Urteil des BPatG vom 22.04.2016

Rückerstattung, Patent, Verwechslungsgefahr, Beschwerdeinstanz

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
24 W (pat) 518/16
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 30 2012 063 033
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
22. April 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Metternich, des
Richters Schmid und der Richterin am Landgericht Lachenmayr-Nikolaou
beschlossen:
1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 18. Dezember 2014 ist wir-
kungslos.
2. Eine Kostenauferlegung findet nicht statt.
3. Die Rückerstattung der Beschwerdegebühr findet nicht statt.
4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf
25.000,--
€ festgesetzt.
G r ü n d e
I.
Gegen die am 8. Dezember 2012 angemeldete und am 15. Dezember 2013 für
diverse Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 35, 38, 41 und 42 in das beim
Deutschen Patent- und Markenamt geführte Markenregister unter der Nummer
30 2012 063 033 eingetragene Wort-/Bildmarke
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ist aus der prioritätsälteren, für diverse Waren und Dienstleistungen der Klassen 9,
16, 35, 36, 38, 41 und 42 registrierten Unionsmarke 003 702 875
Vivento
Widerspruch erhoben worden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf
diesen Widerspruch die Löschung der angegriffenen Marke mit Beschluss vom
19. Dezember 2014 angeordnet, weil zwischen den Vergleichsmarken Verwechs-
lungsgefahr gegeben sei.
Die Markeninhaberin hat gegen diesen am 12. Februar 2015 zugestellten Be-
schluss mit Schriftsatz vom 11. März 2015 Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz
vom 5. April 2016 hat die Widersprechende den Widerspruch zurückgenommen.
Die Markeninhaberin beantragt nunmehr,
über die nach § 269 Abs. 3 ZPO eingetretenen Wirkungen gemäß
§§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, 269 Abs. 4 ZPO zu entscheiden,
der Widersprechenden die Kosten des Beschwerdeverfahrens
aufzuerlegen
sowie
den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens festzusetzen.
Ferner regt die Markeninhaberin an, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an-
zuordnen.
Sie ist der Auffassung, dass eine Kostenauflegung aus Billigkeitsgründen ange-
zeigt sei, zumal die Widersprechende keine Gründe dargelegt habe, weswegen
sie den Widerspruch erst während des Beschwerdeverfahrens und nach Entste-
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hung erheblicher Kosten zurückgenommen habe. Ferner sei eine Rückerstattung
der Beschwerdegebühr aufgrund von Rechts- und Verfahrensfehlern der Marken-
stelle in Zusammenhang mit dem angefochtenen Beschluss zu erwägen. Das In-
teresse der Markeninhaberin am Bestand der angegriffenen Marke beziffert sie mit
5.000,--
€.
Die Widersprechende tritt dem Kostenantrag der Markeninhaberin entgegen. Sie
ist der Auffassung, eine gesetzliche Kostentragungspflicht sei bei Rücknahme ei-
nes Widerspruchs nicht gegeben. Billigkeitsgründe für eine Kostenauferlegung
und eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr seien nicht ersichtlich.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Mar-
kenstelle, die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Nachdem die Widersprechende den verfahrensgegenständlichen Widerspruch,
auf dessen Grundlage die Markenstelle die Löschung der angegriffenen Marke
verfügt hatte, im Beschwerdeverfahren zurückgenommen hat, war der angefoch-
tene Beschluss für wirkungslos zu erklären (§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m.
§ 269 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz ZPO).
2. Von einer Kostenauferlegung zu Lasten der Widersprechenden ist im vorliegen-
den Fall abzusehen. Die speziellen kostenrechtlichen Bestimmungen des § 71
MarkenG haben Vorrang gegenüber den allgemeinen kostenrechtlichen Regelun-
gen des Zivilprozessrechts. Dies gilt vor allem auch dann, wenn ein beschwerde-
gegenständlicher Widerspruch zurückgenommen wird (§ 71 Abs. 4 MarkenG), so
dass die kostenrechtliche Bestimmung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO hier keine
Anwendung findet. Eine Kostenauflegung kommt daher vorliegend nur in Betracht,
wenn dies aus Billigkeitsgründen angezeigt ist (§ 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4
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MarkenG). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Insbesondere ist der streitgegen-
ständliche Widerspruch nicht entgegen einer ersichtlichen Unähnlichkeit der Ver-
gleichswaren und
–dienstleistungen und der Vergleichszeichen erhoben worden
(siehe dazu auch unten 3.). Allein die Tatsache, dass die
– erstinstanzlich obsie-
gende
– Widersprechende ihren - jedenfalls nicht offenkundig unbegründeten -
Widerspruch in der Beschwerdeinstanz ohne weitere Begründung zurücknimmt,
stellt keinen für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen hinreichenden
Grund dar. Mit der allgemeinen Kostenbestimmung des § 71 Abs. 1 Satz 2
MarkenG hat es daher im vorliegenden Fall sein Bewenden.
3. Eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr, die ebenfalls nur aus Billigkeits-
gründen in Betracht kommt (§ 71 Abs. 3 MarkenG), ist nicht angezeigt. Die Mar-
kenstelle hat, ausgehend von der zum Zeitpunkt des angefochtenen Beschlusses
maßgeblichen Registerlage, die Frage der Verwechslungsgefahr im Rahmen einer
Gesamtabwägung anhand der Ähnlichkeit der zu vergleichenden Waren und
Dienstleistungen, der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Ähn-
lichkeit der Vergleichszeichen beurteilt und dabei anerkannte Grundsätze des
Markenrechts gewahrt. Auch sind sonstige Fehler, die eine Rückerstattung der
Beschwerdegebühr angezeigt erscheinen lassen könnten, nicht ersichtlich.
4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts des Beschwerdeverfahrens erfolgt
nach billigem Ermessen (§ 23 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 RVG), wobei es maß-
geblich auf das wirtschaftliche Interesse des jeweiligen Markeninhabers am Erhalt
der angegriffenen Marke ankommt (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl.,
§ 71, Rn. 33 m. w. N.). Jedoch erscheint der von der Markeninhaberin genannte
Betrag von 5.000,--
€ insoweit insbesondere mit Blick auf die wirtschaftliche Be-
deutung der Marke als Ausschließlichkeitsrecht im wirtschaftlichen Wettbewerb
nicht hinreichend angemessen, zumal der Schutzumfang der streitgegenständli-
chen Marke insbesondere auch mit Blick auf die geschützten Waren und Dienst-
leistungen nicht dermaßen eng erscheint, dass im vorliegenden Fall von Gegen-
standswerten, wie sie im Regelfall zugrunde gelegt werden, wesentlich nach unten
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abzuweichen ist. Ein Gegenstandswert i. H. v. 25.000,--
€ erscheint unter Berück-
sichtigung der konkreten Fallumstände angemessen (vgl. auch Ströbele/Hacker,
a. a. O.).
5. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 69, 82 Abs. 1
Satz 1 MarkenG) i. V. m. § 128 Abs. 3 ZPO.
Metternich
Schmid
Lachenmayr-Nikolaou
Bb