Urteil des BPatG vom 03.08.2016

Stand der Technik, Patentanspruch, Überwachung, Streichung

BPatG 253
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
7 Ni 7/15 (EP)
(Aktenzeichen)
URTEIL
An Verkündungs Statt
zugestellt am
3. August 2016
In der Patentnichtigkeitssache
- 2 -
betreffend das europäische Patent 1 319 110
(DE 501 13 790)
hat der 7. Senat (Juristischer Beschwerdesenat und Nichtigkeitssenat) des
Bundespatentgerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 2. Juni 2016
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Rauch, des Richters Dipl.-Ing. Küest,
der
Richterin
Dr. Schnurr
und
der
Richter
Dr.-Ing. Großmann
und
Dipl.-Ing. Univ. Richter
für Recht erkannt:
I.
Das europäische Patent 1 319 110 wird mit Wirkung für das
Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teil-
weise für nichtig erklärt, dass seine Patentansprüche fol-
gende Fassung erhalten:
1. Großmanipulator für Betonpumpen, mit einem auf einem
Gestell (11) angeordneten, vorzugsweise um eine verti-
kale Drehachse (13) drehbaren Mastbock (21), mit einem
aus mindestens drei Mastarmen (23 bis 27) zusammen-
gesetzten, als Betonverteilermast ausgebildeten, eine
Betonförderleitung tragenden Knickmast (22), welche
Mastarme (23 bis 27) um jeweils horizontale, zueinander
parallele Knickachsen (28 bis 32) paarweise gegenüber
dem benachbarten Mastbock (21) oder Mastarm (28 bis
26) mittels je eines als Hydrozylinder ausgebildeten An-
triebsaggregats 34 bis 38) begrenzt verschwenkbar sind,
mit einer vorzugsweise fernbedienbaren Steuereinrich-
tung (50, 62, 52) für die Mastbewegung mit Hilfe von den
einzelnen Antriebsaggregaten (34 bis 38) zugeordneten
Stellgliedern (68 bis 76), und mit Mitteln (82, 84, 86) zur
- 3 -
Dämpfung von mechanischen Schwingungen im Knick-
mast (22),
dadurch gekennzeichnet, dass
am bodenseitigen und stangenseitigen Ende eines jeden
Antriebsaggregates (34 bis 38) ein Drucksensor (84, 86)
zur Bestimmung einer von den mechanischen Schwin-
gungen des betreffenden Mastarms (23 bis 27) abgeleite-
ten zeitabhängigen Messgröße
(Δp) angeordnet ist und
jedem Antriebsaggregat (34 bis 38) eine den Drucksenso-
ren (84, 86) nachgeordnete, ausgangsseitig an das zuge-
hörige Stellglied (68 bis 76) angeschlossene Auswerteein-
heit (82) zur Erzeugung eines Dämpfungssignals zuge-
ordnet ist, die jeweils einen analogen oder digitalen Hoch-
passfilter (90, 92) enthält, wobei jedem Hochpassfilter (90,
92) eine Bewertungs- und Sicherheitsschaltung oder
–al-
gorithmus (93) zur Einstellung des für die Schwingungs-
dämpfung notwendigen Verstärkungsgrads und zur Über-
wachung der Bewegungsgrenzwerte des jeweiligen Mast-
arms über eine Anschlagskontrolle nachgeordnet ist, die
eingangsseitig mit den Ausgangssignalen, nämlich den
absoluten Druckwerten ps und pb der beiden Drucksenso-
ren (84, 86) beaufschlagt ist.
2. Großmanipulator nach Anspruch 1, dadurch gekennzeich-
net, dass jedes Antriebsaggregat (34 bis 38) einen doppelt
wirkenden Hydrozylinder aufweist, dass die Hydrozylinder
über je ein das zugehörige Stellglied bildendes Proportio-
nalwechselventil (68 bis 76) mit Drucköl beaufschlagbar
sind und dass die Drucksensoren (84, 86) über einen Ver-
gleicher (88) mit der Auswerteeinheit (82) verbunden sind.
- 4 -
3. Großmanipulator nach Anspruch 1 oder 2, dadurch
gekenn
zeichnet, dass jeder Hochpassfilter durch einen
Tiefpassfilter (90) gebildet ist, dessen Eingang über einen
Vergleicher (92) auf dessen Ausgang aufgeschaltet ist.
4. Großmanipulator nach einem der Ansprüche 1 bis 3,
dadurc
h gekennzeichnet, dass jeder Hochpassfil-
ter (90, 92) eine aperiodische Übergangsfunktion bildet.
5. Großmanipulator nach einem der Ansprüche 1 bis 4,
dadurch gekennzeichnet, dass die Steuereinrichtung ei-
nen Mikrocontroller (52) mit einem Koordinatengeber (64)
zur Ansteuerung der Stellglieder (68 bis 76) aufweist, der
eingabeseitig über ein BUS-System (63) und eine Fern-
steuereinrichtung (50, 64) mit Fahrdaten für die Mastbe-
wegung beaufschlagbar ist, dass jedem Stellglied zusätz-
lich ein die Dämpfungseinheit (82) bildender Übertrager
zugeordnet ist, der eingabeseitig mit der zum betreffenden
Mastarm (23 bis 27) gehörenden Messgröße (Ap) beauf-
schlagbar ist.
6. Großmanipulator nach einem der Ansprüche 1 bis 5, ge-
kennzeichnet durch eine Anordnung zur Driftkompensa-
tion des Knickmasts (22), die mindestens einen an einem
der Mastarme (27) angeordneten Raumwinkelsensor (94)
oder Abstandssensor, einen Sollwertspeicher (96) sowie
einen mit dem Sollwertspeicher und dem Ausgang des
Raumwinkel- oder Abstandsensors verbundenen Verglei-
cher zur Ansteuerung mindestens eines der Stellglie-
der (68 bis 76) aufweist.
- 5 -
7. Großmanipulator nach Anspruch 6, dadurch gekennzeich-
net, dass der Raumwinkel- oder Abstandssensor am End-
arm (27) des Knickmasts (22) angeordnet ist.
8. Großmanipulator nach Anspruch 5 oder 6, dadurch
gekennzeichnet, dass der Sollwertspeicher (96) über eine
Steuerroutine mit dem digitalen Ausgangssignal des
Raumwinkel- oder Abstandssensors (94) beaufschlagbar
ist.
II.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
III.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 1/5,
die Beklagte 4/5.
IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung von 120 %
des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
Die Klage richtet sich gegen das europäische Patent 1 319 110, das aus der inter-
nationalen Anmeldung WO 2002/025036 vom 4. Juli 2001 hervorgegangen ist und
die Priorität der deutschen Voranmeldung 100 46 546 vom 19. September 2000 in
Anspruch nimmt. Das Patent ist in deutscher Sprache u. a. für das Gebiet der
Bundesrepublik Deutschland erteilt worden und wird beim Deutschen Patent- und
Markenamt unter dem Aktenzeichen 501 13 790 geführt. Es betrifft eine als
„Großmanipulator mit Schwingungsdämpfer“ bezeichnete Erfindung und umfasst
in der erteilten Fassung 19 Ansprüche, wobei die Ansprüche 2 bis 14 unmittelbar
bzw. mittelbar auf den Erzeugnisanspruch 1 rückbezogen sind, während An-
spruch 15 und die darauf unmittelbar bzw. mittelbar rückbezogenen Ansprüche 16
bis 19 ein Verfahren zum Gegenstand haben.
- 6 -
Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 15 haben in der erteilten Fassung
folgenden Wortlaut:
1.
Großmanipulator, insbesondere für Betonpumpen, mit einem
auf einem Gestell (11) angeordneten, vorzugsweise um eine
vertikale Drehachse (13) drehbaren Mastbock (21), mit ei-
nem aus mindestens drei Mastarmen (23 bis 27) zusam-
mengesetzten, vorzugsweise als Betonverteilermast ausge-
bildeten Knickmast (22), welche Mastarme (23 bis 27) um
jeweils horizontale, zueinander parallele Knickachsen (28
bis 32) paarweise gegenüber dem benachbarten Mast-
bock (21) oder Mastarm (28 bis 26) mittels je eines Antriebs-
aggregats (34 bis 38) begrenzt verschwenkbar sind, mit einer
vorzugsweise fernbedienbaren Steuereinrichtung (50, 62, 52)
für die Mastbewegung mit Hilfe von den einzelnen Antriebs-
aggregaten (34 bis 38) zugeordneten Stellgliedern (68 bis
76), und mit Mitteln (82, 84, 86) zur Dämpfung von mechani-
schen Schwingungen im Knickmast (22),
dadurch gekennzeichnet, dass
mindestens einem der Antriebsaggregate (34 bis 38) oder
Mastarme (23 bis 27) mindestens ein Sensor (84, 86) zur
Bestimmung einer von den mechanischen Schwingungen
des betreffenden Mastarms (23 bis 27) abgeleiteten zeitab-
hängigen Messgröße
(Δp) sowie eine dem mindestens einen
Sensor (84, 86) nachgeordnete, ausgangsseitig an das zu-
gehörige Stellglied (68 bis 76) angeschlossene Auswerteein-
heit (82) zur Erzeugung eines Dämpfungssignals zugeordnet
ist.
15. Verfahren zur Dämpfung mechanischer Schwingungen eines
Knickmasts (22) in einem Großmanipulator, bei welchem die
Mastarme (23 bis 27) des Knickmasts (22) mittels je eines
- 7 -
Antriebsaggregats (34 bis 38) relativ zueinander ver-
schwenkbar sind,
dadurch gekennzeichnet, dass
an mindestens einem der Antriebsaggregate (34 bis 38) oder
am zugehörigen Mastarm (23 bis 27) eine von der mechani-
schen Schwingung des betreffenden Mastarms abgeleitete
zeitabhängige Messgröße (
Δp) bestimmt, in einer Auswer-
teeinheit (82) unter Bildung eines dynamischen Dämpfungs-
signals ausgewertet und einem das betreffende Antriebsag-
gregat ansteuernden Stellglied (68 bis 76) aufgeschaltet
wird.
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 14 und 16 bis 19 wird auf die
Streitpatentschrift EP 1 319 110 B1 Bezug genommen.
Die Klägerin macht den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend
und stützt sich hierfür auf folgende Publikationen:
NK1
Dr.-Ing. Hartmut Benckert: Rechnergesteuerte Betonvertei-
lung, in: BMT Baumaschine + Bautechnik, Dezember 1992,
Seiten 359-362
NK2
JP H05230999 A
NK3
Werner Bernzen: Zur Regelung elastischer Roboter mit hydro-
statischen Antrieben, Dissertation, in: Fortschritt-Berichte VDI,
Reihe 8, Nr. 788, VDI Verlag GmbH, Düsseldorf, 1999
NK4
Dirk Nissing, Werner Bernzen, Torsten Wey: Initial Steps to Vi-
bration Control of a Concrete Pump, 16th IAARC/IFAC/IEEE,
International Symposium on Automation and Robotics in Con-
struction, Madrid, 22. - 24. 9. 1999
NK5
DE 39 25 276 C2
NK6
DE 195 03 895 A1
NK7
DE 195 00 738 C1
- 8 -
NK8
Kuntze, H.-B.; Hirsch, U.; Jacubasch, A.; Eberle, F.; Göller, B.:
On the dynamic control of a hydraulic large range roboter for
construction applications, in: Automation in Construction 4,
1995, Seiten 61-73
NK9
Schumacher, H.; Braun, J.: Skywash: Innovative Steuerungs-
funktionen für Großroboter, in: VDI-Berichte Nr. 1094, Sei-
ten 97-109
NK10
JP 62-233811 A mit deutscher Übersetzung NK10a
NK11
JP 63-65508 A mit deutscher Übersetzung NK11a
NK12
Auszug aus „Vieweg Handbuch Elektrotechnik“ (1998),
Friedr. Vieweg
Verlagsgesellschaft
mbH,
1998,
Sei-
ten 1015-1025
Die Klägerin beantragt,
das europäische Patent 1 319 110 mit Wirkung für das Hoheitsge-
biet der Bundesrepublik Deutschland im gesamten Umfang für
nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat zuletzt beantragt,
die Klage abzuweisen, soweit sie sich gegen die Patentansprü-
che 1 bis 11 in der Fassung des Hauptantrags (Anlage B4) richtet,
hilfsweise, soweit sie sich gegen die Patentansprüche 1 bis 11 in
der Fassung des ersten Hilfsantrags (Anlage B5) richtet,
weiter hilfsweise, soweit sie sich gegen die Patentansprüche 1
bis 8 in der Fassung des zweiten Hilfsantrags (Anlage 1 zum Pro-
tokoll der mündlichen Verhandlung, Bl. 314 ff. d. A.) richtet,
weiter hilfsweise, soweit sie sich gegen die Patentansprüche 1
bis 8 in der Fassung des dritten Hilfsantrags (Anlage B6) richtet,
- 9 -
wobei die Anlagen B4, B5 und B6 mit Schriftsatz vom
11. April 2016 (Bl. 248 ff. d. A.) eingereicht und der zweite Hilfs-
antrag in der mündlichen Verhandlung überreicht worden sind.
Hauptantrag
che 1 und 11 wie folgt (Änderungen gegenüber den erteilten Ansprüchen 1
bzw. 15 durch Streichung bzw. Unterstreichung kenntlich gemacht):
1.
Großmanipulator, insbesondere für Betonpumpen, mit einem
auf einem Gestell (11) angeordneten, vorzugsweise um eine
vertikale Drehachse (13) drehbaren Mastbock (21), mit ei-
nem aus mindestens drei Mastarmen (23 bis 27) zusam-
mengesetzten, vorzugsweise als Betonverteilermast ausge-
bildeten, eine Betonförderleitung tragenden Knickmast (22),
welche Mastarme (23 bis 27) um jeweils horizontale, zuei-
nander parallele Knickachsen (28 bis 32) paarweise gegen-
über dem benachbarten Mastbock (21) oder Mastarm (28 bis
26) mittels je eines als Hydrozylinder ausgebildeten An-
triebsaggregats (34 bis 38) begrenzt verschwenkbar sind, mit
einer vorzugsweise fernbedienbaren Steuereinrichtung (50,
62, 52) für die Mastbewegung mit Hilfe von den einzelnen
Antriebsaggregaten (34 bis 38) zugeordneten Stellglie-
dern (68 bis 76), und mit Mitteln (82, 84, 86) zur Dämpfung
von mechanischen Schwingungen im Knickmast (22),
dadurch gekennzeichnet, dass
am bodenseitigen und stangenseitigen Ende eines jeden
mindestens einem der Antriebsaggregates (34 bis 38) oder
Mastarme (23 bis 27) mindestens ein Drucksensor (84, 86)
zur Bestimmung einer von den mechanischen Schwingungen
des betreffenden Mastarms(23 bis 27) abgeleiteten zeitab-
hängigen Messgröße
(Δp) angeordnet ist und jedem An-
triebsaggregat (34 bis 38) sowie eine dem mindestens einen
- 10 -
den DrucksSensoren (84, 86) nachgeordnete, ausgangssei-
tig an das zugehörige Stellglied (68 bis 76) angeschlossene
Auswerteeinheit (82) zur Erzeugung eines Dämpfungssignals
zugeordnet ist, die jeweils einen analogen oder digitalen
Hochpassfilter (90, 92) enthält, wobei die Grenzfrequenzen
der zu den einzelnen Mastarmen (23 bis 27) gehörenden
Hochpassfilter (90, 92) unabhängig voneinander für jeden
Mastarm (23 bis 27) getrennt eingestellt und etwas niedriger
als dessen mechanische Eigenfrequenz gewählt sind.
11. Verfahren zur Dämpfung mechanischer Schwingungen eines
Knickmasts (22) in einem Großmanipulator für Betonpum-
pen, bei welchem die Mastarme (23 bis 27) des eine Beton-
förderleitung tragenden Knickmasts (22) mittels je eines als
Hydrozylinder ausgebildeten Antriebsaggregats (34 bis 38)
relativ zueinander verschwenkbar sind,
dadurch gekennzeichnet, dass
in der Arbeitsposition an mindestens einem jedem der An-
triebsaggregate (34 bis 38) oder am zugehörigen Mast-
arm (23 bis 27) eine von der mechanischen Schwingung des
betreffenden Mastarms abgeleitete zeitabhängige Mess-
größe (
Δp), welche die zeitabhängige Druckdifferenz Δp(t)
zwischen Boden- und Stangenseite des Hydrozylinders ist,
bestimmt, und jeweils in einer dem zugehörigen Mastarm (23
bis 27) zugeordneten Auswerteeinheit (82) unter Bildung ei-
nes dynamischen Dämpfungssignals ausgewertet und einem
das betreffende Antriebsaggregat ansteuernden Stell-
glied (68 bis 76) aufgeschaltet wird, wobei in der einen digi-
talen Hochpassfilter enthaltenden Auswerteeinheit (82, 90,
92) der dynamische Anteil der Messgröße
(Δp) oberhalb ei-
ner definierten Grenzfrequenz herausgefiltert und für die Bil-
dung des Dämpfungssignals phasenverschoben und/oder
- 11 -
verstärkt wird, sowie die Grenzfrequenzen der zu den einzel-
nen Mastarmen gehörenden Hochpassfilter (90, 92) unab-
hängig voneinander für jeden Mastarm (23 bis 27) getrennt
eingestellt und etwas niedriger als die Eigenfrequenz des je-
weiligen Mastarmes (23 bis 27) gewählt werden.
In der Fassung gemäß erstem Hilfsantrag lauten die dort nebengeordneten An-
sprüche 1 und 11 wie folgt (Änderungen gegenüber den Fassungen der Ansprü-
che 1 bzw. 11 gemäß Hauptantrag durch Streichung bzw. Unterstreichung kennt-
lich gemacht):
1.
Großmanipulator für Betonpumpen, mit einem auf einem Ge-
stell (11) angeordneten, vorzugsweise um eine vertikale
Drehachse (13) drehbaren Mastbock (21), mit einem aus
mindestens drei Mastarmen (23 bis 27) zusammengesetzten,
als Betonverteilermast ausgebildeten, eine Betonförderlei-
tung tragenden Knickmast (22), welche Mastarme (23 bis 27)
um jeweils horizontale, zueinander parallele Knickachsen (28
bis 32) paarweise gegenüber dem benachbarten Mast-
bock (21) oder Mastarm (28 bis 26) mittels je eines als Hyd-
rozylinder ausgebildeten Antriebsaggregats (34 bis 38) be-
grenzt verschwenkbar sind, mit einer vorzugsweise fernbe-
dienbaren Steuereinrichtung (50, 62, 52) für die Mastbewe-
gung mit Hilfe von den einzelnen Antriebsaggregaten (34 bis
38) zugeordneten Stellgliedern (68 bis 76), und mit Mit-
teln (82, 84, 86) zur Dämpfung von mechanischen Schwin-
gungen im Knickmast (22),
dadurch gekennzeichnet, dass
am bodenseitigen und stangenseitigen Ende eines jeden
Antriebsaggregates (34 bis 38) ein Drucksensor (84, 86) zur
Bestimmung einer von den mechanischen Schwingungen
des betreffenden Mastarms (23 bis 27) abgeleiteten zeitab-
- 12 -
hängigen Messgröße
(Δp) angeordnet ist und jedem An-
triebsaggregat (34 bis 38) eine den Drucksensoren (84, 86)
nachgeordnete, ausgangsseitig an das zugehörige Stell-
glied (68 bis 76) angeschlossene Auswerteeinheit (82) zur
Erzeugung eines Dämpfungssignals zugeordnet ist, die je-
weils einen analogen oder digitalen Hochpassfilter (90, 92)
enthält, wobei die Grenzfrequenzen der zu den einzelnen
Mastarmen (23 bis 27) gehörenden Hochpassfilter (90, 92)
unabhängig voneinander für jeden Mastarm (23 bis 27) ge-
trennt eingestellt und etwas niedriger als dessen mechani-
sche Eigenfrequenz gewählt sind, und wobei die Auswer-
teeinheiten (82) eingangsseitig mit der zeitabhängigen
Messgröße
Δp(t) beaufschlagt sind, welche die zeitabhän-
gige Druckdifferenz
Δp(t) zwischen Boden- und Stangenseite
des Hydrozylinders ist, die in einem vorgegebenen Zeittakt
dem Hochpassfilter (90, 92) zugeleitet wird.
11. Verfahren zur Dämpfung mechanischer Schwingungen eines
Knickmasts (22) in einem Großmanipulator für Betonpum-
pen, bei welchem die Mastarme (23 bis 27) des eine Beton-
förderleitung tragenden Knickmasts (22) mittels je eines als
Hydrozylinder ausgebildeten Antriebsaggregats (34 bis 38)
relativ zueinander verschwenkbar sind,
dadurch gekennzeichnet, dass
in der Arbeitsposition an jedem der Antriebsaggregate (34
bis 38) eine von der mechanischen Schwingung des betref-
fenden Mastarms abgeleitete zeitabhängige Messgröße (
Δp)
bestimmt, welche die zeitabhängige Druckdifferenz
Δp(t)
zwischen Boden- und Stangenseite des Hydrozylinders ist,
bestimmt, und jeweils in einer dem zugehörigen Mastarm (23
bis 27) zugeordneten Auswerteeinheit (82) unter Bildung ei-
nes dynamischen Dämpfungssignals ausgewertet und einem
- 13 -
das betreffende Antriebsaggregat ansteuernden Stell-
glied (68 bis 76) aufgeschaltet wird, wobei die zeitabhängige
Messgröße
(Δp) in einem vorgegebenen Zeittakt einem in
der Auswerteeinheit (82) enthaltenen einen analogen oder
digitalen Hochpassfilter (90, 92) zugeleitet wird und in der ei-
nen digitalen Hochpassfilter enthaltenden Auswerteein-
heit (82, 90, 92) der dynamische Anteil der Messgröße
(Δp)
oberhalb einer definierten Grenzfrequenz herausgefiltert und
für die Bildung des Dämpfungssignals phasenverschoben
und/oder verstärkt wird, und wobei sowie die Grenzfrequen-
zen der zu den einzelnen Mastarmen gehörenden Hoch-
passfilter (90, 92) unabhängig voneinander für jeden Mast-
arm (23 bis 27) getrennt und eingestellt und etwas niedriger
als die Eigenfrequenz des jeweiligen Mastarmes (23 bis 27)
gewählt eingestellt werden.
In der Fassung gemäß zweitem Hilfsantrag lautet der Hauptanspruch 1 wie folgt
(Änderungen gegenüber der Fassung des Anspruchs 1 gemäß erstem Hilfsantrag
durch Streichung bzw. Unterstreichung kenntlich gemacht):
1.
Großmanipulator für Betonpumpen, mit einem auf einem Ge-
stell (11) angeordneten, vorzugsweise um eine vertikale
Drehachse (13) drehbaren Mastbock (21), mit einem aus
mindestens drei Mastarmen (23 bis 27) zusammengesetzten,
als Betonverteilermast ausgebildeten, eine Betonförderlei-
tung tragenden Knickmast (22), welche Mastarme (23 bis 27)
um jeweils horizontale, zueinander parallele Knickachsen (28
bis 32) paarweise gegenüber dem benachbarten Mast-
bock (21) oder Mastarm (28 bis 26) mittels je eines als Hyd-
rozylinder ausgebildeten Antriebsaggregats (34 bis 38) be-
grenzt verschwenkbar sind, mit einer vorzugsweise fernbe-
dienbaren Steuereinrichtung (50, 62, 52) für die Mastbewe-
- 14 -
gung mit Hilfe von den einzelnen Antriebsaggregaten (34 bis
38) zugeordneten Stellgliedern (68 bis 76), und mit Mit-
teln (82, 84, 86) zur Dämpfung von mechanischen Schwin-
gungen im Knickmast (22),
dadurch gekennzeichnet, dass
am bodenseitigen und stangenseitigen Ende eines jeden
Antriebsaggregates (34 bis 38) ein Drucksensor (84, 86) zur
Bestimmung einer von den mechanischen Schwingungen
des betreffenden Mastarms (23 bis 27) abgeleiteten zeitab-
hängigen Messgröße
(Δp) angeordnet ist und jedem An-
triebsaggregat (34 bis 38) eine den Drucksensoren (84, 86)
nachgeordnete, ausgangsseitig an das zugehörige Stell-
glied (68 bis 76) angeschlossene Auswerteeinheit (82) zur
Erzeugung eines Dämpfungssignals zugeordnet ist, die je-
weils einen analogen oder digitalen Hochpassfilter (90, 92)
enthält, wobei die Grenzfrequenzen der zu den einzelnen
Mastarmen (23 bis 27) gehörenden Hochpassfilter(90, 92)
unabhängig voneinander für jeden Mastarm (23 bis 27) ge-
trennt eingestellt und etwas niedriger als dessen mechani-
sche Eigenfrequenz gewählt sind, und wobei die Auswer-
teeinheiten (82) eingangsseitig mit der zeitabhängigen
Messgröße
Δp (t) beaufschlagt sind, welche die zeitabhän-
gige Druckdifferenz
Δp (t) zwischen Boden- und Stangen-
seite des Hydrozylinders ist, die in einem vorgegebenen
Zeittakt dem Hochpassfilter (90, 92) zugeleitet wird, und wo-
bei jedem Hochpassfilter (90, 92) eine Bewertungs- und Si-
cherheitsschaltung oder
–algorithmus (93) zur Einstellung
des für die Schwingungsdämpfung notwendigen Verstär-
kungsgrads und zur Überwachung der Bewegungsgrenz-
werte des jeweiligen Mastarms über eine Anschlagskontrolle
nachgeordnet ist, die eingangsseitig mit den Ausgangssig-
- 15 -
nalen, nämlich den absoluten Druckwerten ps und pb, der
beiden Drucksensoren (84, 86) beaufschlagt ist.
Zum Wortlaut der Ansprüche nach dem dritten Hilfsantrag sowie der mit Hauptan-
trag, erstem und zweitem Hilfsantrag verteidigten, jeweils unmittelbar oder mittel-
bar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche wird auf die Anlagen B4 bis
B6 zum Schriftsatz vom 11. April 2016 sowie auf die Anlage 1 zum Protokoll der
mündlichen Verhandlung verwiesen.
Die Klägerin hält die von der Beklagten in den verschiedenen Anspruchsfassun-
gen vorgenommenen Änderungen für unzulässig, weil sie gegenüber der ur-
sprünglichen Anmeldung unzulässig erweitert und teilweise auch unklar seien.
Außerdem seien die Gegenstände der nebengeordneten Ansprüche 1 und 11 ge-
der Druckschrift NK6 in Kombination mit NK5 sowie ausgehend von NK11 (ggf. in
Verbindung mit NK10) nahegelegt gewesen. Auch die übrigen Ansprüche enthiel-
ten nichts Patentfähiges. Entsprechendes gelte im Hinblick auf die hilfsweise ver-
teidigten Anspruchsfassungen.
Die Beklagte hält die nebengeordneten Ansprüche 1 und 11 in der von ihr mit
Hauptantrag und erstem Hilfsantrag und zumindest den Anspruch 1 nach zweitem
und drittem Hilfsantrag für bestandsfähig; die Unteransprüche hätten auf Grund
ihres Rückbezugs an dieser Bestandskraft teil.
Der Senat hat den Parteien mit Schreiben vom 25. Februar 2016 einen frühen ge-
richtlichen Hinweis gemäß § 83 Abs. 1 PatG zukommen lassen.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die beiderseits einge-
reichten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug
genommen.
- 16 -
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die auf den Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1
Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a) EPÜ) gestützte Klage ist zuläs-
sig und in der Sache teilweise begründet. Soweit das Streitpatent über die von der
Beklagten mit Hauptantrag verteidigte Fassung hinausgeht, ist es ohne Sachprü-
fung für nichtig zu erklären (Schulte/, PatG, 9. Aufl., § 81 Rn. 127). Im Übrigen
erweist sich das Streitpatent lediglich in der mit zweitem Hilfsantrag der Beklagten
vorgelegten Fassung als bestandsfähig.
I.
1. In der Beschreibung der Streitpatentschrift (Absätze 1 und 2) wird von einem
im Stand der Technik gemäß DE 195 20 166 A1 bekannten Großmanipulator aus-
gegangen, der alle im Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents genannten
Merkmale aufweise, bei dem allerdings keine Dämpfungsmittel vorgesehen seien.
Der Knickmast eines solchen Großmanipulators sei seiner Konstruktion nach ein
elastisch schwingungsfähiges System, das zu Eigenschwingungen angeregt wer-
den könne. Eine resonante Anregung solcher Schwingungen könne dazu führen,
dass die Mastspitze mit Amplituden von einem Meter und mehr schwinge. Eine
Schwingungsanregung sei zum Beispiel durch den pulsierenden Betrieb einer
Betonpumpe und durch die hieraus resultierende periodische Beschleunigung und
Verzögerung der durch die Förderleitung gedrängten Betonsäule möglich. Dies
habe zur Folge, dass der Beton nicht mehr gleichmäßig verteilt werden könne und
der Arbeiter, der den Endschlauch führe, gefährdet werde. Um dies zu vermeiden,
werde bei einer aus DE 195 03 895 A1 (= Entgegenhaltung NK6) bekannten Be-
tonpumpe mit Knickmast die Verwendung eines Lageregelkreises vorgeschlagen,
der innerhalb eines vorgebbaren Variationsbereichs das Niveau der Mastspitze
bezüglich einer ortsfesten horizontalen Bezugsebene stabilisiere. Hierzu sei eine
Sensoreinrichtung vorgesehen, über deren Ausgangssignale ein Koordinatenstell-
antrieb zur kompensatorischen Auslenkung der Mastspitze oder des End-
schlauchs ansteuerbar sei. Es habe sich gezeigt, dass diese Maßnahmen recht
- 17 -
aufwendig seien und nicht immer zu dem gewünschten Ergebnis führten. Die für
die Regelung erforderliche Armbewegungssensorik spreche erst an, wenn die
Bewegung bereits ausgeführt werde, wenn es also schon zu spät sei. Es lasse
sich damit also keine ausreichende Regelgüte erzielen.
Ausgehend hiervon liege der Erfindung die Aufgabe zugrunde, Vorkehrungen und
Verfahrensmaßnahmen zu treffen, um mit einfachen Mitteln eine optimale Mast-
bedämpfung zu ermöglichen (Beschreibung Absatz 3).
2. Diese Aufgabe will das Streitpatent durch ein Erzeugnis mit den Merkmalen
gemäß Patentanspruch 1 lösen. Die Merkmale dieses Anspruchs in der von der
Beklagten mit ihrem Hauptantrag verteidigten Fassung können - entsprechend ei-
nem Vorschlag der Beklagten - wie folgt gegliedert werden:
1.
Großmanipulator für Betonpumpen mit
1.1
einem auf einem Gestell (11) angeordneten, vorzugsweise um eine
vertikale Drehachse (13) drehbaren Mastbock (21),
1.2
einem aus mindestens drei Mastarmen (23 bis 27) zusammengesetz-
ten, als Betonverteilermast ausgebildeten, eine Betonförderleitung
tragenden Knickmast (22),
1.3
die Mastarme (23 bis 27) sind um jeweils horizontale, zueinander pa-
rallele Knickachsen (28 bis 32) paarweise gegenüber dem benach-
barten Mastbock (21) oder Mastarm (28 bis 26) mittels je eines An-
triebsaggregats (34 bis 38) begrenzt verschwenkbar,
1.4
einer vorzugsweise fernbedienbaren Steuereinrichtung (50, 62, 52)
für die Mastbewegung mit Hilfe von den einzelnen Antriebsaggrega-
ten (34 bis 38) zugeordneten Stellgliedern (68 bis 76), und
1.5
Mitteln (82, 84, 86) zur Dämpfung von mechanischen Schwingungen
im Knickmast (22),
1.5.1 am bodenseitigen und stangenseitigen Ende eines jeden An-
triebsaggregats (34 bis 38) ist ein Drucksensor (84, 86) zur
Bestimmung einer von den mechanischen Schwingungen des
- 18 -
betreffenden Mastarms (23 bis 27) abgeleiteten zeitabhängi-
gen Messgröße
(Δp) angeordnet,
1.5.2 jedem Antriebsaggregat (34 bis 38) ist eine den Drucksenso-
ren (84, 86) nachgeordnete, ausgangsseitig an das zugehö-
rige Stellglied (68 bis 76) angeschlossene Auswerteein-
heit (82) zur Erzeugung eines Dämpfungssignals zugeordnet,
1.5.2.a
die Auswerteeinheit (82) enthält einen analogen
oder digitalen Hochpassfilter (90, 92),
1.5.2.b
die Grenzfrequenzen der zu den einzelnen Mast-
armen (23 bis 27) gehörenden Hochpassfil-
ter (90, 92) sind unabhängig voneinander für je-
den Mastarm (23 bis 27) getrennt eingestellt und
etwas niedriger als dessen mechanische Eigen-
frequenz gewählt
3. Zuständiger Durchschnittsfachmann, auf dessen Wissen und Können es
insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitpatents und für die Inter-
pretation des Standes der Technik ankommt, ist im vorliegenden Fall ein Diplom-
ingenieur (TU) der Fachrichtung Maschinenbau mit mehrjähriger Erfahrung in der
Konstruktion und Entwicklung von Antriebs- und Steuerungseinheiten bei Mani-
pulatoren für Betonpumpen bzw. Verteilermasten für Autobetonpumpen, der ent-
weder selbst über ausreichende regelungstechnische Kenntnisse verfügt oder
hierfür einen entsprechend ausgebildeten Steuerungs- und Regelungstechniker zu
Rate zieht.
4. Der Fachmann geht bei der Auslegung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag
von folgendem Verständnis aus:
Die Merkmale 1.1 bis 1.4 definieren einen Großmanipulator für Betonpumpen, der
im Wesentlichen einen aus mindestens drei Mastarmen zusammengesetzten
Knickmast sowie eine Steuereinrichtung für die Mastbewegung aufweist. Dabei
sind die Mastarme über als Hydrozylinder ausgebildete Antriebsaggregate, denen
- 19 -
entsprechende Stellglieder zugeordnet sind, um horizontale Knickachsen ver-
schwenkbar.
Gemäß dem Merkmal 1.5 sind Mittel zur Dämpfung von mechanischen Schwin-
gungen im Knickmast vorgesehen, wobei die zu dämpfenden Schwingungen des
Knickmastes durch dessen konstruktive Gestaltung, die ihn als ein elastisch
schwingungsfähiges System erscheinen lässt, bedingt sind (vgl. Streitpatentschrift,
Beschreibung Spalte 1, Zeilen 20 bis 23).
Die Mittel zur Dämpfung umfassen Drucksensoren am bodenseitigen und am
stangenseitigen Ende eines jeden Hydrozylinders entsprechend Merkmal 1.5.1.
Da die mechanischen Schwingungen des Mastarms bzw. die hieraus resultieren-
den Kräfte zu Druckschwankungen im Hydrozylinder führen, kann aus diesen
Druckschwankungen ein zeitabhängiges, für die Schwingung relevantes Signal
abgeleitet werden.
Des Weiteren ist nach Merkmal 1.5.2 zwischen den Drucksensoren und dem
Stellglied einer jeden Antriebseinheit eine Auswerteeinheit vorgesehen, die aus
dem Signal der Drucksensoren ein Dämpfungssignal erzeugt. Hierzu weist die
Auswerteeinheit einen Hochpassfilter gemäß Merkmal 1.5.2.a auf, dessen Grenz-
frequenz nach Merkmal 1.5.2.b für jeden Mastarm getrennt so eingestellt ist, dass
diese etwas niedriger als dessen mechanische Eigenfrequenz ist. Die Formulie-
rung „etwas niedriger“ wird der Fachmann im vorliegenden Zusammenhang so
verstehen, dass die Grenzfrequenz in einer Weise festgelegt wird, dass durch den
Hochpassfilter Signale mit der Eigenfrequenz sowie m
it „etwas“ unterhalb dieser
Eigenfrequenz, noch im kritischen Bereich liegenden Frequenzen durchgelassen
und bei der Bildung des Dämpfungssignals berücksichtigt werden (s. a. nachfol-
gend unter II.2).
Aus der letzten Merkmalsgruppe ergibt sich somit, dass speziell die aus den Ei-
genschwingungen der einzelnen Mastarme resultierenden Schwingungen ge-
dämpft werden sollen (siehe auch Streitpatentschrift, Beschreibung, Spalte 6,
- 20 -
Zeilen 50 bis 54); in diesem Sinne ist auch das Merkmal 1.5, wonach Schwingun-
gen im Knickmast zu dämpfen sind, zu verstehen.
II.
Die Fassung des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag der Beklagten ist zulässig.
1. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung ist diese Anspruchsfas-
sung
gegenüber
den
ursprünglichen
Anmeldungsunterlagen
(vgl.
WO 2002/025036) nicht unzulässig erweitert.
Dem steht nicht entgegen, dass die Kombination der zusätzlichen Merkmale 1.5.1
(jedes Antriebsaggregat soll am bodenseitigen und am stangenseitigen Ende je-
weils einen Drucksensor aufweisen), 1.5.2.a (zu jedem Mastarm soll ein Hoch-
passfilter gehören) und 1.5.2.b (die Hochpassfilter sollen unabhängig voneinander
für jeden Mastarm getrennt eingestellt sein, und die Grenzfrequenzen der einzel-
nen Hochpassfilter sollen etwas niedriger als die mechanische Eigenfrequenz des
zugehörigen Mastarms gewählt sein) in der ursprünglichen Anmeldung (Seite 8,
Zeilen 9 bis 18), wie auch in den Absätzen 6 und 19 der Streitpatentschrift, in ei-
nem Ausführungsbeispiel im Kontext u. a. mit der Phasenverschiebung und/oder
der Verstärkung bei der Bildung des Dämpfungssignals offenbart sind. Es ist näm-
lich nicht unzulässig, von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels nur
einzelne in den Patentanspruch aufzunehmen. Die beanspruchte Kombination
muss lediglich in ihrer Gesamtheit eine technische Lehre darstellen, die der
Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche Ausgestaltung der Erfin-
dung entnehmen kann, vgl. BGH BlPMZ 1990, 325 - Spleißkammer; BGH
BlPMZ 2014, 363 - Kommunikationskanal (zur Beanspruchung der Priorität); BGH
BlPMZ 2015, 315 - Schleifprodukt. Letzteres ist hier schon deshalb der Fall, weil
es sich bei der Phasenverschiebung und bei der Signalverstärkung um übliche
Maßnahmen handelt, die nicht darauf beschränkt sind, das dynamische Signal aus
einer Druckdifferenz abzuleiten So weiß der Fachmann, dass er das charakteristi-
sche Schwingungssignal auch mit Hilfe anderer Sensoren ermitteln kann und die
- 21 -
vorgenannten Merkmalsgruppen deshalb nicht untrennbar miteinander verknüpft
sind.
2. Der Klägerin kann auch nicht darin gefolgt werden, dass die Formulierung in
Merkmal 1.5.2.b, wonach die Gren
zfrequenz „etwas niedriger als die mechanische
Eigenfrequenz“ gewählt sein solle, unklar und deshalb unzulässig sei. Dies gilt un-
abhängig davon, dass diese Formulierung im konkreten Anwendungsfall der Aus-
legung bedarf (s. o. I.4). Feste Werte können hier nicht vorgegeben werden, da
die geeignete Grenzfrequenz vom individuellen System abhängt. Die durch den
Anspruch 1 vermittelte Lehre ist für einen Durchschnittsfachmann aufgrund seines
Wissens und Könnens ausreichend, um ihn anzuleiten, die Grenzfrequenz so fest-
zulegen, dass die Steuerung einerseits Schwingungen mit unerwünschten
Amplituden unterdrückt, andererseits aber nicht auf Schwingungen niederer Fre-
quenz, die für das betroffene System nur quasistatisch wirken, anspricht.
Unter Berücksichtigung des Hintergrundwissens eines Fachmanns ist die Formu-
lierung somit weder unklar noch unbestimmt, sondern lehrt den Fachmann, wie er
die Grenzfrequenz festzulegen hat, damit die Eigenschwingungen wirksam ge-
dämpft werden. Dies gilt unabhängig davon, ob - wie die Beklagte meint - die
Festlegung der Grenzfrequenz dazu dient, um den zu berücksichtigenden Fre-
quenzbereich zur Reduzierung der Signalvielfalt bzw. des Rechenbedarfs mög-
lichst klein zu halten, wofür sich in der Beschreibung des Streitpatents keine
Stütze findet.
Die von der Klägerin vorgetragene Kritik, wonach
die Angabe „etwas niedriger“ zu
vage sei und keine klare Abgrenzung zum Stand der Technik ermögliche, vermag
jedenfalls nicht durchzugreifen.
III.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist gegenüber dem von der
Klägerin angeführten Stand der Technik als neu anzusehen.
- 22 -
1. Die Offenlegungsschrift NK6
mit dem Titel „Betonpumpe mit Verteilermast“
zeigt z. B. in den Figuren 1 und 2 einen gattungsgemäßen Großmanipulator mit
den Merkmalen 1 bis 1.4. Dabei werden auch verschiedene Mittel zur Dämpfung
bzw. Kompensation von Schwingungen des Knickmasts in Kombination mit einem
schwingungsneutralisierenden Lageregelkreis angeführt (siehe Spalte 2, Zeilen 37
bis 40; Spalte 9, Zeilen 2 bis 8); zur alternativen Bedämpfung der einzelnen Mast-
arme werden außerdem in Spalte 9, Zeilen 46 bis 62, zusätzlich auch Schwin-
gungstilger zur Schwingungsdämpfung der einzelnen Mastarme genannt (Merk-
mal 1.5). Der in NK6 offenbarte Gegenstand weist jedoch nicht die Dämpfungs-
mittel gemäß den Merkmalen 1.5.1 bis 15.2.b auf.
2. In der japanischen Offenlegungsschrift NK10/NK10a wird ein Steuergerät für
einen Mehrgelenkarm vorgeschlagen, mit dem dessen Schwingungen unterdrückt
werden sollen (NK10a, Seite 3, erster Absatz). Aus Figur 1 der Entgegenhaltung
geht zwar eine Gelenkarm-Struktur hervor, die mit dem Knickmast einer Beton-
pumpe vergleichbar ist, jedoch wird eine derartige Anwendung nicht ausdrücklich
genannt, d. h. es fehlen bei NK10/NK10a die anwendungsspezifischen Teilmerk-
male 1 bis 1.4. Ansonsten können dieser Schrift nahezu alle Merkmale 1.5 bis
1.5.2.b entnommen werden.
So werden als Mittel zur Dämpfung der mechanischen Schwingungen der Arme
i. S. d. Merkmalsgruppe 1.5 auf Seite 7, letzter Absatz, Schwingungsunterdrü-
ckungsmittel der Arme
“, konkret eine Zylinderschubkraft-Berechnungsschal-
tung 16, eine Filterschaltung 17 und eine Vergleichsoperations-Steuerschal-
tung 18 angeführt. Dabei werden bei jedem Hydrozylinder die boden- und stan-
genseitigen Drücke gemäß Merkmal 1.5.1 gemessen und daraus eine zeitabhän-
gige Messgröße, z. B. eine Schubkraft f1, ermittelt (vergleiche NK10a, Figur 2
i. V. m. Seite 6, mittleres Drittel, sowie Seite 8, erste Hälfte). Diese Messgröße
wird über eine Filterschaltung 17 (vgl. Figur 3) an eine Steuereinheit 18 (vgl. Fi-
gur 4) ausgegeben, in der das gefilterte Signal mittels einer Koeffizienteneinheit
gewichtet und anschließend als Dämpfungssignal auf die Servosteuerung zur Be-
tätigung der Hydrozylinder aufgeschaltet wird (siehe NK10a, Seite 6, letztes Drit-
- 23 -
tel, bis Seite 8, erstes Viertel). Hervorzuheben ist, dass auf Grundlage der als Zy-
linderschubkraft f1 ff. bezeichneten Signale die Schwingungen der einzelnen Arme
entsprechend dem Merkmal 1.5.2 unterdrückt werden sollen (siehe insbesondere
NK10a, Seite 7, Zeilen 1 bis 2).
Der in NK10, Figur 3, dargestellte Bandpassfilter 17 kann als Kombination von ei-
nem Hochpass- und einem Tiefpassfilter angesehen werden, wobei die linke Seite
einem Hochpassfilter gemäß Merkmal 1.5.2.a entspricht. Bezüglich der Einstellung
des Filters 17 wird in NK10a ab Seite 8, zweite Hälfte, ausgeführt, dass die untere
Grenzfrequenz der Beseitigung der durch die Massenträgheit des System verur-
sachten, quasistatischen Einflüsse dient. Die Einstellung der Tiefpass-Kompo-
nente wird so gewählt, dass zumindest Schwingungsanteile in der Größenordnung
des ersten Modus, d. h. der (ersten) Eigenfrequenz, des Arms berücksichtigt wer-
den (NK10a, Seite 9, zweiter Absatz). Hinsichtlich der Einstellungen der einzelnen,
den jeweiligen Mastarmen zugeordneten Filter wird zudem erwähnt, dass deren
Eckfrequenzen verschieden sein können (NK10a, Seite 8, zweiter Absatz, Mitte).
Letzteres ergibt sich jedoch auch zwangsläufig aus der individuellen Abstimmung
auf die Schwingungsmodi der jeweiligen Arme. Die Einstellung der Hochpassfilter
unterscheidet sich somit vom anspruchsgemäßen Merkmal 1.5.2.b dadurch, dass
in NK10a nicht ausdrücklich angegeben ist, die Grenzfrequenz des Filters etwas
niedriger als die Eigenfrequenz des zugeordneten Mastarms einzustellen.
3. Anders als bei NK10/NK10a werden bei der ebenfalls japanischen
Offenlegungsschrift NK11/NK11a Betonverteiler beispielhaft als Anwendungsge-
biet angeführt, wobei die wesentlichen Merkmale 1.1 bis 1.4 der Figur1 entnehm-
bar sind. NK11 stellt sich die Aufgabe, bei einer mehrgelenkigen Arbeitsmaschine
das Steuersystem so zu optimieren, dass dieses keine unerwünschte Schwingun-
gen verursachenden Oszillationen hervorruft (NK11a, Seite 3, Kapitel C). Hierfür
sind in einem untergeordneten Regelungssystem 57 gemäß Figur 3b Hochpass-
filter 580, 581 und 582 zum Herausnehmen von hochfrequenten Schwingungsan-
teilen (vgl. NK11a, Seite 12, dritter Spiegelstrich) vorgesehen, und auch ansons-
ten sind die baulichen Merkmale gemäß den Merkmalen 1.5.1 bis 1.5.2.a offen-
- 24 -
bart. Jedoch fehlen bei NK11/NK11a Hinweise in Richtung einer streitpatentge-
mäßen Bedämpfung der Mastarme, bei der die Einstellung der Hochpassfilter ge-
mäß Merkmal 1.5.2.b erfolgt.
4. Die deutsche Patentschrift NK5 betrifft allgemein fluidangetriebene
Manipulatoren und Roboter. Es werden dort zwar schwere und große Geräte er-
wähnt (siehe Spalte 1, Zeilen 34 bis 36); Großmanipulatoren für Betonpumpen
gemäß den Merkmalen 1.1 bis 1.4 werden jedoch nicht ausdrücklich genannt. Das
in NK5 beschriebene Verfahren weist zur aktiven Schwingungsbedämpfung zwar
annähernd die in den Merkmalen 1.5 bis 1.5.2a vorgesehenen Mittel auf (vgl. Fi-
gur 2 i. V. m Patentanspruch 1 bzw. Spalte 2, Zeilen 29 bis 38), jedoch geht auch
aus dieser Schrift die anspruchsgemäße Einstellung des Hochpassfilters nicht
hervor (Merkmal 1.5.2.b).
5. Entsprechendes gilt für die weiteren im Verfahren befindlichen Schriften bzw.
Veröffentlichungen NK1, NK2, NK3, NK4, NK7, NK8 und NK9. Diese unterschei-
den sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 in der verteidigten Fassung somit
ebenfalls dadurch, dass sie keinen Großmanipulator für eine Betonpumpe mit
Vorkehrungen zur Schwingungsdämpfung zeigen, bei dem zum Herausfiltern des
Dämpfungssignals ein streitpatentgemäß eingestellter Hochpassfilter verwendet
wird.
IV.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach dem Hauptantrag der Beklagten beruht
jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
1. Als nächstkommender Stand der Technik ist die Offenlegungsschrift NK6
anzusehen, die, wie im Neuheitsvergleich unter III.1 ausgeführt, einen gattungs-
gemäßen Großmanipulator für Betonpumpen offenbart. Dieser Entgegenhaltung
liegt ebenfalls das Problem zugrunde, dass der Mastarm einer derartigen Beton-
pumpe seiner Konstruktion nach ein schwingungsfähiges, zu Eigenschwingungen
- 25 -
anregbares System ist (siehe NK6, Spalte 1, Zeilen 25 bis 30). Durch eine dyna-
mische Beanspruchung kommt es zu Schwingungen mit unerwünschten Auslen-
kungen des Mastarms, die durch einen schwingungsneutralisierenden Lageregel-
kreis kompensiert werden sollen. Dazu wird eine Sensoreinrichtung, die (schwin-
gungs-) kompensierende Ausgangssignale, d. h. Dämpfungssignale, erzeugt, mit
einer Lageregelung, die das Niveau der Mastspitze bezüglich einer ortsfesten
Ebene stabilisiert, kombiniert (siehe NK6, Spalte 1, Zeile 63, bis Spalte 2, Zeile 5,
sowie z. B. Spalte 9, Zeilen 2 bis 8). Der Fachmann entnimmt NK6 weiterhin, dass
die lediglich auf den letzten Mastarm bezogene Regelung bei resonant angeregten
Schwingungen nicht ausreichend sein kann, und dass weitere Mastarme in die
Regelung mit einbezogen werden müssen (siehe NK6, Spalte 9, Zeilen 29 bis 37).
Als alternative Methode wird des Weiteren vorgeschlagen, dass zur Beruhigung
von resonant anregbaren Schwingungen auch Schwingungstilger zur Schwin-
gungsneutralisierung von Eigenschwingungen der jeweiligen Mast-Segmente vor-
gesehen werden können (siehe NK6, Spalte 9, Zeilen 46 bis 62).
2. Der Fachmann war auf Grund des in der Schrift NK6 enthaltenen Hinweises,
wonach die dort beschriebene Schwingungsunterdrückung bei resonant angereg-
ten Schwingungen des Mastarms nicht ausreichend sein kann, zur Suche nach
weitergehenden Lösungen veranlasst, wobei er an die in dieser Entgegenhaltung
aufgeführten Verbesserungsvorschläge nicht gebunden war. Vielmehr wird sich
der Fachmann im Stand der Technik noch nach weiteren alternativen Möglichkei-
ten zur effektiven Dämpfung von strukturbedingten Schwingungen bei Manipulato-
ren umgesehen haben (vgl. auch BGH GRUR 2014, 647, Abs. 25 f. - Farbversor-
gungssystem).
Auf Grund der angesprochenen Problematik stellte hierbei die Entgegenhaltung
NK10/NK10a, die sich ausdrücklich mit der Unterdrückung der Schwingung des
Mehrgelenkarms einer mehrgelenkigen Maschine beschäftigt (siehe NK10a,
Seite 3, erster Absatz), einen für den Fachmann beachtlichen Stand der Technik
dar. Die hierdurch nahegelegte Übertragung der in NK10/NK10a beschriebenen
Maßnahmen zur Schwingungsdämpfung, die, wie beim Neuheitsvergleich unter
- 26 -
Punkt III.2 dargelegt, die Merkmale 1.5 bis 1.5.2.1 beinhalten, auf die in NK6 of-
fenbarte Betonpumpe führt zu einem Gegenstand, dem im Vergleich mit dem von
der Beklagten mit ihrem Hauptantrag verteidigten Anspruchsgegenstand lediglich
die gezielte Einstellung der Grenzfrequenz des Hochpassfilters in Abhängigkeit
von der Eigenfrequenz des zugeordneten Mastarms gemäß Merkmal 1.5.2.b fehlt.
3. Dieser Unterschied vermag nach Ansicht des Senats jedoch keine erfinderi-
sche Tätigkeit zu begründen. Zwar findet sich in den entgegengehaltenen Schrif-
ten kein diesbezüglicher unmittelbarer Hinweis. Vielmehr wird etwa in
NK10/NK10a, Seite 8, zweiter Absatz, zweiter Satz, eine Einstellung des im Breit-
bandfilter enthaltenen Hochpassfilters (s. o. III.2) vorgeschlagen, die darauf ab-
zielt, lediglich die quasistatischen Schwingungsanteile aus dem gemessenen Sig-
nal wegzufiltern. Jedoch wird in dieser Druckschrift darüber hinaus gelehrt, dass
es für die erwünschte Dämpfung der Armschwingungen in erster Linie auf die
Schwingungsanteile mit der (ersten) Eigenfrequenz des Arms ankomme bzw. dass
diese essentiell für die Schwingungsdämpfung seien (siehe NK10a, Seite 8, letzter
Satz, bis Seite 9, dritter Satz). Dem Fachmann ist somit bekannt, dass er die
Grenzfrequenz einerseits so festzulegen hat, dass die unerwünschten quasistati-
schen Signale nicht durchgelassen werden. Andererseits darf die untere Grenz-
frequenz aber nur so hoch angesetzt werden, dass die für die Schwingungs-
dämpfung charakteristischen Schwingungsanteile der (zumindest ersten) Eigen-
frequenz noch sicher erfasst werden, d. h. dass diese etwas niedriger als die Ei-
genfrequenz sind. Insofern sind die beiden Grenzwerte, zwischen denen sich der
Fachmann bewegen kann, vorgegeben, und die Auswahl der geeigneten Grenz-
frequenz liegt in seinem Ermessen. Da in diesem Wertebereich absehbar keine
überraschenden Effekte auftreten, liegt diese Auswahl im Rahmen der Maßnah-
men, die zu ergreifen von einem Durchschnittsfachmann aufgrund seines Wissens
und Könnens erwartet werden kann.
4. Damit gelangt der Fachmann in naheliegender Weise zum Gegenstand des
Anspruchs 1 nach Hauptantrag, so dass dessen Gegenstand nicht patentfähig ist.
- 27 -
Dem steht nicht entgegen, dass - wie die Beklagte meint - die Übertragung der
aus NK10 bekannten Merkmale auf die Betonpumpe gemäß NK6 zu einem Ge-
genstand mit zwei konkurrierenden Systemen führt, weshalb der Fachmann auf
Grund der zu erwartenden Wirkungsgradverschlechterung bzw. wegen des hohen
Abstimmungsaufwands von einer Kombination der beiden Schriften Abstand neh-
men würde. So wird der Fachmann nicht den in NK6 beschriebenen Regelkreis
des letzten Mastarms beibehalten und das Regelungssystem der NK10 lediglich
auf die weiteren Mastarme übertragen. Vielmehr wird er das Regelungssystem der
Druckschrift NK10, mit dem das vorliegende Schwingungsproblem umfassender
gelöst wird, in geeigneter Weise auf alle Mastarme bzw. den gesamten Knickmast
anwenden und entsprechend den Anforderungen bei einer Betonpumpe anpas-
sen. Damit kann es zu der von der Beklagten angeführten Problematik gar nicht
kommen.
V.
Die Fassung des Anspruchs 1 gemäß erstem Hilfsantrag ist ebenso zulässig, je-
doch ebenfalls nicht patentfähig.
1. In dieser Fassung wird den Merkmalen 1 bis 1.5.2.b der Anspruchsfassung
gemäß Hauptantrag folgendes Merkmal hinzugefügt:
1.5.2.c
die Auswerteeinheiten (82) sind eingangsseitig mit der zeitab-
hängigen Messgröße
Δp(t) beaufschlagt, welche die zeitab-
hängige Druckdifferenz
Δp(t) zwischen Boden- und Stangen-
seite des Hydrozylinders ist, die in einem vorgegebenen Zeit-
takt dem Hochpassfilter (90, 92) zugeleitet wird.
2. Nach Meinung der Klägerin folgt die Unzulässigkeit der Anspruchsfassung
daraus, dass in der Streitpatentschrift (Beschreibungsabsatz 19) nur von einer
Implementierung der Schwingungsdämpfung durch Software in einem Microcon-
troller mit digitalem Hochpassfilter die Rede ist, während Anspruch 1 gemäß ers-
- 28 -
tem Hilfsantrag (im Zusammenhang mit Merkmal 1.5.2.a) ausdrücklich die Mög-
lichkeit eröffne, dass es sich bei dem Hochpassfilter um einen analogen Hoch-
passfilter handele. Dem kann nicht zugestimmt werden, weil es für den Fachmann
im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung ist, ob die Steuerung bzw. Regelung in
analoger oder digitaler Technik umgesetzt wird. Dies ergibt sich bereits im Falle
des Hochpassfilters, der entsprechend dem ursprünglich eingereichten und ent-
sprechend dem erteilten Patentanspruch 3 entweder analog oder digital ausge-
führt sein kann. In diesem Sinne wird der Fachmann auch die im Ausführungsbei-
spiel nach Beschreibungsabsatz 19 konkret erwähnte Mikrocontrollersteuerung
lediglich als eine mögliche, hier digitale, Ausgestaltungsvariante sehen, wohlwis-
send, dass auch andere Ausführungsformen möglich sind, ohne den vorliegenden
Erfindungsgedanken zu verlassen.
3. Trotz der Hinzufügung des Merkmals 1.5.2.c beruht der Anspruchsgegenstand
nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Das zusätzliche Merkmal bringt zum Ausdruck, dass die Messgröße
∆p unmittel-
bar aus der Druckdifferenz der gemessenen stangen- und bodenseitigen Drücke,
d. h. ohne weitere Gewichtung, gebildet und in dieser Form der Auswerteein-
heit 82, die auch den Hochpassfilter 90, 92 enthält (Merkmal 1.5.2.a), zugeleitet
wird. Aus dem relevanten Schwingungsanteil wird dann über eine weitere Anpas-
sung in Form einer Phasenverschiebung oder Verstärkung ein geeignetes Dämp-
fungssignal erzeugt (Spalte 2, Zeilen 14 bis 19).
Im Stand der Technik gemäß NK10a (vgl. dortige Figur 2 i. V. m. der Beschrei-
bung auf Seite 8, erster Absatz) sowie z. B. auch gemäß NK5 oder NK11 werden
die gemessenen Drücke zunächst mit den zugehörigen Kolbendruckflächen multi-
pliziert. Hierdurch werden die Zylinderschubkräfte und damit auch die schwin-
gungsbedingten Kräfte quantitativ exakt erfasst.
Da es bei der Ermittlung der auftretenden Schwingungsanteile jedoch in erster Li-
nie auf die Zeitabhängigkeit des Signals ankommt und diese Information bereits
- 29 -
aus den Drucksignalen hervorgeht, stellt die weitere Signalverarbeitung lediglich
eine fachmännische, die praktische Umsetzung betreffende Maßnahme dar. Dies
lässt sich an Hand der Entgegenhaltung NK5 belegen, aus der die wesentliche Er-
kenntnis hervorgeht, dass das Drucksignal die Grundlage für die weiteren Berech-
nungen darstellt (siehe NK5, Spalte 1, Zeilen 47 bis 49). So ist in NK5, Patentan-
spruch 1, von einem
„auf Rückführung der hydraulischen Drucksignale beruhen-
den Dämpfungskreis
“ die Rede; erst im nachfolgenden Anspruch 2 wird als vor-
teilhafte Ausgestaltung die Berechnung der Kräfte über die zugehörigen Kolben-
flächen aufgeführt. Somit lehrt NK5 dem Fachmann, dass primär die Berücksichti-
gung der Drucksignale für die Ableitung eines Dämpfungssignals ausreichend ist.
Dadurch ist das Merkmal 1.5.2.c dem Fachmann nahegelegt.
Zwar ist der Beklagten darin zuzustimmen, dass im Stand der Technik bzw. den
dort beschriebenen Ausführungsbeispielen die Weiterverarbeitung des Drucksig-
nals immer in Verbindung mit der Kraftberechnung offenbart ist, wogegen die pa-
tentgemäße direkte Verwendung des Drucksignals zu einer Vereinfachung und
damit zu einer Einsparung von Rechenkapazität führt. Dieser Schritt bedeutet je-
doch keine Abkehr vom physikalischen Grundansatz, vielmehr stellt er lediglich
eine Vereinfachung dar, bei der es auf die exakte Berechnung der die Druck-
schwankungen verursachenden Kräfte nicht ankommt. Dieser Vorteil der Einspa-
rung eines Berechnungsschritts erscheint jedoch - auch bezogen auf den hier re-
levanten Prioritätstag im Jahr 2000 - unwesentlich. Vergleichbare Multiplikationen
waren bereits Mitte der achtziger Jahre in relevanten Reglern vorgesehen (ver-
gleiche z. B. NK10a, Figur 2; Anmeldetag 4. April 1986) und haben offenbar schon
damals hinsichtlich der Rechenkapazität keine Probleme verursacht. Angesichts
des Fortschritts der Rechenleistung innerhalb eines Zeitraumes von ca. 15 Jahren
bis zum Prioritätszeitpunkt dürfte der durch das Streitpatent erzielte Einsparungs-
effekt bzgl. der Rechenkapazität noch weniger bedeutsam bzw. sogar vernachläs-
sigbar sein. Aus diesem Grunde sind die von der Beklagten vorgetragenen Vor-
teile, die im Übrigen in der Beschreibung des Streitpatents nicht angeführt sind,
nicht entscheidungsrelevant.
- 30 -
VI.
Dagegen kann dem Anspruch 1 in der Fassung des zweiten Hilfsantrags die erfor-
derliche Erfindungshöhe nicht abgesprochen werden.
1. Nach dieser Anspruchsfassung wird den Merkmalen 1. bis 1.5.2.a der mit
Hauptantrag beanspruchten Fassung folgendes Merkmal hinzugefügt:
1.5.2.d
jedem Hochpassfilter (90, 92) ist eine Bewertungs- und
Sicherheitsschaltung oder
–algorithmus (93) zur Einstellung
des für die Schwingungsdämpfung notwendigen Verstär-
kungsgrads und zur Überwachung der Bewegungsgrenzwerte
des jeweiligen Mastarms über eine Anschlagskontrolle nach-
geordnet, die eingangsseitig mit den Ausgangssignalen, näm-
lich den absoluten Druckwerten ps und pb, der beiden Druck-
sensoren (84, 86) beaufschlagt ist.
2. Diese Fassung ist zulässig, wobei das Merkmal 1.5.2.d seine Stütze in den ur-
sprünglichen und in den erteilten Ansprüchen 9 und 10 sowie in der Streitpatent-
schrift, Spalte 6, Zeilen 14 bis 23, bzw. der WO-Offenlegungsschrift, Seite 8, Zei-
len 24 bis 31, findet.
3. Der durch das Merkmal 1.5.2.d ergänzte Anspruchsgegenstand war dem
Fachmann am Prioritätstag durch den vorliegenden Stand der Technik nicht nahe-
gelegt.
Der Klägerin ist zwar insoweit zuzustimmen, als das alleinige Vorsehen einer Be-
wertungs- und Sicherheitsschaltung bzw. eines entsprechenden Algorithmus bei
einem Regelungssystem am Prioritätstag an sich bekannt war und keine erfinderi-
sche Tätigkeit begründen kann. Dabei ist selbstverständlich, dass eine Einstellung
des für die Schwingungsdämpfung notwendigen Verstärkungsgrads vorgegeben
- 31 -
sein muss und auch eine Überwachungseinrichtung im Allgemeinen eine fach-
männische Maßnahme darstellt.
Weder vorbekannt noch naheliegend war es hingegen, im Rahmen einer Sicher-
heits-Überwachungsvorrichtung eine dem Hochpassfilter nachgeordnete An-
schlagskontrolle vorzusehen, die eingangsseitig mit den Ausgangssignalen der
beiden Drucksensoren, d. h. den absoluten Druckwerten ps und pb, beaufschlagt
ist. Dabei werden die Drucksignale, die ursprünglich nur im Hinblick auf die Erzeu-
gung eines Dämpfungssignals ermittelt worden sind, in kombinatorischer Weise
auch zum Erkennen eines Anschlags verwendet.
Dieses Merkmal beruht auf der Erkenntnis, dass der absolute Druckwert beim
bzw. kurz vor dem Anschlagen als Erkennungszeichen für das Anschlagen heran-
gezogen werden kann, da er in dieser Phase signifikant ansteigt. Hierdurch wird
eine Überwachung der Bewegungsgrenzwerte des jeweiligen Mastarms ermög-
licht, wofür es im gesamten vorliegenden Stand der Technik weder einen Hinweis
noch eine Anregung gegeben hat. Aus diesem Grund kann der Gegenstand mit
den Merkmalen 1 bis 1.5.2.a in Verbindung mit Merkmal 1.5.2.d als auf einer er-
finderischen Tätigkeit beruhend angesehen werden.
4. Somit erweist sich Anspruch 1 in der Fassung des zweiten Hilfsantrags der
Beklagten als patentfähig. Die darauf rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 wer-
den von der Bestandskraft des Hauptanspruchs mitgetragen.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 92 Abs. 1 Satz 1
ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG
i. V. m. § 709 ZPO
- 32 -
VIII.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelas-
senen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik
Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und in-
nerhalb
eines
Monats
beim
Bundesgerichtshof,
Herrenstraße
45a,
76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung
des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von
fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert
werden.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung
gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung
eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte
Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Rauch
Küest
Dr. Schnurr
Dr. Großmann
Richter
Pr