Urteil des BPatG vom 03.11.2015

Patent, Stand der Technik, Kupfer, Fig

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
23 W (pat) 4/13
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
3. November 2015
B E S C H L U S S
In der Einspruchsbeschwerdesache
- 2 -
betreffend das Patent 10 2009 046 858
hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 3. November 2015 unter Mitwirkung des Vorsit-
zenden Richters Dr. Strößner und der Richter Brandt, Dr. Friedrich und
Dr. Himmelmann
beschlossen:
1.
Der Beschluss der Patentabteilung 33 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 24. September 2012 (schriftlich
begründet durch Beschluss vom 10. Dezember 2012) wird
aufgehoben;
2.
das Patent Nr. 10 2009 046 858 wird in vollem Umfang
widerrufen.
G r ü n d e
I.
Auf die am 19. Februar 2009 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegan-
gene Patentanmeldung hat die Prüfungsstelle für Klasse H01L das nachgesuchte
Patent 10 2009 046 858 (Streitpatent) mit der Bezeichnung
„Leistungshalbleiter-
modul und Verfahren zum Betrieb eines Leistungshalbleitermoduls“ erteilt.
Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 5. Mai 2011.
Gegen das Patent hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 28. Juli 2011, beim
Deutschen Patent- und Markenamt am selben Tag über Fax eingegangen, Ein-
spruch erhoben und beantragt, das Streitpatent wegen fehlender erfinderischer
Tätigkeit (§ 4 PatG) in vollem Umfang zu widerrufen.
- 3 -
Nach Prüfung des als zulässig angesehenen Einspruchs hat die Patentabtei-
lung 33 des Deutschen Patent- und Markenamts das Streitpatent in der Anhörung
vom 24. September 2012, in der die Patentinhaberin das Patent in der erteilten
Fassung und mit den in der Anhörung überreichten Unterlagen nach Hilfsantrag
verteidigt hat, beschränkt aufrechterhalten.
In der elektronischen Akte des DPMA finden sich zwei in Details unterschiedliche
PDF-
Dateien mit der Bezeichnung „Beschluss Aufrechterhaltung - Signiert“ und
jeweils drei zugehörige Signaturdateie
n „SIG-1“, „SIG-2“ und „SIG-3“.
Gegen diesen Beschluss, der Einsprechenden am 13. Dezember 2012 zugestellt,
richtet sich die am 3. Januar 2013 beim Deutschen Patent- und Markenamt einge-
gangene Beschwerde der Einsprechenden vom 21. Dezember 2012, in deren
nachgereichter Begründung u. a. auf folgenden Stand der Technik verwiesen wird:
D16
Dr. Werner Brennenstuhl: Silicone für Halbleiter-Bauele-
mente, In: Sonderdokumentation des Klebstoff-Doku-
mentums: Verbund- und Vergusstechnik in der Elektro-
technik, Elektronik und Optik; Vortragsreihe des 11. Inter-
nationalen Klebtechnik-Seminars am Lehrinstitut der
Holzwirtschaft und Kunststofftechnik e.V. D-8200 Rosen-
heim; Hinterwaldner-Verlag, 1989, S. 141 ff;
D21
DE 10 2007 046 021 A1.
Die Einsprechende beantragt:
Den Beschluss der Patentabteilung 33 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 24. September 2012 (schriftlich begründet durch
Beschluss vom 10. Dezember 2012) aufzuheben und das Patent
Nr. 10 2009 046 858 in vollem Umfang zu widerrufen.
- 4 -
Die Patentinhaberin beantragt,
1.
Hauptantrag
Die Beschwerde zurückzuweisen.
2.
Hilfsantrag
a.
Hilfsweise das Patent Nr. 10 2009 046 858
mit der Bezeichnung „Verfahren zum Betrieb eines Leis-
tungshalbleitermoduls
dem Anmeldetag 19. November 2009
in beschränktem Umfang aufrecht zu erhalten
nach Maßgabe folgender Unterlagen:
-
Patentansprüche 1 bis 9 gemäß Hilfsantrag , über-
reicht
in
der
mündlichen
Verhandlung
am
3. November 2015;
-
Beschreibungsseiten 2/11 bis 6/11 mit den Absätzen
[
0001] bis [0041] gemäß
Hilfsantrag, überreicht in
der mündlichen Verhandlung am 3. November 2015;
-
4 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 5 gemäß
Patentschrift;
b.
im Übrigen die Beschwerde zurückzuweisen.
Der mit Gliederungspunkten versehene, ansonsten aber wörtlich wiedergegebene,
von der Patentabteilung beschränkt aufrechterhaltene Anspruch 1 gemäß Hauptan-
trag hat folgenden Wortlaut (die Zusatzmerkmale bezüglich der erteilten Fassung
sind unterstrichen):
1.
Leistungshalbleitermodul mit
2.
einem Schaltungsträger (2),
- 5 -
2.1.
der
einen
als
Keramikplättchen
ausgebildeten
Isolationsträger (20) mit einer Oberseite (20t) umfasst,
2.2.
auf der eine Metallisierungsschicht (22) angeordnet
ist;
3.
einem Leistungshalbleiterchip (8),
3.1.
der auf der dem Isolationsträger (20) abgewandten
Seite der Metallisierungsschicht (22) auf dem
Schaltungsträger (2) angeordnet ist, und
3.2.
der
auf
seiner
dem
Schaltungsträger
(2)
abgewandten
Oberseite
(8t)
eine
obere
Chipmetallisierung (82)
3.2.1.
aus Kupfer oder aus einer Kupferlegierung
3.2.2.
mit einer Dicke (d82) von größer oder gleich 1
µm aufweist;
4.
einem elektrischen Anschlussleiter (85)
4.1.
aus Kupfer oder einer Kupferlegierung,
4.2.
der an einer Verbindungsstelle (8c) mit der oberen
Chipmetallisierung (82) verbunden ist;
5.
einer Vergussmasse (5),
5.1.
die sich vom Schaltungsträger (2) zumindest bis über
die dem Schaltungsträger (2) abgewandte Seite des
Leistungshalbleiterchips (8) erstreckt und diese
vollständig überdeckt;
5.2.
den Anschlussleiter zumindest im Bereich der
Verbindungsstelle (8c) umschließt;
5.3.
nach DIN ISO 2137 bei einer Temperatur von 25°C
eine Penetration von größer oder gleich 10 und kleiner
oder gleich 30 aufweist.
- 6 -
Anspruch 1 nach Hilfsantrag geht auf den Anspruch 9 des beschränkt aufrecht-
erhaltenen Patents zurück. Er ist auf den Betrieb des Moduls gemäß Anspruch 1
nach Hauptantrag gerichtet und lautet, mit einer Gliederung versehen,
folgendermaßen:
Verfahren zum Betrieb eines
1.
Leistungshalbleitermoduls, das aufweist:
2.
einen Schaltungsträger (2),
2.1.
der
einen
als
Keramikplättchen
ausgebildeten
Isolationsträger (20) mit einer Oberseite (20t) umfasst,
2.2.
auf der eine Metallisierungsschicht (22) angeordnet
ist;
3.
einen Leistungshalbleiterchip (8),
3.1.
der auf der dem Isolationsträger (20) abgewandten
Seite der Metallisierungsschicht (22) auf dem
Schaltungsträger (2) angeordnet ist, und
3.2.
der auf seiner dem Schaltungsträger (2) abgewandten
Oberseite (8t) eine obere Chipmetallisierung (82)
3.2.1. aus Kupfer oder aus einer Kupferlegierung
3.2.2. mit einer Dicke (d82) von größer oder gleich 1
µm aufweist;
4.
einen elektrischen Anschlussleiter (85)
4.1.
aus Kupfer oder einer Kupferlegierung,
4.2.
der an einer Verbindungsstelle (8c) mit der oberen
Chipmetallisierung (82) verbunden ist;
5.
eine Vergussmasse (5),
5.1.
die sich vom Schaltungsträger (2) zumindest bis über
die dem Schaltungsträger (2) abgewandte Seite des
Leistungshalbleiterchips (8) erstreckt und diese
vollständig überdeckt;
- 7 -
5.2.
den Anschlussleiter zumindest im Bereich der
Verbindungsstelle (8c) umschließt;
5.3.
nach DIN ISO 2137 bei einer Temperatur von 25°C
eine Penetration von größer oder gleich 10 und kleiner
oder gleich 30 aufweist,
wobei bei dem Verfahren der Leistungshalbleiterchip (8) für eine
Dauer
von
wenigstens
20
Sekunden
bei
einer
Sperrschichttemperatur von nicht weniger als 150°C betrieben
wird.
II.
Die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde der Einsprechenden ist zulässig.
Sie erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom
3. November 2015 auch als begründet, da sowohl das Leistungshalbleitermodul
des beschränkt aufrechterhaltenen Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag als auch das
Verfahren zum Betrieb eines solchen Leistungshalbleitermoduls nach Anspruch 1
des Hilfsantrags gegenüber der Druckschrift D21 i. V. m. der Druckschrift D16
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns beruht (§ 4
PatG), weshalb das Patent zu widerrufen war (§§ 59 Abs. 1, 21 Abs. 1 Nr. 1
PatG).
1.
In der elektronischen Akte des DPMA existieren zwei mit „Beschluss
Aufrechterhaltung -
Signiert“ bezeichnete PDF-Dateien, die jeweils, ebenso wie
die Dokumentanzeige in den Signaturdateien, zwei Beschlusstexte enthalten, so
dass eine präzise Bestimmung der Urschrift nicht möglich ist. Da aber der Tenor
und die Gründe der mehrfach vorhandenen Beschlusstexte in den beiden PDF-
Dateien übereinstimmen, ist der Inhalt der Entscheidung, die mit den qualifizierten
Signaturen versehen werden sollte, zumindest bestimmbar (vgl. BPatG BlPMZ
2014, 355, 356 - Anordnung zur Erfassung von Berührungen auf einer Träger-
- 8 -
platte), weshalb der Senat keine Veranlassung sieht, das Verfahren nach § 79
Abs. 3 S. 1 Nr. 2 PatG an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverwei-
sen.
2.
Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von Amts wegen in jedem
Verfahrensstadium, auch im Beschwerdeverfahren, zu prüfen (vgl. Schulte, PatG,
9. Auflage, § 59 Rdn. 51 und 150 bis 152; BGH GRUR 1972, 592
– „Sortiergerät“),
da nur das Vorliegen eines zulässigen Einspruchs die weitere sachliche Überprü-
fung eines erteilten Patents erlaubt.
Vorliegend ist der form- und fristgerecht erhobene Einspruch der Einsprechenden
zulässig, weil zu dem geltend gemachten Einspruchsgrund der mangelnden Pa-
tentfähigkeit aufgrund fehlender erfinderischer Tätigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG
i. V. m. § 4 PatG) substantiiert Stellung genommen wurde. So hat die Einspre-
chende jeweils im Einzelnen angegeben, wo welche Merkmale des Gegenstands
des erteilten Anspruchs 1 in den einzelnen Druckschriften offenbart seien, und wie
sich der Gegenstand des Anspruchs 1 durch Zusammenschau der Druckschriften
ihrer Meinung nach ergebe. Auch zu den Unteransprüchen wurde substantiiert
Stellung genommen und angegeben, wo in den genannten Druckschriften die in
diesen Ansprüchen beanspruchten Merkmale offenbart seien, oder wie sie sich
ergäben. Insgesamt sind somit die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen, im
Einzelnen aufgeführt (§ 59 Abs. 1 Satz 4 PatG). Die Patentabteilung 33 des Deut-
schen Patent- und Markenamts und auch die Patentinhaberin wurden demnach in
die Lage versetzt, ohne eigene Nachforschungen festzustellen, ob die behaupte-
ten Einspruchsgründe vorliegen (vgl. hierzu BGH BlPMZ 1988, 250, Leitsatz 2,
251, liSp, Abs. 1 - Epoxidation; Schulte, PatG, 9. Auflage, § 59 Rdn. 83 bis 89).
3.
Das Streitpatent betrifft ein Leistungshalbleitermodul mit einer speziellen
Vergussmasse.
- 9 -
Die in Leistungshalbleitermodulen verbauten Leistungshalbleiterchips werden
häufig bei sehr hohen Temperaturen betrieben, wobei im Rahmen der
technologischen Weiterentwicklung Leistungshalbleiterchips mit immer höheren
zulässigen
Sperrschichttemperaturen
angestrebt
werden.
Mit
steigender
Betriebstemperatur des Moduls entsteht aber die Problematik, dass sich die
üblicherweise verwendete sehr weiche Vergussmasse, bspw. ein in das
Leistungshalbleitermodul eingefülltes Silikongel, von anderen Komponenten des
Moduls wie z. B. den in die Vergussmasse eingebetteten Leistungshalbleiterchips,
Anschlussleitern usw., im Lauf der Zeit unter Ausbildung von Hohlräumen oder
Rissen ablöst. Hierdurch kann die Isolationsfestigkeit des Moduls beeinträchtigt
werden,.
Vor diesem Hintergrund liegt dem Streitpatent als technisches Problem die
Aufgabe zugrunde, ein Leistungshalbleitermodul mit einer Vergussmasse und
einem Leistungshalbleiterchip bereitzustellen, bei dem auch bei hohen Betriebs-
und/oder Lagertemperaturen die Ausbildung der genannten Hohlräume und Risse
verhindert oder zumindest gegenüber herkömmlichen Leistungshalbleitermodulen
verbessert wird, sowie ein Verfahren zum Betrieb eines Leistungshalbleitermoduls
bei hohen Temperaturen bereit zu stellen,
Hinsichtlich des Gegenstands wird diese Aufgabe gemäß Hauptantrag durch das
Leistungshalbleitermodul des beschränkt aufrechterhaltenen Anspruchs 1 gelöst.
Die Lösungen gemäß dem selbständigen Verfahrensanspruch 9 des Hauptantrags
bzw. gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags sind auf ein Verfahren zum Betrieb eines
derartigen Leistungshalbleitermoduls gerichtet.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag geht von einem
Leistungshalbleitermodul
mit
einem
Schaltungsträger,
einem
Leistungshalbleiterchip,
einem
elektrischen
Anschlussleiter
und
einer
Vergussmasse aus. Der Isolationsträger ist als Keramikplättchen ausgebildet, auf
- 10 -
dessen
Oberfläche
eine
Metallisierungsschicht
und
darauf
ein
Leistungshalbleiterchip angeordnet sind. Dieser weist auf seiner dem
Schaltungsträger abgewandten Oberseite eine obere Chipmetallisierung aus
Kupfer oder aus einer Kupferlegierung mit einer Dicke von größer oder gleich
1 µm auf. Der elektrische Anschlussleiter ist an einer Verbindungsstelle mit der
oberen Chipmetallisierung verbunden und besteht ebenfalls aus Kupfer oder einer
Kupferlegierung. Die Vergussmasse erstreckt sich vom Schaltungsträger
zumindest bis über die dem Schaltungsträger abgewandte Seite des
Leistungshalbleiterchips,
überdeckt
diese
vollständig,
umschließt
den
Anschlussleiter zumindest im Bereich der Verbindungsstelle und weist nach DIN
ISO 2137 bei einer Temperatur von 25°C eine Penetration von größer oder gleich
10 und kleiner oder gleich 30 auf.
Nach der Lehre des Anspruchs 9 nach Hauptantrag bzw. des Anspruchs 1 nach
Hilfsantrag wird der Leistungshalbleiterchip des Leistungshalbleitermoduls für eine
Dauer von wenigstens 20 Sekunden bei einer Sperrschichttemperatur von nicht
weniger als 150°C betrieben.
Das Leistungshalbleitermodul des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag zeichnet sich
insbesondere dadurch aus, dass die Vergussmasse nach DIN ISO 2137 bei einer
Temperatur von 25°C eine Penetration von kleiner oder gleich 30 und von größer
oder gleich 10 aufweist. Nach den Ausführungen im Streitpatent ist sie damit
wesentlich
härter
als
die
üblichen
für
das
Vergießen
von
Leistungshalbleitermodulen
verwendeten
Weichvergussmassen,
deren
Penetration etwa im Bereich von 50 bis 70 liegt. Da jedoch beim Betrieb des
Leistungshalbleitermoduls
aufgrund
der
hohen
Temperaturen
und
Temperaturwechselbelastungen starke Scherkräfte und Zugkräfte zwischen der
Vergussmasse und den Anschlussleitern auftreten, wäre der Einsatz einer derart
harten Vergussmasse bei herkömmlichen Leistungshalbleitermodulen insofern
nachteilig, als die in herkömmlichen Leistungshalbleitermodulen eingesetzten
Anschlussleiter
bzw.
deren
Verbindungen
mit
einer
Oberseite
eines
- 11 -
Leistungshalbleiterchips und/oder mit einer oberen Substratmetallisierung, die
typischer Weise aus Aluminium oder aluminiumbasierten Legierungen bestehen,
keine ausreichende Langzeitstabilität aufweisen. Deshalb ist nach der Lehre des
Anspruchs 1 die Verwendung von Anschlussleitern vorgesehen, die aus Kupfer
oder einer Kupferlegierung bestehen, denn Materialien mit einem Kupferanteil von
wenigstens 90 Gewichtsprozent weisen eine signifikant höhere mechanische
Stabilität
auf
als
die
Anschlussleiter
bei
herkömmlichen
Leistungshalbleitermodulen.
Durch
die
Verwendung
von
kupferbasierten
Materialien kann bei solchen Anschlussleitern, die an mechanisch besonders
neuralgischen
Stellen
des
Leistungshalbleitermoduls
angeordnet
oder
angeschlossen sind
– trotz des Einsatzes einer diese Anschlussleiter
kontaktierenden oder umschließenden harten Vergussmasse
– eine ausreichende
mechanische Dauerstabilität der Anschlussleiter und Verbindungsstellen im
Betrieb des Moduls erreicht werden,
In
der
Materialprüfung
existieren
verschiedene
Prüfungsverfahren
und
Härteskalen. Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents ist
hinsichtlich der Härte der Vergussmasse gekennzeichnet durch die Angabe einer
Penetration, d. h. die Ermittlung der Härte der Vergussmasse erfolgt mittels eines
Verfahrens zur Bestimmung einer Penetrationszahl, die vorliegend nach
DIN ISO 2137 bestimmt wird. Darin ist festgelegt, dass die Konuspenetration eines
genormten Konus als Eindringtiefe in Einheiten von 0,1 mm bzw. „mm/10“
angegeben wird. Eine Penetration von 30 entspricht somit einer Eindringtiefe des
Konus von 3,0 mm. Je größer die Penetration, desto größer ist die Eindringtiefe
und desto weicher ist das Material.
Daneben existiert zur Bestimmung der Härte von Materialien auch das Verfahren
der Härtemessung nach Shore A, deren Härteskala von 0 Shore (2,5 mm
Eindringtiefe) bis 100 Shore (0 mm Eindringtiefe) reicht, d. h. im Gegensatz zu den
obigen Penetrationswerten bedeutet ein niedriger Shorewert, dass das Material
weich ist, und ein hoher Shorewert, dass das Material hart ist.
- 12 -
4.
Das Leistungshalbleitermodul des mit Hauptantrag verteidigten beschränkt
aufrechterhaltenen Anspruchs 1 beruht ebenso wie auch das Verfahren des An-
spruchs 1 nach Hilfsantrag auf keiner erfinderischen Tätigkeit des Fachmanns be-
züglich der Lehre von Druckschrift D21 i. V. m. der Lehre der D16, so dass beide
nicht patentfähig sind.
Bei dieser Sachlage kann die Erörterung der Zulässigkeit der Ansprüche des
Hauptantrags und des Hilfsantrags dahingestellt bleiben (vgl. BGH GRUR 1991,
120, 121, II.1
– „Elastische Bandage“).
Der Fachmann ist hier als ein berufserfahrener Physiker oder Ingenieur der Elekt-
rotechnik mit Hochschulabschluss und mit Kenntnissen der Aufbau- und Gehäu-
setechnik von Leistungshalbleitermodulen zu definieren, der mit der Entwicklung
und Fertigung solcher Module befasst ist.
4.1.
Die Druckschrift D21, vgl. insbesondere deren Figuren 3 und 6 mit
Beschreibung, offenbart mit den Worten des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ein
1. Leistungshalbleitermodul
mit
2. einem Schaltungsträger
2.1. der
einen
als
Keramikplättchen
ausgebildeten
Isolationsträger
mit einer Oberseite umfasst,
2.2. auf der eine Metallisierungsschicht
angeordnet ist;
3. einem Leistungshalbleiterchip
3.1. der auf der dem Isolationsträger abgewandten Seite der
Metallisierungsschicht auf dem Schaltungsträger angeordnet ist,
und
- 13 -
3.2. der auf seiner dem Schaltungsträger abgewandten Oberseite eine
obere Chipmetallisierung
3.2.1.
aus Kupfer oder aus einer Kupferlegierung
3.2.2.
mit einer Dicke von größer oder gleich 1 µm aufweist
;
4. einem elektrischen Anschlussleiter
4.1. aus Kupfer oder einer Kupferlegierung,
4.2. der an einer Verbindungsstelle mit der oberen Chipmetallisierung
verbunden ist
;
5. einer Vergussmasse
,
5.1. die sich vom Schaltungsträger zumindest bis über die dem
Schaltungsträger abgewandte Seite des Leistungshalbleiterchips
erstreckt und diese vollständig überdeckt ;
5.2. den Anschlussleiter zumindest im Bereich der Verbindungsstelle (8c)
umschließt .
Demnach ist aus der Druckschrift D21 ein Leistungshalbleitermodul bekannt, das
bis auf die explizite Angabe der Härte der Vergussmasse gemäß
Gliederungspunkt 5.3 sämtliche Merkmale des Moduls nach Anspruch 1 des
Hauptantrags aufweist.
- 14 -
Als Material für die Vergussmasse empfiehlt Druckschrift D21 in Abs. [0024]
Siliziumgel. Solche Siliziumgele finden, wie durch Druckschrift D16 belegt
, in der Elektronik-Industrie insbesondere als
zweikomponentige Vergussmassen Verwendung, da sich ihre Härte durch das
Mischungsverhältnis der beiden Komponenten entsprechend der gewünschten
Anwendung einstellen lässt. Als Beispiele für die Härte von Siliziumgelen für
Vergussmassen nennt die D16 in Kapitel 1.4 Penetrationswerte nach
DIN ISO 2137 von 93, 70, 44 und 23, wobei in Kapitel 2.2 ausdrücklich auf die
Möglichkeit verwiesen wird, über das Mischungsverhältnis die für die jeweilige
Anwendung optimale Härte und Klebrigkeit der Vergussmasse einzustellen. Dabei
wird in Kap. 2.1 explizit darauf hingewiesen, dass Silicon-Module einen sehr
geringen E-Modul aufweisen und es deshalb
Somit wird der Fachmann bei dem in Druckschrift D21 beschriebenen
Leistungshalbleitermodul ebenfalls Siliziumgele und darunter auch solche mit
einem Penetrationswert von 23 als Vergussmasse einsetzen, ohne dazu
erfinderisch tätig werden zu müssen.
Da sich damit auch das Merkmal 5.3 des Anspruchs 1 ergibt, wonach die
Vergussmasse
, wird
das Leistungshalbleitermodul des Anspruchs 1 nach Hauptantrag dem Fachmann
durch die Druckschrift D21 i. V. m. seinem durch die Druckschrift D16 belegten
Fachwissen nahegelegt.
4.2.
Hinsichtlich der Betriebstemperatur von Leistungshalbleitermodulen wird in
Abs. [0025] der D21 Folgendes ausgeführt:
- 15 -
Demnach ist die Lebensdauer üblicher Leistungshalbleitermodule auf Betriebs-
temperaturen im Bereich von 125°C bis 150°C ausgelegt, wobei die Lebensdauer
für zukünftige KFZ-Anwendungen auch bei Temperaturen von bis zu 200°C ge-
währleistet sein muss. Auch die Druckschrift D16 erwähnt, wie oben bereits er-
läutert, dass Temperaturschwankungen von 200°C im Betrieb von mit Siliziumge-
len vergossenen Chips keinerlei Probleme bereiten.
Somit ist das in der D21 beschriebene Leistungshalbleitermodul dazu ausgelegt,
für wenigstens 20 Sekunden bei einer Sperrschichttemperatur von nicht weniger
als 150°C betrieben zu werden, und in gleicher Weise auch das entsprechende
Modul mit einer einen Penetrationswert von 23 aufweisenden Vergussmasse.
Folglich ergibt sich auch das Verfahren zum Betrieb eines Leistungshalbleitermo-
duls gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags in naheliegender Weise aus der Druck-
schrift D21 i. V. m. der D16
5.
Mit dem Anspruch 1 fallen wegen der Antragsbindung auch die übrigen An-
sprüche, vgl. BGH GRUR 2007, 862, 863, Tz. 22
– Informationsübermittlungsver-
fahren II.
6.
Bei dieser Sachlage war das Streitpatent zu widerrufen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss steht den am Verfahren Beteiligten
– vorbehaltlich des
Vorliegens der weiteren Rechtsmittelvoraussetzungen, insbesondere einer Be-
schwer
Rechtsbeschwerde
- 16 -
beschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn einer der nachfolgen-
den Verfahrensmängel gerügt wird, nämlich
1. dass das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. dass bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Aus-
übung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen
Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. dass einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes
vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrück-
lich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. dass der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergan-
gen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfah-
rens verletzt worden sind, oder
6. dass der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
innerhalb eines Monats
schlusses schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-
anwalt als Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133
Karlsruhe, einzureichen oder durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Poststelle des BGH, www.bundesgerichtshof.de/erv.html. Das elektronische Do-
kument ist mit einer prüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur nach dem
Signaturgesetz oder mit einer prüfbaren fortgeschrittenen elektronischen Signatur
zu versehen. Die Eignungsvoraussetzungen für eine Prüfung und für die Formate
des elektronischen Dokuments werden auf der Internetseite des Bundesgerichts-
hofs www.bundesgerichtshof.de/erv.html bekannt gegeben.
Dr. Strößner
Brandt
Dr. Friedrich
Dr. Himmelmann
prö