Urteil des BPatG vom 17.03.2015

Stand der Technik, Fig, Patentanspruch, Epü

BPatG 253
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
4 Ni 24/13 (EP)
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
17. März 2015
In der Patentnichtigkeitssache
- 2 -
betreffend das europäische Patent 1 006 017
(DE 699 23 281)
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche
Verhandlung vom 17. März 2015 durch den Vorsitzenden Richter Engels sowie
den Richter Dr. agr. Huber, die Richterin Kopacek und die Richter
Dr.-Ing. Dorfschmidt und Dipl.-Ing. Brunn für Recht erkannt:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gegenstand des Nichtigkeitsverfahrens ist das auch mit Wirkung für Deutschland
erteilte
europäische
Patent
EP 1006 017,
deutsches
Aktenzeichen
DE 699 23 281 (Streitpatent), das am 1. Dezember 1999 unter Inanspruchnahme
der britischen Unionspriorität vom 4. Dezember 1998 angemeldet worden ist und
einen „Child safety seat“ („Kinder–Sicherheitssitz“) betrifft. Das Streitpatent um-
fasst 8 Patentansprüche, die teilweise angegriffen sind.
- 3 -
Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch:
1. A child safety seat for a motor vehicle of the type including a
carrying handle (12) a safety harness (26, 28, 29, 30) and com-
prising:
a seat body (10) having
a back portion (16) and
a seat portion (14),
an upper back support (34) mounted on the back por-
tion (16) for movement in a direction towards and away
from the seat portion (14), and
a control means for varying the position of the upper
back support (34) relative to the back portion (16),
characterised by:
drive means coupling the upper back support (34) to the
back portion (16) so that the angle between the upper
back support (34) and the seat portion (14) decreases
as the upper back support (34) moves towards the seat
portion (14).
und in der deutschen Übersetzung:
1. Ein Kindersitz für ein Kraftfahrzeug des Typs, der einen Trage-
griff (12) und ein Sicherheitsgeschirr (26, 28, 29, 30) umfasst,
und umfassend einen Sitzkörper (10) mit einem Rückenab-
schnitt (16)
und
einem
Sitzabschnitt (14),
eine
obere
Rückenstütze (34), welche zur Bewegung in eine Richtung
- 4 -
zum und weg vom Sitzabschnitt (14) auf dem Rückenab-
schnitt (16) montiert ist, und eine Steuereinrichtung zur Variie-
rung der Position der oberen Rückenstütze (34) relativ zum
Rückenabschnitt (16), gekennzeichnet durch eine Antriebsein-
richtung, welche die obere Rückenstütze (34) so an den Rü-
ckenabschnitt (16) koppelt, dass der Winkel zwischen der obe-
ren Rückenstütze (34) und dem Sitzabschnitt (14) abnimmt,
wenn sich die obere Rückenstütze in Richtung zum Sitzab-
schnitt (14) bewegt.
Wegen des Wortlauts der weiteren angegriffenen Ansprüche 3 bis 6 wird auf die
Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin beruft sich auf Dokumente:
Anlage N1 EP 1 006 017 B1 (Streitpatent)
Anlage N2 Übersetzung
der
europäischen
Patentschrift
DE 699 23 281 T2
Anlage N3 US 5 496 092 A
Anlage N4 GB 2 296 655 A
Anlage N5 US 5 810 436 A
Anlage N6 EP 0 545 185 B1
Anlage N7 US 5 115 523 A
Anlage N8 ECE-Regelung Nr. 44/02, 11 ausgewählte Seiten
Anlage N9 EP 1 006 017 A2.
Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin die fehlende Patentfähigkeit der an-
gegriffenen Patentansprüche gemäß Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m.
Art. 138 Abs. 1 a) EPÜ geltend. Patentanspruch 1 sei nicht neu gegenüber der N5
und der N6 und ausgehend von der N5 und der N6 auch naheliegend. Die An-
sprüche 3 bis 6 seien ebenfalls durch den Stand der Technik nahegelegt. In Bezug
auf die Ansprüche 3 und 4 seien nur handwerkliche Maßnahmen erforderlich, be-
- 5 -
züglich Anspruch 5 sei auf die N3 zu verweisen, bezüglich Anspruch 6 auf die N3,
verbunden mit handwerklichen Maßnahmen.
Ergänzend macht die Klägerin geltend, dass die angegriffenen Patentansprüche
gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen Fassung erweitert
(Art. II § 6 Abs. 1 Nr.3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 c) EPÜ) und damit für nichtig zu
erklären sind.
Die Klägerin beantragt,
das Patent EP 1 006 017 (DE 699 23 281) mit Wirkung für die
Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1 und 3
bis 6, soweit die Ansprüche 3 bis 6 nicht direkt oder indirekt auf
Anspruch 2 rückbezogen sind, für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung vom 17. März 2015 hat die Beklagte erklärt, die
neben Anspruch 1 angegriffenen weiteren Patentansprüche 3 bis 6 auch isoliert zu
verteidigen.
Die Beklagte tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und
erachtet das Streitpatent für patentfähig. Die Nichtigkeitsklage sei nicht begründet.
Der geltend gemachte Stand der Technik vermöge den Gegenstand des Streitpa-
tents gemäß der angegriffenen Patentansprüche 1 sowie 3 bis 6 weder neuheits-
schädlich vorwegzunehmen noch nahezulegen. Auch liege die von der Klägerin
behauptete unzulässige Erweiterung des Patentanspruchs 1 nicht vor.
- 6 -
Der Senat hat den Parteien einen frühen gerichtlichen Hinweis nach § 83 Abs. 1
PatG zugeleitet. Auf diesen Hinweis vom 1. August 2014 wird Bezug genommen
(Bl. 238 ff. d. A.).
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen und
auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 17. März 2015 Bezug genom-
men.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Senat konnte nicht feststellen,
dass der Gegenstand des Streitpatents nach Patentanspruch 1 in der verteidigten
erteilten Fassung wegen der von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeits-
gründe der fehlenden Patentfähigkeit nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 IntPatÜG,
§ 138 Abs. 1 Buchst. a, Buchst. c EPÜ sich als nicht bestandsfähig erweist, insbe-
sondere dass die beanspruchte Lehre gegenüber dem Inhalt der Anmeldung un-
zulässig erweitert oder gegenüber dem Stand der Technik nicht neu ist oder nicht
auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
II.
1.
Gegenstand des Streitpatents gemäß Patentschrift EP 1006017 B1 (Anl. N1)
ist ein „Child safety seat“ (Kinder-Sicherheitssitz). Nach Abs. 0001 der deutschen
Übersetzung (Anl. N2) der Streitpatentschrift betrifft der Patentgegenstand einen
Kindersitz für ein Kraftfahrzeug, der einen Sitzkörper mit einem Rückenabschnitt
und einem Sitzabschnitt und ferner eine obere Rückenstütze, welche ihrerseits zur
Bewegung in eine Richtung zum Sitzabschnitt hin und von diesem weg auf dem
- 7 -
Rückenabschnitt montiert ist, und eine Steuereinrichtung zur Variierung der Posi-
tion der oberen Rückenstütze relativ zu dem Rückenabschnitt umfasst.
Ein bekannter Sitz dieses Typs wird durch die US 5 496 092 A (Anl. N3) beschrie-
ben, dessen Sitz- und Rückenabschnitt nach Abs. 0002 jeweils flache Platten
umfassen, so dass keine geeignete Unterstützung für den Rücken eines sehr jun-
gen Kindes bereit gestellt werde. Ein anderer Sitz dieses Typs ist gemäß
Abs. 0003 durch die GB 2 296 655 A (Anl. N4) bekannt geworden, dessen Rü-
ckenlehne einen unteren und einen oberen Abschnitt umfasse, die in einer auf-
wärtsgerichteten Richtung einstellbar seien.
Ein patentgemäßer Kindersitz des oben beschriebenen Typs hat nach den Aus-
führungen gemäß Abs. 0004 eine Antriebseinrichtung, welche die obere Rücken-
stütze derart an den Rückenabschnitt koppelt, dass der Winkel zwischen der obe-
ren Rückenstütze und dem Sitzabschnitt zwangsweise abnimmt, wenn sich die
obere Rückenstütze in Richtung zu dem Sitzabschnitt bewegt.
2.
In der Streitpatentschrift ist zwar keine zu lösende Aufgabe angegeben, je-
doch kann eine objektive Aufgabe
– ähnlich wie dies auch die Klägerin in ihrem
diesbezüglichen Vortrag entwickelt hat
– darin gesehen werden, einen Kindersitz
für ein Kraftfahrzeug zu schaffen, der für Kinder unterschiedlichen Alters und da-
mit unterschiedlicher Größe stets auf einfache Weise in eine optimale und geeig-
nete Sitzposition gebracht werden kann.
3.
Der geltende erteilte Patentanspruch 1, der diese Aufgabe löst, lässt sich auf
der Grundlage der von der Klägerin vorgeschlagenen Merkmalsgliederung in die
folgenden Merkmale gliedern:
1.
Kindersitz für ein Kraftfahrzeug des Typs, der einen Tragegriff (12) und ein
Sicherheitsgeschirr (26, 28, 29, 30) umfasst, und umfassend:
2.1.
einen Sitzkörper (10)
- 8 -
2.1.1.
mit einem Rückenabschnitt (16) und
2.1.2.
einem Sitzabschnitt (14),
2.2.
eine obere Rückenstütze (34),
2.2.1.
welche zur Bewegung in eine Richtung zum und weg vom
Sitzabschnitt (14) auf dem Rückenabschnitt (16) montiert ist,
2.3.
eine Steuereinrichtung
2.3.1.
zur Variierung der Position der oberen Rückenstütze (34)
relativ zum Rückenabschnitt (16), und
2.4.
eine Antriebseinrichtung,
2.4.1.
welche die obere Rückenstütze (34) so an den Rückenab-
schnitt (16) koppelt, dass der Winkel zwischen der oberen
Rückenstütze (34) und dem Sitzabschnitt (14) abnimmt,
wenn sich die obere Rückenstütze in Richtung zum Sitzab-
schnitt (14) bewegt.
4.
Als zuständigen Fachmann zur Lösung der objektiven Aufgabe sieht der Se-
dung und mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung von sicherheitsrelevanten In-
nenausstattungselementen von Kraftfahrzeugen und deren Zubehör.
III.
Den Grundsätzen zu Art. 69 Abs. 1 EPÜ folgend, ist bei der Auslegung eines eu-
ropäischen Patents dieses seinem technischen Sinn nach aufzufassen. Das heißt,
dass der Erfindungsgedanke unter Ermittlung von Aufgabe und Lösung, wie sie
sich aus dem Patent ergeben, zu bestimmen und maßgebend ist, wie der ange-
sprochene Fachmann die Angaben versteht und welche Schlussfolgerung er
hieraus für die erfindungsgemäße Beschaffenheit zieht. Nach dessen maßgebli-
chem Verständnis und einer am Gesamtzusammenhang orientierten Betrachtung
(st. Rspr. vgl. BGH, Urt. v. 18. November 2010, Xa ZR 149/07 = GRUR 2011, 129
– Fentanyl-TTS; Urt. v. 3. Juni 2004, X ZR 82/03 = GRUR 2004, 845 – Drehzahler-
- 9 -
mittlung, m. w. N.) ist zu beurteilen, welche technische Lehre Gegenstand des je-
weiligen Patentanspruchs ist und welchen technischen Sinngehalt den Merkmalen
des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit zukommt (BGH, Urt. v.
12. März 2002, X ZR 168/00
– GRUR 2002, 515, 517 – Schneidmesser I,
m. w. N.). Dabei können in der Beschreibung enthaltene Angaben zur Aufgabe der
Erfindung einen Hinweis auf das richtige Verständnis des Patentanspruchs ent-
halten; sie sind ein Hilfsmittel bei der Ermittlung des objektiven technischen Prob-
lems (BGH, Urt. v. 15. Mai 2012, X ZR 98/09 = GRUR 2012, 803
– Calcipotriol-
Monohydrat), wobei die Patentschrift im Hinblick auf die gebrauchten Begriffe
auch ihr eigenes Lexikon darstellt (BGH, Urt. v. 2. März 1999, X ZR 85/96 =
GRUR 1999, 909
– Spannschraube; Urt. v. 13. April 1999, X ZR 23/97 =
Mitt. 2000, 105, 106
– Extrusionskopf). Ausgehend hiervon legt der Senat dem
erteilten Patentanspruch 1 folgendes Verständnis zu Grunde:
Nach Merkmal 1. ist der Patentgegenstand nach Anspruch 1 in der erteilten Fas-
sung auf einen bestimmten Kindersitz-Typ für ein Kraftfahrzeug gerichtet, welcher
jedenfalls notwendig einen Tragegriff und ein Sicherheitsgeschirr
– dieses soll ein
Kind als Insasse des Sitzkörpers sichern und besteht aus Schultergurten und
weiteren Mitteln (vgl. Abs. 0011 der Beschreibung gem. dt. Übers.)
– umfasst,
d. h. auch noch weitere als die hier bezeichneten Bauelemente aufweisen kann,
wobei jedoch die beschriebenen Elemente (Traggriff, Sicherheitsgeschirr) Teile
des Sitzes sein müssen und nicht anderen Systemen, z. B. solchen des Fahr-
zeugs, angehören dürfen.
Die folgenden Merkmale beschreiben Bauelemente und Einrichtungen, die der in
Rede stehende Kindersitz ebenfalls umfassen soll, also zwingend aufweisen
muss, ohne jedoch darauf beschränkt zu sein.
Zu diesen Bauelementen gehört nach Merkmal 2.1. ein Sitzkörper, der sich in ei-
nen Rückenabschnitt (Merkmal 2.1.1.) und einen Sitzabschnitt (Merkmal 2.1.2.)
gliedert.
- 10 -
Der in Rede stehende Kindersitz soll des Weiteren eine obere Rückenstütze um-
fassen (Merkmal 2.2.). Diese ist nach Merkmal 2.2.1. auf dem Rückabschnitt mon-
tiert (d. h. sie wird von dem Rückenabschnitt getragen) und zwar so, dass sie eine
Bewegung in eine Richtung zum
Sitzabschnitt hin und auch von
diesem weg ausführen kann. Aus
der Angabe des Montageortes der
oberen Rückenstütze, nämlich auf
dem Rückenabschnitt und der
Bezeichnung
der
möglichen
Bewegung der oberen Rücken-
stütze zum Sitzabschnitt hin und
von diesem weg ist für den Fachmann ersichtlich, dass jedenfalls in der oberen
Position der oberen Rücken-
stütze ein hinreichender Abstand
zwischen dem Sitzabschnitt und
der oberen Rückenstütze zur
Gewährleistung eines Verschie-
beweges verbleiben muss. Damit
kann die ursprünglich als Kopf-
und
obere
Rückenstütze
bezeichnete Stütze in eine gewünschte Position geschoben werden (vgl.
Abs. 0015), wobei die jeweiligen Extrempositionen in den Fig. 2 und 4 (Fig. 2 zeigt
oberste Position der oberen Rückenstütze; Fig. 4 zeigt unterste Position der obe-
ren Rückenstütze) dargestellt sind (vgl. auch Abs. 0016). Nach Abs. 0012 beginnt
die obere Rückenstütze bereits im Bereich eines mittleren Kopfstützenab-
schnitts (36) (vgl. auch Fig. 2 und 4). Die obere Rückenstütze stellt damit ein
funktionales Bauteil auf dem Rückenabschnitt des Kindersitzes dar, welche in
seiner obersten Position (vgl. Fig. 2) am obersten Ende des Rückenabschnitts
seinen Anfang nimmt, wie auch aus Fig. 1 und 2 ersichtlich ist. Dieser Umstand
wird durch den Ausdruck „obere Rückenstütze“ zum Ausdruck gebracht und nicht
- 11 -
etwa die Tatsache, dass sie auf dem Rückenabschnitt liegt, was technisch
allerdings ebenfalls zutrifft.
In Merkmal 2.3. wird eine in Abs. 1 der deutschen Übersetzung der Streitpatent-
schrift gemäß Anlage N2 bereits beschriebene Steuereinrichtung gefordert, deren
technische Wirkung in Merkmal 2.3.1. mit einer Variierung der Position der oberen
Rückenstütze relativ zum Rückenabschnitt charakterisiert wird. Diese Variierung,
also Veränderung der Position kann zwar für sich betrachtet grundsätzlich jed-
wede Positionsveränderung der oberen Rückenstütze relativ zum Rückenabschnitt
umfassen, wobei jedoch im Hinblick auf Merkmal 2.2.1. die lineare Verschiebung
auf dem Rückenabschnitt vorrangig angesprochen ist.
Die in Merkmal 2.4. im Beschreibungstext (Abs. 004, N2) genannte Antriebsein-
richtung wird durch das Zusatzmerkmal 2.4.1. ausgebildet, welches die Wirkung
der
– wie auch immer ausgestalteten – Antriebseinrichtung beschreibt. Demnach
koppelt die Antriebseinrichtung die obere Rückenstütze so an den Rückenab-
schnitt, dass der Winkel zwischen der oberen Rückenstütze und dem Sitzabschnitt
abnimmt, wenn sich die obere Rückenstütze in Richtung zum Sitzabschnitt bewegt
(Merkmal 2.4.1.). Ein Hinweis auf eine konkrete technische Umsetzung einer der-
artigen Antriebseinrichtung wird jedoch in dem nicht angegriffenen erteilten An-
spruch 2 gegeben, wonach die Antriebseinrichtung eine Kurvenfläche (76) auf
dem Sitzkörper (10) und ein Kurvenfolgeglied (74) auf der oberen Rücken-
stütze (34) umfasst, so dass sich die in Abs. 0015 beschriebene Funktion einstellt,
die dahin geht, dass die untere Kante (74) des oberen Rückenstützenab-
schnitts (34) als Kurvenfolgeglied dient, welches in eine gekrümmte Oberflä-
che (76) auf dem Sitzkörper (10) eingreift. Damit schwenkt der Bereich der oberen
Rückenstütze in einen stumpferen Winkel zum Sitzabschnitt, wenn die obere Rü-
ckenstütze in Richtung zum Sitzabschnitt hin verschoben wird (vgl. hierzu auch
Fig. 2 i. V. m. Fig. 4). Daher wird insbesondere durch die in Merkmal 2.4.1. be-
schriebenen kinematischen Verhältnisse eine Bewegungsüberlagerung darge-
stellt, die nach dem Auslösen einer zunächst rein linearen translatorischen Bewe-
gung, nämlich der Verschiebung der oberen Rückenstütze zum Sitzabschnitt hin
- 12 -
oder von diesem weg, auch gleichzeitig eine Winkelverstellung zwischen der obe-
ren Rückenstütze und dem Sitzabschnitt, also eine aus der rein linearen Richtung
herausführende zweite Bewegungsrichtung, bewirkt.
Eine verständnismindernde Wirkung kann der Senat in der Tatsache, dass der
Winkel zwischen der oberen Rückenstütze und Sitzabschnitt in Merkmal 2.4.1 als
abnehmend bezeichnet wird, wenn sich die obere Rückenstütze auf den Sitzab-
schnitt hin bewegt, obwohl jedenfalls ein oben auf den Rücken- und Sitzflächen
angelegter Winkel bei dieser Bewegung eigentlich zunimmt (vgl. Fig. 2 i. V. m.
Fig. 4), nicht erkennen. Eine Abnahme des Winkelbetrages bei der genannten
Verschiebung der oberen Rückenstütze zum Sitzabschnitt hin erfolgt zumindest
bei dem durch den oben angelegten Winkel zwangsläufig entstehenden unteren
Beiwinkel, welcher durch die gedachten Geraden, die an der oberen Rückenstütze
und dem Sitzabschnitt angelegt werden, in deren Schnittpunkt gebildet wird. Au-
ßerdem wird der Ort der Winkelanlage im Anspruchswortlaut und auch in der
Zeichnung nicht näher spezifiziert.
Das Merkmal
2.4.1 ist zudem im Hinblick auf den konditionalen Zusatz „wenn sich
die obere Rückenstütze in Richtung zum Sitzabschnitt bewegt“ im Zusammenhang
mit der in Merkmal 2.2.1 beschriebenen Bewegung vom und zum Sitzabschnitt
hin, die auf den Rückenabschnitt abläuft, zu verstehen und zwar derart, dass sich
die obere Rückenstütze nur dann auf dem Rückenabschnitt zum Sitzabschnitt hin
bewegen kann, wenn sie vorher im Abstand zu dem Sitzabschnitt positioniert war.
IV.
Der Senat konnte nicht feststellen, dass der Kindersitz für ein Kraftfahrzeug nach
dem angegriffenen Patentanspruch 1 in erteilter Fassung gemäß Art. 138 Abs. 1
Buchst. c EPÜ unzulässig erweitert ist oder die Voraussetzungen fehlender Pa-
tentfähigkeit nach Art. 54 bis 56 EPÜ erfüllt.
- 13 -
1.
Die dem Streitpatent zugrunde liegende erteilte Fassung des Patentan-
spruchs 1 ist zulässig, insbesondere geht die danach verteidigte Lehre nicht über
den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Der Senat teilt die Sichtweise der Klägerin, welche rügt, dass der die ursprüngli-
chen Unterlagen repräsentierenden Offenlegungsschrift EP 1 006 017 A2
(Anl. N9) die im Streitpatent vorgenommene Typisierung des in Rede stehenden
Kindersitzes i. S.
v. „of the type including a carrying handle (12) [and] a safety har-
ness
(26, 28, 29, 30)“ nicht zu entnehmen sei, nicht.
Dies trifft zum einen deshalb nicht zu, weil in Abs. 0002 - diesen zitiert auch die
Klägerin - der Offenlegungsschrift gemäß Anl.
N9 auf einen „Sitz diesen Typs“
verwiesen wird, der in der US 5 496 092 A offenbart sei. Diese US 5 496 092 A
(Anl. N3) offenbart jedoch bereits einen Kindersitz mit einem Sicherheitsge-
schirr (64, 67a, b; vgl. Fig. 1 bis 3). Noch wesentlich bedeutsamer ist jedoch, dass
gerade ein solcher Sitz Gegenstand der Beschreibung der EP-Offenlegungsschrift
ist (vgl. Abs. 0006 der Anl. N9) und auch in
Fig. 1 der N9 so dargestellt ist. Hinzu kommt,
dass die Offenlegungsschrift ebenso wie die
spätere Patentschrift lediglich ein einziges in vier
Zeichnungsfiguren erklärtes und dargestelltes
Ausführungsbeispiel beschreiben, welches auf
einen Kindersitz mit Tragegriff und Sicherheits-
geschirr gerichtet ist.
Zudem ist es nicht Aufgabe eines Patentanspruchs, im Handel übliche oder vor-
gesehene bzw. vorgeschriebene Typenklassen von technischen Gegenständen zu
beschreiben. Vielmehr sind die für die Charakterisierung und Realisierung einer
gegebenen technischen Lehre notwendigen Mittel im Anspruch anzugeben, wobei
dieser jedenfalls dann nicht als unzulässig erweitert gelten kann, wenn diese Mittel
bereits in den ursprünglichen Unterlagen offenbart waren. Dabei ist nicht nur auf
einen oder mehrere einleitende Sätze der ursprünglichen Offenbarung abzustel-
- 14 -
len, wie die Klägerin vorträgt, sondern auf die Gesamtheit der ursprünglichen Of-
fenbarung, die hier ohnehin nur auf eine einzige technische Ausgestaltungsform
des Erfindungsgedankens gerichtet ist.
Einzig der Begriff „Sicherheitsgeschirr“ („safety harness“) birgt für sich genommen
insoweit eine gewisse Unschärfe in der Offenbarungsfrage, als dieser Begriff in
den ursprünglichen Unterlagen (Anl. N9) so nicht vorkommt. Vielmehr ist hier le-
diglich immer von einem Sicherheits-Kindersitz (child safety seat) die Rede. Aller-
dings ist bei der ursprünglichen Bezeichnung „safety seat“ zu berücksichtigen,
dass sich der Sicherheitsaspekt auf den gesamten Sitz und daher mithin auch auf
die zur Erzeugung einer hohen Sicherheit im Fahrzeug vorrangig notwendigen
Rückhalteelemente für das Kind bezieht. Somit wäre ein Sitz mit allen möglichen
Sicherheitseinrichtungen, der jedoch mit Rückhaltemitteln (Geschirr) für das Kind
ausgestattet wäre, die keinerlei Sicherheitskriterien erfüllen, wohl nach den Geset-
zen der Logik sowie im allgemeinen fachmännischen Verständnis nicht als „Si-
cherheitssitz“ („safety seat“) zu bezeichnen, weil das (Rückhalte-)Geschirr (für das
Kind) hier an der gesamten Sicherheit des Sitzes einen so hohen und bedeutsa-
men Anteil hat.
Ebenfalls unzutreffend ist der Vorhalt, die (ursprünglichen) Ansprüche 5, 6 und 7
würden in Verbindung mit entsprechenden Passagen der Beschreibung
(Abs. 0006 und 0009 der Anl. N9) bis zu drei verschiedene Varianten eines Ge-
schirrs („harness“) wie z. B. Geschirre mit lediglich einem Hüftgurt, Geschirre mit
nur einem Schultergurt oder Gurte, die nicht durch Schlitze in dem Rückenab-
schnitt geführt sind usw. beschreiben. Vielmehr sollen alle diese Ausgestaltungen
in den genannten Unteransprüchen und die zugehörigen erklärenden
Beschreibungspassagen insgesamt lediglich eine einzige Form der Gurtführung
beschreiben bzw. Mittel kennzeichnen, die hierzu notwendig sind, um zu errei-
chen, dass ein Lösen der Sperrmittel als Voraussetzung zum Verschieben der
nicht
mit einem Kind besetzt ist, welches durch das (Rückhalte-)Geschirr gesichert ist.
Wenn nämlich das Gurtsystem (Geschirr) (ordnungsgemäß) um ein Kind gelegt
- 15 -
ist, so dass das Kind dadurch gesichert ist, verhindern derart gespannte Gurte das
Lösen der Sperrmittel, was auch in den genannten Stellen und Ansprüchen der
ursprünglichen Unterlagen bereits zum Ausdruck gebracht wird, insbesondere
auch im Ergebnis im Abs. 0009 der europäischen Offenlegungsschrift gemäß Anl.
N9.
Die Art und Weise der Befestigung des Tragegriffs in Abs. 0006 der ursprüngl. Un-
terlagen nach Anl.
N9 wird beschrieben mit „… a child safety seat comprising a
seat body 10 connected to a handle
12“. Demgemäß „umfasst“ der hier beschrie-
bene Kinder-Sicherheitssitz einen Sitzkörper, der in irgendeiner Weise direkt oder
indirekt, mittelbar oder unmittelbar mit dem Handgriff verbunden ist. Eine Festle-
gung auf die Seitenwände eines Sitzkörpers, wie dies beispielhaft in der (ur-
sprünglichen) Fig. 1 dargestellt sein mag, erzeugt die genannte Beschreibungs-
stelle (Abs. 0006, Zeilen 1 und 2) indes nicht. Ebenso wenig ist die Verbindung
zum Tragegriff unmittelbar auf den Sitzkörper beschränkt. Vielmehr könnte nach
der obigen Formulierung auch ein den Sitzkörper tragendes Gestell mit dem Tra-
gegriff verbunden sein. Die übrigen Merkmale des geltenden erteilten Anspruchs 1
sind in den ursprünglichen Unterlagen ebenfalls offenbart, was von der Klägerin
auch nicht in Zweifel gezogen wurde. Die Ausdrücke „Steuereinrichtung“ (Merk-
mal
2.3.) bzw. „Antriebseinrichtung“ (Merkmal 2.4.) finden sich in den ursprüngli-
chen Unterlagen bereits in den Absätzen 0001 bzw. 0003 der Anl. N9 und deren
Wirkung ist an Hand von kinematischen Abläufen mit konkret dafür notwendigen
Bauteilen beschrieben (vgl. z. B. Abs. 0009 und 0010 der Anl. N9), so dass auch
diese Merkmale dem ursprünglichen Offenbarungsgehalt zuzurechnen sind.
Die übrigen noch angegriffenen Unteransprüche 3 bis 6 sind mit den ursprüngli-
chen Ansprüchen 3 bis 6 wortgleich und daher ebenfalls zulässig, was auch die
Klägerin nicht in Zweifel gezogen hat.
2.
Die Priorität der britischen Voranmeldung GB 9826622 ist zu Recht in An-
spruch genommen worden. Der klägerseitige schriftliche Vortrag, wonach die prio-
ritätsbegründende britische Anmeldung einen gänzlich anderen Erfindungsgegen-
- 16 -
stand als das Streitpatent betreffe, dürfte auf einer Verwechslung der Nummer der
entsprechenden britischen Anmeldung beruhen, die im Klageschriftsatz (S. 4,
Punkt „II. Priorität“) mit 98266232.4 angegeben ist, während das Streitpatent
(Anl. N1 und N2) die Nummer GB 9826622 nennt und in der EP-Akte (ebenfalls)
die GB-Anmeldung mit der Nummer 9826622.4 zu Grunde gelegt wird.
Diese in der EP-Akte befindliche Anmeldung 9826622.4 stimmt mit der Offenba-
rung des Streitpatents bezüglich der Beschreibung des Ausführungsbeispiels bis
auf die letzten Absätze 0015 und 0016 der Streitpatentschrift, die in der britischen
Voranmeldung in einem Absatz (Seite 3, letzter Abs.) verkürzt zusammengefasst
sind, überein. Auch hat die britische Voranmeldung bereits die mit Fig. 1 bis 4 des
Streitpatents identischen Zeichnungen zum Inhalt. Ein anderer Gegenstand wird
durch die „richtige“ Voranmeldung jedenfalls nicht beschrieben, auch nicht durch
die Kürzung des Schlusses der Beschreibung des Ausführungsbeispiels, denn die
Winkelveränderung durch Verschiebung der oberen Rückenstütze findet auch im
letzten Satz auf S. 3 der britischen Voranmeldung ihre Stütze und ist aus den
Zeichnungen (Fig. 2 i. V. m. Fig. 4) ersichtlich.
Zwar ist die Priorität dieser britischen Voranmeldung daher zu Recht in Anspruch
genommen worden, jedoch kommt es im Hinblick auf den von der Klägerin aufge-
botenen Stand der Technik darauf nicht an, denn dessen Zeitrang liegt jeweils vor
dem Prioritätstag.
3.
Die Klägerin vermochte den Senat nicht davon zu überzeugen, dass der
streitpatentgemäße Kindersitz nach dem erteilten Patentanspruch 1 durch den im
Verfahren befindlichen Stand der Technik, insbesondere durch die N5
(US 5 810 436 A) oder die N6 (EP 0 545 185 B1), neuheitsschädlich vorwegge-
nommen ist.
3.1 Durch die Druckschrift N5 ist zwar ein aus einem Kunststoff-
Schalenteil („bu-
cket“) geformter Kindersitz (2), der von einem rohrförmigen Untergestell (3) getra-
gen wird, bekannt geworden (vgl. Fig. 1, 3), wobei dieser Kindersitz mit dem Kraft-
- 17 -
fahrzeugsitz (4) vorzugs-
weise mit dem Automa-
tik-Sicherheitsgurt
des
Kraftfahrzeugs in an sich
bekannter Weise über
sein Untergestell (3) ver-
bunden ist, was jedoch
zeichnerisch nicht darge-
stellt ist (vgl. Sp. 3, Z. 6
bis 16). Allerdings finden
sich in der N5 weder
textliche noch zeichneri-
sche Hinweise auf einen
Tragegriff für den Kindersitz und auch nicht auf ein (Sicherheits-)geschirr zum
Festhalten eines Kindes in der Sitzschale. Vielmehr erfüllen seitlich angeordnete
und nach ein- und auswärts bewegliche Rahmenelemente (40) u. a. auch die
Aufgabe, das Kind jedenfalls dann in der Liegeposition zu halten, wenn der
(gesamte) Schalensitz in die größtmögliche Neigung verbracht worden ist (vgl.
Sp. 6, Z. 49 bis 53). Zwar können die seitlichen Rahmenelemente (40) im
einfachsten Fall auch lediglich aus Metallrohr bestehen (Sp. 5, Z. 51 bis 55), was
jedoch auch aufgepolstert sein kann (Sp. 6, Z. 6 bis 10), jedoch dienen sie
keinesfalls als Tragegriff.
Nach alledem weist der
entgegengehaltene
Kindersitz
gemäß
der
Offenbarung nach N5 weder
einen Tragegriff noch ein
(aus Gurten bestehendes)
Sicherheitsgeschirr auf. Die
von der Klägerin als Beleg
für
das
Vorhandensein
- 18 -
eines Sicherheitsgeschirrs aufgebotenen Textstellen in N5, nämlich Sp. 1, Z. 4, 5
und Sp. 3, Z. 6 bis 16, beschreiben nicht ein Gurtsystem zum sicheren Halt für
Kinder als Insassen des Kindersitzes, sondern die Verbindung des Kindersitzes
selbst über sein Untergestell mit dem Kraftfahrzeugsitz. Der allgemeine Hinwies
auf die maximale Sicherheit bei Unfallereignissen für das Kind gemäß Sp. 1,
Z. 18 ff. vermag ebenfalls nicht ein Sicherheitsgeschirr zu offenbaren. Dem steht
nicht entgegen, dass der marktreife fertige Kindersitz in jedem Fall ein
Haltesystem für die in diesem dann sitzende Kinder aufweisen muss, wie es das
entsprechende UN-Agreement vom 4. Februar 2008 gemäß Anl. N8 vorschreibt.
Zur Offenbarung der N5 gehört ein solches Gurtsystem jedenfalls nicht und die
Entgegenhaltung macht auch keinerlei Andeutungen zu einem derartigen System
an sich und noch viel weniger dazu, ob es sich um ein in den Kindersitz
integriertes System, unabhängig von entsprechenden Einrichtungen des
Fahrzeugs, oder um ein nicht in den Sitz integriertes, von entsprechenden
Einrichtungen des Fahrzeugs abhängiges System (vgl. hierzu Punkt 2.1.3. der N8)
handelt. Selbst wenn der maßgebliche Fachmann vor dem Hintergrund der ihm
bekannten UN-Übereinkunft (N8) bei jeder Beschreibung eines Kindersitzes für
Kraftfahrzeuge irgend ein Sicherheits-
Rückhaltesystem „mitliest“ und zwar auch
dann, wenn ein solches in einer entsprechenden Offenbarung nicht erwähnt oder
angedeutet ist, kann er der Gesamtheit der Offenbarung der N5 nicht einen
Kindersitz entnehmen, der zwingend ein Sicherheitsgeschirr umfasst (also ein
eigenes Geschirr aufweist) und bei dem die Sicherung des Kindes nicht mit
anderen Mitteln, z. B. den Systemen des Fahrzeugs selbst (vgl. auch N8,
Punkt
2.1.3., „non-integral class“) realisiert ist.
Daher wird durch die N5 bereits Merkmal 1. des Anspruchs 1 (vgl.
Merkmalsgliederung nach Punkt 2.) nicht vollumfänglich vorweggenommen, denn
der N5 ist weder ein Tragegriff noch ein zum Kindersitz gehörendes Sicherheits-
geschirr
– ein solches soll der patentgemäße Kindersitz ebenfalls „umfassen“ – zu
entnehmen.
- 19 -
Der Kindersitz nach N5 weist zwar einen Sitzkörper (2) mit einem Rückenabschnitt
(6) und einem Sitzabschnitt (5), wie in den Merkmalen 2.1., 2.1.1. und 2.1.2. gefor-
dert auf.
Eine obere Rückenstütze wie in Merkmal 2.2 beschrieben, welche gemäß Merk-
mal 2.2.1. zur Bewegung in eine Richtung zum und weg vom Sitzabschnitt auf
dem Rückenabschnitt montiert ist, gehört jedoch nicht zum Offenbarungsgehalt
des Dokuments N5. Demzufolge kann die N5 auch keine Steuereinrichtung zur
Positionsvariierung einer derartigen oberen Rückenstütze und keine Antriebsein-
richtung zur winkelverstellbaren Koppelung der oberen Rückenstütze an den Rü-
ckenabschnitt nach den Merkmalsgruppen 2.3. und 2.4. vorweg nehmen.
Zwar weist der Kindersitz nach N5 einen ersten Verstellmechanismus auf, der aus
einer Hauptschraube (15) besteht, mit deren Hilfe die Neigung der gesamten Sitz-
schale (2) über die Betätigung des Drehgriffs (17) von einer eher aufrechten Sitz-
position (Fig. 1) in eine Liegeposition (Fig. 3) überführt werden kann, wobei diese
Neigungsverstellung der gesamten Sitzschale relativ zum feststehenden Unterge-
stell (3) des Kindersitzes erfolgt. Eine Verschiebung einer oberen Rückenstütze
erfolgt damit aber nicht.
Ferner ist ein zweiter Verstellmechanismus vorgesehen, der aus einer Hilfs-
schraube (26) besteht, welche mit der Hauptschraube (15) über ein Stirnzahnrad-
getriebe (29, 30) antriebsmäßig gekoppelt ist (vgl. insbes. Fig. 2). Durch die Zahn-
radkoppelung erfolgt eine gegenläufige Bewegung zur jeweiligen Wirkrichtung der
Hauptschraube. Die Hilfsschraube (26) bewegt ihrerseits eine die eigentliche un-
tere Sitzfläche bildende bewegliche Platte
(33) („sliding plate“) (Fig. 1 bis 3, Sp. 5,
Z. 3, 4), die in der jeweils der Bewegungsrichtung der Hauptschraube entgegen-
gesetzten Richtung bewegt wird. Wenn nun die Hauptschraube (15) in eine solche
Richtung gedreht wird, in der sie den entsprechenden Support (13) des Schalen-
sitzes (2) in eine aufrecht geneigte Position der Sitzschale (2), wie in Fig. 1 darge-
stellt, drückt, vollführt die Hilfsschraube eine lineare Kraftwirkung auf das Ansatz-
stück (32) der beweglichen Platte (33), die in eine Richtung wirkt, welche die
- 20 -
Platte (33) maximal weit zurück zieht, so dass diese nicht mehr über die durch die
Sitzschale (2) vorgegebene Sitzfläche (5) nach vorne übersteht, wie in Fig. 1 er-
sichtlich ist. Mit der verschieblichen Platte (33) ist noch eine Platte (53) für eine
Lendenstütze („lumbar suppport portion“) beweglich (Gelenk 54) gekoppelt (Sp. 4,
Z. 60 ff.). Diese Platte (53) für die Lendenstütze nimmt im Falle der in Fig. 1 dar-
gestellten aufrechten Sitzposition einen relativ steilen Anstellwinkel ein, während
sie durch Verschwenken der Sitzschale (2) in Liegeposition (vgl. Fig. 3) durch Ver-
schiebung der Sitzplatte (33) über das Ende des Sitzabschnitts (5) hinaus vermit-
tels gegenläufiger Bewegung der Hilfsschraube (26) von der nach vorne verscho-
benen Sitzplatte (33) in eine relativ flache Position mitgeschleppt wird, wie aus
Fig. 3 ersichtlich ist. In dieser Liegeposition wird die Sitzfläche einerseits verlän-
gert, während die Lendenstütze (53) gegenüber der Sitzplatte (33) nur noch wenig
geneigt ist (vgl. Sp. 5, Z. 11 bis 42).
Aus Gründen der Vollständigkeit sei noch erwähnt, dass ein weiterer über eine
Hohlwelle auf der Hauptschraube (15) angeordneter Drehmechanismus (50, 51)
zur Verstellung der seitlichen Rahmenteile und Armstützen vorgesehen ist, dessen
technische Ausgestaltung aber für die zu betrachtenden patentgemäßen Funktio-
nen ohne Relevanz ist.
Betrachtet man den Offenbarungsgehalt der N5 unter der Prämisse, dass die zur
Merkmalsgruppe 1. gehörenden zusätzlichen Einrichtungen des Kindersitzes für
ein Kraftfahrzeug, nämlich Tragegriff und Sicherheitsgeschirr, zu den selbstver-
ständlichen Ausstattungsteilen eines Kindersitzes nach N5 zu rechnen sind, ver-
bleiben zum Patentgegenstand die Unterschiede in der Merkmalsgruppe 2.2, denn
bei der Platte (53) gemäß N5 handelt es sich um eine Platte für eine Lenden-
stütze, die an anderer Stelle als die patentgemäße obere Rückenstütze angeord-
net ist. Der wesentlichste Unterschied jedoch liegt in Merkmal 2.2.1., denn bei der
Platte (53) nach N5 liegt keine Montage auf dem Rückenabschnitt vor. Vielmehr
liegt die Platte (53) lediglich an dem Rückenabschnitt (6) an (vgl. Fig. 1 der N5)
und gleitet mit ihren oberen Rand bei Verschiebung der Sitzplatte (33) nach vorne
an dem Rückenabschnitt (6) entlang abwärts, bis sie nahezu eine waagrechte Po-
- 21 -
sition einnimmt (Fig. 3). Somit ist diese Platte (53) nicht in einer Weise auf dem
Rückenabschnitt (6) montiert, die geeignet ist eine Bewegung zum und weg vom
Sitzabschnitt (5) zu ermöglichen, denn hierzu bedürfte es einerseits einer Montage
der Platte (53) auf dem Rückenabschnitt (6) und andererseits eines Abstandes
zum Sitzabschnitt (5), zumindest in der obersten Position (vgl. Fig. 1), um dann
einen Weg zur untersten Position (vgl. Fig. 3) der Platte (53) beschreiben zu kön-
nen. Diese konstruktiven Gegebenheiten finden sich bei der von der Sitzplatte (33)
mitgeschleppten und mit ihrer unteren Kante in jeder Verstellposition an dem Sitz-
abschnitt (5) anliegenden Platte (53) nach der N5 nicht. Damit kennzeichnet der
Stand der Technik nach N5 in Merkmal 2.2.1. ein grundlegend anderes Konstruk-
tionsprinzip als beim Streitpatent. Nach alledem kommt es auch nicht mehr darauf
an, ob das Merkmal 2.4.1., wonach sich eine Winkelveränderung der oberen Rü-
ckenstütze einstellt, wenn diese sich in Richtung zum Sitzabschnitt bewegt, auf die
Positionsveränderung der Platte (53) nach N5 gelesen werden kann, weil eine
Montage der Platte (53) auf dem Rückenabschnitt nicht vorliegt.
Selbst wenn der Leseart der Klägerin in ihrer Gesamtheit gefolgt werden würde,
wonach die als Lordosenstütze gedachte Platte (53) als obere Rückenstütze zu
betrachten wäre, müsste die in N5 ausschließlich offenbarte Koppelung von
Sitzfläche (33) und Stützplatte (53) aufgegeben werden, um die patentgemäß be-
anspruchte andere Lösung nach Merkmal 2.2.1 zu erreichen.
Somit kennzeichnet der Stand der Technik nach N5 bereits eine andere techni-
sche Lösung zur Bewegbarkeit eines als Stütze dienenden Bauteils auf dem Rü-
ckenabschnitt als das Streitpatent gemäß Merkmal 2.2.1. des erteilten Patentan-
spruchs 1.
Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist daher gegenüber dem Stand
der Technik nach N5 neu.
- 22 -
3.2 Die Klägerin stützt ihren Angriff auf die Neuheit des Gegenstandes nach dem
erteilten Patentanspruch 1 in der mündlichen Verhandlung ergänzend noch auf
den Stand der Technik nach N6.
Durch die N6 ist ein Kindersitz für ein Kraftfahrzeug des Typs bekannt geworden,
der einen Tragegriff (18) (Fig. 1) und ein Sicherheitsgeschirr (76, 78) (vgl. hierzu
auch Sp. 1, Z. 19 bis 24) umfasst (Merkmal 1.). Der Sitzkörper (10) umfasst ferner
einen Rückenabschnitt (12) und einen Sitzabschnitt (14) (Merkmale 2.1., 2.1.1.
und 2.1.2.).Der Rückenabschnitt (12) wird dabei von einer Rückenstütze (40)
gebildet, die seitliche Abstützungen (42) für das Kind aufweist.
Betrachtet man die
Rückenstütze (40) in
der Lesart der Kläge-
rin als obere Rü-
ckenstütze im Sinne
des Streitpatents, so
wird zumindest keine
Bewegung
dieser
- 23 -
Rückenstütze (40) in Richtung zum und weg vom Sitzabschnitt (14) in der Weise
offenbart, dass die Rückenstütze (40) auf dem Rückenabschnitt zum Zwecke der
Ausübung dieser Bewegung montiert ist. Vielmehr besteht bei diesem Stand der
Technik die Rückenstütze (40) und der Rückenabschnitt (12) aus einem integralen
Bauteil, welches sich insgesamt durch die außermittig angeordnete Lage eines
Drehgelenks bei einer Verschwenkbewegung in der Liegeposition zum Sitzab-
schnitt hin verschiebt und sich bei Erreichen der maximalen Liegeposition teil-
weise unter dem Sitzabschnitt schiebt (Fig. 3).
Eine zur Bewegung in eine Richtung zum und weg vom Sitzabschnitt auf dem
Rückenabschnitt montierte Rückenstütze i. S. v. Merkmal 2.2.1. des erteilten Pa-
tentanspruchs 1 des Streitpatents lehrt die N6 nicht, denn die Rückenstütze
selbst wenn man diese zu Gunsten der Klägerin als obere Rückenstütze nach
Merkmal 2.2. betrachten würde
– ist bei dem Kindersitz nach N6 nicht zur Bewe-
gung auf einen Rückenabschnitt montiert. Vielmehr wird das genannte Rückenteil
insgesamt bei Verschwenkung gleichzeitig verschoben.
Somit liegt bei dem Gegenstand nach Patentanspruch 1 bereits ab Merkmal 2.2.1.
ein anderes Konstruktionsprinzip vor als bei dem Kindersitz nach N6.
Nach alledem kann auch der Stand der Technik nach N6 dem Gegenstand nach
Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht in neuheitsschädlicher Weise entgegen-
stehen.
4.
Die Klägerin vermochte den Senat auch nicht davon zu überzeugen, dass
sich die Lehre nach dem erteilten Patentanspruch 1 für den Fachmann in nahe
liegender Weise aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik ergab.
Für die Frage der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit ist nach st. Rspr. ent-
scheidend, um welche Leistung der Stand der Technik bereichert wird, was die
Erfindung also gegenüber diesem tatsächlich leistet (BGH GRUR 2009, 382
Olanzipin; GRUR 2009
– Fischbissanzeiger), wobei möglicherweise verschiedene
- 24 -
Ausgangspunkte in Betracht zu ziehen sein können (GRUR 2004, 317
– Pro-
grammartmitteilung) und zu fragen ist, ob der Fachmann Veranlassung hatte, die-
sen Stand der Technik zu ändern.
4.1 Nach Vortrag der Klägerin liege die Lehre von Patentanspruch 1 ausgehend
von der von ihr definierten objektiven Aufgabe, nämlich einen Kindersitz für Kinder
unterschiedlichen Alters und damit unterschiedlicher Größe zu schaffen, der auf
einfache Weise in eine optimale und geeignet Sitzposition zu bringen ist (vgl. auch
Punkt II.2.) und ausgehend von der N5, deren Lehre, eine Rückenstütze zu ver-
wenden, nur noch optimiert werden müsse, dem maßgeblichen Fachmann bereits
nahe.
Die insgesamt in ihrer Neigung verstellbare Sitzschale des Kindersitzes nach N5
vermag einem Fachmann keine Hinweise auf eine auf dem Rückenabschnitt mon-
tierte und in Richtung zum und weg vom Sitzabschnitt auf dem Rückenabschnitt
bewegbare obere Rückenstütze und deren in Patentanspruch 1 beschriebene
Steuer- und Antriebseinrichtung zu geben.
Die im Offenbarungsgehalt der N5 noch enthaltene verschiebliche Sitzplatte mit
der unterschiedliche Neigungswinkel, je nach Position der Sitzplatte einnehmen-
den Lendenstütze vermag keine Anregungen im Hinblick auf eine verschiebliche
obere Rückenstütze zu vermitteln. Die Neigungsverstellung der Platte (53) für die
Lendenstütze dient bei dem Kindersitz nach N5 lediglich dazu, im Falle der Her-
stellung der Liegeposition eine möglichst große und durchgängig möglichst ebene
Sitzfläche bereit zu stellen, die dem Kind eine insgesamt komfortable Liegeposi-
tion bietet. Die Kopplung mit der Neigung der gesamten Sitzschale soll dabei dem
Kind in jeder Lage maximalen Komfort bieten (vgl. Sp. 5, Z. 32 bis 46). Allerdings
befindet sich diese Platte (53) nicht in dem Bereich einer oberen Rückenstütze,
d. h. beginnend im oder nahe des Kopfbereiches des Rückenabschnitts, sondern
– wie aus Fig. 1 und 3 ersichtlich und in Sp. 5, Z. 1 bis 3 beschrieben – im unteren
Bereich des Rückenabschnitts am Übergang zum Sitzabschnitt (vgl. Sp. 5, Z. 1 bis
4: „… thus modifying the angle formed between the said plate 53, which defines
- 25 -
the lower region of the back 6, and the actual sitting part of the seat, formed by the
sliding plate
33“).
Die Ausgestaltung der mit der Verstellung der Sitzneigung der gesamten Sitz-
schale einhergehenden Verschiebbarkeit der Sitzfläche und der mit der verschieb-
baren Sitzfläche gekoppelten Lendenstütze dient bei dem Kindersitz nach N5 dem
Zweck, für jedwede Neigung der Sitzschale eine damit korrespondierende Dimen-
sionierung der Sitzfläche und einen optimalen Winkel zwischen Rücken- und Sitz-
abschnitt automatisch herbei zu führen, um für das Kind in jeder Neigungsposition
ein Maximum an Komfort sicher zu stellen (vgl. Sp. 5, Z. 43 bis 47). Somit dient
die entgegengehaltene Vorrichtung dazu, anders als bei dem patentgemäßen Kin-
dersitz, alle Neigungspositionen der Sitzschale für ein und dasselbe Kind so kom-
fortabel wie möglich auszugestalten.
Für die Anpassung der als Lendenstütze dienenden Stützplatte (53) an die jewei-
lige gewünschte Sitz- bzw. Liegeposition für das Kind bedient sich der Stand der
Technik nach N5 einer anderen technischen Lösung als das Streitpatent, nämlich
der direkten gelenkigen Koppelung der Stützplatte (53) mit einer nach vorne und
hinten verschiebbaren Sitzplatte (33). Einzig die Verstellung der gleitend auf dem
Sitzabschnitt (5) angebrachten, vor und zurück bewegbaren, Sitzplatte (33) zieht
eine Winkelverstellung und Lageveränderung der Lendenstützplatte (53) nach
sich. Um zu der patentgemäßen Lehre der separaten, von der Sitzfläche unab-
hängigen Bewegbarkeit der oberen Rückenstütze auf dem Rückenabschnitt
(Merkmal 2.2.1.) zu gelangen, müsste die Koppelung von Sitzfläche und Stütze
gemäß N5 aufgehoben werden. Die Lendenstützplatte (53) müsste dann an dem
Rückenabschnitt bewegbar montiert werden. Somit wären bereits zwei Schritte
nötig, um die Lendenstützplatte (53) in die Verstellbewegbarkeit gemäß Merk-
mal 2.2.1. des Patentanspruchs 1 zu bringen. Damit wäre aber die Winkelverstel-
lung bei der Verschiebebewegung gemäß Merkmal 2.4.1. noch nicht gelöst. Zu-
dem müsste die Lendenstütze noch zu einer oberen Rückenstütze umgestaltet
werden.
- 26 -
Nachdem die N5 eine grundlegend andere technische Lösung kennzeichnet als
die patentgemäße Lehre nach dem erteilten Patentanspruch 1, kann der Stand der
Technik nach N5 für sich betrachtet einem Fachmann keine Hinweise zum Auffin-
den der patentgemäßen Lehre zu vermitteln.
Auch eignet sich der Stand der Technik nach N5 nicht, um als Ausganspunkt für
fachmännische Überlegungen bezüglich konstruktiver Veränderungen mit dem
Ziel, einen Gegenstand mit dem Merkmalen des Patentanspruchs 1 bereit zu
stellen. Vielmehr wäre die Wahl des Standes der Technik nach N5 als Ausgangs-
punkt zur Erreichung der patentgemäßen Lösung auf Grund seiner anderen tech-
nischen Konzeption das Ergebnis einer unzulässigen rückschauenden Betrach-
tung.
4.2 Ähnlich ist die Sachlage im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß An-
lage N6. Bei diesem verstellbaren Kindersitz ist die Rückenlehne (40) insgesamt
mit der darunter liegenden Stützkonstruktion, also dem Rückenabschnitt, fest ver-
bunden. Eine Bewegbarkeit der Rückenstütze auf dem Rückenabschnitt i. S. v.
Merkmal 2.2.1. ist daher auch hier nicht möglich. Vielmehr bewegt sich die ge-
samte Einheit aus Rückenstütze und Rückenabschnitt bei Neigungsverstellung
des Rückenteils zum Sitzabschnitt (26) oder von diesem weg (vgl. insbes. Fig. 3),
wobei sich das Rückenteil bei Einstellung der Liegeposition teilweise unter den
Sitzabschnitt (26) schiebt. Damit liegt auch bei diesem Stand der Technik ein an-
deres Konstruktionsprinzip zu Grunde als beim Patentgegenstand. Somit kann
auch dieser Stand der Technik weder als Ausgangspunkt zum Auffinden der pa-
tentgemäßen Lehre nach dem erteilten Patentanspruch 1 des Streitpatents Ver-
wendung finden, auch dann nicht, wenn der Klägerin in der Betrachtung der Rü-
ckenlehne (40) als obere Rückenstütze gefolgt werden würde, noch den Patent-
gegenstand dem Fachmann für sich betrachtet in Verbindung mit dessen allge-
meinem Fachwissen nahelegen.
4.3 Nach alledem ist auch eine Zusammenschau des Standes der Technik nach
N6
- 27 -
(N7), die beide übereinstimmend einen Kindersitz mit Tragegriff und Sicherheits-
geschirr und einem Sitzkörper mit einem Rückenabschnitt und einem Sitzabschnitt
nach den Merkmalen 1., 2.1., 2.1.1. und 2.1.2. des Patentgegenstandes nach An-
spruch 1 offenbaren, jedoch keine verschiebliche obere Rückenstütze lehren, nicht
veranlasst. Eine derartige Zusammenschau würde darüber hinaus auch nicht zu
den Merkmalen betreffend die obere Rückenstütze und deren Bewegbarkeit mit-
tels Steuereinrichtung und Antriebseinrichtung (Merkmale 2.2. bis 2.4.1.) führen.
4.4 Die Klägerin hat auch den in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents
in Abs. 0002 und 0003 gewürdigten Stand der Technik US 5 496 092 A (N3) und
GB 2 296 655 A (N4) zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht.
Der gattungsnahe Kindersitz für ein Kraftfahrzeug nach N3 lässt zwar einen Tra-
gegriff nicht erkennen, jedoch ist er mit einem Sicherheitsgeschirr (64, 67a, 67b)
versehen (Fig. 1 bis 3). Der Kindersitz
nach N3 weist einen Sitzkörper (15) mit
einem Rückenabschnitt (20) und einem
Sitzabschnitt (50) auf, wie in den patent-
gemäßen
Merkmalen 2.1.,
2.1.1.
und 2.1.2. gefordert wird. Darüber hinaus
umfasst dieser Kindersitz auch eine obere
Rückenstütze (42) (Merkmal 2.2.), welche
zur Bewegung in eine Richtung zum und
weg vom Sitzabschnitt (50) auf dem Rü-
ckenabschnitt (20) montiert ist (Merk-
mal 2.2.1.). Eine Steuereinrichtung (36,
37, 46) zur Variierung der Position der oberen Rückenstütze (42) relativ zu dem
Rückenabschnitt (20) ist ebenfalls vorgesehen, so dass auch die Merkmale 2.3
und 2.3.1. des geltenden erteilten Anspruchs 1 durch den Stand der Technik nach
N3 vorweggenommen werden.
Die Zielsetzung des technischen Handelns nach N3 stimmt dabei mit der
patentgemäßen objektiven Aufgabenstellung jedenfalls insoweit überein, als ein
- 28 -
Kindersitz für Kinder unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Größe bereit
gestellt werden soll, der sowohl für größere als auch für kleinere Kinder in eine
geeignete Sitzposition gebracht werden kann (vgl. Sp. 3, Z. 7 bis 28 und Sp. 5,
Z. 46 bis Sp. 6, Z. 23 der N3). Damit wird durch die N3 ein dem patentgemäßen
Kindersitz insoweit nahe kommender Stand der Technik offenbart, als dieser als
Ausganspunkt für die Frage der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit Verwen-
dung finden könnte.
Der patentgemäße Kindersitz nach dem geltenden erteilten Anspruch 1
unterscheidet sich vom Stand der Technik nach N3 außer durch seinen Tragegriff
(Teil des Merkmals 1.) noch durch seine Antriebseinrichtung, welche die obere
Rückenstütze so an den Rückenabschnitt koppelt, dass der Winkel zwischen der
oberen Rückenstütze und dem Sitzabschnitt abnimmt, wenn sich die obere Rü-
ckenstütze in Richtung zum Sitzabschnitt bewegt (Merkmale 2.4 und 2.4.1.). Mittel
zur winkelverstellenden Auslenkung der lediglich in einer Ebene verschieblichen
oberen Rückenstütze (42) sind beim Stand der Technik nach N3 nicht vorgese-
hen. Eine Antriebseinrichtung mit den Merkmalen 2.4. und 2.4.1. ist nicht Gegen-
stand der N3 und kann von dieser daher weder vorweg genommen werden noch
nahe gelegt werden.
Soweit die Klägerin argumentiert, dass die bei N3 nicht vorhandenen Merk-
male 2.4 und 2.4.1. durch eine Zusammenschau mit N5 ergänzt werden könnten,
so dass ein Fachmann hierdurch zum Gegenstand des Streitpatents nach dem
geltenden erteilten Anspruch 1 gelange, ist dieser Vortrag deshalb unzutreffend,
weil die N5 nicht das Zusammenwirken einer auf dem Rückenabschnitt verschieb-
lichen oberen Rückenstütze gemäß Merkmal 2.2.1. mit einer nach den Merkma-
len 2.4. und 2.4.1. arbeitenden Antriebseinrichtung offenbart und die technischen
Maßnahmen nach N5 einem anderen Konstruktionsprinzip angehören und einer
anderen Zielsetzung als der Anpassung des Sitzes an Kinder unterschiedlicher
Größe dienen (vgl. hierzu die Ausführungen zu N5 in Punkt IV.4.1), so dass eine
diesbezügliche Zusammenschau lediglich das Ergebnis einer unzulässigen
„ex post“-Betrachtung wäre, der es an der erforderlichen fachmännischen Veran-
- 29 -
lassung fehlen würde. Gleiches gilt auch für eine Zusammenschau von N3 mit N6,
denn auch die N6 arbeitet mit einem anderen Konstruktionsprinzip, welches zur
Weiterbildung der Maßnahmen nach Merkmal 2.2.1. nicht geeignet ist.
Ergänzend hierzu sei noch die N4 abgehandelt, die ebenfalls (wie die N3) einen
Kindersitz mit Sicherheitsgeschirr, jedoch ohne Tragegriff, mit insoweit exakt den
Merkmalen 2.1. bis 2.3.1. wie auch der Stand der Technik nach N3 offenbart. Für
eine Zusammenschau mit N5 bzw. N6
– hierzu hat die Klägerin im Einzelnen nicht
mehr vorgetragen
– ergäbe sich daher keine andere Sichtweise als zu der oben
dargestellten Kombination von N3 mit N5 bzw. N6.
5.
Die Unteransprüche 3 bis 6, soweit die Klägerin diese angegriffen hat, wer-
den von der Bestandskraft des Patentanspruchs 1 mitgetragen. Die Klage war
deshalb insgesamt abzuweisen.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO; die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m.
§ 709 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.
Die Berufungsschrift muss von einer in der Bundesrepublik Deutschland zugelas-
senen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der Bundesrepublik
Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und
innerhalb
eines
Monats
beim
Bundesgerichtshof,
Herrenstraße 45a,
76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung
- 30 -
des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von
fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufungsfrist kann nicht verlängert wer-
den.
Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung
gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung
eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte
Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Engels
Dr. Huber
Kopacek
Dr. Dorfschmidt
Brunn
Pr