Urteil des BPatG vom 05.08.2014

Star, Bestandteil, Bildmarke, Kennzeichnungskraft

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 52/13
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
5. August 2014
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
- 2 -
betreffend die Marke Nr. 30 2010 049 873
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts nach
mündlicher Verhandlung am 5. August 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Albrecht sowie des Richters Hermann und des Richters k.A. Schmid
beschlossen:
Die Beschwerde des Markeninhabers wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die am 19. August 2010 angemeldete und am 28. Oktober 2010 eingetra-
gene Wort-/Bildmarke Nr. 30 3010 049 873
- 3 -
ist u.a. aus der am 29. Januar 2009 insbesondere für
18
Taschen und Beutel
25
Herren-, Damen-, Kinderbekleidung, Strümpfe, Kopfbede-
ckungen, Gürtel; Schuhe
registrierten Wortmarke Nr. EM 000 049 221
BOSS
Widerspruch erhoben worden. Der Schutz der in vollem Umfang angegriffenen
jüngeren Marke erstreckt sich auf die Waren
18
Handtaschen
25
Bekleidungsstücke; Schuhe; Schuhwaren; Strümpfe; Gürtel;
Kopfbedeckungen.
Die Markenstelle für Kasse 25 hat hierauf die angegriffene Marke durch Beschluss
vom 17. Mai 2013 gelöscht und die weiteren Widerspruchsverfahren ausgesetzt.
Zwischen den streitbefangenen Marken bestehe bei Abwägung aller Umstände
des Einzelfalls unmittelbare Verwechslungsgefahr. Der Schutz der beiden Marken
beziehe sich nach der Registerlage auf identische Waren. Ferner genieße die
Widerspruchsmarke aufgrund amtsbekannter intensiver Benutzung erhöhte Kenn-
zeichnungskraft in Bezug auf Bekleidungswaren. Die Drittzeichenlage biete keinen
Anhalt für eine Schwächung ihrer Kennzeichnungskraft, weil nahezu alle der in
den Klassen 18 oder 25 registrierten Marken mit dem Wortbestandteil „BOSS“ für
die Inhaberin der Widerspruchsmarke eingetragen seien.
Den in Anbetracht dieser verwechslungsgeneigten Faktoren erforderlichen Zei-
chenabstand halte die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht nicht ein. Inso-
- 4 -
fern träten die Bildbestandteile dieser Marke im Gesamteindruck zurück, da das
Publikum komplexe Marken im Interesse einfacher Wiedergabe in der Regel nach
kennzeichnungskräftigen Wortelementen wiedergebe. Im Verhältnis der wieder-
kehrenden Wortbestandteile „BOSS STAR“ präge das Element „BOSS“ den Ge-
samteindruck, wobei eine wiederholte Benennung dieser Komponente aus Grün-
den praktikabler Handhabung ausgeschlossen werden könne. Die Wortkom-
ponente „STAR“ verfüge als Qualitätsangabe über geringere Kennzeichnungseig-
nung als der Bestandteil „BOSS“. Die prägende Stellung dieses Wortelements
werde zudem durch die Bekanntheit des gleichlautenden Widerspruchszeichens
getragen, die nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Einfluss
auf die Bewertung des Gesamteindrucks der jüngeren Wahrnehmung nehmen
könne.
Zur Begründung seiner gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde führt der
Markeninhaber aus, dass sich eine zergliedernde Betrachtung des Zeichens gene-
rell verbiete und kein Anhalt für eine Prägung des klanglichen Gesamteindrucks
der jüngeren Marke durch den Bestandteil „BOSS“ bestehe. Der Wortbestandteil
„STAR“ erschöpfe sich nicht in einer Qualitätsangabe und trete gegenüber dem
Wortelement „BOSS“ nicht zurück, zumal der Ausdruck „BOSS“ seinerseits bereits
Ausdruck einer Spitzenstellung sei. Vielmehr bestehe zwischen den beiden Wort-
bestandteilen aufgrund des ihres ähnlichen Sinngehalts ein inhaltlicher Zusam-
menhang.
Der Markeninhaber sinngemäß beantragt,
den angegriffenen Beschluss aufzuheben, soweit die Löschung
der Marke ausgesprochen worden ist, und den Widerspruch zu-
rückzuweisen.
- 5 -
Die Widersprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Widersprechende betont die Bekanntheit der Widerspruchsmarke und teilt die
Ausführungen der Markenstelle.
II.
Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Zwischen den streitbefangenen Marken besteht Verwechslungsgefahr gemäß
i.V.m
Die dem angegriffenen Beschluss zu entnehmenden Ausführungen der Marken-
stelle lassen keine Rechtsfehler erkennen. Zur Vermeidung von Wiederholungen
kann daher hierauf Bezug genommen werden. Die hiergegen erhobenen Einwän-
de des Beschwerdeführers greifen nicht durch.
Der Widerspruchsmarke genießt bezogen auf Bekleidung, Schuhe, Kopfbede-
ckungen aufgrund gerichtsbekannter intensiver Benutzung erhöhte Kennzeich-
nungskraft (s. bereits Beschluss des Senats vom 28. Januar 2003
27 W (pat) 70/01), die eine entsprechende Erweiterung des Schutzumfangs zur
Folge hat. Dieser, auf einer langjährigen unternehmerischen Leistung beruhende
erweiterte Schutzumfang der Marke "BOSS" ist nicht auf Bekleidungsstücke im
engeren Sinne beschränkt, sondern strahlt auf benachbarte Erzeugnisse aus.
Hiervon ist namentlich für Taschen auszugehen (s. bereits BPatG GRUR 2000,
807, 808 - LIOR/DIOR), die als typischer Accessoireartikel regelmäßig unter der-
selben kaufmännischen Verantwortung angeboten werden (vgl. Louis Vuitton).
- 6 -
Nachdem die angegriffene Marke auch im Übrigen verschiedene bekannte Mar-
ken umfasst (insbesondere den Mercedes-
Stern und das Logo der Marke „Stone
Island“), räumt er dadurch mittelbar auch die Bekanntheit des Wortbestandteils
„BOSS“ ein.
Unterr Berücksichtigung der Bekanntheit der Widerspruchsmarke und zusätzlich
einer identischen Warensituation, reicht der Abstand der jüngeren Marke zum Wi-
derspruchszeichen unter dem Gesichtspunkt hier zudem ausgeprägter klanglicher
Ähnlichkeit nicht aus. Rechtserhebliche Verwechslungsgefahr kann auf hinrei-
chender Zeichenähnlichkeit ausschließlich in klanglicher Hinsicht beruhen; An-
haltspunkte für eine andere Betrachtung bestehen vorliegend nicht (vgl. zum Be-
kleidungssektor BGH GRUR 2006, 60 Rn. 17
– coccodrillo; GRUR 2011, 826 Rn.
Rn. 21
– Enzyma/Enzymix; EuGH GRUR 2006, 413 Rn. 41 – ZIRH/SIR).
Zwar wird, wie der Markeninhaber im Ausgangspunkt zu Recht anmerkt, eine
Marke von den Verkehrskreisen in der Erscheinungsform wahrgenommen, in der
sie ihnen entgegentritt, ohne dass eine analysierende Betrachtung einzelner Kom-
ponenten Platz greift (s. BGH GRUR 2000, 233, 235
– RAUSCH/ELFI RAUCH).
Allerdings können Zeichenbestandteile unterschiedlichen Einfluss auf die Wahr-
nehmung einer komplexen Marke ausüben. So kann das Publikum einem Be-
standteil im Einzelfall intuitiv eine besondere, den Gesamteindruck des gesamten
Zeichens prägende Kennzeichnungskraft zuweisen (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042
Rn. 28 f.
– THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 60 Rn. 19 – coccodrillo).
Der kraft seiner intensiven Benutzung im Kollisionszeitpunkt hohe Wiedererken-
nungswert des Widerspruchszeichens (vgl. BGH GRUR 2003, 880, 881
– City
Plus; GRUR 2007, 888 Rn. 24
– Euro Telekom) veranlasst das Publikum unter
den gegebenen Umst
änden dazu, die Wortkomponente „BOSS“ mit Vorrang ge-
gen
über dem Element „STAR“ als dominanten Herkunftshinweis wahrzunehmen
und in Erinnerung zu behalten. Dieses Verständnis wird noch dadurch unterstützt,
- 7 -
dass „BOSS“ als Stammbestandteil einer Serie von Zeichen eingeführt war (u.a.
BOSS ORANGE; HUGO BOSS). Außerdem liegt bezogen auf das Element
„STAR“ ein anpreisendes Verständnis oder eine bloße Variation der Dachmarke
„BOSS“ nahe.
Ein, wie der Markeninhaber meint, synonymes und dadurch aufeinander bezoge-
nes Verständnis der Bestandteile „BOSS“ und „STAR“ lässt außer Betracht, dass
der eingeführte Bestandteil „BOSS“ in vorliegendem Zusammenhang als ausge-
prägter Herkunftshinweis wahrgenommen wird und nicht vorrangig in seinem
Wortsinn.
Die Bewertung des Bestandteils „STAR“ als kennzeichnungsschwacher Begriff
entspricht der ständigen Entscheidungspraxis des Gerichts, gegen die keine
schlüssigen Einwände vorgebracht worden sind. So ist die Komponente „STAR“
im Beschluss v. 21.12.2009
– 29 W (pat) 10/09 Laura/LAURASTAR sogar inner-
halb eines zu
sammengeschriebenen Worts „LAURASTAR“ als gegenüber dem
lediglich durch
schnittlich kennzeichnenden Bestandteil „LAURA“ zurücktretend
erachtet worden. In den von der Markenstelle zitierten Entscheidungen über die
Eintragungsfähigkeit der Marken ist ausdrücklich ausgeführt, dass der Bestandteil
„STAR“ nicht die Schutzfähigkeit des betreffenden Zeichens zu tragen vermag, da
er nicht als Hinweis auf die Herkunft von Waren aufgefasst wird (Beschlüsse vom
19. April 2005
– 27 W (pat) 69/04 – HomeSTAR bzw. vom 4. August 2009 –
33 W (pat) 126/07
– BIOSTAR).
Ohne Auswirkung auf den Streitfall bleibt die Registrierung der angegriffenen Mar-
ke als „Wort-/Bildmarke“. Diese Bezeichnung entspricht in Bezug auf die Bestim-
mung des Schutzgegenstands der durch den Inhaber beantragten Eintragung als
„Bildmarke“, gegenüber der sie lediglich das Vorhandensein von Wortbestandtei-
len klarstellt. Eine Eintragung als „Bildmarke“ hätte dementsprechend zu keiner
anderen Bewertung des Gesamteindrucks der angegriffenen Marke geführt.
- 8 -
Die Beschwerde des Markeninhabers blieb daher ohne Erfolg.
Von Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen wird abgesehen, s. § 71 Abs. 1
MarkenG.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss können die am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde einlegen. Da der Senat die Rechtsbeschwer-
de nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
- 9 -
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
oder in elektronischer Form einzulegen.
Dr. Albrecht
Hermann
Schmid
Hu