Urteil des BPatG vom 25.01.2016

Beschreibende Angabe, Public Relations, Organisation, Produktion

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 551/13
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
25. Januar 2016
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 30 2012 061 735.2
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden
Richterin Dr. Mittenberger-Huber, der Richterin Akintche und des Richters am
Landgericht Dr. von Hartz
- 2 -
beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Marken-
stelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
8. Oktober 2013 aufgehoben, soweit die Anmeldung bezüglich der
Waren und Dienstleistungen der
Klasse 16: Papier, Pappe (Karton);
Klasse 35: Werbung; Online-Werbung in einem Computernetzwerk;
Verbreitung von Werbeanzeigen; Verteilung von Werbe-
material (Flugblätter, Prospekte, Drucksachen, Warenpro-
ben); Verfassen und Herausgabe von Werbetexten; Kun-
dengewinnung und
–pflege durch Versandwerbung (Mai-
ling); Organisation und Durchführung von Werbeveranstal-
tungen; Produktion von Werbefilmen; Produktion von
Druckerzeugnissen (auch in elektronischer Form) für Wer-
bezwecke; Veranstaltung von Messen zu gewerblichen
oder Werbezwecken; Marketing; Marktforschung und
Marktanalyse;
Meinungsforschung;
Öffentlichkeitsarbeit
[Public Relations]; Verkaufsförderung [Sales Promotion] [für
Dritte]; Produktion von Werbe- und Informationsfilmen;
Sammeln und Zusammenstellen themenbezogener Pres-
seartikel; Organisation von Veranstaltungen und Messen zu
gewerblichen und/oder Werbezwecken; Aktualisierung,
Pflege und Zusammenstellung von Daten in Computerda-
tenbanken; Systematisierung von Daten in Computerdaten-
banken; Sammeln und Zusammenstellen von themenbezo-
genen Presseartikeln; Sponsorensuche;
- 3 -
Klasse 41: Herausgabe von Texten und Druckschriften (ausgenommen
Werbezwecke), insbesondere Büchern, Zeitungen, Zeit-
schriften, Magazinen, Broschüren, Informationsmappen und
Prospekte; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung;
Planung, Organisation und Durchführung von kulturellen
und sportlichen Veranstaltungen; Planung und Durchfüh-
rung von Live-Veranstaltungen; Planung, Organisation und
Durchführung von Seminaren, Kongressen, Konferenzen
und Workshops; Veranstaltung von Ausstellungen für kultu-
relle Unterrichtszwecke; Dienstleistungen bezüglich Frei-
zeitgestaltung; Vorführungen zu Schulungszwecken; Be-
trieb von Sport-, Freizeit- und Erholungsanlagen;
Klasse 43: Dienstleistungen zur Beherbergung und Verpflegung von
Gästen;
zurückgewiesen worden ist.
2.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Das Wortzeichen
Störtebekerturm
ist am 30. November 2012 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Pa-
tent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für Waren und Dienstleistungen
der Klassen 16, 35, 38, 39, 41 und 43 angemeldet worden.
- 4 -
Mit Beschluss vom 8. Oktober 2013 hat die Markenstelle für Klasse 35 die Anmel-
dung teilweise zurückgewiesen, nämlich für folgende Waren und Dienstleistungen
der
Klasse 16:
Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit
nicht in anderen Klassen enthalten; Druckereierzeugnisse; Glück-
wunsch-, Gruß- und Postkarten; Kalender; Bücher, Zeitungen, Zeit-
schriften, Magazine, Broschüren, Kataloge, Prospekte, Informations-
mappen und
–blätter; Karten; Fotografien; Fotodrucke, Poster und
Plakate; Eintrittskarten, Fahrkarten.
Klasse 35:
Werbung; Online-Werbung in einem Computernetzwerk; Verbreitung
von Werbeanzeigen; Verteilung von Werbematerial (Flugblätter,
Prospekte, Drucksachen, Warenproben); Verfassen und Herausgabe
von Werbetexten; Kundengewinnung und
–pflege durch Versand-
werbung (Mailing); Organisation und Durchführung von Werbeveran-
staltungen; Produktion von Werbefilmen; Produktion von Drucker-
zeugnissen (auch in elektronischer Form) für Werbezwecke; Veran-
staltung von Messen zu gewerblichen oder Webezwecken; Marke-
ting; Marktforschung und Marktanalyse; Meinungsforschung; Öffent-
lichkeitsarbeit [Public Relations]; Verkaufsförderung [Sales Promo-
tion] [für Dritte]; Produktion von Werbe- und Informationsfilmen;
Sammeln und Zusammenstellen themenbezogener Presseartikel;
Vermittlung von Eintrittskarten für Dritte; Organisation und Veran-
staltung von Messen zu gewerblichen und/oder Werbezwecken; Ak-
tualisierung, Pflege und Zusammenstellung von Daten in Computer-
datenbanken; Systematisierung von Daten in Computerdatenbanken;
Sammeln und Zusammenstellen von themenbezogenen Pressearti-
keln; Sponsorensuche;
Klasse 38:
Bereitstellen und Betrieb von Online-Portalen, Internet-Foren und
Webblogs; Übermittlung von Grußkarten über das Internet; Kommu-
- 5 -
nikationsdienste mittels Computerterminals; Kommunikationsdienste
mittels Telefon; Nachrichten- und Bildübermittlung mittels Computer;
elektronische Nachrichtenübermittlung; elektronische Auskunfts-
übermittlung.
Klasse 39:
Veranstaltungen und Vermittlung von Ausflugsfahrten und Reisen;
Veranstaltung und Vermittlung von Besichtigungen; Beförderung von
Personen und Gütern, Vermittlung von Verkehrsleistungen; Bu-
chungsdienstleistungen; Reisebegleitung; Organisation und Durch-
führung von Ausflügen, Reisen und Aufenthalten; Reservierungs-
dienste, Vermittlung von Eintritts- und Fahrkarten; Verkehrsinformati-
onsdienste; Reservierungsdienste für Reisen, Ausflüge und Aufent-
halte.
Klasse 41:
Auskünfte über Freizeitaktivitäten und Unterhaltungsveranstaltungen;
Herausgabe von Texten und Druckschriften (ausgenommen Werbe-
zwecke), insbesondere Büchern, Zeitungen, Zeitschriften, Magazi-
nen, Broschüren, Informationsmappen und Prospekte; Bereitstellen
von elektronischen Publikationen [nicht herunterladbar]; Dienstleis-
tungen bezüglich Freizeitgestaltung; Planung, Organisation und
Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen; Pla-
nung und Durchführung von Live-Veranstaltungen; Planung, Organi-
sation und Durchführung von Seminaren, Kongressen, Konferenzen
und Workshops; Veranstaltung von Ausstellungen für kulturelle Un-
terrichtszwecke; Eintrittskartenvorverkauf; Platzreservierungen für
Unterhaltungsveranstaltungen; Informationen über Unterhaltungs-
veranstaltungen; Dienstleistungen bezüglich Freizeitgestaltung; Vor-
führungen zu Schulungszwecken; Bereitstellung von Freizeitinforma-
tionen; Information über Veranstaltungen; Betrieb von Sport-, Frei-
zeit- und Erholungsanlagen
- 6 -
Klasse 43: Vermittlung von Zimmern und Unterkünften; Reservierung von Zim-
mern und Unterkünften; Dienstleistungen zur Beherbergung und
Verpflegung von Gästen
Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, in diesem Umfang fehle dem
Anmeldezeichen die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG. D
as Zeichen „Störtebekerturm“, bei dem es sich um eine Kombination
der Begriffe „Störtebeker“ und „Turm“ handele, stelle insoweit lediglich einen be-
schreibenden Hinweis auf deren Art, Inhalt bzw. deren Angebotsort dar. Der Be-
griff „Störtebeker“ bezeichne den bekannten Seeräuber Klaus Störtebeker, der von
der Hanse besiegt wurde, im Jahre 1401 angeblich in Hamburg hingerichtet und
spätestens im 16. Jahrhundert zu einem legendären volkstümlichen Helden zahl-
reicher Lieder und Sagen wurde.
Der Begriff „Turm“ bezeichne ferner ein hoch
aufragendes, auf verhältnismäßig kleiner Grundfläche stehendes Gebäude. Vom
reinen Wortverständnis handele es sich bei dem Gesamtbegriff um ein derartiges
Gebäude oder Bauwerk, das mit dem berühmten Seeräuber in irgendeinem Zu-
sammenhang stehe. Der hoch aufragende Turm der St. Marien-Kirche, der als
Seezeichen gedient und in dem angeblich die Person Klaus Störtebeker Ende des
14. Jahrhunderts Unterschlupf gefunden habe, befinde sich in Marienhafe, werde
„Störtebekerturm“ genannt bzw. unter dieser Bezeichnung vermarktet. Der Name
„Störtebeker“ sei per se nicht unterscheidungskräftig, weil Namen historischer
Persönlichkeiten, die Teil des kulturellen Erbes der Allgemeinheit seien, grund-
sätzlich vom Verkehr nicht als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst würden.
Vielmehr sei es gängige Praxis, den Namen bekannter Persönlichkeiten als Titel
beispielsweise für Filme und Veranstaltungen zu wählen, die sich mit dem Leben
dieser Personen auseinandersetzen. Insgesamt sei deshalb das angemeldete Zei-
chen „Störtebekerturm“ aufgrund des ohne Weiteres verständlichen rein sachbe-
zogenen Begriffsinhalts für einen Teil der beanspruchten Waren und Dienstleis-
tungen nicht unterscheidungskräftig.
- 7 -
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamtes vom 8. Oktober 2013 wird aufgehoben.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung,
dem Zeichen „Störtebekerturm“
könne die erforderliche Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden, da der
angesprochene Verkehr das Zeichen nicht unmittelbar und ohne nähere Überle-
gungen als Erbringungs- oder Angebotsort oder als rein beschreibende Angabe
bezüglich der beanspruchten Waren und Dienstleistungen auffassen werde.
B
ereits der Bestandteil „Störtebeker“ sei unterscheidungskräftig. Zum einen habe
es den Seeräuber Klaus Störtebeker vermutlich gar nicht gegeben, so dass er mit
einer fiktiven Person gleichzusetzen sei. Zum anderen seien Namen per se unter-
scheidungskräftig, da sie grundsätzlich auf damit gekennzeichnete Produkte her-
kunftshinweisend wirkten. Selbst wenn die fiktive Figur Klaus Störtebeker als ein
Seeräuber oder Pirat bekannt sein sollte, komme dem
Zeichen „Störtebekerturm“
keine inhaltliche und sachbezogene Aussage in Bezug auf die zurückgewiesenen
Waren und Dienstleistungen zu. Es könne ferner nicht festgestellt werden, dass
d
er Verkehr bei dem Zeichen „Störtebekerturm“ irgendeine konkrete Vorstellung
habe, oder ob der Verkehr mit diesem Zeichen gar ein bestimmtes Gebäude ver-
binde. Dies läge schon daran, dass es sich bei dem Zeichen um einen frei erfun-
denen Namen handele, der lediglich andeute, dass es sich um einen Turm han-
dele, der mit einer Sagenfigur in Verbindung stehe. Außerdem könne lediglich ein
Teil des angesprochenen Verkehrs überhaupt wissen, dass ein bestimmter Kirch-
turm in Marienhafe „Störtebekerturm“ genannt werde. Der angesprochene Verkehr
verstehe die Anmeldemarke daher nicht nur als bloße Erbringungsstätte von
Dienstleistungen oder als Angebotsort von Waren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
- 8 -
II.
Die nach §§ 66, 64 Abs. 6 MarkenG zulässige Beschwerde der Anmelderin hat nur
insoweit Erfolg, als einer Eintragung des angemeldeten Zeichens für die im Tenor
genannten Waren und Dienstleistungen absolute Schutzhindernisse nicht entge-
genstehen. Im Übrigen ist die Beschwerde aber unbegründet.
1.
Die angemeldete Bezeichnung „Störtebekerturm“ stellt im Umfang der nicht im
Tenor genannten verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen
eine unmittelbar beschreibende Angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dar
bzw. weist im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG jedenfalls einen engen sach-
lichen Bezug zu diesen auf.
a) Nach der Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind solche Marken von der
Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben be-
stehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Be-
stimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienst-
leistungen dienen können, für die sie eingetragen werden sollen. Mit diesem
Schutzhindernis wird das im Allgemeininteresse liegende Ziel verfolgt, dass alle
Zeichen oder Angaben, die Merkmale der angemeldeten Waren oder Dienst-
leistungen beschreiben, von allen Unternehmen frei verwendet werden können
und nicht aufgrund ihrer Eintragung als Marke einem Unternehmen vorbehalten
werden (EuGH, 36 Campina Melkunie/HABM
[BIOMILD]; GRUR 2004, 674, Rn. 54 u. 95 - Postkantoor; GRUR 2004, 146,
Rn. 31 - Wrigley/HABM [DOUBLEMINT]). Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG unterliegen nicht nur im Verkehr übliche Fachbegriffe oder glatt
beschreibende Gattungsbezeichnungen einem Eintragungsverbot, sondern alle
Zeichen und Angaben, die geeignet sind, Merkmale der beanspruchten Waren
oder Dienstleistungen zu bezeichnen (EuGH GRUR 2010, 534, Rn. 52 - Prana
Haus/HABM [PRANAHAUS]; GRUR 2011, 1135, Rn. 37 - Technopol/HABM
[Zahl 1000]). Dabei sind nicht nur die in § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG konkret auf-
- 9 -
gezählten Merkmale der Art, Beschaffenheit, Bestimmung etc., sondern auch
alle sonstigen Merkmale zu berücksichtigen. Sonstige Merkmale der Waren und
Dienstleistungen in diesem Sinne sind alle solchen, die für den Waren- und
Dienstleistungsverkehr irgendwie bedeutsame, nicht völlig nebensächliche Um-
stände mit Bezug auf die Ware oder Dienstleistung beschreiben (EuGH,
a. a. O., Rn. 28, [PRANAHAUS]; BGH, GRUR 2012, 272 Rn. 14 - Rheinpark-
Center-Neuss).
b) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungs-
mittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleis-
tungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und
diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen
unterscheidet (EuGH GRUR 2010, 228 Rn.  33 - Audi AG/ HABM [Vorsprung
durch Technik]; GRUR 2008, 608 Rn. 66 f. -EUROHYPO; BGH GRUR 2013,
731 Rn. 11 -
Kaleido; GRUR 2012, 270 Rn. 8 -Link economy; GRUR 2010, 825
Rn. 13 - Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935 Rn. 8 - Die Vision). Denn
die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekenn-
zeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH a. a.
O. - Audi
AG/ HABM [Vorsprung durch Technik]; GRUR 2006, 233 Rn. 45 - Standbeutel;
GRUR 2006, 229 Rn. 27 - BioID; BGH GRUR 2009, 949 Rn. 10 - My World;
GRUR, 2008, 710 Rn. 12 - VISAGE). Da allein das Fehlen jeglicher Unterschei-
dungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab
anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt,
um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH GRUR 2015, 173 Rn. 15
– for
you; GRUR 2014, 565 Rn. 12
– smartbook).
Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft,
wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund
stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674,
Rn. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 1143 Rn. 9 - Starsat; GRUR 2012, 270
- 10 -
Rn. 11 - Link economy) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder
Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache be-
stehen, die - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung
oder in den Medien - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel
verstanden werden (BGH GRUR 2014, 872 Rn. 21 - Gute Laune Drops; GRUR
2010, 1100 Rn. 20 - TOOOR!). Darüber hinaus besitzen keine Unterschei-
dungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die
beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen,
durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und
die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014,
1204 Rn. 16 - DüsseldorfCongress; a. a. O. Rn. 16 - Gute Laune Drops; a. a. O.
Rn. 23 - TOOOR!).
c) Bei der Prüfung der vorgenannten Schutzhindernisse ist maßgeblich auf den
Zeitpunkt der Anmeldung und auf das zu diesem Zeitpunkt bestehende Ver-
kehrsverständnis abzustellen, wobei es auf die Wahrnehmung des Handels
und/oder eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verstän-
digen Durchschnittsverbrauchers der angesprochenen Verkehrskreise ankommt
(EuGH GRUR 2004, 943 Rn. 24 - SAT 2; GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 - Mat-
ratzen Concord/Hukla; BGH WRP 2014, 449 Rn. 11 - grill meister).
d) Gemessen an diesen Grundsätzen ist dem Anmeldezeichen „Störtebekerturm“
die Schutzfähigkeit für einen Teil der verfahrensgegenständlichen Waren und
Dienstleistungen abzusprechen. Die tatsächliche Verwendung des Zeichens
„Störtebekerturm“ als Gebäudebezeichnung rechtfertigt die teilweise Zurück-
weisung als beschreibende Angabe. Die der Beschwerdeführerin vorab über-
sandten Ergebnisse der Senatsrecherche zeigen
, dass der Begriff „Störtebe-
kerturm“ - bereits vor dem Anmeldezeitpunkt November 2012 - umfangreich als
sachlicher Hinweis auf ein bestimmtes Gebäude verwendet worden ist. So wird
der ca. 37 Meter hohe Turm der St. Marien-Kirche (eine der vier historischen
Kirchen im Brookmerland), der sich in Marienhafe befindet, als „Störtebeker-
- 11 -
turm“ bezeichnet. Das Erdgeschoss des Turms mit vier Geschossen dient heute
als Leichenhalle und ist nicht öffentlich zugänglich. Im ersten Stockwerk des
Turms befindet sich die Störtebeker-Kammer; der Pirat Klaus Störtebeker soll
während seiner Aufenthalte in Marienhafe um 1400 darin gewohnt haben; heute
beherbergt sie das Turmmuseum mit einer Dokumentation zur Baugeschichte.
Der Aufstieg zur Aussichtsplattform führt über eine Treppe, deren Stufen sehr
schmal und steil sind. Die Besichtigung des Turms kann zu bestimmten Öff-
nungszeiten gegen Entgelt erfolgen. Der Turm wird auch von der Beschwerde-
führerin umfangreich unter dieser Bezeichnung
– so z. B. „Störtebekerturm, Das
Wahrzeichen des Störtebekerlan
des“ – vermarktet; vgl. zudem folgende Ver-
wendungsbeispiele (Bl. 28-47 d. A.):
-
Artikel in der Berliner Zeitung vom 27.08.2005: „Beim ostfriesischen Triathlon
passieren die Wanderer Mühlen, Kanäle und Klappbrücken..., den Störtebeker
Turm in Marienhafe, endlose Moore...bis sie schließlich das Wattenmeer er-
reichen...;
-
Ferienhausvermietung: „Das komfortabel ausgestattete gemütliche Ferienhaus
liegt ...mitten im Ortskern von Marienhafe mit Blick auf den Störtebekerturm
...“;
- Ems-
Radtour Beschreibung aus 2005: „Vorbei an alten und neuen Windmüh-
len nach Marienhafe zum Störtebekerturm
...“;
-
Artikel „Ostfriesische Nachrichten“: „Der tödliche Sturz ...vom Störtebekerturm
in Marienhafe bewegt die Menschen im Brookmerland...“;
-
Informationen der Ostriesland Tourismus GmbH über „Turmmuseum im Stör-
tebekerturm
“;
-
Buch, gebundene Ausgabe vom 01.01.1983 mit dem Titel „Das Land um den
Störtebekerturm: Geschichtliches und Bilder aus Marienhafe und dem Nord-
brokmerland“;
- Ansichtskarten-Center Onlineshop, Motiv: Marienhafe, Störtebekerturm;
- Holidaycheck.de, Reisetipp Störtebekerturm Marienhafe;
-
Reisebusfahrten, Ostfriesische Inselträume. „...Anschließend erleben Sie das
Wahrzeichen von Marienhafe
– den Störtebekerturm.“;
- 12 -
-
Unterkunftsbewertung; Ferienhaus „Am Störtebekerturm“ – Marienhafe“;
- Video auf YouTube mit Bildern über Störtebeker, veröffentlicht am 01.05.2012:
„Der Kirchturm, den Sie zum Schluß gesehen haben, hat ebenfalls einen Be-
zug zu Störtebeker, denn dort soll er lange Zeit Unterschlupf gefunden ha-
ben...Schauen wir uns den „Störtebekerturm“ doch einmal etwas genauer
an...“;
-
Informationen über Piraten auf der Internetseite „Oppis World“: Klaus
Störtebeker, Denkmal vor dem Störtebekerturm in Marienhafe, Foto
2003.
Aufgrund der touristischen Bedeutung und deutschlandweiten Vermarktung,
nicht zuletzt über das Internet, kann von einer hinreichenden Bekanntheit des
„Störtebekerturm“ in einem ausreichend großen Teil des angesprochenen Publi-
kums
– hier im Wesentlichen die allgemeinen Verkehrskreise und bei den
Dienstleistungen der Klasse 35 Unternehmensinhaber und Angehörige der un-
ternehmerischen Führungsebene - ausgegangen werden. Angesichts der auf-
gezeigten sachbezogenen Verwendung des Begriffs und der damit verbunde-
nen beachtlichen Aufnahme im Publikum ist auch unerheblich, dass die Figur
„Störtebeker“ gegebenenfalls nur auf einer Legendenbildung beruht (vgl.
BPatG, Beschluss vom 08.10.2014, 27 W (pat) 564/13 - Störtebekerland).
Bezogen auf die beanspruchten Waren der Klasse 16
“ und die Dienstleistung der Klasse 41
„“ kann
die geografische Gebäudeangabe „Störtebekerturm“ den Inhalt der (elektroni-
schen) Publikationen bezeichnen, insbesondere als Hinweis auf Informationen
zum „Störtebekerturm“ als touristisches Ziel.
Die angemeldete Bezeichnung kann zudem der Beschreibung derjenigen
Dienstleistungen dienen, die Beförderungsangebote der Klasse 39
- 13 -
auskunftsorientierte Dienstleistungen der Klasse 35, 41 und 43,
nämlich „“ der Klasse 35, „
“ der Klasse 41 und die „
“ der
Klasse 43 betreffen. In diesem Zusammenhang kan
n die Angabe „Störtebe-
kerturm“ das Reise- oder Beförderungsziel bzw. die touristische Attraktion, für
die Auskünfte erteilt und Veranstaltungen (Turmbesichtigung, Führungen und
Besteigung zur Aussichtsplattform) gebucht werden können, benennen. Ent-
sprechend verhält es sich bezogen auf die Waren der Klasse 16
“, für die das um Schutz nachsuchende Zeichen den Geltungs-
bereich und Zielort der Karten angeben kann.
Eine sachbeschreibende Verwendung in diesem Sinne bereits vor dem An-
meldezeitpunkt belegen nicht zuletzt die oben angeführten Rechercheergeb-
nisse, insbesondere diejenigen mit Bezug zum Tourismus.
In Bezug auf die Waren der Klasse 16
“ gibt das Anmeldezei-
chen einen unmittelbar beschreibenden Hinweis auf das Bildmotiv (vgl. oben
aufgeführtes Verwendungsbeispiel Bl. 41 d. A.).
Ferner können „
“ Nachbil-
dungen des Störtebekerturms sein. Im Umfang der vorgenannten Waren liegt
- 14 -
im Hinblick auf den thematisierten gedanklichen Inhalt eine Angabe zur Be-
schaffenheit der Waren vor.
Für die in Klasse 38 beanspruchten Dienstleistungen
“ fasst das angesprochene Publikum das Anmeldezei-
chen wegen seines thematischen Bezugs nur als Sachangabe auf. Denn zu
den Dienstleistungen in Klasse 38 gehört neben der rein technischen Kompo-
nente auch die inhaltliche Bereitstellung und Übermittlung von Informationen.
Zwischen der technischen Dienstleistung und der Contentvermittlung besteht
ein so enger Bezug, dass das entsprechende Verkehrsverständnis zwischen
Technik und Inhalt insoweit nicht mehr trennt (BPatG, Beschluss vom
11.05.2015,
26 W (pat) 72/14
– Shopping Compass; Beschluss vom
22.01.2015, 29 W (pat) 525/13
– The European; Beschluss vom 14.09.2009,
27 W (pat) 525/14
– Therapie.TV; vgl. auch BGH GRUR 2010, 1100 Rn. 22 –
TOOOR!).
2. Im Umfang der im Tenor genannten Waren und Dienstleistungen kann dem
angemeldeten Zeichen
„Störtebekerturm“ dagegen die Schutzfähigkeit nicht
abgesprochen werden. Das Zeichen gibt keinen unmittelbar beschreibenden
Hinweis auf Merkmale dieser Waren und Dienstleistungen, auch fehlt ihm inso-
weit nicht jegliche Unterscheidungskraft.
land
den Ort der Herstellung oder Erbringung bezeichnen kann (vgl. den bereits zi-
tierten Beschluss in Sachen 27 W(pat) 564/13 sowie zu Gebäudekomplexen:
BPatG GRUR 2012, 838
– Dortmunder U; BPatG, Beschluss vom 04.05.2010 –
24 W (pat) 76/08
turm
- 15 -
sächlichen örtlichen Gegebenheiten als geografische Angabe des Produktions-
/Vertriebsort
s der Waren „der Klasse 16 oder als Erbringungsort
der Dienstleistungen ernsthaft nicht in Betracht. Die Recherche hat auch nicht
ergeben, dass der um den Störtebekerturm liegende Bereich ebenfalls so be-
zeichnet wird.
Zwar kann insoweit
der „Störtebekerturm“ Gegenstand der Dienstleistungen der
Klasse 35 sein, nämlich von „
“. Es ent-
spricht aber nicht den Branchengewohnheiten, diese Dienstleistungen durch
das beworbene Produkt zu charakterisieren, weil die Festlegung auf einen be-
stimmten Inhalt eine nicht gewollte Beschränkung bedeutet. Üblich ist etwa eine
Bezeichnung nach Art des Mediums oder der Branche, auf die die Werbeleis-
tungen bezogen sind, während eine Festlegung auf ein bestimmtes Themenge-
biet nicht erfolgt (BGH GRUR 2009, 949 - My World).
„Störtebekerturm“ lässt
insoweit weder eine gewisse thematische Breite zu noch bezeichnet es die
Branche, Zielgruppe oder die Werbeplattform. Dienstleistungsanbieter dürften
sich hier nicht auf ein derartig enges Themengebiet einschränken wollen.
- 16 -
Entsprechendes gilt für die im Tenor genannten Dienstleistungen aus
Klasse 41. Regelmäßig wird sich zwar der für Druckschriften beschreibende
Begriffsinhalt gleichermaßen auf die Dienstleistungen beziehen, die zur Entste-
hung der Druckschrift führt (vgl. BGH GRUR 2014, 483 Rn. 18 - test; GRUR
2013, 522 Rn. 17 - Deutschlands schönste Seiten). Dies gilt in der Regel dann,
wenn das in Rede stehende Zeichen geeignet ist, einen weiten Themenbereich
abzudecken und den Inhalt einer Vielzahl unterschiedlicher Druckschriften zu
um
schreiben; ein solcher Fall liegt hier in Bezug zu der Dienstleistung „
“ aber nicht vor, weil sich das Zeichen „Störtebekerturm“
- wie oben bereits ausgeführt - nur zur Beschreibung eines sehr eng begrenzten
Themas eignet.
Schließlich kommt
das Zeichen „Störtebekerturm“ auch im Umfang der übrigen
Dienstleistungen, nämlich
“ der Klasse 41 und
der „“ der
Klasse 43 als Sachangabe nicht ernsthaft in Betracht.
Soweit hier gegebenenfalls vereinzelt tatsächlich im Störtebekerturm ein ent-
sprechendes Dienstleistungsangebot erfolgen sollte bzw. könnte
– z. B. Über-
nachtung in der Störtebekerkammer, Turmläufe als sportliche Veranstaltungen
etc.
– können diese nur im Einverständnis mit dem Eigentümer/Betreiber statt-
finden. Insoweit ist der Verkehr aber daran gewöhnt, Gebäude-Bezeichnungen,
die keinen allgemein öffentlichen Bereich umfassen, einen Herkunftshinweis für
- 17 -
die dort angebotenen Dienstleistungen zu entnehmen (vgl. BPatG, Beschluss
vom 08.04.2014, 27 W (pat) 516/14
– Schloss Neubeuern; Beschluss vom
13.01.2015, 27 W (pat) 548/14
– Kloster Wettenhausen – Raum für Mensch-
lichkeit; Beschluss vom 20.03.2012, 27 W (pat) 508/12
– Jagdschloss Platte).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der
Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statt-
haft, wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft
Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht
der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften
über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsan-
wältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und in-
nerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herren-
straße 45a, 76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbe-
schwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.
Dr. Mittenberger-Huber
Akintche
Dr. von Hartz
Hu