Urteil des BSG vom 04.07.2009

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Bundessozialgericht
Urteil vom 04.07.2009
Sozialgericht Hannover S 44 KR 679/02
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 1 KR 191/06
Bundessozialgericht B 12 KR 3/08 R
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Januar 2008,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 23. März 2006 und der Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2001 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2002 aufgehoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen
Kosten des Klägers und der Beigeladenen in allen Rechtszügen.
Gründe:
I
1
Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der rückwirkenden Beendigung der Familienversicherung seiner
beigeladenen Ehefrau.
2
Die im Jahre 1971 geborene Beigeladene war bei der Beklagten auf Grund der Mitgliedschaft des Klägers seit dem
1.12.1994 familienversichert. Anlässlich beitragsrechtlicher Überprüfungen der Beklagten im Jahr 2001 legte der
Kläger einen notariellen Gesellschaftsvertrag vom 25.9.1996 über die Gründung der "Spielwaren GmbH B. " vor.
Alleinige Gesellschafterin der GmbH, die über ein Stammkapital von 50.000 DM verfügte, und eine von insgesamt 4
allein vertretungsberechtigten Geschäftsführer(inne)n war hiernach bei Gründung der Gesellschaft die Beigeladene.
Weitere Gesellschafter waren der Kläger und zwei seiner Brüder. Am 7.8.2001 nahm die Beigeladene – ihren eigenen
Status nicht betreffende - Änderungen des Gesellschaftsvertrages und der Geschäftsführerbestellung vor. Ua wurde
die Firma geändert; sie lautete nun "C Spielwaren GmbH". In der Gesellschafterversammlung vom 7.8.2001 wurde ua
folgende Erklärung der Beigeladenen protokolliert: "Ich bin alleinige Gesellschafterin der im Handelsregister des
Amtsgerichts W. unter HRB eingetragenen C Spielwaren GmbH. Das Stammkapital beträgt 50.000 DM. Das
Stammkapital halte ich in voller Höhe allein. Unter Verzicht auf alle Formen und Fristen der Einberufung und
Ankündigung halte ich hiermit eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der C Spielwaren GmbH ab und
beschließe einstimmig wie folgt: 1. Der Geschäftsführer C. H. wird abberufen. Zum Geschäftsführer wird bestellt Herr
F. H. , geb. 1964, wohnhaft D."
3
Am 8.1.2002 trat die Beigeladene ihre Geschäftsanteile ab und wurde von dem neuen Alleingesellschafter als
Geschäftsführerin abberufen.
4
Die Beklagte erließ nach Anhörung des Klägers den Bescheid vom 4.12.2001 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 13.8.2002 und stellte fest, dass die Familienversicherung der Beigeladenen
rückwirkend zum 24.9.1996 beendet sei. Die seit dem 25.9.1996 gewährten Leistungen werde man zurückfordern.
5
Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts Hannover vom 23.3.2006 und des
Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (LSG) vom 24.1.2008). Das LSG hat zur Begründung seiner
Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 10 Abs 1 SGB V lägen nicht vor, denn der
Ausschlusstatbestand des § 10 Abs 1 Nr 4 SGB V greife ein; die Beigeladene sei aufgrund ihrer formalen Stellung als
geschäftsführende Gesellschafterin einer GmbH hauptberuflich selbstständig tätig gewesen. Hauptberuflich sei eine
selbstständige Tätigkeit dann, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die
übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteige und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstelle. Die
Erwerbstätigkeit sei dabei auf die Erzielung von Gewinn gerichtet. Dass sie tatsächlich zu Verlusten führe, sei
unerheblich. Die Beigeladene sei erwerbstätig gewesen, da ihre Tätigkeit auf Gewinnerzielung gerichtet gewesen sei.
Ausweislich § 21 des Gesellschaftervertrages sei auszuschüttender Reingewinn unter die Gesellschafter nach ihrem
Verhältnis der Geschäftsanteile zu verteilen, sofern die Gesellschafter nicht eine andere Verteilung beschlössen.
Hätte die GmbH also Gewinn gemacht, hätte die Beigeladene nach dem Gesellschaftsvertrag an der
Gewinnausschüttung teilgenommen. Die Gesetzliche Krankenversicherung sei jedoch kein Auffangnetz, wenn die
GmbH keinen Gewinn erwirtschafte. Die Beigeladene sei selbstständig tätig und nicht abhängig beschäftigt gewesen.
Dies ergebe sich aus § 7 Abs 1 SGB IV. Gesellschafter - Geschäftsführer einer GmbH mit einem Kapitalanteil von
mindestens 50 % oder einer Sperrminorität entsprechend dem Gesellschaftsvertrag seien nicht beschäftigt, weil sie
einen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft hätten. Die Beigeladene sei alleinige
Gesellschafterin und Geschäftsführerin gewesen. Es sei unerheblich, dass sie - bei Unterstellung ihres Vortrages als
wahr - nie selbst tatsächlich im Betrieb tätig gewesen sei. Nach dem Gesellschaftsvertrag habe sie formal die
Stellung einer Gesellschafter-Geschäftsführerin innegehabt mit einem Kapitalanteil von 100 %. Aus den
Formulierungen des Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 7.8.2001 ergebe sich, dass die Beigeladene
unternehmerisch tätig gewesen sei und auch beherrschend in die Geschicke der Gesellschaft eingegriffen habe.
Inwieweit sie weiterhin in der GmbH tätig gewesen sei, sei nicht von Bedeutung. Auf das Merkmal der
Hauptberuflichkeit komme es nur zur Abgrenzung bei einem vorhandenen Nebenberuf an. Dass die Beigeladene eine
Nebenbeschäftigung gehabt habe, sei jedoch nicht ersichtlich. Eine andere Beurteilung ergebe sich nicht aus § 10
Abs 1 Nr 5 SGB V. Es komme nicht darauf an, ob keine oder nur geringe Einnahmen erzielt würden, weil der
Tatbestand des § 10 Abs 1 Nr 4 SGB V sonst neben Nr 5 unverständlich wäre. Die Beklagte habe, soweit materiell-
rechtlich keine Familienversicherung bestanden habe, dies auch rückwirkend feststellen dürfen. Dem stünden
Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes oder der Besonderheiten der Statusentscheidungen im
Versicherungsverhältnis nicht entgegen.
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Mit seiner am 26.2.2008 eingelegten Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 4 und 5 SGB
V. Die in § 10 Abs 1 SGB V aufgeführten Voraussetzungen müssten kumulativ erfüllt sein. Zwischen den Ziffern 4)
und 5) sei ein "und" und kein "oder" gesetzt. Dass Erklärungen gegenüber dem Registergericht abgegeben worden
seien und Gesellschafterbeschlüsse gefasst worden seien, könne zwar als Anhaltspunkt dafür gesehen werden, dass
die betreffende Person auch in unternehmerischer Hinsicht tätig sei. Allein die rechtlichen Verhältnisse reichten aber
nicht aus, um anzunehmen, dass eine unternehmerische Tätigkeit vorliege. Es seien auch die tatsächlichen
Verhältnisse zu berücksichtigen. Es komme darauf an, ob und inwieweit eine unternehmerische Tätigkeit tatsächlich
ausgeübt werde. Die Beigeladene sei tatsächlich nie selbst im Betrieb tätig gewesen, sondern habe lediglich formal
als Gesellschafterin und Geschäftsführerin fungiert. Alle den Betrieb betreffenden Entscheidungen (Wareneinkauf,
Preisgestaltung, betriebliche Abläufe wie Öffnungszeiten etc, Vertragsabschlüsse) seien im Familienkreis getroffen
worden. Die Tätigkeiten wie Verkauf, Unterhaltung der Ladenräume hätten dem Kläger und seinen Brüdern oblegen.
Die Beigeladene habe mit den betrieblichen Abläufen nichts zu tun gehabt. Sie habe lediglich formal gegenüber dem
Registergericht Änderungen angezeigt und entsprechend die im Familienkreis abgesprochenen Beschlüsse gefasst,
da sie dieses formal habe tun müssen und auch nur sie es habe tun können. Auch dass sie keinerlei Einkünfte erzielt
habe, belege, dass sie nicht unternehmerisch tätig gewesen sei. Das Bundessozialgericht (BSG) habe zudem
entschieden, dass es bei der Beurteilung, ob eine unternehmerische Tätigkeit vorliege, auf die tatsächlichen und nicht
nur die rechtlichen Verhältnisse ankomme (Hinweis auf das Urteil des BSG vom 17.10.2007 - B 11a AL 25/06 R).
7
Der Kläger hat beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24.1.2008 und das Urteil
des Sozialgerichts Hannover vom 23.3.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4.12.2001 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 13.8.2002 aufzuheben.
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Die Beklagte hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.
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Nach der Entscheidung des LSG sei die Beigeladene aufgrund der ihr eingeräumten Rechtsmacht unternehmerisch
tätig gewesen. Das Merkmal "Hauptberuflichkeit" spiele nur bei der Abgrenzung zu einem Nebenberuf eine Rolle.
Deshalb komme es auf den Umfang der ausgeübten Tätigkeit nicht an. Da die Beigeladene keine andere Tätigkeit
ausgeübt habe, sei sie hauptberuflich tätig gewesen. Soweit der Kläger ausführe, dass die Beigeladene nur "formal"
als Geschäftsführerin eingesetzt gewesen sei, sei festzustellen, dass diese Argumentation nicht darauf abziele, ein
Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB zu belegen. Vielmehr sei es dem Kläger gerade auf die Wirksamkeit der
Rechtsstellung der Beigeladenen angekommen.
II
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Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil des LSG verstößt gegen Bundesrecht. Der
angefochtene Bescheid der Beklagten, mit dem diese das Nichtbestehen einer Familienversicherung rückwirkend
gegenüber dem Kläger als sog Stammversicherten festgestellt hat (vgl dazu BSG, Urteile vom 30.8.1994, 12 RK
41/92, SozR 3-2500 § 10 Nr 6, vom 7.12.2000, B 10 KR 3/99 R, SozR 3-2500 § 10 Nr 19 und vom 29.7.2003, B 12 KR
16/02 R, BSGE 91, 190 = SozR 4-2500 § 10 Nr 3) ist rechtswidrig. Aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG
ergibt sich hinreichend, dass bei der Beigeladenen die Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Satz 1 SGB V für das
Bestehen der Familienversicherung über den 24.9.1996 hinaus vorliegen. Insbesondere war die Beigeladene nicht
bereits deshalb hauptberuflich selbstständig erwerbstätig iS der Nr 4 dieser Vorschrift, soweit sie allein in Ausübung
der gesellschaftsrechtlichen Funktion sowohl als Alleingesellschafterin als auch als Geschäftsführerin einer GmbH
tätig war, und deshalb nicht wegen dieser Tätigkeit von der Familienversicherung ausgeschlossen.
11
Das LSG hat bereits nicht festgestellt, dass die Beigeladene über ihre gesellschaftsrechtlichen Funktionen sowohl als
Gesellschafterin als auch als Geschäftsführerin hinaus überhaupt in einer gesonderten Beziehung zur GmbH
gestanden und neben der Wahrnehmung ihrer sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Aufgaben weitere
Tätigkeiten für die GmbH ausgeübt hat oder ihre Tätigkeiten für die GmbH eine weitere rechtliche Grundlage neben
dem Gesellschaftsrecht gehabt haben. Organwalter juristischer Personen - wie die Beigeladene auch in ihrer Stellung
als Geschäftsführerin - können zu diesen neben der gesellschaftsrechtlichen Verbindung in einer weiteren Beziehung
stehen (vgl exemplarisch zum Vorstand eines Vereins BSG, Urteil vom 19.6.2001, B 12 KR 44/00 R, SozR 3-2400 § 7
Nr 18). Tätigkeiten für die juristische Person können jeweils allein dem körperschaftlichen bzw
gesellschaftsrechtlichen Bereich zuzuordnen sein oder - wenn sie hinsichtlich ihres Umfangs oder ihrer Art nach über
das hinausgehen, was Satzung, Vertrag, Beschlüsse der Organe und allgemeine Übung an Arbeitsverpflichtungen
festlegen (vgl auch insofern zum Verein BSG, Urteil vom 29.1.1986, 9b RU 68/84, BSGE 59, 284 = SozR 2200 § 539
Nr 114) - auch auf der Grundlage daneben zusätzlich bestehender Rechtsbeziehungen erbracht werden (vgl zum
Unfallschutz von Vereinsmitgliedern BSG, Urteil vom 9.12.1993, 2 RU 54/92, HVBG-INFO 1994, 413 mwN, und von
Mitgliedern des Vereinsvorstandes Urteil vom 12.5.1981, 2 RU 40/79, BSGE 52, 11 ff = SozR 2200 § 539 Nr 81).
Insbesondere macht die Vereinbarung einer Vergütung einen zusätzlichen Vertragsschluss erforderlich (vgl
Ellenberger in Palandt, BGB, 68. Aufl 2009, § 27 RdNr 1). Im Rahmen der Satzungsautonomie bzw der
Vertragsfreiheit ist es den Beteiligten grundsätzlich unbenommen, sich - ohne, dass hierin ein Verstoß gegen § 32
SGB I läge - für eine Ausgestaltung in der einen oder anderen Weise zu entscheiden (BSG, Urteil vom 27.1.1994, 2
RU 17/93, SozR 3-2200 § 539 Nr 27). Nur und erst, wenn die Prüfung dieses Umstandes überhaupt die Begründung
zusätzlicher Rechtsbeziehungen ergibt, kommt bei persönlicher Abhängigkeit die Annahme einer abhängigen
Beschäftigung (zum Verein: BSG, Urteile vom 15.12.1983, 12 RK 57/82, SozR 2200 § 165 Nr 73, und vom 19.6.2001,
B 12 KR 44/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 18; zum Fremd-Geschäftsführer einer GmbH: BSG, Urteil vom 18.12.2001, B
12 KR 10/01 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 20; zum Gesellschafter einer GmbH BSG, Urteil vom 5.2.1998, B 11 AL 71/97 R,
SozR 3-4100 § 168 Nr 22), ansonsten eine selbstständige Tätigkeit - insbesondere im Rahmen eines freien
Dienstverhältnisses (vgl Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.5.1999, 5 AZR 664/98, AP Nr 10 zu § 35 GmbHG) - in
Betracht.
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Unabhängig vom Fehlen nicht dem Gesellschaftsrecht zuzuordnender gesonderter Rechtsbeziehungen zur GmbH
käme im Falle der Beigeladenen eine abhängige Beschäftigung von vorne herein schon wegen ihrer Stellung als
Alleingesellschafterin und - unabhängig von deren Betätigung - der damit verbundenen Rechtsmacht nicht in Betracht
(vgl BSG, Urteile vom 18.4.1991, 7 RAr 32/90, SozR 3-4100 § 168 Nr 5, vom 8.12.1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 §
168 Nr 18, vom 30.6.1999, B 2 U 35/98 R, SozR 3-2200 § 723 Nr 4 mwN, vom 17.5.2001, B 12 KR 34/00 R, SozR 3-
2400 § 7 Nr 17, vom 24.11.2005 - B 12 RA 1/04 R, BSGE 95, 275 = SozR 4-2600 § 2 Nr 7, und vom 9.11.1989, 11
RAr 39/89, BSGE 66, 69 = SozR 4100 § 104 Nr 19). Ebenso fehlen Anhaltspunkte für eine eigene selbstständige
Erwerbstätigkeit der Beigeladenen. Insbesondere ergeben sich aus den Feststellungen des LSG keine Hinweise auf
das Vorliegen einer hierfür stets notwendigen Gewinnerzielungsabsicht.
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Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts lässt sich eine derartige Gewinnerzielungsabsicht nicht
daraus entnehmen, dass ein ggf auszuschüttender Reingewinn der Gesellschaft nach dem Gesellschaftsvertrag auf
der Grundlage von deren Geschäftsanteilen auf die Gesellschafter zu verteilen gewesen wäre. Die sozialrechtlich
relevanten Einnahmen aus einer selbstständigen Tätigkeit ("Arbeitseinkommen"), auf deren Erzielung eine derartige
Tätigkeit gerichtet sein muss, sind nach § 15 Abs 1 Satz 1 SGB IV identisch mit dem nach den allgemeinen
Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn. Nach § 2 Abs 2 Nr 1 des
Einkommensteuergesetz (EStG) sind Gewinn in diesem Sinne jeweils die steuerrechtlich maßgeblichen Einkünfte
nicht nur aus selbstständiger Arbeit (§ 2 Abs 1 Nr 3, § 18 EStG), sondern auch aus Land- und Forstwirtschaft (§ 2
Abs 1 Nr 1, §§ 13 ff EStG) und aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs 1 Nr 2, §§ 15 ff EStG). Der Begriff der "selbstständigen
Tätigkeit" in § 15 SGB IV umfasst deshalb alle durch diesen Begriff des Gewinns in Bezug genommenen und auf die
Erzielung von Einnahmen gerichteten Handlungen. Andererseits ist der Anwendungsbereich von § 15 Abs 1 Satz 1
SGB IV allein auf die hiernach relevanten Einkünfte gerade aus derartigen typischerweise mit persönlichem Einsatz
verbundenen Tätigkeiten beschränkt und umfasst nicht etwa "jegliches" Einkommen aus selbstständiger (nicht
abhängiger) Tätigkeit (vgl insgesamt bereits BSG, Urteil vom 27.4.1982, 1 RJ 72/81, BSGE 53, 242 = SozR 2200 §
1248 Nr 36). Alle aus anderen Quellen stammenden Einkommen, wie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (vgl
§ 2 Abs 1 Nr 6 EStG) und Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 2 Abs 1 Nr 5 EStG), werden damit
sozialversicherungsrechtlich grundsätzlich nicht erfasst (vgl insgesamt BSG, Urteil vom 30.3.2006, B 10 KR 2/04 R,
SozR 4-5420 § 2 Nr 1 RdNr 27 mwN) und nicht durch eine selbstständige Tätigkeit erzielt. Allerdings hat das BSG
insoweit unter Hinweis auf § 20 Abs 3, § 21 Abs 3 EStG entschieden, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20
EStG), aus Vermietung und Verpachtung (§§ 21, 21a (aF) EStG) und sonstige Einkünfte iS des § 22 EStG (§ 2 Abs 1
Nr 7 EStG) dann sozialversicherungsrechtliches Arbeitseinkommen sein können, wenn sie - anders als hier -
ihrerseits den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb oder aus selbstständiger Arbeit
zuzuordnen sind (vgl BSG, Urteile vom 17.7.1985, 1 RA 41/84, BSGE 58, 277, 280 = SozR 2100 § 15 Nr 8 und
30.9.1997, 4 RA 122/95, SozR 3-2400 § 15 Nr 4).
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Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 5 EStG gehören nach § 20 Abs 1 Nr 1
EStG grundsätzlich auch Gewinnanteile aus Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Der mit dem
Halten solcher Anteile erzielte Gewinn kann mithin nicht als typischerweise mit persönlichem Einsatz verbundene
Einkunftsart, das auf seine Erzielung gerichtete Handeln nicht als Ausdruck einer rechtlich relevanten Absicht,
Gewinne iS von § 2 Abs 2 Nr 1 EStG zu erzielen, gesehen werden. Dies gilt jedenfalls, solange der Gesellschafter -
wie vorliegend die Beigeladene als (alleinige) Anteilseignerin - nur die mit seiner Gesellschafterstellung verbundenen
notwendigen Aufgaben wahrnimmt. Nach den gesetzlichen Vorgaben unterliegen der Bestimmung der Gesellschafter
nach § 46 Nr 1 und 5 des Gesetzes betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung insbesondere die
Feststellung des Jahresabschlusses, die Verwendung des Ergebnisses und die Bestellung und Abberufung von
Geschäftsführern. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich nicht, dass die Beigeladene - auch wenn
sie die Anmeldungen zum Handelsregister einem anderen Geschäftsführer hätte überlassen können - mit ihren
Handlungen diesen gesetzlich gezogenen Rahmen verlassen hätte.
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Etwas anderes lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die Beigeladene nicht nur Gesellschafterin, sondern -
neben weiteren Geschäftsführern - alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der GmbH gewesen ist. Insofern
fehlt es schon an gesonderten vertraglichen Abreden, insbesondere einer Vergütungsvereinbarung. Ob etwas anderes
gelten könnte, wenn ein Geschäftsführer - anders als die Beigeladene - auch tatsächlich nach außen als solcher tätig
geworden ist, insbesondere, ob dann in einer "Gewinnausschüttung" an den Gesellschafter-Geschäftsführer entgegen
der grundsätzlichen steuerrechtlichen Wertung (§ 20 Abs 1 Nr 1 Satz 2 EStG) ggf eine verdeckte Vergütung für die
Geschäftsführertätigkeit enthalten sein könnte, kann vorliegend offenbleiben.
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§ 10 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB V erfordert keinen besonderen Begriff der selbstständigen Erwerbstätigkeit, der über den
in § 15 SGB IV zu Grunde gelegten hinausgeht. Selbstständig erwerbstätig ist auch iS von § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 4
SGB V nur, wer als natürliche Person selbst mit Gewinnerzielungsabsicht eine Tätigkeit in der Land- und
Forstwirtschaft, in einem Gewerbebetrieb oder einer sonstigen insbesondere freiberuflichen Arbeit in persönlicher
Unabhängigkeit und auf eigene Rechnung und Gefahr ausübt (vgl entsprechend zur Antragspflichtversicherung in der
gesetzlichen Rentenversicherung Urteil des Senats vom 25.2.1997, 12 RK 33/96, SozR 3-2200 § 1227 Nr 8). Das
BSG hat zu § 15 SGB IV bereits entschieden, dass der dortige Begriff der selbstständigen Erwerbstätigkeit im
gesamten Sozialversicherungsrecht gilt (BSG, Urteil vom 30.3.2006, B 10 KR 2/04 R, SozR 4-5420 § 2 Nr 1).
Insbesondere hat es hervorgehoben, dass es im Rahmen der Umschreibung der Versicherungspflicht
landwirtschaftlicher Unternehmer in den § 2 Abs 3 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte
(KVLG 1989) und § 2 Abs 4a KVLG 1989 keine Gründe für ein anderes Verständnis des Begriffes gebe und auf den
Zusammenhang mit § 5 Abs 5 SGB V verwiesen, der ebenfalls an den Begriff der "hauptberuflichen selbstständigen
Erwerbstätigkeit" anknüpfe (BSG aaO). Speziell mit § 5 Abs 5 SGB V steht indes auch § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB
V im Zusammenhang (vgl hierzu auch die Begründung der Entwurfs-Verfasser in BT-Drucks 11/2237 S 161). Das
Gesetz hat mit dieser Norm die Rechtsprechung des Senats zu den früheren Regelungen über die
Familienversicherung in § 205 Reichsversicherungsordnung (vgl BSG, Urteile vom 14.7.1977, 3 RK 80/75, BSGE 44,
142 = SozR 2200 § 205 Nr 13, und vom 29.1.1980, 3 RK 38/79, BSGE 49, 247 = SozR 2200 § 205 Nr 33) rezipiert,
die, wenn auch noch ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung, ebenfalls bereits davon ausgegangen waren, dass
nach Sinn und Zweck der Norm typisierend und generalisierend bestimmte Angehörige ohne Rücksicht auf die Höhe
ihres Einkommens von der Versicherung ausgeschlossen sind, weil sie generell nicht zu dem von der gesetzlichen
Krankenversicherung geschützten Personenkreis gehören und auch nicht als Familienversicherte einbezogen,
sondern auf die eigene Vorsorge verwiesen werden sollen. Dazu gehören auch nach § 5 Abs 5 SGB V - nur -
Personen, die aufgrund einer eigenen hauptberuflichen selbstständigen Erwerbstätigkeit nicht dem sachlich und
quantitativ unverändert im Zentrum der von der Sozialversicherung stehenden Personenkreis der Beschäftigten
zugehören. Die Verwendung des identischen Begriffs der "hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigen" sowohl in §
10 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB V als auch in § 5 Abs 5 SGB V entspricht mithin dem systematischem Zusammenhang
der beiden Vorschriften, sodass auch insofern alle aus anderen Quellen stammenden Einkommen wie Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs 1 Nr 6 EStG) und Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 2 Abs 1 Nr 5 EStG), die
aus der Sicht der Sozialversicherung keinen Bezug zu Fragen der Schutzbedürftigkeit des von ihr erfassten
Personenkreises aufweisen, in aller Regel außer Betracht bleiben.
17
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.