Urteil des BPatG vom 15.10.2015

Wissenschaft Und Forschung, Unterscheidungskraft, Beschreibende Angabe, Schlaganfall

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 530/14
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2013 037 117.8
hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentge-
richts in der Sitzung am 15. Oktober 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Prof. Dr. Hacker sowie der Richter Merzbach und Dr. Meiser
- 2 -
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen
G r ü n d e
I.
Die am 19. Juni 2013 angemeldete Bezeichnung
Stroke Unit Plus
soll für die Dienstleistungen
„Klasse 42:
wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen;
Klasse 44:
medizinische Dienstleistungen
in das Markenregister eingetragen werden.
Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für
Klasse 44 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung mit Be-
schluss vom 20. März 2014 zurückgewiesen. Dem angemeldeten Zeichen stehe in
Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen bereits ein Freihaltungsbedürfnis
nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
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Das Zeichen
bestehe aus einer Kombination der englischen Begriffe „Stroke Unit“
(= Spezialeinrichtungen für Schlaganfall-
Patienten) sowie der Angabe „plus“.
Letztere sei ein werbeüblicher Begriff, der „etwas Zusätzliches“ bzw. „besondere
oder verbesserte Eigenschaften oder z
usätzliche Vorteile“ bezeichne. In Bezug
auf die beanspruchten Dienstleistungen vermittele das angemeldete Zeichen
daher lediglich einen beschreibenden Hinweis auf eine verbesserte Qualität bzw.
auf ein vorhandenes Mehr gegenüber den bisherigen angebotenen bzw.
erbrachten Leistungen einer Stroke Unit. Diese Qualitätssteigerung bzw. Verbes-
serungen könnten sich zum einen auf eine noch bessere Ausstattung der ent-
sprechenden Spezialeinrichtungen beziehen, z. B. mit neu entwickelten Gerät-
schaften oder zusätzlichen Apparaten und Instrumenten auf dem aktuellsten
Stand der medizinischen Technik und Forschung, welche insbesondere im
Rahmen der beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 42 entwickelt würden.
Zum anderen könne „plus“ sich auch auf einen verbesserten Service im Rahmen
der medizinischen Dienstleistungen beziehen, wie eine noch umfassendere oder
intensivere Behandlung als bisher sowie die Berücksichtigung oder Einbeziehung
der neuesten Forschungserkenntnisse auf diesem Gebiet. Das angemeldete
Zeichen stelle demnach eine unmittelbar beschreibende Angabe hinsichtlich der
Bestimmung der verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen dar und unterliege
somit dem Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Darüber hinaus stehe der Eintragung der angemeldeten Marke auch das Schutz-
hindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen, da es sich in Bezug auf die
betreffenden Dienstleistungen um eine unmittelbar beschreibende Sachangabe
handele, dem die angesprochenen Verkehrskreise keinerlei Hinweis auf einen
bestimmten Geschäftsbetrieb entnähmen.
Soweit sich die Anmelderin auf ihrer Ansicht nach vergleichbare Voreintragungen
mit dem Bestandteil „Plus“ berufe, sei anzumerken, dass Voreintragungen weder
für sich genommen noch in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des
Grundgesetzes geeignet seien, einen Eintragungsanspruch zu begründen. Zudem
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sei bei der Beurteilung des beschreibenden Charakters des Zeichenbestandteils
„plus“ eine deutlich aktuellere Rechtsprechung berücksichtigt worden, als sie die
Anmelderin in ihrer Stellungnahme vortrage.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausgeführt, dass der
Stroke Unit Plus
grund stehender beschreibender Begriffsinhalt zukomme. Selbst wenn der
deutschsprachige Verkehr den Begriff „Stroke Unit“ als „Schlaganfall-Einrichtung“
verstehe, ergebe sich das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft aus
dem zusätzlichen Zeichenbestandteil „Plus“. Denn dieser Markenbestandteil sei
gerade wegen seiner möglichen begrifflichen Bedeutung im Sinne von „Mehrwert“
für die angemeldete Marke nicht nur rein beschreibend. Ein „Plus“ bei medizi-
nischen oder wissenschaftlichen Dienstleistungen gebe es nämlich nicht. Im Be-
reich dieser Dienstleistungen gebe es keine Abstufungen bei der Reichweite einer
Behandlung ode
r Forschung im Sinne eines „Normalpaketes“ oder „Zusatzpa-
ketes“. Insbesondere im Bereich der Schlaganfall-Erkrankungen richteten sich -
unabhängig von der Art der Krankenversicherung des Patienten - sowohl medizi-
nische Behandlungen als auch wissenschaftliche Forschungen allein nach der
medizinischen Notwendigkeit bzw. den gewünschten Forschungszielen aus,
welche kein „plus“ vorsähen. Zum Wesen jeder Stroke Unit gehöre es, im um-
fassendsten Sinne auf die Erkrankung der Patienten zu reagieren und diese mög-
lichst schnell und möglichst qualifiziert zu behandeln. Das „Zusätzliche“, was das
Wort „Plus“ in einem anderen Zusammenhang suggerieren könnte, sei einer
Stroke Unit immanent.
Eine für den Verkehr nachvollziehbare Aussage werde daher mit dem Wortbe-
standteil „Plus“ nicht getroffen. Um diesen mit den angemeldeten Dienstleistungen
in Verbindung zu bringen, bedürfe es vielmehr einer Reihe weiterer spekulativer
und analytischer Überlegungen, in dem Sinne, dass beispielsweise die Dienst-
leistungen von einer entsprechend qualifizierten Person angeboten bzw. erbracht
werden. Zu einer solchen Verknüpfung neige der Verkehr jedoch nicht.
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Stroke Unit Plus
nen Sinn für eine Einrichtung zur Behandlung von Schlaganfallpatienten. Der Ge-
samtbegriff existiere weder in der deutschen noch in einer anderen gängigen
Fremdsprache, so dass der Betrachter zunächst gezwungen sei, ihn in seine Be-
standteile "Stroke", „Unit“ und "Plus" aufzuspalten, den Sinngehalt dieser zu er-
mitteln, um schließlich der Gesamtkreation eine Bedeutung zuordnen zu können.
Selbst bei Unterstellung der von der Markenstelle angenommenen Bedeutung des
Anmeldezeichens im Sinne von "ein Mehr an Spezialeinrichtung" stelle sich für die
hier angesprochenen Verbraucherkreise die Frage, worin diese Besonderheit
denn konkret bestehe bzw. wodurch sie realisiert werde.
Dementsprechend differenziere auch die Rechtsprechung danach, zu welchem
zusätzlichen Bestandteil „Plus“ hinzugefügt werde, was in einer Reihe von ver-
gleichbaren Fällen zur Eintragung von Zeichen mit dem Bestandteil „Plus“ geführt
habe, wie die Entscheidung BGH GRUR 2003, 880 - City Plus sowie die vom
BPatG als schutzfähig erachteten Wortkombinationen
„büroplus“, „CANAL PLUS“,
„Europe Plus“, „Fußball plus“ und „wellness PLUS“ verdeutlichten.
Da der Verkehr dem angemeldeten Zeichen keinen unmittelbar beschreibenden
Begriffsinhalt entnehmen könne, fehle es auch an einem Freihaltungsbedürfnis
nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 44 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 20. März 2014 aufzuheben.
Ihren zunächst hilfsweise gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen
Verhandlung hat die Anmelderin nach Terminsladung und Übersendung von Re-
cherchebelegen des Senats zurückgenommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1, § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der
Sache keinen Erfolg, da es der angemeldeten Wort
marke „Stroke Unit Plus“ in
Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen bereits an Unterscheidungskraft
nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt.
Zwar hat die Markenstelle in dem
angefochtenen Beschluss die Zurückweisung
der Anmeldung vorrangig mit einem Freihaltungsbedürfnis im Sinne von
§ 8 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG begründet. Sie hat die Zurückweisung aber auch ausdrücklich auf
das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG gestützt. Mithin ist der Senat nicht gehindert, das Eintragungshindernis
des § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG vorrangig zu berücksichtigen.
a. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zei-
chen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienst-
leistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und
diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. EuGH
GRUR 2012, 610 (Nr. 42) - Freixenet; GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66)
– EURO-
HYPO; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15)
– for you; GRUR 2014, 565, 567
(Nr. 12)
– smartbook; GRUR 2013, 731 (Nr. 11) - Kaleido; GRUR 2012, 1143
(Nr. 7)
– Starsat, jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht
darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen
zu gewährleisten (vgl. etwa EuGH GRUR 2010, 1008, 1009 (Nr. 38)
– Lego;
GRUR 2008, 608, 611 (Nr. 66) - EUROHYPO; GRUR 2006, 233, 235,
Nr. 45 - Standbeutel; BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15)
– for you; GRUR 2009,
949 (Nr. 10)
– My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein
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Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofes ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so ge-
ringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl.
BGH GRUR 2015, 173, 174 (Nr. 15)
– for you; GRUR 2014, 565, 567 (Nr. 12) –
smartbook; GRUR 2012, 1143 (Nr. 7) - Starsat; GRUR 2012, 270 (Nr. 8)
Link economy).
Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die bean-
spruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der be-
teiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels
und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen
ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, 412 (Nr. 24) - Matratzen Concord/Hukla).
Hiervon ausgehend besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn
ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens
(vgl. BGH GRUR 2013, 1143, Nr. 15 - Aus Akten werden Fakten) lediglich einen
im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH
GRUR 2004, 674, 678, Nr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270, 271,
Nr. 11 - Link economy; GRUR 2009, 952, 953, Nr. 10 - DeutschlandCard; GRUR
2006,
850,
854,
Nr. 19
- FUSSBALL WM 2006;
GRUR
2005,
417,
418 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001,
1153 - antiKALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen
der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die - etwa
wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Me-
dien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden
(vgl. u. a. BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 - FUSSBALL WM 2006; GRUR
2003, 1050, 1051 - Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 - Gute Zeiten - Schlechte
Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft auch solche
Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren (oder
Dienstleistungen) zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger be-
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schreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH GRUR 2010, 1100,
Nr. 23 - TOOOR!; GRUR 2006, 850, 855, Nr. 28 f. - FUSSBALL WM 2006).
b. Die Kombination der englischen Beg
riffe „stroke“ - welcher im medizinischen
Bereich mit
„Schlaganfall“ zu übersetzen ist - und „unit“ (= Einheit) bedeutet in
wörtlicher Übersetzung „Schlaganfalleinheit“. In dieser Bedeutung diente die eng-
lischsprachige Wortkombination im deutschen (Fach-)Sprachgebrauch auch be-
reits zum Zeitpunkt der Anmeldung der schlagwortartigen Bezeichnung von statio-
nären (neurologischen) Sondereinrichtungen von Kliniken/Krankenhäusern für
Schlaganfall-Patienten, wie die Recherche der Markenstelle (Bl. 4
– 6 VA) belegt.
Soweit vereinzelt die deutsche Bedeutung erklärt wird bzw. der Begriff übersetzt
wird
(vgl.
z. B.
http://www.mz-ac.de/leistungsschwerpunkte/stroke-unit;
http://www.klinikum-duisburg.de/leistungs-spektrum/fachabteilungen/ neurologie -
stroke-unit-neurologische-fruehrehabilitation /stroke-unit.html), ändert dies nichts
an der umfassenden sachbezogenen Benutzung dieses Begriffs im Inland. Nicht
nur der (medizinische) Fachverkehr, sondern auch weite Teile des allgemeinen
Verkehrs werden daher die Wortkombina
tion „stroke unit“ als Bezeichnung einer
solchen speziellen Einrichtung verstehen, wobei auf Seiten des allgemeinen Ver-
kehrs diese Bedeutung angesichts der belegten umfangreichen Verwendung nicht
nur Schlaganfall-Patienten bekannt sein dürfte. Auf eine lexikalische Nachweis-
barkeit dieser Wortkombination kommt es angesichts dieser Umstände nicht an.
In Bezug auf
„wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen; medizini-
sche Dienstleistungen
“ entnimmt der Verkehr der Wortkombination „stroke unit“
daher lediglich den sachbezogenen Hinweis, dass diese für eine solche Einrich-
tung bestimmt sind bzw. dem Betrieb einer solchen
„stroke unit“ dienen oder auch
in einer solchen Einrichtung erbracht werden.
Der Bestandteil "Plus" bedeutet sowohl im Englischen
als auch im Deutschen „zu-
züglich, und, Mehrbetrag, Überschuss, Vorteil, Vorzug, Positivum“ (vgl. Duden -
Deutsches Universalwörterbuch, 7. Aufl. 2011 zu „plus“) und zählt als gängige An-
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preisung und Qualitätsberühmung in den unterschiedlichsten Waren- und Dienst-
leistungsbereichen zum elementaren Grundwortschatz der Werbesprache im
Sinne eines „irgendwie gearteten, positiven Überschusses oder zusätzlichen Vor-
teils“ bzw. im Sinne eines "Mehr an Qualität oder Komfort" im Vergleich zum übli-
chen Standard, den die jeweiligen Waren oder Dienstleistungen bieten. Entspre-
chende Wortkombinationen mit dem Be
standteil „Plus“ sind in zahlreichen Ent-
scheidungen im Zusammenhang mit den unterschiedlichsten Waren und Dienst-
leistungen als schutzunfähig angesehen worden (vgl. 33 W (pat) 131/01 Finanz-
plus; 26 W (pat)
081/07 „FRUTA PLUS“; 32 W (pat) 019/00 „Komfort Plus“;
24 W (pat)
051/04 „PROTECTION PLUS“; 33 W (pat) 046/04 „Risikoplus“;
29 W (pat)
351/99
„SelectPlus“;
32 W (pat) 103/99
„VOLUME
PLUS“;
30 W (pat) 258
/96 „VITAL PLUS“; 28 W (pat) 503/10 – „Premium PLUS+“;
28 W (pat) 2/10
– „Naturplus“). Der Verbraucher kennt "plus" im Zusammenhang
mit vielfältigen Produkten und Dienstleistungen daher als allgemeinen Hinweis
darauf, dass hierbei ein "mehr" an Inhalt, Leistungen oder Neuerungen geboten
wird. Dies gilt auch für den medizinischen Bereich (vgl. BPatG 30 W (pat) 310/03
„medizin plus“, veröffentlicht in PAVIS). Auch insoweit findet „plus“ als allgemeiner
Hinweis auf verbesserte Leistungen, Service etc. umfangreich Verwendung, wie
die der Anmelderin mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung als Anlage 2
übermittelten Belege verdeutlichen.
Verstehen daher sowohl der Fachverkehr als auch erhebliche Teile des allgemei-
nen Verkehrs den jeweiligen Sinngehalt der Wortbestandteile, werden sie der
Kombination der Sachangabe „Stroke Unit“ mit „Plus“ in Bezug auf die „medizini-
schen Dienstleistungen“ der Klasse 44 lediglich einen beschreibenden Hinweis auf
ein vorhandenes „Mehr“ i. S. einer Verbesserung bzw. einer Qualitätssteigerung
der in einer „stroke unit“ zu erbringenden „medizinischen Dienstleistungen“ ent-
nehmen.
Soweit die Anmelderin geltend macht, dass sich im Bereich der Schlaganfall-Er-
krankungen medizinische Behandlungen allein nach der medizinischen Notwen-
- 10 -
digkeit ausrichteten, welche kein „plus“ vorsähen, ist dem insoweit zuzustimmen,
als die durch einen Arzt selbst zu erbringenden Behandlungsdienstleistungen (in
einer Schlaganfallstation) sich allein nach den Regeln der ärztlichen Kunst unter
Beachtung des aktuellen Stands der Wissenschaft und Forschung zu richten ha-
ben; insoweit gibt es kein „mehr“ oder „weniger“. Die beanspruchten „medizini-
schen
Dienstleistungen“ der Klasse 44 erschöpfen sich jedoch nicht in allein ei-
nem Arzt vorbehaltenen Behandlungsmaßnahmen. Sie umfassen darüber hinaus
insbesondere auch bei
einer „stroke unit“ eine Vielzahl von nicht notwendiger-
weise durch einen Arzt zu erbringenden medizinischen Dienstleistungen z. B. im
Bereich der Prophylaxe sowie der Nachbehandlung oder einer Rehabilitation. Sol-
che medizinischen Dienstleistungen können ebenso wie die im Rahmen solcher
Dienstleistungen eingesetzten Geräte und Hilfsmittel bis hin zu den verwendeten
Medikamenten aber ohne Weiteres eine höhere Qualität, einen größeren Umfang
sowie eine höhere Intensität als üblicherweise angeboten aufweisen (vgl. dazu
auch BPatG 30 W (pat)
310/03 „medizin plus“). So kann sich ein höherer Standard
aus einer Ausstattung der entsprechenden Spezialeinrichtungen mit neu entwi-
ckelten Gerätschaften oder zusätzlichen Apparaten und Instrumenten auf dem
aktuellsten Stand der medizinischen Technik und Forschung ergeben. Weiterhin
kann sich ein
„plus“ auch aus einem verbesserten oder erweiterten Service im
Rahmen der medizinischen Dienstleistungen ergeben, z. B. in Form von zusätzli-
chen Angeboten zur Aufrechterhaltung der Gesundheit oder aber auch in Bezug
auf Ambiente und Atmosphäre der jeweiligen Einrichtung (vg
„Die Komfortplus-Stationen bie-
ten Privat- und Wahlleistungspatienten ein "Plus" an Service und Komfort. In allen
Zimmern genießen Sie eine ansprechende, hochwertige Einrichtung in au-
ßergewöhnlichem Ambiente.“; der Anmelderin als Anlage 4 zu Ladung übermit-
telt).
Das mi
t „Plus“ gekennzeichnete „Mehr“ im Vergleich zum üblichen Standard kann
sich weiterhin auf den Bereich von Zusatzleistungen im medizinischen Bereich
beziehen in Richtung einer ganzheitlichen medizinischen Behandlung, die mehr
- 11 -
als die bloße Behebung der F
unktionsstörung erreichen will, sowie ferner auf Ser-
vice und Betreuung z. B. von Angehörigen, welche gerade bei Schlaganfall-
Patienten oftmals mit die Lebensumstände nachhaltig verändernden und
psychisch belastenden Folgen der Erkrankung konfrontiert werden.
In Bezug auf
„wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen“ der
Klasse 42 erweitert der
Markenbestandteil „Plus“ die Bezeichnung „Stroke Unit“
nach allgemeinem Sprachverständnis dahingehend, dass die betreffenden
Dienstleistun
gen zu einem „Mehr an Qualität oder Komfort" einer „stroke unit“
führen bzw. darauf ausgerichtet sind. Möglich ist auch, dass die Dienstleistungen
der Klasse 42 selbst den zusätzlichen,
mit „Plus“ umschriebenen Vorteil z. B. in
Form einer eige
nen Forschungsabteilung einer „stroke unit“ ausmachen.
Der Einwand der Anmelderin, dass sich auch wissenschaftliche Forschungen al-
lein nach den gewünschten Forschungszielen ausrichteten, welche ebenfalls kein
„plus“ vorsähen, ist in Bezug auf „wissenschaftliche und technologische Dienst-
leistungen“ der Klasse 42 bereits deshalb unerheblich, weil es nicht darum geht,
ob diese selbst ein „Mehr“ aufweisen, sondern darum, ob diese Dienstleistungen
zu einer Verbesserung bzw. Qualitätssteigerung
einer „stroke unit“ beitragen bzw.
selbst den weiteren, zusätzlichen Vorteil begründen.
Angesichts der umfassende
n Verwendung von „Plus“ als werbemäßiger Hinweis
auf ein "Mehr" an Inhalt, Leistungen oder Neuerungen nicht zuletzt auch im medi-
zinischen Bereich ist die Kombination der englischsprachigen Wortfolge „Stroke
Unit“ mit „Plus“ auch ihrem Gesamteindruck nach nicht so ungewöhnlich oder ori-
ginell, als dass sie in ihrer Gesamtheit noch hinreichend individualisierend wirkt.
Vielmehr erschöpft sich die angemeldete Marke in Bezug auf die beanspruchten
Dienstleistungen in einer sprach- und werbeüblichen Aneinanderreihung der be-
schreibenden Begriffe
„Stroke Unit“ und „Plus“ zu einem verständlichen, schlag-
wortartigen Hinweis auf ein „Mehr“ an Leistung, Inhalt etc. der in einer „stroke
- 12 -
unit“ zu erbringenden „medizinischen Dienstleistungen“ bzw. – was die zu
Klasse 42 beanspruchten Dienstleistungen betrifft
– darauf, dass diese ihrem
Inhalt und Gegenstand nach ein "Mehr an Qualität oder Komfort" im Vergleich zum
üblichen Standard eine
r „stroke unit“ umfassen. Um sich diese Bedeutung zu
erschließen, bedarf es keiner vertieften Analyse. Vielmehr drängt sie sich dem
Verkehr in Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen ohne
weiteres Nachdenken auf. Zwar ist es grundsätzlich nicht ausgeschlossen, dass
auch zwei Sachangaben durch ihre Zusammenstellung kennzeichnend wirken
können. Insbesondere kann ein beschreibender Sinngehalt eines Markenwortes
im Einzelfall durch eine hinreichend fantasievolle Wortbildung soweit überlagert
sein, so dass der Marke in ihrer Gesamtheit die erforderliche Unterscheidungskraft
nicht mehr abzusprechen ist (vgl. z. B. BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH;
BPatG GRUR 1997, 639, 640 - FERROBRAUSE). Voraussetzung hierfür wäre
aber, dass ein merklicher Unterschied zwischen der Kombination und der bloßen
Summe
ihrer
Bestandteile
besteht
(vgl.
EuGH
GRUR
2004,
680
Stroke Unit Plus
solche ungewöhnliche Struktur auf, die von einem rein sachbezogenen
Aussagegehalt wegführen könnte. Die Einzelbestandteile werden entsprechend
ihrem Sinngehalt verwendet und bilden auch in der Gesamtheit keinen neuen,
über die bloße Kombination hinausgehenden Begriff. Soweit dabei offen bleibt,
welches „Plus“ in Bezug auf die jeweiligen Dienstleistungen erbracht wird bzw. wie
genau sich dieses gestaltet, ändert dies nichts an dem beschreibenden Charakter
des Zeichens. Denn eine gewisse begriffliche Unbestimmtheit steht der Annahme
einer beschreibenden Sachangabe nicht entgegen, da auch zusammenfassende
oberbegriffsartige Ausdrücke und Wortfolgen einen beschreibenden und sachbe-
zogenen Charakter in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen haben können (vgl.
BGH, GRUR 2000, 882, 883 - Bücher für eine bessere Welt; 2008, 397, 398
Tz. 15 - SPA II; WRP 2009, 960, 962 Tz. 15 - DeutschlandCard).
Soweit die Anmelderin unter Vorlage entsprechender PAVIS-Auszüge auf einge-
tragene Wortk
ombinationen mit dem Bestandteil „Plus“ wie z. B. „büroplus“,
- 13 -
„CANAL PLUS“ veweist – vgl. dazu die von der Anmelderin vor der Markenstelle
vorgelegten PAVIS-Auszüge (Bl. 15
– 22 VA) – ist zunächst anzumerken, dass
diesen Eintragungen die unter b. im Zusammenhang mit der Bedeutung des
Begriffs „Plus“ beispielhaft aufgeführten Entscheidungen gegenüberstehen, in
denen die Kombi
antion eines schutzunfähigen Begriffs mit der Angabe „PLUS“ als
nicht eintragungsfähig angesehen wurde. Zudem fehlt es bereits an einer
Vergleichbarkeit, als die Eintragungen sich auf Wort-/Bildmarken beziehen, wie
z. B.
bei der Marke „Wellness PLUS“ (Bl. 22 VA). Bei der von der Anmelderin
weiterhin genannten Entscheidung BGH GRUR 2003, 880
– City Plus handelte es
sich um ein Verletzungsverfahren, bei der die Schutzfähigkeit der Klagemarke
„City Plus“ nicht zur Überprüfung stand; abgesehen davon handelte es sich -
entgegen der Darstellung der Anmelderin - nach Auffassung des BGH bei der
Klagemarke „City Plus“ um eine originär „wenig unterscheidungskräftige Bezeich-
nung
“, welche aufgrund ihrer (isolierten) Verwendung im Geschäftsverkehr zuneh-
mend eine herkunftshinweisende Funktion erhalten hat (vgl. BGH a. a. O. Tz. 13).
In rechtlicher Hinsicht ist zudem zu beachten, dass zwar etwaige Entscheidungen
über ähnliche Anmeldungen, soweit sie bekannt sind, im Rahmen der Prüfung zu
berücksichtigen sind und Anlass für die Überlegung geben können, ob im gleichen
Sinn zu entscheiden ist oder nicht; sie sind aber keinesfalls bindend (vgl. EuGH
GRUR 2009, 667 Nr. 17 und 19
– „Bild digital“ und „ZVS Zeitungsvertrieb Stutt-
gart
“). Voreintragungen identischer oder vergleichbarer Marken, haben hinsichtlich
der Schutzfähigkeit weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung, weil zum einen
aus nicht begründeten Eintragungen anderer Marken keine weitergehenden In-
formationen im Hinblick auf die Beurteilung der konkreten Anmeldung entnommen
werden können und zum anderen auch unter Berufung auf den Gleichbehand-
lungsgrundsatz nicht von einer den rechtlichen Vorgaben entsprechenden Ent-
scheidung abgesehen werden darf (vgl. EuGH a. a. O. Nr. 18
– Bild digital und
ZVS Zeitungsvertrieb Stuttgart; BGH GRUR 2012, 276
– „Institut der Norddeut-
schen Wirtschaft e.V
“). Für die Entscheidung, ob der Markenanmeldung ein Ein-
tragungshindernis entgegensteht, kommt es allein darauf an, ob die tatbestandli-
- 14 -
chen Voraussetzungen eines der gesetzlich geregelten Schutzhindernisse gege-
ben sind.
Die Frage, ob auch ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gege-
ben ist, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
III.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
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Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
einzulegen.
Hacker
Merzbach
Meiser
Hu