Urteil des BPatG vom 14.04.2016

Elektronische Signatur, Akte, Urschrift, Rückzahlung

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 44/15
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 30 2010 010 138
(Löschungsverfahren S 254/13 Lösch)
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
14. April 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll sowie der Richte-
rin Kriener und des Richters Dr. Nielsen
beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde der Löschungsantragstellerin hin wird
festgestellt, dass der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des
Deutschen Patent- und Markenamts vom 18. Mai 2010 un-
wirksam ist. Die Sache wird zur Fortsetzung des Löschungs-
verfahrens und Entscheidung an das Deutsche Patent- und
Markenamt zurückverwiesen.
2.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
G r ü n d e
I .
Die am 19. Februar 2010 für verschiedene Dienstleistungen der Klassen 35 und
36 zugunsten der Markeninhaberin angemeldete Wort-/Bildmarke
ist seit dem 29. März 2010 eingetragen. Die Antragstellerin hat mit dem per Fax
am 30. August 2013 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) eingegan-
genen Antrag die Löschung dieser Marke wegen Nichtigkeit aufgrund absoluter
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Schutzhindernisse gemäß §§ 54, 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 MarkenG beantragt. Mit
Beschluss vom 18. Mai 2015 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA in der im
Beschluss angegebenen Besetzung durch die Leitende Regierungsdirektorin
S
… als Vorsitzende, den Regierungsdirektor S1… und die Regierungsdi-
rektorin F
… den Löschungsantrag zurückgewiesen.
Dieser Beschluss, der im Rahmen der elektronischen Aktenführung erstellt worden
ist, enthält auf der in der elektronischen Akte befindlichen Urschrift die Namen der
beteiligten Mitglieder des DPMA und die sogenannte elektronische Signatur der
Mitglieder des Patentamts Regierungsdirektor S1
… (Sig 1 vom 19. Mai 2015
um 18.05 MESZ) und Regierungsdirektorin F
… (Sig 2 vom 18. Mai 2015
um 16.56 MESZ). Die elektronische Signatur bzw. eine Signaturdatei der im Be-
schluss als Vorsitzende der Löschungsabteilung genannten Leitenden Regie-
rungsdirektorin S
… ist, wie auch der sogenannten „Ausfertigung vom
26. Mai
2015“ des DPMA zu entnehmen ist, in der elektronischen Akte nicht vor-
handen.
Gegen diesen, der Löschungsantragstellerin am 1. Juni 2015 bzw. der Löschungs-
antragsgegnerin und Markeninhaberin am 4. Juni 2015 zugestellten, den Lö-
schungsantrag zurückweisenden Beschluss richtet sich die Beschwerde der Lö-
schungsantragstellerin mit dem Antrag, den Beschluss des DPMA aufzuheben
und hilfsweise eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Auf den rechtlichen Hinweis des Senats vom 11. Dezember 2015 zur Unwirksam-
keit des Beschlusses aufgrund der fehlenden elektronischen Signatur der am Be-
schluss beteiligten Leitenden Regierungsdirektorin S
… und der Ankündigung,
dass der Senat beabsichtige, die Unwirksamkeit des angefochtenen Beschlusses
festzustellen, die Sache an das DPMA zurückzuverweisen und die Rückzahlung
der Beschwerdegebühr anzuordnen, haben die am Verfahren Beteiligten keine
Stellungnahmen abgegeben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie führt zu der Feststellung, dass der angefochtene
Beschluss der Markenabteilung 3.4 unwirksam ist, da er nicht von allen Mitglie-
dern der Löschungsabteilung eigenhändig unterschrieben bzw. ersatzweise elek-
tronisch signiert worden ist (§ 61 Abs. 1 MarkenG, § 5 Abs. 3 der Verordnung über
die elektronische Aktenführung beim Patentamt dem Patentgericht und dem Bun-
desgerichtshof
– EAPatV).
1. Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts sind nach § 61 Abs. 1
Satz 1 MarkenG schriftlich auszufertigen und bedürfen hierfür einer Urschrift, die
grundsätzlich die Unterschrift aller an der Entscheidung beteiligten Amtspersonen
enthalten muss. Das Erfordernis der Unterschrift entspricht § 315 ZPO i. V. m.
§ 82 MarkenG und dem in § 126 BGB für die Schriftform enthaltenen allgemeinen
Grundsatz (vgl. auch Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage 2015, § 61
Rn. 4; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Auflage 2010, § 61 Rn. 3). Für Beschlüsse
der Markenabteilung, in denen über einen Löschungsantrag nach § 50, 54 Mar-
kenG entschieden wird und für die gemäß § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 MarkenG am
Zustandekommen der Entscheidung mindestens drei Mitglieder beteiligt sind, ist
dementsprechend die Unterschrift aller beteiligten Mitglieder der Markenabteilung
erforderlich. Sofern die Entscheidung nicht bereits in einem Anhörungstermin ge-
mäß § 61 Abs. 1 Satz 2 MarkenG verkündet worden ist, wird die Entscheidung
erst mit der Unterschrift aller an der Entscheidung beteiligten Personen existent
und erlangt erst mit der Zustellung an die Beteiligten Außenwirkung. Das bei einer
internen Beratung erarbeitete Beratungsergebnis stellt nur ein vorläufiges Ergeb-
nis dar, da die Entscheidung jederzeit geändert werden könnte, solange nicht alle
Beteiligten unterzeichnet haben und die Entscheidung nicht zum Zwecke der
Zustellung zur Post gegeben worden ist.
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Der mit der Beschwerde der Löschungsantragstellerin angegriffene Beschluss der
Markenabteilung vom 18. Mai 2015 ist im Rahmen der elektronischen Aktenfüh-
rung erstellt worden. Dabei ersetzt die elektronische Signatur nach § 5 Abs. 3 der
Verordnung über die elektronische Aktenführung bei dem Patentamt, dem Patent-
gericht und dem Bundesgerichtshof (EAPatV) die eigenhändige Unterschrift der
unterzeichnenden Personen. Das elektronische Dokument wird dergestalt unter-
zeichnet, dass der Name der unterzeichnenden Personen eingefügt und nach der
EAPatV eine fortgeschrittene oder qualifizierte Signatur angebracht wird.
2. Jedoch fehlt es hier an einem mit sämtlichen erforderlichen Signaturen verse-
henen Beschluss. Wie der Urschrift des Beschlusses in der elektronischen Akte zu
entnehmen ist, lag der Beschlussfassung eine Beratung der Markenabteilung 3.4
unter Mitwirkung der Leitenden Regierungsdirektorin S
…, des Regierungsdi-
rektors S1
… und der Regierungsdirektorin F… zugrunde. Er wurde
aber nur von den Mitgliedern des Patentamts Regierungsdirektor S1
… und
Regierungsdirektorin F
… elektronisch signiert, nicht aber von der Vorsit-
zenden der Löschungsabteilung, der Leitenden Regierungsdirektorin S
….
Denn bei dem signierten Beschluss sind, ausweislich der in der elektronischen
Akte unter anderem im Inhaltsverzeichnis zu dem als pdf Dokument abgelegten
Volldokument
unter dem Titel „Lö-Beschluss“, nur zwei Signaturdateien ange-
bracht. Diese weisen aus, dass der elektronische Beschluss am 19. Mai 2015 um
18.05 MESZ von Regierungsdirektor S1
… (SIG 1) und am 18. Mai 2015 um
16.56 MESZ von Regierungsdirektorin F
… (SIG 2) signiert worden ist.
Weitere Signaturdateien sind in der elektronischen Akte nicht vorhanden.
Mangels eines von allen Mitgliedern der Löschungsabteilung unterzeichneten Be-
schlusses liegt daher keine das Löschungsverfahren vor der Löschungsabteilung
des Deutschen Patent- und Markenamts abschließende Entscheidung über den
Löschungsantrag vor.
3. Da die fehlende Signatur bzw. eine Unterschrift bei einem im schriftlichen Ver-
fahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt erlassenen Beschluss auch
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nicht mit der Wirkung nachgeholt werden, dass dadurch ein der sachlichen Prü-
fung im laufenden Beschwerdeverfahren zugänglicher Beschluss zustande kom-
men würde (s. Ingerl/Rohnke, a. a. O. und m. w. N.), ist die Sache zur Fortsetzung
des Löschungsverfahrens und erneuten Entscheidung an das DPMA zurückzu-
verweisen.
Eine rückwirkende Heilung durch Nachholung der Unterschrift ist gesetzlich nicht
vorgesehen. Die Nachholung einer fehlenden Beschlussunterschrift bzw. einer
Signatur ist daher nur mit Wirkung für die Zukunft möglich. Der nachträglich unter-
schriebene Beschluss kann insoweit nicht den streitgegenständlichen, ohne aus-
reichende Unterschriften versehenen Beschluss ersetzen. Er muss erneut zuge-
stellt werden und setzt eine neue Beschwerdefrist in Gang (vgl. BPatGE 38, 16 f.
und 41, 44 f.
– Formmangel; BPatG BlPMZ 2006, 415 - Paraphe; Ströbele/Hacker,
a. a. O. § 61 Rn. 6).
4. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG an-
gezeigt, da Umstände vorliegen, die es als unbillig erscheinen lassen, die Be-
schwerdegebühr einzubehalten. Denn ausschließlich das Patentamt hat es zu
vertreten, dass die von der Löschungsantragstellerin an sich mit der Beschwerde
begehrte Sachentscheidung des Bundespatentgerichts nicht getroffen werden
kann, weil der angefochtene Beschluss unwirksam ist (Ströbele/Hacker, a. a. O.,
§ 71 Rn. 44).
Knoll
Kriener
Dr. Nielsen
Hu