Urteil des BPatG vom 12.02.2015

Anschlussbeschwerde, Hauptsache, Zustellung, Gebrauchsmuster

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
35 W (pat) 427/12
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
- 2 -
betreffend das Gebrauchsmuster 202 20 352
(hier: Kostengrundentscheidung nach § 91a ZPO)
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentge-
richts am 12. Februar 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Werner
sowie der Richter Dr.-Ing. Fritze und Dipl.-Ing. Wiegele
beschlossen:
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzenzügen werden ge-
geneinander aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin)
ist Inhaberin des Gebrauchsmusters 202 20 352 (im Folgenden: Streitgebrauchs-
muster) mit der Bezeichnung
„Vorrichtung zum Bearbeiten von Werkstücken“,
- 3 -
das unter Inanspruchnahme des 31. Oktober 2002 als Anmeldetag der Deutschen
Patentanmeldung 102 50 662 angemeldet und am 15. Mai 2003 in das Ge-
brauchsmuster-Register eingetragen worden ist.
Gegen
das
Streitgebrauchsmuster
hatte
bereits
die
E
GmbH
in
E
1…, im April 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt
(DPMA) Löschungsantrag gestellt mit der Begründung, das Streitgebrauchsmuster
sei nicht schutzfähig i. S. v. §§ 1
– 3 GebrMG. Das Verfahren wurde beim DPMA
unter dem Aktenzeichen LÖ I 64/05 geführt. Mit Beschluss vom 26. März 2007 hat
die Gebrauchsmusterabteilung I das Streitgebrauchsmuster teilweise gelöscht,
nämlich insoweit, als es über Schutzanspruch 1 des Hilfsantrages 8 der
- damaligen und jetzigen
– Antragsgegnerin und die darauf rückbezogenen einge-
tragenen Schutzansprüche 2, 4 bis 7 und 9 bis 25 hinausging. Dagegen hat die
Antragsgegnerin Beschwerde zum Bundespatentgericht eingelegt. Hierauf hat die
E
GmbH
in
E1…,
unselbständige
Anschlussbe-
schwerde erhoben. Dieses frühere patentgerichtliche Beschwerdeverfahren hat
das Aktenzeichen 35 W (pat) 432/07. Am Schluss der mündlichen Verhandlung
vom 24. März 2009 hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) be-
schlossen und verkündet, dass auf die Anschlussbeschwerde der E
GmbH
in E
1…,
hin
das
Streitgebrauchsmuster
in
vollem Umfang gelöscht werde. Daraufhin hat die Antragsgegnerin ihre (damalige)
Beschwerde zurückgenommen, was der 35. Senat mit Beschluss vom
1. Februar 2010 als wirksam anerkannt hat mit der Folge, dass die mit dem Be-
schluss der Gebrauchsmusterabteilung I vom 26. März 2007 beschlossene Teillö-
schung des Streitgebrauchsmusters bestandskräftig geworden ist.
Dadurch bekam das Streitgebrauchsmuster folgende veränderte Fassung. Der
neue Schutzanspruch 1 lautete:
„1. Vorrichtung zum Bearbeiten eines band- oder plattenförmi-
gen metallischen Werkstücks, insbesondere zum Entfernen der
- 4 -
Oxidschicht von Schnittflächen und/oder Schnittkanten des Werk-
stücks,
dadurch gekennzeichnet,
dass wenigstens zwei jeweils mit wenigstens einer Bürste verse-
hene, umlaufende Fördereinrichtungen vorgesehen sind, wobei
die Fördereinrichtungen die jeweils wenigstens eine Bürste schräg
bzw. quer zur Vorschubrichtung des Werkstücks im Bereich des
zu bearbeitenden Werkstücks wenigstens annähernd linear vor-
beiführen, wobei das Werkstück derart durchführbar ist, dass die
wenigstens zwei Fördereinrichtungen mit den zugeordneten
Bürsten zu dem Werkstück gegenüberliegend und in Durchlauf-
richtung des Werkstücks um 10 bis 100 mm versetzt zueinander
angeordnet sind.“
Außerdem galten nur noch die eingetragenen Schutzansprüche 2, 4 bis 7 und 9
bis 25, insoweit sie auf den neuen Schutzanspruch 1 zurückbezogen waren.
Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2010 hat auch der Antragsteller und Beschwerdefüh-
rer (im Folgenden: Antragsteller) die Löschung des Streitgebrauchsmusters wegen
fehlender Schutzfähigkeit beantragt. Dem hat die Antragsgegnerin rechtzeitig wi-
dersprochen.
Der Antragsteller war im Zeitpunkt seiner Antragstellung Mitgesellschafter und
Mitgeschäftsführer
der
E
GmbH
in
E1….
In
beide
Stellungen war er erst eingetreten, nachdem in dem früheren Löschungsverfahren
gegen
das
Streitgebrauchsmuster,
das
die
E
GmbH
beim
DPMA betrieben hat, die Beschwerdefrist abgelaufen war.
In der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung I am
29. März 2012 hat die Antragsgegnerin die Zurückweisung des Löschungsantra-
- 5 -
ges beantragt, hilfsweise hat sie das Streitgebrauchsmuster in der jeweiligen
Fassung nach den Hilfsanträgen 1) und 2) verteidigt, die sie in der mündlichen
Verhandlung vorgelegt hatte.
Schutzanspruch 1 nach dem Hilfsantrag 1 der Antragsgegnerin lautete:
„1. Vorrichtung zum Bearbeiten eines band- oder plattenförmi-
gen metallischen Werkstücks, insbesondere zum Entfernen
der Oxidschicht von Schnittflächen und/oder Schnittkanten
des Werkstücks,
dadurch gekennzeichnet,
dass wenigstens zwei jeweils mit wenigstens einer Bürste
versehene, umlaufende Fördereinrichtungen vorgesehen
sind, wobei die Fördereinrichtungen die jeweils wenigstens
eine Bürste schräg bzw. quer zur Vorschubrichtung des
Werkstücks im Bereich des zu bearbeitenden Werkstücks
wenigstens annähernd linear vorbeiführen, wobei das Werk-
stück derart durchführbar ist, dass die wenigstens zwei För-
dereinrichtungen mit den zugeordneten Bürsten zu dem
Werkstück gegenüberliegend und in Durchlaufrichtung des
Werkstücks um 10 bis 100 mm versetzt zueinander ange-
ordnet sind.“
Diese Fassung weicht von der letzten geltenden Fassung von Schutzanspruch 1
des Streitgebrauchsmusters nur durch die vorstehend gekennzeichneten Strei-
chungen
des Wortes „wenigstens“ ab.
Anders als im Streitgebrauchsmuster in der Fassung bei Einreichung des Lö-
schungsantrages sollten zusammen mit diesem neuen Schutzanspruch 1 die ab-
- 6 -
hängigen Schutzansprüche 7 und 9 gelöscht werden. Danach hätten nur noch die
abhängigen Schutzansprüche 2, 4 bis 6 und 10 bis 25 gegolten.
Mit auf den 25. April 2012 datiertem Beschluss, der den Verfahrensbeteiligten auf
die mündliche Verhandlung vom 29. März 2012 hin an Verkündungs Statt zuge-
stellt worden ist, hat die Gebrauchsmusterabteilung das Streitgebrauchsmuster
gelöscht, soweit es über den Hilfsantrag 1 der Antragsgegnerin vom
29. März 2012 hinausging. Die Kosten des patentamtlichen Verfahrens wurden
gegen einander aufgehoben.
Diese Entscheidung hat die Gebrauchsmusterabteilung I im Wesentlichen wie folgt
begründet: Der Löschungsantrag sei zulässig. Das bestandskräftige Resultat des
früheren
Löschungsverfahrens,
das
die
E
GmbH
in E1… gegen das Streitgebrauchsmuster geführt hat, stünde dem
Löschungsantrag nicht als Verfahrenshindernis entgegen. Auf den Antragsteller
träfen auch nicht die Voraussetzungen zu, unter denen ausnahmsweise ein von
einem sogenannten Strohmann geführtes Löschungsverfahren unzulässig sei.
Schutzanspruch 1 nach dem Hauptantrag der Antragsgegnerin, der auf eine Ver-
teidigung des Streitgebrauchsmusters in der zuletzt geltenden Fassung gerichtet
war, hat die Gebrauchsmusterabteilung als unzulässig erweitert und deswegen als
nicht schutzfähig angesehen. Dagegen hat die Gebrauchsmusterabteilung I den
Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nach Hilfsantrag 1 der Antragsgegnerin
vom 29. März 2012 als zulässig, neu und erfinderisch angesehen und hat den Lö-
schungsantrag des Antragstellers im Umfang dieses Hilfsantrages zurückgewie-
sen.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller im Mai 2012 Beschwerde eingelegt
mit dem Ziel, über den angegriffenen Beschluss hinaus eine vollständige Lö-
schung des Streitgebrauchsmusters zu erreichen.
- 7 -
Der Antragsteller meint, die Gebrauchsmusterabteilung sei bei ihrer Entscheidung
in der Sache an die Entscheidung gebunden gewesen, die der Senat in dem
früheren Löschungsverfahren nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom
25. März 2009 im Beschwerdeverfahren verkündet hatte und die auf eine vollstän-
dige Löschung des Streitgebrauchsmusters gerichtet war. Das sei für Rechts-
sicherheit und Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich gewesen. Es sei
nicht nachvollziehbar, wie dasselbe Schutzrecht einmal vom Bundespatentgericht
als vollständig löschungsreif beurteilt werden und danach vom DPMA in seinem
Bestand weitgehend bestätigt werden könnte.
Der Antragsteller hält das Streitgebrauchsmuster auch in der Fassung nach Hilfs-
antrag 1 der Antragsgegnerin aus der mündlichen Verhandlung vor der Ge-
brauchsmusterabteilung am 29. März 2012 für dadurch i. S. v. § 15 Abs. 1 Nr. 3
GebrMG unzulässig erweitert, dass
der Ausdruck „Hauptflächen“ nicht mit in den
Anspruch 1 aufgenommen wurde und sich außerdem der von 10
bis 100 mm nunmehr nicht auf die bezieht.
Im Übrigen sei das Streitgebrauchsmuster in Ansehung des in das Verfahren ein-
A5
nicht schutzfähig i. S. v. §§ 1
– 3 GebrMG.
Diesem Vortrag des Antragstellers hätte der Antrag entsprochen,
den auf den 25. April 2012 datierten Beschluss der Gebrauchs-
musterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts inso-
weit aufzuheben, als darin der Löschungsantrag des Antragstel-
lers teilweise zurückgewiesen worden war, und die vollständige
Löschung des Streitgebrauchsmusters anzuordnen.
Die Antragsgegnerin hat ihrerseits Anschlussbeschwerde erhoben mit dem Ziel,
den angegriffenen Beschluss rückgängig zu machen und so den Fortbestand des
- 8 -
Streitgebrauchsmusters in der Fassung zu erreichen, die es bei Einreichung des
Löschungsantrages hatte. Dementsprechend hat sie sinngemäß beantragt,
A)
im Zuge ihrer Anschlussbeschwerde:
den auf den 25. April 2012 datierten Beschluss der Ge-
brauchsmusterabteilung I aufzuheben und den Löschungs-
antrag als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
den Löschungsantrag als unbegründet zurückzuweisen.
B)
gegenüber der Beschwerde des Antragstellers:
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin hält den Löschungsantrag für unzulässig, weil sie meint, dass
der Antragsteller als Mitgeschäftsführer und Mitgesellschafter der E
GmbH
in
E1…,
das
Ergebnis
des
von
dieser
Gesell-
schaft in der Vergangenheit betriebenen und bestandskräftig abgeschlossenen
Löschungsverfahrens gegen sich gelten lassen müsse. Außerdem handele der
Antragsteller
ausschließlich
als
Strohmann
der
E
GmbH
und
in deren Interessen. Eigene, für die Frage der Zulässigkeit seines Löschungsan-
trages ins Gewicht fallende Interessen hätte der Antragsteller dagegen nicht.
In der Sache hält die Antragsgegnerin den Löschungsantrag für von Anfang an
unbegründet, weil sie meint, dass das Streitgebrauchsmuster in vollem Umfang
zulässig und schutzfähig sei. Das begründet auch ihren Antrag, die Beschwerde
zurückzuweisen.
- 9 -
Folgende Druckschriften befanden sich im Verfahren:
L3)
L4)
L5)
… GmbH
L6)
… GmbH
L7)
L8)
L9)
L10)
… an die Fa. … GmbH
L11)
L12)
L13)
A5)
Mit Wirkung vom 1. November 2012 ist das Streitgebrauchsmuster mit Ablauf der
zehnjährigen Laufzeit erloschen.
Mit Schreiben vom 11. Dezember 2012 hat der gesetzliche Vertreter der
Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller erklärt, gegen ihn persönlich keine
Ansprüche aus dem Streitgebrauchsmuster geltend zu machen. Mit anwaltlichem
Schreiben vom selben Tage hat die Antragsgegnerin dem Gericht eine Kopie des
vorgenannten Schreibens ihres gesetzlichen Vertreters übersandt und gleichzeitig
darum gebeten, bei einer Kostenentscheidung die Anträge der Antragsgegnerin,
gegebenenfalls
auch
deren
Hilfsanträge
aus
deren
Schriftsatz
vom
10. Dezember 2012, zu berücksichtigen.
Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2013 hat der Antragsteller das Löschungsverfahren
in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dieser Schriftsatz ist der Antragsgegnerin
gegen Empfangsbekenntnis am 30. Januar 2013 mit dem Hinweis zugestellt wor-
den, dass der Senat nach § 91a Abs. 1 ZPO verfahren werde, wenn die Antrags-
- 10 -
gegnerin der Erledigungserklärung der Antragsteller nicht binnen 2 Wochen wider-
spräche. Auf diese Zustellung hin hat sich die Antragsgegnerin verschwiegen.
Für die weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Verfah-
rensakten in beiden Rechtszügen.
II.
1.
Das Löschungsverfahren ist in der Hauptsache erledigt, § 91a Abs. 1 ZPO.
Die Erledigungserklärung des Antragstellers vom 24. Januar 2013 ist der Antrags-
gegnerin ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am 30. Januar 2013 zugestellt
worden zusammen mit der Mitteilung, dass der Senat nach § 91a Abs. 1 ZPO
verfahren würde, wenn die Antragsgegnerin der Erledigungserklärung nicht binnen
2 Wochen nach Zustellung widerspräche, § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO. Auf diese Zu-
stellung hin hat sich die Antragsgegnerin verschwiegen. Auf diese Weise hat sich
das Löschungsverfahren in der Hauptsache erledigt.
2.
Bei dieser Verfahrenslage ist jetzt nur noch gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 Ge-
brMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO über die Kosten
des Verfahrens zu entscheiden. Diese Entscheidung bezieht sich auf die Kosten
des gesamten Rechtsstreits, also beider Rechtszüge (vgl. Hüßtege in
Thomas/Putzo, ZPO, 35. Auflage, 2014, § 91a Rdnr. 30).
Die Kostenentscheidung ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen. Danach sind die Kosten des Lö-
schungsverfahrens in beiden Rechtszügen gemäß §§ 91a Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO
i. V. m. § 18 Abs. 1 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 PatG gegeneinander auf-
zuheben, weil der Senat voraussichtlich sowohl die Anschlussbeschwerde als
auch die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen hätte. Damit wäre der an-
- 11 -
gegriffene Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung bestätigt worden mit dem
Ergebnis, dass der ursprüngliche, auf eine vollständige Löschung des Streitge-
brauchsmusters gerichtete Löschungsantrag nur zu einer Teillöschung geführt
hätte, mit der eine unzulässige Erweiterung in Schutzanspruch 1 beseitigt und die
abhängigen Schutzansprüche 7 und 9 gelöscht worden wären. Der weitergehende
Löschungsantrag wäre zurückgewiesen worden. Dieses Ergebnis hätte im Ver-
gleich zur zuletzt geltenden Fassung des Streitgebrauchsmusters dessen etwa
hälftige Teillöschung bedeutet, was zu dem Kostenausspruch nach § 92 Abs. 1
ZPO geführt hat.
3.
Mit Rücksicht auf die wirksame, unselbständige Anschlussbeschwerde der
Antragsgegnerin ist die teilweise Löschung des Streitgebrauchsmusters, die die
Gebrauchsmusterabteilung I in dem angegriffenen Beschluss angeordnet hat,
nicht bestandskräftig geworden. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bis zum
Eintritt der Erledigung des Löschungsverfahrens in der Hauptsache war daher das
Streitgebrauchsmuster in seiner bei Einleitung des Löschungsverfahrens gelten-
den Fassung, die es durch das frühere Löschungsverfahren (mit den Aktenzei-
chen LÖ 64/05 bzw. 35 W (pat) 432/07) erhalten hatte.
Der Antragsteller irrt, wenn er in seinem Schriftsatz vom 24. Januar 2013 meint,
dass mit der Erledigung des Löschungsverfahrens in der Hauptsache die An-
schlussbeschwerde der Antragsgegnerin in Wegfall käme und bei der nach § 91a
Abs. 1 Satz 1 ZPO noch ausstehenden Kostengrundentscheidung nicht zu be-
rücksichtigen sei. Gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist bei Erledigung eines Ver-
fahrens in der Hauptsache für die Kostengrundentscheidung
auf den „bisherigen
Sach-
und Streitstand“ abzustellen. Den Ausschlag gibt der ohne die Erledigung
zu erwartende Verfahrensausgang (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO, 29. Auflage 2012,
§ 91a Rdnr. 24). Dafür kommt es auch auf die Antragslage im Zeitpunkt der Erle-
digung an. Zu einem Wegfall der Anschlussbeschwerde hätte es nur durch deren
Rücknahme durch die Antragsgegnerin oder in analoger Anwendung von § 567
- 12 -
Abs. 3 Satz 2 ZPO durch die Rücknahme der Beschwerde durch den Antragsteller
kommen können. Keine dieser Voraussetzungen war hier erfüllt.
4.
Der zuständige Fachmann, auf dessen Wissen und Können es insbe-
sondere für die Auslegung der Merkmale des Streitgebrauchsmusters und für die
Beurteilung des Standes der Technik angekommen wäre, wäre nach Auffassung
des Senats ein Dipl.-Ing. (FH) bzw. Bachelor der Fachrichtung Fertigungstechnik
gewesen mit Erfahrung in der Konstruktion von Bearbeitungsmaschinen,
insbesondere von Metallbearbeitungsmaschinen zum Entgraten und Schleifen mit
Bürsten.
5.
Die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin wäre voraussichtlich
zurückgewiesen worden, weil der Löschungsantrag des Antragstellers zulässig
und das Streitgebrauchsmuster in der Fassung, die es zu Beginn des Löschungs-
verfahrens hatte, wegen einer unzulässigen Erweiterung i. S. v. § 15 Abs. 1 Nr. 3
GebrMG löschungsreif war.
5.1
Der Löschungsantrag des Antragstellers war zulässig. Unabhängig davon,
ob das von dem Antragsteller betriebene Löschungsverfahren auch im Interesse
der
E
GmbH
in
E1…,
lag,
hatte
der
Antragsteller
deswegen ein eigenes Rechtsschutzinteresse an dem Verfahren, weil er als Mit-
geschäftsführer der Gesellschaft sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch ge-
genüber Dritten für seine Geschäftsführung haftet. Im übrigen ist der Antragsteller
weder in seiner Eigenschaft als Mitgesellschafter noch in seiner Eigenschaft als
Mitgeschäftsführer
mit
der
E
GmbH
rechtlich
oder
wirtschaft-
lich identisch, sodass der bestandskräftig gewordene Beschluss der Gebrauchs-
musterabteilung I aus dem früheren Löschungsverfahren, das zwischen der Ge-
sellschaft und der Antragsgegnerin geführt worden ist, keine Wirkungen für und
wider den Antragsteller entfalten konnte. (Zu den vorstehenden Ausführungen
unter 5.1 vgl. BGH, GRUR 2012, 540 ff.
– Rohrreinigungsdüse; BGH 17.12.2002
X ZR 155/99; Busse/Keukenschrijver Patentgesetz, 7. Auflage 2012, § 81 PatG
- 13 -
Rdnr. 87, 88 und Benkard/Rogge Patentgesetz, 10. Auflage 2006, § 22 PatG
Rdnr. 34).
5.2
Der Hilfsantrag, den die Antragsgegnerin im Zuge ihrer Anschlussbe-
schwerde auf eine vollständige Zurückweisung des Löschungsantrages gestellt
hat, wäre voraussichtlich zurückgewiesen worden, weil das Streitgebrauchsmuster
in der Fassung, die es bei Einreichung des Löschungsantrages hatte, wegen einer
unzulässigen Erweiterung i. S. v. § 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG löschungsreif war.
Schutzanspruch 1 in der geltenden Fassung des Streitgebrauchsmusters bei Ein-
leitung des Löschungsverfahrens enthält die folgenden Merkmale:
1.
Vorrichtung zum Bearbeiten eines band- oder plattenförmigen
metallischen Werkstücks,
1.1 insbesondere zum Entfernen der Oxidschicht von Schnittflächen
und/oder Schnittkanten des Werkstücks
dadurch gekennzeichnet, dass
2.
wenigstens zwei jeweils mit wenigstens einer Bürste versehene, um-
laufende Fördereinrichtungen vorgesehen sind,
2.1 wobei die Fördereinrichtungen die jeweils wenigstens eine Bürste
schräg bzw. quer zur Vorschubrichtung des Werkstücks im Bereich
des zu bearbeitenden Werkstücks wenigstens annähernd linear vor-
beiführen,
3.
wobei das Werkstück derart durchführbar ist,
dass die wenigstens zwei Fördereinrichtungen mit den zugeordneten
Bürsten zu dem Werkstück gegenüberliegend
3.1 und in Durchlaufrichtung des Werkstücks um 10 bis 100 mm versetzt
zueinander angeordnet sind.
- 14 -
Dabei enthalten die Merkmale 2 und 3 jeweils dieselbe unzulässige Erweiterung.
Danach soll eine Vorrichtung zum Bearbeiten eines band- oder plattenförmigen
metallischen Wer
kstücks „wenigstens zwei …. Fördereinrichtungen“ aufweisen, so
dass eine Vorrichtung mit zwei oder mehr Fördereinrichtungen unter diesen
Schutzumfang
fallen
würde.
In
den
Anmeldeunterlagen
des
Streitgebrauchsmusters sind jedoch nur Ausführungsformen offenbart, die eine
(vgl. Streitgebrauchsmusterschrift, S. 16, letzte sechs Zeilen), zwei (vgl.
Streitgebrauchsmusterschrift,
S. 14,
letzter
Absatz)
oder
vier
(vgl.
Streitgebrauchsmusterschrift S. 18, 2. Absatz) Fördereinrichtungen aufweisen.
Deswegen
wäre
das
Streitgebrauchsmuster
bei
Fortsetzung
des
Beschwerdeverfahrens
jedenfalls
im
Umfang
der
bei
Einleitung
des
Löschungsverfahrens geltenden Fassung i. S. v. § 15 Abs. 1 Nr. 3 GebrMG zu
löschen gewesen und der Hilfsantrag, den die Antragsgegnerin im Zuge ihrer
Anschlussbeschwerde auf vollständige Zurückweisung des Löschungsantrages
als unbegründet gerichtet hat, wäre zurückgewiesen worden.
6.
Bei Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens wäre voraussichtlich auch die
Beschwerde des Antragstellers als unbegründet zurückgewiesen worden. Denn
die Gebrauchsmusterabteilung war an die Entscheidung, die der Senat in dem
früheren Löschungsverfahren im Beschwerdeverfahren auf die mündliche Ver-
handlung vom 25. März 2009 verkündet hatte, nicht gebunden, und der Gegen-
stand des Streitgebrauchsmusters mit den Schutzansprüchen, die nach dem an-
gegriffenen Beschluss in Zukunft geltend sollten, wäre zulässig und schutzfähig
i. S. v. §§ 1 - 3 GebrMG gewesen.
6.1
Die
von
dem
Senat
in
dem
früheren
Beschwerdeverfahren
35 W (pat) 432/07 am 25. März 2009 verkündete Entscheidung, wonach das
Streitgebrauchsmuster vollständig gelöscht werden sollte, hatte für die Entschei-
dung der Gebrauchsmusterabteilung im hiesigen Löschungsverfahren keine Bin-
dungswirkung. Denn der frühere, verkündete Beschluss ist durch die nachfolgende
Zurücknahme der Beschwerde gegenstandslos geworden. Das hat der Senat mit
- 15 -
dem für das frühere Löschungsverfahren abschließenden Beschluss vom
1. Februar 2010, Aktenzeichen: 35 W (pat) 432/07, festgestellt. Nur dieser letzte
Beschluss ist bestandskräftig geworden.
6.2
Mit dem im vorliegenden Beschwerdeverfahren angegriffenen Beschluss
der Gebrauchsmusterabteilung vom 25. April 2012 sollte der Löschungsantrag des
hiesigen Antragstellers im Umfang von Hilfsantrag 1 der Antragsgegnerin aus der
mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung vom 29. März 2012
zurückgewiesen werden. Nach diesem Antrag sollte Schutzanspruch 1 des Streit-
gebrauchsmusters folgende Merkmale enthalten:
1.
Vorrichtung zum Bearbeiten eines band- oder plattenförmigen
metallischen Werkstücks,
1.1 insbesondere zum Entfernen der Oxidschicht von Schnittflächen
und/oder Schnittkanten des Werkstücks
dadurch gekennzeichnet, dass
2.
wenigstens zwei jeweils mit wenigstens einer Bürste versehene, um-
laufende Fördereinrichtungen vorgesehen sind,
2.1 wobei die Fördereinrichtungen die jeweils wenigstens eine Bürste
schräg bzw. quer zur Vorschubrichtung des Werkstücks im Bereich
des zu bearbeitenden Werkstücks wenigstens annähernd linear vor-
beiführen,
3.
wobei das Werkstück derart durchführbar ist,
dass die wenigstens zwei Fördereinrichtungen mit den zugeordneten
Bürsten zu dem Werkstück gegenüberliegend
3.1 und in Durchlaufrichtung des Werkstücks um 10 bis 100 mm versetzt
zueinander angeordnet sind.
Diese Neufassung von Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters wäre im
Zusammenhang mit der mit diesem Hilfsantrag verbundenen Löschung der ab-
- 16 -
hängigen Schutzanspräche 7 und 9 zulässig gewesen. Denn damit wäre die un-
zulässige Erweiterung von Schutzanspruch 1 in der bei Einleitung des Löschungs-
verfahrens geltenden Fassung beseitigt worden. Im Übrigen ergeben sich die
Merkmale nach der neuen Fassung aus den ursprünglich eingetragenen Schutz-
ansprüchen 1, 3 und 8 sowie aus Angaben in der Beschreibung auf Seite 17 der
Streitgebrauchsmusterschrift. Die mit diesem Hilfsantrag verbundene Löschung
der abhängigen Schutzansprüche 7 und 9 wäre notwendig gewesen, weil diese
Schutzansprüche einen Bezug auf vier Fördereinrichtungen haben, nach Schutz-
anspruch 1 jedoch zwei Fördereinrichtungen vorgesehen sind.
Mit dem vorstehend erörterten Schutzanspruch 1 und bei gleichzeitiger Löschung
der abhängigen Schutzansprüche 7 und 9 wäre der Gegenstand des Streitge-
brauchsmusters neu und erfinderisch und damit auch schutzfähig i. S. v. §§ 1
– 3
GebrMG gewesen.
Der Gegenstand von Schutzanspruch 1 in der vorstehend erörterten Fassung
wäre neu gewesen. Denn keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften bzw.
L3
L13
und
A5
offenbart
sämtliche
Merkmale
des
Schutzanspruchs 1 nach dem ersten Hilfsantrag der Antragsgegnerin. So ist
mindestens das Merkmal 3.1, dass die Fördereinrichtungen in Durchlaufrichtungen
des Werkstückes um 10 bis 100 mm versetzt zueinander angeordnet sind, aus
keiner der Druckschriften bzw. Dokumente zu entnehmen.
Der Gegenstand von Schutzanspruch 1 in der vorstehend erörterten Fassung
hätte auch auf einem erfinderischen Schritt beruht. Eine Vorrichtung zum Reinigen
und somit auch zum Bearbeiten eines band- oder plattenförmigen Werkstückes ist
A5
umlaufende Fördereinrichtung ein Bürstenriemen (14) quer zur Vorschubrichtung
des Werkstücks im Bereich des zu bearbeitenden Werkstücks linear vorbeigeführt
A5,
– 15 und Z. 46 – 53). Wie in Sp. 5,
Z. 26
A5
- 17 -
Reinigungsvorrichtung durchführbar sein, dass sowohl auf der Ober- als auch der
Unterseite Fördereinrichtungen zur Reinigung vorgesehen sind und somit
gegenüberliegen. Dabei können auch mehrere der Fördereinrichtungen
hintereinander liegen. Deren versetzte Anordnung im Sinne des Merkmals 3.1 des
Streitgegenstandes ist jedoch nicht vorgesehen. Stattdessen werden dort die
jeweiligen Reinigungsvorrichtungen an der Ober- bzw. Unterseite identisch und an
der gleichen Position angeordnet, um die Reinigungswirkung zu erhöhen, Sp. 5,
Z. 26
A5
entnehmen.
Dieses gilt auch für die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften, von
L5
Vorrichtung zum Bearbeiten eines band- oder plattenförmigen Werkstücks
beschreiben, bei der die zwei Fördereinrichtungen mit den zugeordneten Bürsten
zu dem Werkstück gegenüberliegend angeordnet sind.
Alle
weiteren
Druckschriften
offenbaren
ersichtlich
noch
weiter
vom
Streitgegenstand ab liegende Vorrichtungen.
Daher wäre es auch nicht naheliegend gewesen, die zwei Fördereinrichtungen mit
den zugeordneten Bürsten so zum Werkstück gegenüberliegend und in
Durchlaufrichtung des Werkstücks um 10 bis 100 mm versetzt zueinander
anzuordnen.
7.
Nach den vorstehenden Überlegungen hätte der Senat bei einer
abschließenden Entscheidung über Beschwerde und Anschlussbeschwerde
voraussichtlich beide als unbegründet zurückgewiesen. Damit wäre der angegrif-
fene Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung bestätigt worden mit dem Ergeb-
nis, dass der ursprüngliche, auf eine vollständige Löschung des Streitgebrauchs-
musters in seiner zuletzt geltenden Fassung gerichtete Löschungsantrag zu einer
Teillöschung geführt hätte, mit der eine unzulässige Erweiterung in Schutzan-
- 18 -
spruch 1 beseitigt und die abhängigen Schutzansprüche 7 und 9 gelöscht worden
wären. Der weitergehende Löschungsantrag wäre zurückgewiesen worden. Die-
ses Ergebnis hätte zu einer etwa hälftigen Teillöschung des Streitgebrauchs-
musters geführt, weil die Zahl der Fördereinrichtungen nicht mehr
– in zulässiger
Weise
– zwischen eins, zwei und vier hätte variieren können, sondern auf zwei
festgelegt worden wäre. Dem entspricht der Kostenausspruch nach § 92 Abs. 1
ZPO.
III.
- 19 -
Werner
Dr. Fritze
Wiegele
Bb