Urteil des BPatG vom 20.01.2016

Stand der Technik, Patentanspruch, Kurve, Form

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
8 W (pat) 1/14
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 11 2005 002 080
- 2 -
hat
der
8. Senat
(Beschwerdesenat)
des
Bundespatentgerichts
am
20. Januar 2016
durch
den
Vorsitzenden
Richter
Dipl.-Phys. Dr. phil. nat. Zehendner
sowie
die
Richter
Dr. agr. Huber,
Dipl.-Ing. Rippel und Heimen
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Patentinhaberin wird der Beschluss der
Patentabteilung 14 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
22. Oktober 2013 aufgehoben und das Patent 11 2005 002 080
erteilt.
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Bezeichnung: „Verfahren zum Design eines Walzenprofils und
Stahlwalze mit einer in Form einer Polynomfunktion ausgedrück-
ten Kurve des Walzenprofils“.
Patentansprüche 1 und 2, eingereicht mit Schriftsatz vom
22. November 2013,
Beschreibung, Seiten 2/15 bis 9/15, gemäß Patentschrift,
Zeichnungen, Figuren 1 bis 4b, gemäß Patentschrift.
- 3 -
G r ü n d e
I.
Auf die am 4. Juli 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Pa-
tentanmeldung, die die Priorität CN 200410054097 vom 30. August 2004 in An-
spruch nimmt, ist das Patent 11 2005 002
080 mit der Bezeichnung „Verfahren
zum Design eines Walzenprofils und Stahlwalze mit einer in Form einer Polynom-
funktion ausgedrückten Kurve des Walzenprofils
“ erteilt und die Erteilung am
9. April 2009 veröffentlicht worden.
Unter Verweis auf die DE 10 2004 020 132 A1 (D1) und die EP 1 307 302 B1 (D2)
hat die Einsprechende mit dem Schriftsatz vom 9. Juli 2009, eingegangen am sel-
ben Tag, Einspruch erhoben und mangelnde Ausführbarkeit sowie mangelnde
Patentfähigkeit geltend gemacht. Daraufhin hat die Patentinhaberin mit Schreiben
vom 22. Juli 2011 neue Ansprüche 1 und 2 eingereicht und die Aufrechterhaltung
des Patents in beschränktem Umfang beantragt.
Mit der Ladung zu einer Anhörung hat die Patentabteilung 14 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts ihre vorläufige Einschätzung in einem Ladungszusatz mit-
geteilt, wonach zwar diese neu eingereichten Patentansprüche 1 und 2 aus for-
malen Gründen nicht gewährbar sind, weil sie in unzulässiger Weise einen Bezug
auf die Zeichnungen erhalten, insgesamt aber die Lehre des Streitpatents aus-
führbar sowie gegenüber den von der Einsprechenden genannten Druckschriften
neu und erfinderisch sei.
Die Patentabteilung hat anheimgestellt, die Hilfsanträge auf Anhörung einver-
nehmlich zurückzunehmen und ins schriftliche Verfahren überzugehen.
Mit Schriftsatz vom 17. September 2013 hat die Patentinhaberin ihren hilfsweise
gestellten Antrag auf Anhörung zurückgenommen.
Auch die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 17. September 2013 ihren hilfs-
weise gestellten Antrag auf Anhörung zurückgenommen.
- 4 -
Mit Beschluss vom 22. Oktober 2013 hat die Patentabteilung das Patent widerru-
fen, weil die Patentinhaberin trotz des im Ladungszusatz gegebenen Hinweises
auf formale Mängel keine neuen Patentansprüche eingereicht habe und demnach
keine gemäß § 9, Abs. 8 Patentverordnung gewährbaren Patentansprüche vorlä-
gen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie hat
mit ihrer Beschwerdebegründung neue Patentansprüche 1 und 2 eingereicht.
Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin stellt sinngemäß den Antrag,
den angefochtenen Beschluss der Patentabteilung 14 des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 22. Oktober 2013 aufzuhe-
ben und das Patent 11 2005 002 080 mit folgenden Unterlagen zu
erteilen:
Bezeichnung: „Verfahren zum Design eines Walzenprofils und
Stahlwalze mit einer in Form einer Polynomfunktion ausgedrück-
ten Kurve des Walzenprofils
“.
Patentansprüche 1 und 2, eingereicht mit Schriftsatz vom
22. November 2013,
Beschreibung, Seiten 2/15 bis 9/15, gemäß Patentschrift,
Zeichnungen, Figuren 1 bis 4b, gemäß Patentschrift.
Im Übrigen beantragt sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr
aus Billigkeitsgründen.
Mit Schreiben vom 24. November 2015 hat der Senat der Einsprechenden unter
Fristsetzung Gelegenheit gegeben sich zum Sachverhalt zu äußern. Sie hat sich
inhaltlich nicht geäußert.
- 5 -
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
- 6 -
- 7 -
Der neue nebengeordnete Patentanspruch 2 lautet:
- 8 -
- 9 -
II.
1. Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch
erfolgreich, da die geltenden Patentansprüche 1 und 2 keinen Rückbezug auf eine
Figur mehr enthalten, so dass der formale Grund für den Widerruf des Patents
entfallen ist. Die Gegenstände des Patents sind patentfähig.
2. Das Streitpatent betrifft Verfahren zum Design eines Walzenprofils und eine
Stahlwalze mit einer in Form einer Polynomfunktion ausgedrückten Kurve des
Walzenprofils.
Nach den Ausführungen in Abs. [0002] und [0003] der Streitpatentschrift werden
beim Walzen von Flachprodukten unterschiedliche Arten von Walzgerüsten und
auch unterschiedliche Walzenpaarungen mit unterschiedlichen Walzspalten ver-
wendet. Grundsätzlich ist jedoch immer eine genaue Kontrolle des Walzspalts er-
forderlich, die jedoch je nach verwendetem Verfahren unterschiedlich sein kann.
Walzstraßen der CVC-Re
ihe verwenden Walzen mit einem „S“- oder „flaschen-
förmigen
“ Walzenprofil, wobei die Profile der oberen und unteren Walzen komple-
mentär zueinander sind. Die Kurve des Walzenprofils lässt sich als eine Poly-
nomfunktion dritten Grades darstellen.
Die Walzspaltfunktion ist eine quadratische Kurve und kann daher nur Mittenwel-
len oder Randwellen verbessern
Bei anderen herkömmlichen Verfahren nach der EP 0294544 A1 wird eine Poly-
nomfunktion fünften Grades verwendet, um nichtquadratische Wellen zu kontrollie-
ren. Dadurch kann zwar nach den Ausführungen in Absatz [0010] das quadrati-
sche Profil korrigiert werden. Jedoch sei es nicht möglich, die höchste Position des
nichtquadratischen Profils mittels eines Walzspalts zu beeinflussen.
Daher besteht gemäß Absatz [0016] der Patentschrift die Aufgabe der Erfindung
darin, ein Verfahren zum Design eines Walzenprofils und eine Stahlwalze mit ei-
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nem Walzenprofil anzugeben, wodurch beim Walzen nichtquadratische Wellen
beim Walzprodukt in unabhängiger Weise zu korrigieren sind.
Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt nach den Angaben in der Beschreibung einer-
seits durch ein Verfahren entsprechend dem geltenden Patentanspruch 1 und an-
dererseits durch eine Stahlwalze entsprechend dem geltenden Patentanspruch 2.
Als Fachmann ist vorliegend ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinen-
bau anzusehen, der auf dem Gebiet der Walztechnik tätig ist und über mehrere
Jahre Berufserfahrung verfügt.
3. Die geltenden Patentansprüche sind ursprünglich offenbart und auch im Übri-
gen zulässig.
Die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 1 sind in dem ursprünglichen Pa-
tentanspruch 1 sowie in den Absätzen [0037] bis [0042] der Streitpatentschrift of-
fenbart.
Die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 2 sind in dem ursprünglichen Pa-
tentanspruch 2 sowie in den Absätzen [0037] bis [0042] der Streitpatentschrift of-
fenbart.
Während der geltende Patentanspruch 1 auf ein Verfahren zum Design eines
Walzenprofils zielt, ist der geltende Patentanspruch 2 auf eine Stahlwalze mit ei-
ner in Form einer Polynomfunktion ausgedrückten Kurve des Walzenprofils ge-
richtet. Somit umfasst die Erfindung die Patentkate
gorien „Verfahren“ und „Vor-
richtung“, was zulässig ist, um die Erfindung in jeder Ausprägung unter Schutz zu
stellen (Schulte, Patentgesetz mit EPÜ, Kommentar, 9. Auflage, § 1, Rdn. 169).
4. Das Patent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass der Fach-
mann sie ausführen kann.
- 11 -
Demnach erfolgt die Bestimmung des Walzenprofils gemäß des Verfahrens zum
Design eines Walzenprofils nach Patentanspruch 1 in mehreren Schritten.
Im Schritt 1 wird eine Grundfunktion des Walzspaltes bestimmt:
S
1(x)
= g
12
* x² ,
mit x= Koordinate der axialen Position der Walze.
Da die Kurve des Walzspaltes als eine gerade Funktion angenommen wird, befin-
det sich der höchste oder der tiefste Punkt des Profils immer in der Mitte des
Walzspaltes. Zur Berechnung von g
12
wird hierzu definiert, dass bei der halben
Breite des Walzspaltes (x= B
2
) das quadratische Profil S1(B2)= C
2
ist (Streitpatent,
Absatz 0036).
Im 2.und 3. Schritt wird der Walzspalt als veränderliche Funktionen entsprechend
den Gleichungen
mit acht zunächst unbekannten Koeffizienten (g
22+
bis g
28+
) bzw. (g
22-
bis g
28-
) an-
gegeben, die mit den acht im Patentanspruch angegebenen Randbedingungen
bestimmt werden können.
Im nächsten Schritt erfolgt eine Überlagerung der quadratischen Grundfunktion
S1(x) des Walzspalts mit den veränderlichen Funktionen (S2+(x); S2-(x)) des
Walzspalts, worunter gemäß Absatz [0043] der Streitpatentschrift eine Aufsum-
mierung von der Grundfunktion S1(x) mit den veränderlichen Funktionen S2+(x)
und S2-(x) zu verstehen ist. Somit ergibt sich:
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Die Koeffizienten ergeben sich aus der Funktion des Walzspalts bei der Maximal-
position positiver und negativer Axialverschiebung der Walze.
Im letzten Schritt wird die Grundfunktion der Kurve des Walzenprofils aus folgen-
der Gleichung bestimmt:
wobei x die Koordinate der axialen Position der Walze ist, y der Durchmesser der
Walze bei der Koordinate x ist, a
o
der Grunddurchmesser der Walze ist, a
1
ein Ko-
effizient ist, der gemäß der einseitigen Neigung der Oberfläche des Stahlbandes
bestimmt wird, und a
2
- a
g
gemäß der folgenden Formeln zu bestimmen sind:
wobei b der Weg der Verschiebung der Walze ist, L die Länge der Walze ist
und
Da gemäß Streitpatent, Absatz [0045], sich die Koeffizienten von Termen gleicher
Potenz auf der linken und rechten Seite der vorstehenden Gleichungen einander
entsprechen, ergeben sich acht lineare Gleichungen zur Bestimmung der acht Ko-
effizienten a
2
– a
9
.
Somit sind die im Patentanspruch 1 angegebenen Gleichungen sowie deren Koef-
fizienten für den Fachmann zu lösen.
- 13 -
Gleiches gilt für den nahezu wortgleichen Patentanspruch 2, der auf eine Stahl-
walze mit einer in Form einer Polynomfunktion ausgedrückten Kurve des Walzen-
profils gerichtet ist.
5. Die Neuheit des zweifellos gewerblich anwendbaren Verfahrens zum Design
eines Walzenprofils des Patentanspruchs 1 ist gegeben.
Die D1 zeigt ebenfalls ein Verfahren zum Design eines Walzenprofils, welches die
folgenden Schritte umfasst:
(1) Bestimmung der Koeffizienten der Grundfunktion des Walzspalts gemäß ei-
nem vorgegebenen quadratischen Profil, wobei diese Grundfunktion des Walz-
spalts eine quadratische Polynomfunktion ist;
(2) gemäß dem nichtquadratischen Profil und mit der Walze bei ihrer vorgegebe-
nen maximalen positiven und negativen Verschiebung jeweilige
Bestimmung der Koeffizienten der entsprechenden Funktion des veränderlichen
Walzspalts, wobei diese veränderliche Funktion des Walzspalts eine Polynom-
funktion höheren Grades als quadratisch ist;
(3) jeweils Überlagerung der Grundfunktion des Walzspalts mit den Funktionen
des veränderlichen Walzspalts, wenn sich die Walze in ihren äußersten Positionen
maximaler positiver und negativer Verschiebung befindet, wodurch
jeweils die Funktion des Walzspalts mit der Walze in ihren äußersten Positionen
maximaler positiver und negativer Verschiebung gebildet wird;
(4) Bestimmung der Walze sowie der Kurve des Walzenprofils unter Berücksichti-
gung des Weges und der Länge der axialen Verschiebung der Walze, der Länge
der Walze und der Funktion des Walzspalts in ihrer äußersten, maximalen
Position bei positiver und negativer Verschiebung.
Jedoch erfolgt bei der D1 die Bestimmung der Koeffizienten für die Walzenspalt-
funktion a
o
bis a
g
nach Schritt 2 allgemein durch eine Polynomfunktion n-ter Ord-
nung und nicht entsprechend dem Streitpatent speziell durch eine Polynomfunk-
tion 9. Ordnung. Zudem werden bei der Lösung dieser Polynomfunktion auch die
- 14 -
Variablen R
i
und q verwendet und die Koeffizienten a
o
bis a
g
durch eine Reihe von
Transformationen und Berechnungsschritten berechnet, wohingegen bei der vor-
liegenden Erfindung die Koeffizienten a
o
bis a
g
unmittelbar aus den Gleichungen
und den Randbedingungen bestimmt werden.
Die Entgegenhaltung D2 (EP 1307302 B1) beschreibt zwar auch ein Walzgerüst
mit einem CVC-Walzenpaar, in dem ein horizontal wirkendes Moment wirkt, das
zu einer Verschränkung der Walzen führt und bei dem das Moment durch einen
geeigneten CVC-Schliff der Walzen minimiert ist.
Um die Minimierung zu erreichen, wird das Walzenprofil als Polynomfunktion n-ter
Ordnung definiert und für diese Funktion ein optimierter Parameter für die Festle-
gung der Keiligkeit der Walze angegeben.
Die D2 offenbart somit auch keine spezielle Polynomfunktion der 9. Ordnung wie
das Streitpatent. Insbesondere offenbart die E2 nicht, wie die Koeffizienten a2 bis
am bestimmt werden, so dass weder das Walzenprofil noch der Walzenspalt noch
die gewünschte Form des Stahlblechs bestimmt werden können.
Auch die übrigen im Prüfungsverfahren genannten Druckschriften zeigen keine
spezielle Polynomfunktion der 9. Ordnung zur Bestimmung der Kurve des Wal-
zenprofils.
6. Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit, denn für die im Patentanspruch 1 aufgeführten Merkmale vermit-
telt der aufgezeigte Stand der Technik keine Anregungen.
Die D1 ist nachveröffentlicht und daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tä-
tigkeit nicht zu berücksichtigen.
Nächstliegender Stand der Technik und Ausgangspunkt ist daher die D2, weil sie
bereits ein Verfahren zum Design eines Walzenprofils beschreibt, bei dem auch
eine Polynominalfunktion n-ter Ordnung zur Bestimmung der Kurve des Walzen-
- 15 -
profils verwendet wird. Von dem bekannten Verfahren ausgehend mag sich der
Fachmann zwar veranlasst sehen, sich um eine Weiterentwicklung des Verfahrens
mit dem Ziel zu bemühen, dass die gewünschte Form des Walzprodukts möglichst
zuverlässig eingehalten wird und insbesondere nichtquadratische Wellen im
Walzprodukt vermieden werden. Die D2 gibt dem Fachmann jedoch keinerlei Hin-
weis, wie er hierbei vorgehen muss. Insbesondere gibt sie keine Anregung, die
Koeffizienten a
2
bis a
9
zu bestimmen, um dann mit deren Hilfe das Walzenprofil,
den Walzenspalt und die gewünschte Form des Stahlblechs bestimmen zu kön-
nen.
Einen entsprechenden Hinweis kann der Fachmann auch nicht aus der
EP 0 294 544 A1 entnehmen, da diese das CVC-Walzenprofil lediglich als eine
Polynomfunktion fünften Grades beschreibt.
Die übrigen im Prüfungsverfahren in Betracht gezogenen Druckschriften liegen
weiter ab vom Streitpatentgegenstand. Insbesondere beschreiben sie die Kurve
des Walzenprofils mit Sinus oder Potenzreihen und können daher keinen Hinweis
auf eine Polynomfunktion 9-ter Ordnung geben.
Das österreichische Patent AT 410 765 B offenbart eine andere Walze, die im-
stande ist, das das nichtquadratische Profil zu korrigieren, und deren Walzenprofil
eine Überlagerung von Sinusfunktion und linearer Funktion darstellt.
Das chinesische Patent CN 2044910 U offenbart ebenfalls eine Walze mit einem
Walzenprofil, bei dem sich der Walzendurchmesser gemäß einer ungeraden Po-
tenzreihe D(x) bestimmt.
Die US 5 640 886 A beschreibt ein Walzenprofil, welches im Mittenbereich der
Walze geradlinig verläuft und an den Rändern ein konventionelles Profil aufweist.
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Die EP 0401685 A1 beschreibt ein Multiwalzencluster bestehend aus 12 bzw.
24 Walzen. Das Walzenprofil wird durch zwei Wellen einer Sinuskurve angenä-
hert.
Der Fachmann gelangt somit nur durch erfinderisches Zutun zu der im Einzelnen
im Patentanspruch 1 angegebenen Lösung, bei der die Koeffizienten a
2
bis a
9
durch Lösung eines Systems aus acht linearen Gleichungen bestimmt werden.
Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass der Fachmann ausgehend von der
D2 auch unter Berücksichtigung seines Fachwissens und Fachkönnens nicht in
naheliegender Weise zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 des
Streitpatents gelangt.
7. Ebenso ist der Gegenstand des nebengeordneten Patentanspruchs 2 gegen-
über dem Stand der Technik neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.
Wie bereits bei der Beurteilung der Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Verfah-
rens zum Design eines Walzenprofils nach dem Patentanspruch 1 ausgeführt ist,
sind aus dem Stand der Technik keine Verfahren bekannt oder nahe gelegt, bei
denen
die
Ausgestaltung
des
Walzenprofils
entsprechend
den
im
Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen erfolgt.
Da der auf eine Stahlwalze gerichteten Patentanspruch 2 im Wesentlichen die vor-
richtungstechnische Lösung des im Patentanspruch 1 unter Schutz gestellten
Verfahrens beschreibt und weitgehend wörtlich auch diejenigen Merkmale auf-
weist, die in dem Patentanspruch 1 aufgeführt sind, ist das Vorliegen der Neuheit
und erfinderische Tätigkeit übereinstimmend zu beurteilen. Auf die entsprechen-
den Ausführungen wird verwiesen.
Der unabhängige Patentanspruch 2 hat daher auch Bestand.
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8. Der Antrag auf Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird
abgelehnt, § 80 Abs. 3 PatG. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerde-
gebühr aus Gründen der Billigkeit kommt in Betracht, wenn die Einlegung der Be-
schwerde bei sachgemäßer Behandlung durch das DPMA vermeidbar gewesen
wäre und die Beschwerde nur deshalb notwendig wurde. Neben Verfahrensfehlern
kann auch eine unangemessene Sachbehandlung bei Vorliegen besonderer Um-
stände eine Rückzahlung billig erscheinen lassen. Verfahrensfehler sind, nachdem
die Beteiligten übereinstimmend auf die Durchführung einer Anhörung verzichtet
haben, nicht ersichtlich.
Der Umstand, dass die Patentinhaberin oder ihr Vertreter es versäumt haben, auf
den Hinweis den Mangel zu beseitigen, beruht nicht auf einer unangemessenen
Sachbehandlung durch das DPMA.
Eine unangemessene Sachbehandlung kann unter anderem gegeben sein, wenn
das DPMA einen Zurückweisungsbeschluss allein auf die unterlassene Beseiti-
gung von bereits beanstandeten Formmängeln stützt, anstatt durch eine zweck-
mäßigere und weniger einschneidende Verfahrensmaßnahme die Gelegenheit
einzuräumen, die Beseitigung dieser Mängel nachzuholen (vgl BPatG,
B.v.25.6.2008, 10 W (pat) 25/06). Dies kann der Fall sein, wenn ein Patentanmel-
der bereits weitgehend auf vorhergehende Mängelrügen eingegangen war und
diese korrigiert hatte, und eine hohe Aussicht auf Erfolg besteht, dass die verblie-
benen Mängel schon mittels einer weiteren Beanstandung beseitigt werden kön-
nen. Dies ist hier nicht der Fall. Vorliegend hatte die Patentabteilung mit dem La-
dungszusatz vom 9. August 2013 die Patentinhaberin bereits ausdrücklich auf das
ihrer Ansicht nach noch bestehende Hindernis hingewiesen und eine Patentertei-
lung in Aussicht gestellt, wenn die genannten formalen Mängel beseitigt würden.
Die Patentinhaberin hat auf den Hinweis lediglich den Antrag auf Durchführung ei-
ner Anhörung zurückgenommen, ohne auf die gerügten Mängel einzugehen.
Nach Auffassung des Senates hat die Patentabteilung das ihrerseits erforderliche
unternommen, um verfahrensökonomisch eine Mängelbeseitigung herbeizuführen.
Eine Wiederholung des Hinweises war bei dieser Sachlage nicht geboten, die
Sachbehandlung demnach weder unangemessen oder unzweckmäßig, denn das
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DPMA kann grundsätzlich davon ausgehen, dass erteilte Hinweise auch ohne
Nachfragen von den Beteiligten beachtet werden und diese erforderlichenfalls da-
rauf reagieren. Es bestehen hier auch keine Anhaltspunkte, dass der Hinweis
missverständlich war oder die Beseitigung des konkreten, entscheidungserhebli-
chen Mangels im Rahmen umfangreicher Korrekturen der Patentunterlagen ver-
sehentlich übersehen wurde, so dass eine erneute Nachfrage geboten erscheinen
konnte.
Billigkeitsgesichtspunkte, die eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtferti-
gen, sind danach nicht gegeben. Die Erhebung der Beschwerde wurde vielmehr
maßgeblich durch das Verhalten der Patentanmelderin erforderlich, die trotz ein-
deutigen Hinweises die formalen Mängel nicht beseitigt hat.
III.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss können die am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel
der
Rechtsbeschwerde
einlegen.
Da
der
Senat
die
Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird,
dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
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5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch
einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten
schriftlich einzulegen.
Dr. Zehendner
Dr. Huber
Rippel
Heimen
Pr