Urteil des BPatG vom 19.05.2016

Gebrauchsmuster, Erfinder, Patentrecht, Gestaltungsspielraum

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
35 W (pat) 1/15
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Gebrauchsmusteranmeldung 21
(hier: Eintragungsantrag)
- 2 -
hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatent-
gerichts auf die mündliche Verhandlung vom 19. Mai 2016 unter Mitwirkung der
Vorsitzenden Richterin Werner sowie der Richter Eisenrauch und Dipl.-Chem.
Dr. Jäger
beschlossen:
1. Die Beschwerde des Anmelders gegen den Beschluss der Ge-
brauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 23. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
2. Zu den Rechtsfragen, ob die Regelung des § 2 Nr. 3 GebrMG
mit Art. 14 Abs. 1 und 2 GG, mit dem allgemeinen Gleichheits-
satz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie mit der Europäischen Konven-
tion zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten
(EMRK) und ihren Zusatzprotokollen vereinbar ist, wird die
Rechtsbeschwerde zugelassen.
G r ü n d e
I.
Der Anmelder und Beschwerdeführer (im Folgenden: Beschwerdeführer) ist An-
melder der Gebrauchsmusteranmeldung 21 2012 000 187.5, die im Wege der Na-
tionalisierung aus der internationalen Anmeldung PCT/EP2012/070150 mit dem
Anmeldetag 11. Oktober 2012 hervorgegangen ist. Die Gebrauchsmusteranmel-
dung, deren
Bezeichnung „Bekämpfen von Feldmäusen“ lautet und die ein deut-
sches Prioritätsrecht vom 11. Oktober 2011 (20 2011 106 640.5) beansprucht,
umfasst insgesamt 19 Schutzansprüche, wobei die Schutzansprüche 1 bis 3 wie
folgt lauten:
- 3 -
„1. Verfahren zum Bekämpfen von Feldmäusen, mit folgenden
Schritten:
a) eine Feldmausköderstation (10) wird rohrförmig ausgestaltet;
a1) wobei das Rohr (12) an beiden Enden (14) offen ist, um
ein Eindringen von Feldmäusen zu ermöglichen;
b) das Rohr (12) wird aus einem biologisch abbaubaren Material
gebildet;
c) im Inneren des Rohrs (12) der Feldmausköderstation (10) wird
mindestens ein Giftweizenkorn (20) mittig fixiert;
c1) wobei das Giftweizenkorn mittels eines wasserfesten Kle-
bers so fixiert wird, dass Erschütterungen diesen Kleber
nicht lösen können; und
d) mittels eines Wurfvorganges wird die Feldmausköder-
station (10) auf die Oberfläche einer von Feldmäusen befalle-
nen landwirtschaftlichen Nutzfläche ausgebracht.
2. Verfahren nach dem vorhergehenden Anspruch,
dadurch gekennzeichnet,
dass statt eines Giftweizenkorns (20) ein Gemisch aus einem
Köderstoff (18) und einer Giftlinse (20) verwendet wird.
3. Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche,
dadurch gekennzeichnet,
dass der Wurfvorgang über eine Weite von bis zu 12 m oder bis
zu 15
m erfolgt.“
An diese Verfahrensansprüche schließt sich ein Nebenanspruch 4 an, der die er-
findungsgemäße „Feldmausköderstation“ zum Gegenstand hat. Sodann folgen die
unmittelbar oder mittelbar auf den Schutzanspruch 4 rückbezogenen, weiteren
Vorrichtungsansprüche 5 bis 19.
- 4 -
Die Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) hat
die Auffassung vertreten, daß mit den Schutzansprüchen 1 bis 3 ein Verfahrens-
schutz beansprucht würde. Ein solcher Schutzgegenstand sei aber gemäß § 2
Nr. 3 GebrMG von der Eintragung als Gebrauchsmuster ausgeschlossen. Nach-
dem der Beschwerdeführer auf den letzten Beanstandungsbescheid der Ge-
brauchsmusterstelle mit Eingabe vom 13. Oktober 2014 nur noch um eine be-
schwerdefähige Entscheidung nach Aktenlage gebeten hatte, hat die Gebrauchs-
musterstelle des DPMA mit Beschluss vom 23. Oktober 2014 die Anmeldung zu-
rückgewiesen. Der Beschluss wurde hierbei durch eine Beamtin des gehobenen
Dienstes, was im Sinne von § 291 ZPO in die Kunde des Senats gestellt ist, und
„mit Zustimmung der Referatsleitung“ erlassen.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer am 27. November 2014 wirk-
sam Beschwerde eingelegt.
Der Beschwerdeführer trägt vor, die Regelung des § 2 Nr. 3 GebrMG sei nicht an-
zuwenden, da sie in der von der Gebrauchsmusterstelle vorgenommenen Ausle-
gung gegen höherrangiges Recht verstoße. Die Zurückweisung seiner Ge-
brauchsmusteranmeldung sei unvereinbar mit Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 1 des
1. Zusatzprotokolls vom 20. März 1952 zur Europäischen Konvention zum Schutz
der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) sowie unvereinbar mit Art. 3
Abs. 1 GG.
Der Senat hat mit Beschluss vom 2. November 2015 der Präsidentin des Deut-
schen Patent- und Markenamts gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG i. V. m. § 77
Satz 1 PatG anheimgegeben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten. Neben der
vom Beschwerdeführer aufgeworfenen, verfassungsrechtlichen Problematik, sah
der erkennende Senat auch die Frage nach der Prüfungskompetenz der Ge-
brauchsmusterstelle
als
erörterungswürdig
an.
Mit
Schriftsatz
vom
27. Januar 2016 hat die Präsidentin ihren Beitritt zu dem Beschwerdeverfahren
erklärt.
- 5 -
Der Beschwerdeführer zieht nicht in Zweifel, daß die Gebrauchsmusterstelle des
DPMA die Prüfungskompetenz besitzt, Anmeldungen auf der Grundlage der in
den Katalogen des § 1 Abs. 2 und 3 GebrMG und des § 2 GebrMG festgeschrie-
ben, materiellen Schutzausschließungsgründe zu prüfen und gegebenenfalls zu-
rückzuweisen.
Der Beschwerdeführer ist allerdings der Auffassung, daß es sich bei dem Schutz-
ausschließungsgrund, wie er in § 2 Nr. 3 GebrMG für
„Verfahren“ geregelt sei, um
keine verfassungsgemäße Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von
Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG handle. Damit liege ein Verstoß gegen die Eigentumsga-
rantie vor. Es sei kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb das Gebrauchsmus-
tergesetz Verfahrenserfindungen mit einem Schutzausschlussgrund belege. Die in
den Gesetzesmaterialien erwähnte Gefahr einer „Marktbeunruhigung“, die von
einem Schutzrecht ausgehe, das weder auf Neuheit noch auf das Vorliegen eines
erfinderischen Schritts geprüft worden sei, sei kein nachvollziehbares Argument.
Es sei nämlich nicht erkennbar, weshalb der Mangel, ein ungeprüftes Recht zu
sein, speziell bei Verfahrensgebrauchsmustern zu gesteigerten Schwierigkeiten
führen sollte. Die Privilegien eines Gebrauchsmusterschutzes, wie z. B. geringere
Kosten und rascher Schutzrechtserwerb, dürften dem Erfinder eines Verfahrens
nicht vorenthalten werden. Letztlich handle es sich bei der Regelung des § 2 Nr. 3
GebrMG um eine unverhältnis-mäßige und daher verfassungswidrige Einschrän-
kung.
Die Verfassungswidrigkeit von § 2 Nr. 3 GebrMG ergebe sich auch anhand des
Gleichbehandlungsgrundsatzes, wie er in Art. 3 Abs. 1 GG festgeschrieben sei.
Wenn sich der Gesetzgeber dazu entschließe, neben dem Patentrechtssystem
auch ein Gebrauchsmustersystem zu schaffen, so dürfe er nicht ohne hinreichen-
den Grund zusätzliche, von patentgesetzlichen Regelungen abweichende,
Schutzausschlüsse festschreiben. Im vorliegenden Fall würden - mangels erkenn-
barer Differenzierungsnotwendigkeit - die schutzwürdigen Interessen der Beteilig-
ten Erfinder und das Gemeinwohlinteresse nicht in ein gerechtes und ausgewoge-
- 6 -
nes Verhältnis zueinander gebracht werden. Dazu hat der Beschwerdeführer vom
Senat unwiderlegt vorgetragen, man könne in der Praxis zwischen solchen Erfin-
dern, die in erster Linie Verfahrenserfindungen machten, und Erfindern, die in
erster Linie Vorrichtungserfindungen machten, unterscheiden. Im Übrigen seien
spätestens mit dem Inkrafttreten von § 2 Nr. 3 GebrMG diese beiden Gruppen ge-
schaffen worden, weil damit alle Erfinder von Verfahren vom Gebrauchsmuster-
schutz ausgeschlossen worden seien. Dabei geht der Beschwerdeführer nicht
etwa von einer Verpflichtung des Gesetzgebers aus, in jedem Fall einen Ge-
brauchsmusterschutz schaffen zu müssen. Vielmehr meint der Beschwerdeführer,
wenn der Gesetzgeber einen Gebrauchsmusterschutz schaffe, dann müsse er
gleichmäßig für alle Erfinder geschaffen werden. Der Schutzausschluss für
Verfahrenserfindungen bedeute eine unmittelbar wirkende Ungleichbehandlung
zweier voneinander abgrenzbarer, grundsätzlich aber vergleichbarer Personen-
gruppen. Ins Gewicht falle hierbei auch, daß es außerhalb des Einflussbereichs
eines Erfinders liege, ob seine Innovation eine Verfahrenserfindung oder keine
Verfahrenserfindung sei. Art. 3 Abs. 1 GG begründe für die Ungleichbehandlung
solcher vergleichbarer Personengruppen einen strengeren Prüfungsmaßstab, der
hier nicht eingehalten worden sei.
In der am 15. Mai 2016 durchgeführten, mündlichen Verhandlung hat der Be-
schwerdeführer beantragt,
1. den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 23. Oktober 2014 aufzuheben und
die Gebrauchsmusterstelle anzuweisen, das Gebrauchsmuster
in der beantragten Form einzutragen;
2. hilfsweise das Beschwerdeverfahren auszusetzen und die Sa-
che im Hinblick auf § 2 Nr. 3 GebrMG gemäß Art. 100
Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung
vorzulegen;
- 7 -
3. hilfsweise die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof
zuzulassen.
Die Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts war in der mündlichen
Verhandlung vertreten und hat keinen Antrag gestellt. Sie geht
– wie der Be-
schwerdeführer
– von einer unbeschränkten Prüfungskompetenz der Gebrauchs-
musterstelle für § 1 Abs. 2 und 3, § 2 GebrMG aus. Anders als der Beschwerde-
führer hält die Präsidentin § 2 Nr. 3 GebrMG für vereinbar mit dem höherrangigem
Recht, auf das sich der Beschwerdeführerin beruft.
Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf den Inhalt der
Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1.1 Der angefochtene Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des DPMA vom
23. Oktober 2014 ist hinsichtlich der funktionalen Zuständigkeit der handelnden
Beamtin nicht zu beanstanden. Grundsätzlich gilt zwar, dass Beschlüsse der Ge-
brauchsmusterstelle durch den Leiter oder die Leiterin, also durch ein rechtskun-
diges Mitglied des DPMA, gefasst werden müssen (§ 10 Abs. 1 GebrMG). In § 2
Abs. 1 Nr. 1 g) WahrnV ist jedoch bestimmt, daß auch Beamte und Beamtinnen
des gehobenen Dienstes mit Zustimmung des Leiters oder der Leiterin der Ge-
brauchsmusterstelle eine Anmeldung aus sachlichen Gründen zurückweisen dür-
fen, wenn der Anmelder nicht widersprochen hat. Ein solcher Fall ist auch dann
gegeben, wenn - wie hier - ein Anmelder auf den letzten Beanstandungsbescheid
nur noch mit der Bitte um eine beschwerdefähige Entscheidung reagiert hat.
- 8 -
Unschädlich ist zudem, daß im angefochtenen Beschluss statt von einer Zustim-
mung eines Leiters oder einer Leiterin der Gebrauchsmusterstelle (zur Zurückwei-
sung der Anmeldung) von einer
„Zustimmung der Referatsleitung“ die Rede ist.
Der Begriff
„Referatsleitung“ ist zwar unpassend, da er sich auf die organisatori-
sche Eingliederung der Gebrauchsmusterstelle im Gefüge des DPMA bezieht und
damit dem Charakter der Gebrauchsmusterstelle als Teil der öffentlichen Verwal-
tung, die von Gesetzes wegen besondere Aufgaben der Rechtspflege wahrnimmt,
nicht gerecht wird. Dennoch ist klar, daß mit dem Hinweis, daß
eine „Zustimmung
der Referatslei
tung“ vorliege, kenntlich gemacht werden soll, daß das in § 2 Abs. 1
Nr. 1 g) WahrnV geregelte Zustimmungserfordernis beachtet wurde.
1.2 Die Gebrauchsmusterstelle hat ferner im Rahmen ihrer Prüfungskompetenz
gehandelt, als sie die hier in Rede stehende Anmeldung wegen eines Verstoßes
gegen den in § 2 Nr. 3 GebrMG geregelten Schutzausschluss für Verfahren zu-
rückgewiesen hat. Diese Sichtweise wird sowohl vom Beschwerdeführer als auch
von der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts geteilt.
Der erkennende Senat hat zwar in einer Reihe jüngerer Entscheidungen die Auf-
fassung vertreten, dass keine rechtliche Grundlage dafür existiere, die es der Ge-
brauchsmusterstelle erlaube, im Eintragungsverfahren materielle Schutzhinder-
nisse zu prüfen (vgl. z. B. die Beschlüsse vom 29. Oktober 2009, Az.
35 W (pat) 6/07, und vom 11. Januar 2010, Az. 35 W (pat) 14/08). Diese Rechts-
auffassung beruhte auf der Annahme, daß die Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 1
GebrMG, die auf die Eintragungsvoraussetzungen der §§ 4, 4a und 4b GebrMG
verweist, so zu verstehen sei, daß damit die Prüfungskompetenz der Gebrauchs-
musterstelle generell auf die formalen Schutzhindernisse beschränkt sei.
Unter Aufgabe dieser Rechtsprechung kehrt der Senat zu seiner früheren Recht-
sprechung zurück. Danach ist es der Gebrauchsmusterstelle lediglich untersagt,
die von Gesetzes wegen ausdrücklich in § 8 Abs. 1 Satz 2 GebrMG genannten
Schutzvoraussetzungen der Neuheit, des erfinderischen Schritts und der gewerb-
- 9 -
lichen Anwendbarkeit zu prüfen (vgl. BPatG
BlPMZ 2000, 55, 56
-
„Doppelmotivkarte“; BPatGE 46, 211, 214 - „Ermüdungsfreies Computergerät“).
Nur so lässt sich der Wille des Gesetzgebers verwirklichen, die in § 1 Abs. 2
GebrMG genannten Gegenstände in den Grenzen von § 1 Abs. 3 GebrMG, sowie
die in § 2 genannten Erfindungen, Pflanzensorten und Tierarten vom Gebrauchs-
musterschutz auszuschließen. Ein solcher Ausschluss kann nur im Eintragungs-
verfahren durchgesetzt werden, weil es für die allermeisten eingetragenen Ge-
brauchsmuster zu keinem Löschungsverfahren nach §§ 15 ff. GebrMG und damit
zu keiner verbindlichen Prüfung ihrer Schutzfähigkeit kommt (vgl. die Jahresbe-
richte des Deutschen Patent- und Markenamts z. B. für die Jahrgänge 2006 bis
2015).
Dass die Schutzhindernisse nach § 1 Abs. 2 und 3 und nach § 2 GebrMG notwen-
dig im Eintragungsverfahren geprüft werden müssen, wenn sie durchgesetzt wer-
den sollen, wird an dem Schutzhindernis nach § 2 Nr. 1 GebrMG besonders deut-
lich. Danach werden Erfindungen, deren Verwertung offensichtlich gegen die öf-
fentliche Ordnung oder die guten Sitten verstieße, nicht als Gebrauchsmuster ge-
schützt. Zwar bedeutet die Eintragung eines Gebrauchsmusters keine Billigung
der Erfindung oder ihrer Verwertung. Dennoch hat ein solcher staatlicher Akt
zwingend zu unterbleiben, wenn die Erfindung mit fundamentalen rechtsethischen
Postulaten kollidiert (vgl. Schulte/, PatG, 9. Aufl., § 2 Rdnr. 11). Daß mit
der Schaffung des Schutzausschluss
grundes für „biotechnologische Erfindungen“
in § 1 Abs. 2 Nr. 5 GebrMG auch die Verwirklichung ethischer Anliegen des Ge-
setzgebers sichergestellt werden sollte, wird in der Begründung des Entwurfes
eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz bio-
technologischer Erfindungen ausdrücklich angesprochen (vgl. BlPMZ 2005, 95,
99).
Der Bundesgerichtshofs hat im Rahmen von Rechtsbeschwerdeverfahren - soweit
ersichtlich - nie Zweifel an der hier festgestellten Prüfungskompetenz der Ge-
brauchsmusterstelle
angedeutet
(vgl.
z. B.
GRUR
2006,
135 f.
- 10 -
-
„Arzneimittelgebrauchsmuster“; GRUR 2004, 495 ff. - „Signalfolge“). Die Kom-
mentarliteratur geht ganz überwiegend von einer Prüfungskompetenz der Ge-
brauchsmusterstelle im Eintragungsverfahren für § 1 Abs. 2 und 3, § 2 GebrMG
aus (vgl. Busse/Keukenschrijver PatG 7. Auflage 2013, § 8 GebrMG Rdnr. 4; Ben-
kard/Goebel/Halle/Nobbe Patentgesetz, 11. Auflage 2015, § 8 GebrMG Rdnr. 4 ff.;
in Fitzner/Lutz/Bodewig, PatRKomm, GebrMG, § 8 Rdnr. 5 ff.; a. A.
noch im Anschluß an die hier aufgegebene Rechtsprechung des Senats: Büh-
ring/Schmid Gebrauchsmustergesetz, 8. Auflage 2011, § 8 Rdnr. 5).
2. Die Gebrauchsmusterstelle hat die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen, da
diese ein Verfahren umfasst, das nach § 2 Nr. 3 GebrMG vom Gebrauchsmuster-
schutz ausgeschlossen ist.
Auch insoweit, als sich die Anmeldung nicht auf ein Verfahren bezieht, was hin-
sichtlich der Vorrichtungsansprüche 4 bis 19, die di
e „Feldmausköderstation“ zum
Gegenstand haben, zutrifft, konnte der Beschwerde nicht stattgegeben werden.
Der Beschwerdeführer hat die Eintragung des Gebrauchsmusters mit einem Satz
von Schutzansprüchen begehrt und im Übrigen keine weitere Erklärung abgege-
ben. In einer teilweisen Gewährung des Gebrauchsmusters wäre somit eine Ab-
weichung vom Gewollten und damit ein Verstoß gegen den Antragsgrundsatz zu
sehen (vgl. hierzu BGH GRUR 1980, 716 ff. -
„Schlackenbad“; GRUR 1997, 120 ff.
-
„Elektrisches
Speicherheizgerät“
und
GRUR
2007,
862 ff.
-
„Informationsübermittlungsverfahren II“).
Der erkennende Senat sieht in der Regelung des § 2 Nr. 3 GebrMG eine zulässige
Inhaltsbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die auch mit dem all-
gemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Hinsichtlich des Ei-
gentumsschutzes folgt zudem nichts anderes aus Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls
vom 20. März 1952 zur EMRK, da Art. 14 GG in jeder Hinsicht den Anforderungen
dieses internationalen Übereinkommens entspricht.
- 11 -
2.1 Mit dem Beschwerdeführer geht der Senat davon aus, dass die vermögens-
rechtlichen Befugnisse eines Erfinders eine Rechtsposition darstellen, die dem
Eigentumsschutz des Art. 14 GG unterfallen (vgl. BVerfGE 36, 281, 290 f.). Ferner
hat der Beschwerdeführer zu Recht vorgetragen, daß der Gesetz-geber bei der
Schaffung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1
Satz 2 GG die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des
Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis
bringen muss. Es ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl.
BVerfGE 100, 226, 240 f.; BVerfGE 36, 281, 290 f.). Das hat der Gesetzgeber bei
der im Jahr 1990 durchgeführten Neuordnung des Gebrauchsmusterrechts durch
das „Gesetz zur Stärkung des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Pro-
duktpiraterie“ (PrPG) getan. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers
genügt § 2 Nr. 3 GebrMG den Anforderungen an einen gerechten Interessenaus-
gleich.
§ 2 Nr. 3 GebrMG berührt nicht den Kernbereich der Eigentumsgarantie, denn be-
reits das auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland geltende natio-
nale und internationale Patentrecht für Verfahrenserfindungen gewährt vollständi-
gen Eigentumsschutz und vollständigen gewerblichen Rechtsschutz. Für den ver-
bleibenden Bereich, dem Schutz der Eigentumsverfassung, hat der Gesetzgeber
hinsichtlich der Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit einen zum Teil erhebli-
chen Beurteilungs- und Prognosespielraum (vgl. Jarass/Pieroth, Kommentar zum
GG, 13. Aufl., Art. 14 Rn. 36). Hierbei ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzge-
bers bei Inhalts- und Schrankenbestimmungen um so größer, je stärker der so-
ziale Bezug der Eigentumsposition ist und andere Personen von einem zu schaf-
fenden eigentumsrechtlich verfestigten, subjektiven Recht betroffen sein würden
(vgl. Schmidt-Bleibtreu/Klein/, Kommentar zum GG, 13. Aufl., Art. 14
Rn. 15; BVerfGE 100, 226, 241). Das ist für den vorliegenden Fall wesentlich, weil
die Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des geistigen Eigentums stets auch den
„fundamentalen Grundsatz“ des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs berüh-
ren und insoweit kritisch gesehen werden müssen (vgl. EuGH GRUR Int. 1995,
- 12 -
144, 146 [Rz. 22 ff.] -
„Generics ./. Smith Kline and French Laboratories“;
Busse/, PatG, 7. Aufl., Einl. Rn. 100).
Die Gesetzesbegründung zur Schutzausschlussregelung des § 2 Nr. 3 GebrMG
(vgl. Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Be-
kämpfung der Produktpiraterie (PrPG) mit Gesetzesbegründung BlPMZ 1990, 161,
195, 197) liefert - nach wie vor - brauchbare Erwägungen. In dieser Begründung
heißt es u. a. zur Beschlußempfehlungen des Rechtsausschusses:
„Die Öffnung des Gebrauchsmusterschutzes solle allerdings dort
ihre Grenze haben, wo das ungeprüfte Schutzrecht Gebrauchs-
muster die Rechtssicherheit erheblich gefährden würde und der
Gebrauchsmusterschutz aufgrund seiner dann mangelnden Be-
standskraft ins Leere ginge. Diese Grenze wäre nach Ansicht des
Rechtsausschusses bei den Verfahrenserfindungen überschritten.
Tatsächlich müssten einge
tragene ungeprüfte „Verfahrensge-
brauchsmuster“, die - wegen Fehlens von Zeichnungen oder von
Darstellungen chemischer Formeln
– von Dritten in keiner Weise
auch nur einigermaßen zuverlässig auf ihre Schutzfähigkeit und
ihren Schutzumfang überprüft werden könnten, zu einer erhebli-
chen Marktbeunruhigung führen, die insbesondere wegen des von
den beteiligten Kreisen dargelegten mangelnden Bedürfnisses des
Gebrauchsmusterschutzes für derartige Erfindungen nicht vertret-
bar wäre.“
Die Bedeutung von Zeichnungen und von Darstellungen in Form von chemischen
Formeln ist deshalb von grundlegender Bedeutung, weil mit diesen ein technischer
Gegenstand unmittelbar zur Anschauung gebracht wird. Zeichnungen und erläu-
ternde Darstellungen in Form von chemischen Formeln sind ein entscheidendes
Medium zur schnellen und vollständigen Erfassung eines technischen Gegenstan-
des und seiner Ausführungsformen. Die Gesetzesbegründung (vgl. BlPMZ 1990,
- 13 -
197) weist zu Recht darauf hin, daß dieser Vorteil nicht nur den Schutzumfang,
den ein technisches Schutzrecht entfaltet, betrifft, sondern auch dessen Schutzfä-
higkeit. Die unmittelbare Anschauung durch Zeichnungen ist insbesondere dann
von entscheidendem Nutzen, wenn die Schutzfähigkeit eines Gebrauchsmuster-
gegenstandes von druckschriftlichen Vorveröffentlichungen abhängt, die zwar
nach der IPC als einschlägig ermittelt wurden, die aber nur in wenig bekannten
Sprachen oder fernöstliche Schriftzeichen vorliegen.
Hierbei ist dem Beschwerdeführer zuzugestehen, dass Verfahren einer zeichneri-
schen Darstellung nicht zwingend entzogen sind und - umgekehrt - Vorrichtungs-
erfindungen und Stoffe, wie z. B. Legierungen, nicht immer einer verständlichen,
grafischen Darstellung zugänglich sein müssen (vgl. z. B. bei: R. König, GRUR
2001, 948, 950). Entscheidend ist aber, daß gerade bei der Anmeldung von Ver-
fahrenserfindungen eine Verdeutlichung durch Zeichnungen regelmäßig als über-
flüssig angesehen wird und oft unterbleibt. Vor diesem Hintergrund ist es gut
nachvollziehbar und beruht es auf einem ausgewogenen Interessenausgleich,
wenn der Gesetzgeber im Interesse Dritter für Verfahrenserfindungen keinen Ge-
brauchsmusterschutz gewährt.
2.2 Die Regelung des § 2 Nr. 3 GebrMG steht auch nicht im Widerspruch zum
allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Der Gleichheitssatz ist nur dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten
oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, ob-
wohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem
Gewicht bestehen, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten
(vgl. BVerfGE 129, 49, 69; Schmidt-Bleibtreu/Klein/, Kommentar zum GG,
13. Aufl., Art. 3 Rn. 32 f.). Auch wenn man entsprechend dem unwiderlegten Vor-
trag des Beschwerdeführers von Vorrichtungserfindern einerseits und Verfah-
renserfindern andererseits als zwei voneinander unterscheidbaren Personengrup-
- 14 -
pen ausgeht, zeigt sich, daß die Regelung des § 2 Nr. 3 GebrMG mit dem allge-
meinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.
Beim allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand
und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber,
die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu
strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl. BVerfGE 133,
1, 13). Der allgemeine Gleichheitssatz ist dann nicht verletzt, wenn am Rege-
lungsgegenstand gemessene, hinreichende Sachgründe vorhanden sind, die eine
Differenzierung verfassungsrechtlich rechtfertigen (BVerfGE 129, 49, 69). Ein sol-
cher Fall ist vorliegend gegeben.
Dem Gesetzgeber stand bei der im Jahr 1990 vorgenommenen Reform des Ge-
brauchsmusterrechts ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung, der lediglich
durch das Willkürverbot begrenzt war. Denn bei der Schaffung des § 2 Nr. 3
GebrMG handelte es sich um eine gesetzgeberische Maßnahme auf dem Gebiet
der gewährenden Staatstätigkeit, die der Gestaltung der Wirtschaftsordnung und
der Eigentumsverfassung dient (zur Wirtschaftsordnung vgl. BVerfGE 70, 191,
201 f.; Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 13. Aufl., Art. 3 Rn. 23; zur Eigen-
tumsverfassung s. die Ausführungen oben unter II.2.1). Weiter folgt ein umfangrei-
cher Gestaltungspielraum aus dem Umstand, daß hier das Maß der Ungleichbe-
handlung zwischen Verfahrenserfindern einerseits und anderen Erfindern ande-
rerseits als äußerst gering einzuschätzen ist. Denn der Gesetzgeber hat bereits im
Rahmen des Patentgesetzes einen vollständigen Schutz für Verfahrenserfindun-
gen geschaffen. Der Beschwerdeführer begehrt demnach zusätzlich zum vollstän-
digen Eigentumsschutz und zum vollständigen gewerblichen Rechtsschutz, wie er
für Verfahrenserfindungen bereits mit dem Patentrecht gewährt wird, zusätzlich
den Schutz durch das Gebrauchsmusterrecht. Neben den geringeren Kosten und
dem verfahrensrechtlichen Vorteil der schnelleren Schutzgewährung bringt das
Gebrauchsmuster als Schutzrecht für Verfahrenserfindungen gegenüber dem Pa-
tentrecht aber keine erheblichen materiellrechtlichen Vorteile. Denn nach seiner
- 15 -
Auslegung durch die Rechtsprechung steht § 2 Nr. 3 GebrMG weder der Eintra-
gung eines Gebrauchsmusters mit Product-by-process-Ansprüchen entgegen
(BPatG Beschluss vom 27.04.2010, Az.: 35 W (pat) 458/08, Beschluss vom
02.06.2004, Az.: 5 W (pat) 402/03; Busse/Keukenschrijver § 2 GebrMG Rdnr. 7,
Bühring/, GebrMG, 8. Aufl., § 2 Rn. 59 ff.) noch der Eintragung eines
Gebrauchsmusters für die Verwendung bekannter Stoffe im Rahmen einer neuen
medizinischen Indikation (vgl. BGH GRUR 2006, 135 f. -
„Arzneimittelgebrauchs-
muster“). Daß darüber hinaus ein ins Gewicht fallender praktischer Bedarf für das
Verfahrensgebrauchsmuster bestünde, ist im Laufe dieses Beschwerdeverfahrens
nicht erkennbar geworden.
Ein Gestaltungsspielraum, der nur durch das Willkürverbot begrenzt ist, wird erst
dann überschritten, wenn die Entscheidung des Gesetzgebers schlichtweg als
willkürlich erscheint (vgl. BVerfGE 38, 225, 229; BVerfGE 118, 79, 100 f.;
Jarass/Pieroth, Kommentar zum GG, 13. Aufl., Art. 3 Rn. 19). Danach bleiben
auch solche gesetzgeberische Regelungen mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, die
möglicherweise nicht die gerechtesten und zweckmäßigsten sind (vgl. Schmidt-
Bleibtreu/Klein/, Kommentar zum GG, 13. Aufl., Art. 3 Rn. 18). Nach der
Überzeugung des Senats ergibt sich aus den oben unter II.2.1 und II.2.2 darge-
legten Überlegungen des Gesetzgebers, daß die Schaffung von § 2 Nr. 3 GebrMG
keine solche willkürliche Entscheidung war, sondern auf sachbezogene Überle-
gungen gestützt war, die nach wie vor tragfähig sind.
3. Wie vorstehend dargelegt, verstößt die Schutzausschlussregelung des § 2
Nr. 3 GebrMG nach der Überzeugung des Senats nicht gegen höherrangiges
Recht. Deshalb kommt das in Art. 100 Abs. 1 GG geregelte Vorlageverfahren nicht
in Betracht.
4. Die Frage nach der Vereinbarkeit von § 2 Nr. 3 GebrMG mit dem höherrangi-
gem Recht, auf das sich der Beschwerdeführer beruft, ist von grundsätzlicher Be-
deutung. Daher war gemäß § 18 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 100 Abs. 2 Nr. 1 PatG
- 16 -
zu den unter Nr. 2 des Tenors genannten Rechtsfragen die Rechtsbeschwerde
zum Bundesgerichtshof zuzulassen.
III.
- 17 -
Werner
Eisenrauch
Dr. Jäger
Bb