannt habe oder bei Wahrung der im Verkehr
erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen. Das hieraus vertraglich allein resultierende (befristete)
Taxbeanstandungsrecht der Krankenkasse, das auf einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch beruhe, sei aber
nicht Gegenstand der vorliegenden Klage; ein sonstiger Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen den nicht
vertragsgemäß handelnden Apotheker sei vertraglich nicht geregelt. Der Schwerpunkt des Rechtsstreits liege daher
nicht bei der Anwendung des öffentlich-rechtlichen Arzneiliefervertrages.
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Mit der vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zugelassenen weiteren Beschwerde (§ 17a Abs 4
Satz 4 und 5 GVG) macht der Beklagte geltend, die Klägerin stütze ihr Klagebegehren im Schwerpunkt auf die - von
ihm bestrittene - Verletzung von Pflichten aus dem öffentlich-rechtlichen Arzneiliefervertrag und leite daraus
Ansprüche auf vertraglichen Schadensersatz sowie einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch her. Damit
handele es sich um eine den Sozialgerichten zugewiesene öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Daran ändere sich auch
nichts durch die daneben geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung nach § 823
BGB, weil diese ebenfalls auf den angeblichen Pflichtverletzungen im Rahmen des öffentlich-rechtlichen
Leistungserbringerverhältnisses beruhten. Der vorgetragene Sachverhalt sei deshalb für die aus ihm hergeleitete
Rechtsfolge von Rechtssätzen des Sozialrechts geprägt.
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Der Beklagte beantragt, die Beschlüsse des LSG Rheinland-Pfalz vom 31.5.2007 und des SG Koblenz vom 27.3.2007
aufzuheben und festzustellen, dass der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet ist.
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Die Klägerin hat sich weder zu der Beschwerde des Beklagten noch zu dessen weiterer Beschwerde geäußert und
auch keinen Antrag gestellt.
II
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Die weitere Beschwerde, über die der Senat ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter entscheiden konnte (§§ 12 Abs 1
Satz 2, 153 Abs 1, 165 SGG), ist nach den §§ 177 und 202 SGG iVm § 17a Abs 4 Satz 4 GVG statthaft, weil das
LSG den Rechtsbehelf zugelassen hat und die Entscheidung für das Bundessozialgericht (BSG) bindend ist (§ 202
SGG iVm § 17a Abs 4 Satz 6 GVG). Sie ist auch fristgerecht erhoben worden, weil sie in entsprechender Anwendung
des § 173 SGG sowohl beim LSG als auch beim BSG eingelegt werden konnte (BSG, SozR 3-1500 § 51 Nr 24;
Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 51 RdNr 61) und beim LSG innerhalb der Monatsfrist
eingegangen ist.
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In der Sache erweist sich die weitere Beschwerde auch als begründet. Zu Unrecht haben die Vorinstanzen den
ordentlichen Rechtsweg (§ 13 GVG) für eröffnet gehalten. Der Rechtsstreit ist öffentlich-rechtlicher Natur und gehört
zum Zuständigkeitsbereich der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit (§ 51 SGG). Die Klägerin hat die Klage daher zu
Recht vor dem SG Koblenz erhoben.
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1. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Natur ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine
ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der
Klageanspruch hergeleitet wird (GmSOGB, BSGE 37, 292 = SozR 1500 § 51 Nr 2 = NJW 1974, 2087; GmSOGB,
BGHZ 97, 312 = SozR 1500 § 51 Nr 39 und BGHZ 102, 280, 283 = SozR 1500 § 51 Nr 47; BSGE 72, 148, 151 =
SozR 3-2500 § 15 Nr 1; BSG, SozR 3-1500 § 51 Nr 24; BSG, SozR 3-8570 § 17 Nr 1; BGHZ 89, 250, 251). Dieser
Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG als auch von § 51 SGG. Diese Abgrenzung ist von der
Sache her zu treffen. Ausgangspunkt für die Prüfung muss deshalb die Frage sein, welcher Art das Klagebegehren
nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt ist (BSG aaO; BGH aaO). Die bürgerlich-rechtliche Natur eines
Klageanspruchs kann sich demgemäß nicht schon daraus ergeben, dass das prozessuale Begehren, wie zum Teil
hier, auf die zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen der unerlaubten Handlung gestützt wird. Auch wenn ein Anspruch
mit bürgerlich-rechtlichen Gesichtspunkten begründet wird, kann es sich in Wahrheit um einen Anspruch aus
öffentlich-rechtlichen Beziehungen handeln, für den der Zivilrechtsweg verschlossen ist. Deshalb ist entscheidend
darauf abzustellen, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge
von Rechtssätzen des Zivil- oder des Sozialrechts geprägt wird (vgl BSG, SozR 3-1500 § 51 Nr 24; BGHZ 89, 250,
252; BGHZ 103, 255, 256). Die in dieser Weise vorzunehmende Abgrenzung weist das Streitverhältnis in diejenige
Verfahrensordnung, die ihm nach der gesetzgeberischen Wertung in der Sache am besten entspricht, und bewirkt
zugleich, dass regelmäßig diejenigen Gerichte anzurufen sind, die durch ihre Sachkunde und Sachnähe zur
Entscheidung über den in Frage stehenden Anspruch besonders geeignet sind (BGHZ 89, 250, 252).
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2. Gemessen hieran ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet (§ 51 SGG). Die Klägerin
erhebt gegen den Beklagten den Vorwurf der unberechtigten Abrechnung des Arzneimittels Norditropin SimpleXx
15mg N1 in elf Fällen aufgrund "vertragsärztlicher Verordnungen", deren Fälschung er gekannt habe, zumindest aber
bei pflichtgemäßer Überprüfung hätte erkennen können und müssen, sodass ein Vergütungsanspruch unter
Berücksichtigung der Regelungen des zwischen dem Apothekerverband Rheinland-Pfalz e.V. und den
Landesverbänden der Krankenkassen Rheinland-Pfalz geschlossenen Arzneiliefervertrages vom 26.2.1996
(Landesvertrag) nicht entstanden sei. Nach § 3 Abs 1 Satz 5 und § 11 Abs 1 Satz 3 Landesvertrag besteht kein
Anspruch auf Bezahlung von Arzneimitteln bei gefälschten Verordnungen, sofern der Apotheker die Fälschung erkannt
hat oder bei Wahrung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen müssen. Gleiches gilt bei Verordnungen
mit missbräuchlich benutzten Verordnungsblättern. Die Klägerin fordert die in Höhe von 81.969,50 Euro gewährte
Vergütung zurück und begehrt damit die Rückabwicklung der streitigen Zahlungsvorgänge. Unabhängig von den
Rechtsnormen, auf die eine Klage auf Rückzahlung erbrachter Vergütungsleistungen gestützt wird, gehört ein
Rechtsstreit schon dann dem öffentlichen Recht an, wenn über die Rückabwicklung von Leistungen aus
Rechtsverhältnissen gestritten wird, die dem öffentlichen Recht unterstellt sind. Auf Rückabwicklung gerichtete
Ansprüche kehren die vermeintlichen Leistungsansprüche gleichsam um; dementsprechend teilen sie die
Rechtsqualität des Anspruchs, den sie umkehren (BSGE 54, 286, 288 = SozR 3870 § 8 Nr 1; BSG, SozR 1200 § 31
Nr 1; BSGE 85, 92, 94 = SozR 3-1300 § 48 Nr 68; BVerwGE 84, 274, 276; BGHZ 71, 180, 182). Die streitigen
Zahlungen sind hier im Rahmen öffentlich-rechtlicher Vertragsbeziehungen erfolgt, die dem Sozialrecht zuzuordnen
sind. Deshalb ist das Begehren auf Rückabwicklung der Leistungsverhältnisse den Sozialgerichten zugewiesen.
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a) Die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten,
Apotheken und sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden sind seit der Neufassung des § 69 Satz 1 SGB V
zum 1.1.2000 durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Gesundheitsreformgesetz
2000) vom 22.12.1999 (BGBl I 2626) ausschließlich dem öffentlichen Recht zugeordnet (vgl BSGE 89, 24 = SozR 3-
2500 § 69 Nr 1). Die Vorschriften des BGB gelten nach § 69 Satz 3 SGB V (ab 1.4.2007 inhaltsgleich § 69 Satz 4
SGB V, vgl GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG - vom 26.3.2007, BGBl I 378) nur "entsprechend", soweit
sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach dem 4. Kapitel
des SGB V (§§ 69 bis 140h) vereinbar sind. Demgemäß gilt die gesetzliche Einstufung der Rechtsbeziehungen als
ausschließlich öffentlich-rechtlich nicht nur für den Landesvertrag nach § 129 Abs 5 SGB V vom 26.2.1996, sondern
auch für die - von den Beteiligten bisher nicht erwähnten - Kaufverträge, die bei der Belieferung der Versicherten mit
den vertragsärztlich verordneten Arzneimitteln zwischen dem Apotheker und der Krankenkasse jeweils abgeschlossen
werden (vgl BSGE 94, 213, 215 = SozR 4-5570 § 30 Nr 1 RdNr 9 ff; BSG, SozR 4-2500 § 129 Nr 1 RdNr 12, Nr 2
RdNr 20 und Nr 3 RdNr 10) und den Rechtsgrund (§ 433 Abs 2 BGB analog) für die von der Krankenkasse im Rahmen
der monatlichen Abrechnung zu zahlende Vergütung für die im Vormonat abgegebenen Arzneimittel (§§ 19, 21
Landesvertrag) darstellen. Die im Vorfeld und bei dem Abschluss dieser öffentlich-rechtlichen Kaufverträge
einzuhaltenden Prüfungs- und Sorgfaltspflichten sind im Landesvertrag konkretisiert. Ein Rechtsstreit um die
Rückabwicklung solcher Kaufpreiszahlungen ist daher ebenfalls öffentlich-rechtlicher Natur.
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b) Nicht entscheidend ist demgegenüber, auf welche Anspruchsgrundlagen die Klägerin ihr Rückzahlungsverlangen
stützt und welche dieser Anspruchsgrundlagen am ehesten geeignet erscheint, der Klage zum Erfolg zu verhelfen. Die
Auffassung des LSG, im vorliegenden Fall seien weder ein Schadensersatzanspruch aus einem öffentlich-rechtlichen
Vertrag noch ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch ersichtlich, weil nach den Regelungen des
Landesvertrages bei sachlicher Unrichtigkeit einer Abrechnung nur ein - hier nicht geltend gemachtes - besonderes
Taxbeanstandungsrecht der Krankenkassen vorgesehen sei (§ 23 Abs 2 Landesvertrag), sodass allein zivilrechtlich
zu beurteilende deliktische Schadensersatzansprüche (§§ 823 ff BGB) in Betracht kämen, kann daher nicht den
Zivilrechtsweg begründen. Die Auffassung lässt außer Acht, dass sämtliche vorgetragenen Anspruchsgrundlagen
allein dem Ziel dienen, die gezahlten Vergütungen zurückzuerlangen, es also der Sache nach um die Rückabwicklung
öffentlich-rechtlicher Zahlungsvorgänge geht. Das Gericht hat dabei das Klagebegehren unter allen nach dem
vorgetragenen Sachverhalt in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Ob das
Rückzahlungsverlangen letztlich nach den Vorschriften über die Verletzung öffentlich-rechtlicher Verträge, nach
Deliktsrecht oder aufgrund eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs berechtigt ist, ist eine Frage der
Begründetheit der Klage, kann aber für die Einordnung des Rückzahlungsbegehrens als zivilrechtliche oder öffentlich-
rechtliche Streitigkeit nicht maßgebend sein (vgl insoweit auch BGH, Agrarrecht 1995, 27 zur vergleichbaren Situation
bei besonderen landwirtschaftsrechtlichen Zuständigkeiten).
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3. Die Kostenentscheidung (zu deren Notwendigkeit vgl BSG SozR 3-1500 § 51 Nr 15 und 27; BVerwGE 103, 26, 32;
BGH, NJW 1993, 2541) beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 155 Abs 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO) in entsprechender Anwendung. Nach dieser Vorschrift sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder
verhältnismäßig zu teilen, wenn ein Beteiligter teils obsiegt und teils unterliegt. Der Beklagte hat die Beschwerde
gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das LG Koblenz durch den Beschluss des SG vom 27.3.2007 und die
weitere Beschwerde gegen den diese Entscheidung bestätigenden Beschluss des LSG vom 31.5.2007 allein eingelegt
und ist mit dem Rechtsbehelf erfolgreich gewesen. Die Klägerin hat demgegenüber zu Recht die Klage beim SG
Koblenz erhoben und auch keine Anträge auf Zurückweisung der Beschwerde und der weiteren Beschwerde gestellt.
Beide Beteiligten waren damit - jeder auf seine Weise - in der Rechtswegfrage "erfolgreich". Ein "Unterliegen" eines
Beteiligten ist nicht ersichtlich. Für eine solche Situation findet sich im Kostenrecht keine Regelung. Ein
beiderseitiges "Obsiegen" ist jedoch am ehesten mit einer Entscheidung vergleichbar, in der die Beteiligten je zur
Hälfte mit ihren gegensätzlichen Anträgen erfolgreich bzw erfolglos gewesen sind, sie also "in gleichem Umfang"
Erfolg hatten. Deshalb erschien es angemessen, in Analogie zu § 155 Abs 1 Satz 1 VwGO den Beteiligten die Kosten
des Beschwerdeverfahrens in beiden Instanzen jeweils zur Hälfte aufzuerlegen. Von der Möglichkeit, die Kosten
gegeneinander aufzuheben, hat der Senat keinen Gebrauch gemacht, weil dies den Beklagten als alleinigen
Beschwerdeführer mit Blick auf die dann von ihm allein zu tragenden außergerichtlichen Kosten seines
Prozessbevollmächtigten unangemessen benachteiligt hätte.
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4. Den Streitwert für das Beschwerdeverfahren hat das LSG auf 16.400 Euro (1/5 des Hauptsachewertes) festgesetzt.
Diese Festsetzung ist für das vorliegende weitere Beschwerdeverfahren zu übernehmen. In der Rechtsprechung
werden zum Beschwerdewert bei Rechtswegverweisungen unterschiedliche Positionen vertreten: voller
Hauptsachewert (OLG Köln, OLG-Report 1993, 140, 141; LAG Köln, MDR 1993, 915); Bruchteil des vollen
Hauptsachewertes in der Größenordnung von 1/2 (OLG Köln, OLG-Report 1997, 228; OVG Münster, NVwZ-RR 2004,
776), von 1/3 (OLG Köln, VersR 1994, 498, 499; OLG Frankfurt a.M., OLG-Report 1994, 119; BayObLG, WoM 1999,
232) bzw 1/5 (OLG Naumburg, OLG-Report 1997, 356; OLG Rostock, OLG-Report 2005, 720); Orientierung am
Kosteninteresse (OLG Karlsruhe, MDR 1994, 415; OLG Braunschweig, DAR 1993, 390, 391; zusammenfassende
Darstellung des Meinungsstandes bei Schneider/Herget, Streitwertkomm, 12. Aufl 2007, RdNr 4673 - 4677). Der BGH
hat diese Frage dahin entschieden, dass ein Bruchteil des Hauptsachewertes maßgeblich ist, wobei Schwankungen in
einer Größenordnung von etwa 1/3 bis 1/5 denkbar sind (BGH, NJW 1997, 1636, 1637 und NJW 1998, 909). Der Senat
schließt sich dem mit der Maßgabe an, dass in der Regel von 1/5 des Hauptsachewerts auszugehen ist. Hierfür ist
insbesondere die Erwägung maßgebend, dass nach der Neugestaltung des Verweisungsverfahrens zum 1.1.1991
durch das 4. VwGO-Änderungsgesetz vom 17.12.1990 (BGBl I 2809) die Unzulässigkeit des beschrittenen
Rechtswegs nicht mehr zur Klageabweisung durch Prozessurteil führen kann. Vielmehr hat die Verweisung nach §
17a Abs 2 Satz 1 GVG von Amts wegen stattzufinden; ein Antrag des Klägers ist nicht mehr erforderlich (BAGE 83,
40 = AP Nr 1 zu § 2 ArbGG 1979). Deshalb ist es sachlich nicht gerechtfertigt, das Interesse des
Rechtsbehelfsführers im Beschwerdeverfahren, den Rechtsstreit in dem seiner Meinung nach eröffneten
Gerichtszweig zu entscheiden, mit dem Interesse an einer Hauptsacheentscheidung gleich zu bewerten. Das
Rechtsweginteresse ist vielmehr deutlich niedriger anzusetzen, wobei aus Gründen der Praktikabilität die Orientierung
an einem Bruchteil des Hauptsachewertes zu erfolgen hat (ebenso BGH, NJW 1997, 1636, 1637; OLG Köln, VersR
1994, 498, 500). Dabei reicht in der Regel und auch im vorliegenden Verfahren ein Streitwert am unteren Ende der
Spanne von 1/3 bis 1/5 des Hauptsachewertes aus.