Urteil des BPatG vom 07.06.2016

Gestaltung, Nummer, Rechtsschutz, Vertreter

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
23 W (pat) 18/14
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
7. Juni 2016
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
- 2 -
betreffend die Patentanmeldung 10 2013 103 576.0
hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 7. Juni 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Strößner und der Richter Brandt, Dr. Friedrich und Dr. Himmelmann
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die vorliegende Anmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2013 103 576.0 und der
Bezeichnung „Verkehrsschild-Vorrichtung mit solarbetriebener Beleuchtung“
wurde am 10. April 2013 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die
Prüfungsstelle für Klasse G09F hat im Prüfungsverfahren u. a. die Druckschrift
D1
DE 20 2005 010782 U1
berücksichtigt und im einzigen Prüfungsbescheid vom 2. Dezember 2013 ihre Be-
denken hinsichtlich der Patentfähigkeit der beanspruchten Verkehrsschild-Vor-
richtung geäußert. In der daraufhin am 26. März 2014 durchgeführten Anhörung
hat der Vertreter der Anmelder die Patenterteilung mit einem die Merkmale der
ursprünglichen Ansprüche 1, 6, 9 und 10 umfassenden Anspruch 1 beantragt,
dessen Gegenstand von der Prüfungsstelle jedoch als nicht patentfähig hinsicht-
lich der Druckschrift D1 angesehen wurde, so dass sie in der Anhörung die An-
meldung mit der Begründung fehlender erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen
- 3 -
hat. Ihre Entscheidung hat die Prüfungsstelle mit dem auf den 3. April 2014 da-
tierten Beschluss schriftlich begründet.
Gegen diesen Beschluss, dem Vertreter der Anmelder am 8. April 2014 zugestellt,
richtet sich die am 10. April 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt einge-
gangene Beschwerde.
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht wurden
die Anmelder auch auf die Relevanz der Druckschrift
D6
KR 20-0448402 Y1
hingewiesen.
Die ordnungsgemäß geladenen Anmelder sind zur mündlichen Verhandlung nicht
erschienen.
Sie beantragen mit Schriftsatz vom 8. April 2014 sinngemäß:
1.
Den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G09F des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 26. März 2014 aufzuheben.
2.
Ein Patent zu erteilen mit der Bezeichnung
„Verkehrsschild-Vor-
richtung mit solarbetriebener Beleuchtung
“, dem Anmeldetag
10. April 2013 auf der Grundlage folgender Unterlagen:
Patentanspruch 1 vom 8. April 2014, eingegangen im Deut-
schen Patent- und Markenamt am 10. April 2014,
noch anzupassende Unteransprüche,
Beschreibungsseiten 1 bis 8,
- 4 -
2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 und 2, jeweils eingegan-
gen im Deutschen Patent- und Markenamt am Anmeldetag.
Der geltende Anspruch 1 hat unter Hinzufügung einer Gliederung folgenden
Wortlaut:
„Verkehrsschild-Vorrichtung (100)
a)
mit einem Basispaneel (110), dessen Oberfläche zur
Aufnahme einer grafischen Gestaltung gemäß einer
genormten Vorgabe der STVO dimensioniert ist,
b)
wobei im Bereich zumindest eines Teils der grafischen
Gestaltung
der
Oberfläche
des
Basispaneels
(110)
Leuchtelemente (120) vorgesehen sind,
c)
wobei mindestens ein mit dem Basispaneel (110)
verbundenes Chassis (130) vorgesehen ist,
d)
dessen Oberfläche mindestens teilweise mit Photovoltaik-
Elementen (140) zum Erzeugen von elektrischem Strom bei
Tageslicht versehen ist
e)
und in dessen Inneren eine mit den Photovoltaik-Elementen
(140) elektrisch verbundene Stromspeicher-Einrichtung
sowie eine Steuereinheit zum Steuern sowohl eines
Einschaltvorgangs als auch eines Ausschaltvorgangs der mit
der
Stromspeicher-Einrichtung
zeitweise
elektrisch
verbindbaren Leuchtelemente (120) untergebracht sind,
dadurch gekennzeichnet
f)
dass ein Chassis (130) in zwei Chassisteile (131) aufgeteilt
ist, die durch einen Zwischenraum (132) voneinander
getrennt sind,
g)
wobei die beiden Chassisteile (131) so weit voneinander
entfernt angeordnet sind, dass ihre jeweiligen Unterflächen
- 5 -
eine stabile Standfläche der insgesamten Verkehrsschild-
Vorrichtung (100) bilden,
h)
wobei die beiden Chassisteile (131) im Querschnitt jeweils im
Wesentlichen dreieckförmig ausgebildet sind,
i)
wobei zumindest eine obere Außenfläche (133)
1
der
Außenflächen schräg angeordnet ist derart, dass die
Querschnittsfläche
eines
Chassis-Körpers
(131)
mit
steigendem Abstand von dem Basispaneel (110) abnimmt,
j)
und
ein
Photovoltaik-Elemente
(140)
enthaltendes
Photovoltaik-Paneel im Bereich der mindestens einen schräg
angeordneten Außenfläche (133) eines Chassis-Körpers
(131) angeordnet ist.“
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die fristgerecht eingelegte Beschwerde der Anmelder ist zulässig aber unbegrün-
det.
1.
Die Beschwerde der Anmelder ist zulässig.
a)
Die Anmelder haben am 10. April 2013
– beide vertreten durch Patentanwalt
Dipl.-Phys. Ernst Albrecht Bender
– Antrag auf Erteilung eines Patents gestellt. In
der Anhörung vom 26. März 2014 hat die Prüfungsstelle für Klasse G09F des
Deutschen Patent- und Markenamtes (DPMA) die Patentanmeldung zurückgewie-
sen. Die Zurückweisung hat die Prüfungsstelle mit Beschluss vom 26. März 2014
begründet. Gegen diesen Beschluss, der dem Vertreter der Anmelder am
1
Klammern hinzugefügt
- 6 -
8. April 2014 zugestellt worden ist, hat der Vertreter am 10. April 2014 mit folgen-
den Worten Beschwerde erhoben:
„Anmelder: Borst u. a.
Gegen den Beschluss vom 26. März
2014… wird Beschwerde eingelegt. Die
Beschwerdegebühr in Höhe von
€ 200,- wird durch anliegende Einzugser-
mächtigung entrichtet.“
In dem Formular „Angaben zum Verwendungszweck des Mandats“ vom
10. April 2014 heißt es:
„(1) Das Mandat soll für folgende Verfahren verwendet werden:
Amtliches Aktenzeichen: Gebührennummer
Betrag in
Erläuterungen
10 2013 103 576.0
401 300
200,00
Beschwerdegebühr
Gesamtbetrag:
200,00
Name des Schutzrechtsinhabers: Borst, u.a.“
Nach Nummer 401 300 des Gebührenverzeichnisses als Anlage zu § 2 Abs. 1
PatKostG ist am 10. April 2014 eine Gebühr in Höhe von 200
€ entrichtet worden.
b)
Nach § 73 Abs. 1 PatG findet gegen die Beschlüsse der Prüfungsstellen die
Beschwerde statt. Gemäß § 2 Abs. 1 PatKostG werden Gebühren nach dem Ge-
bührenverzeichnis der Anlage zu diesem Gesetz erhoben. In Anlage B des Ge-
bührenverzeichnisses (Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG) sind die Gebühren des
Bundespatentgerichts in Form von Gebührentatbeständen aufgelistet. Gemäß
Abs. 1 der Vorbemerkung vor Abschnitt I in Teil B des Gebührenverzeichnisses
werden die Gebühren Nummer 400 000 bis 401 300 für jeden Antragsteller ge-
sondert erhoben. Im Beschwerdeverfahren, das in Abschnitt I geregelt ist, ist nach
Gebührennummer 401 300 in anderen als den in den Gebührennummern
400 000, 401 100 und 401 200 behandelten Fällen eine Gebühr von 200
€ zu ent-
richten. Ist für die Stellung eines Antrags oder die Vornahme einer sonstigen
Handlung durch Gesetz eine Frist bestimmt, so ist nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Pat-
KostG innerhalb dieser Frist auch die Gebühr zu zahlen. Wird eine Gebühr nach
§ 6 Abs. 1 PatKostG nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gezahlt, so gilt
- 7 -
nach § 6 Abs. 2 PatKostG die Anmeldung oder der Antrag als zurückgenommen,
oder die Handlung als nicht vorgenommen, soweit gesetzlich nichts anderes be-
stimmt ist.
§ 6 Abs. 2 PatKostG unterscheidet zwischen Antrag und sonstiger Handlung. Bei
dieser Unterscheidung unterfällt die Beschwerde der letztgenannten Gruppe
(BGH, Beschluss vom 18. August 2015
– X ZB 3/14, GRUR 2015, 1255, Rn. 10 –
Mauersteinsatz; BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2004
– X ZB 2/04, GRUR
2005, 184, Rn. 7, 8
– Verspätete Zahlung der Einspruchsgebühr).
Nach Abs. 1 der Vorbemerkung vor Abschnitt I in Teil B des Gebührenverzeich-
nisses des Patentkostengesetzes we
rden die dort genannten Gebühren „für jeden
Antragsteller gesondert erhoben“. Mit „Antragsteller“ ist der „Beschwerdeführer“
gemeint, weil es in Abschnitt I um „Beschwerdeverfahren“ geht (BPatG, Beschluss
vom 3. Dezember 2013, 10 W (pat) 17/14, GRUR-RR 2014, 227, Rn. 12
– Satz
aus Mauersteinen; BGH, Mauersteinsatz, a. a. O., Rn. 11).
c)
Abs. 1 der Vorbemerkung vor Abschnitt I in Teil B des Gebührenverzeichnis-
ses ist durch das „Gesetz zur Änderung des patentamtlichen Einspruchsverfah-
rens und des Patentkosten
gesetz“ vom 21. Juni 2006 in das Patentkostengesetz
eingefügt worden und am 1. Juli 2006 in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 28 vom
26. Juni 2006, S. 1318). Im Allgemeinen Teil der Begründung des Gesetzentwurfs
der Bundesregierung vom 21. Februar 2006 (BT-Drucks. 16/735, A. Allgemeiner
Teil, II. Grundzüge, 2. Änderung des PatKostG, S. 9 li. Sp. unten)
„wird klargestellt, dass in bestimmten Verfahren vor dem Deutschen Patent-
und Markenamt und dem Bundespatentgericht, in denen mehrere Beteiligte
gemeinsam einen Antrag stellen oder einen Rechtsbehelf bzw. ein Rechts-
mittel einlegen, Gebühren von jedem Beteiligten zu zahlen sind.“
- 8 -
Die Einfügung des Abs. 1 der Vorbemerkung vor Abschnitt I in Teil B des Gebüh-
renverzeichnisses wird im Besonderen Teil des Gesetzentwurfs der Bundesregie-
rung folgendermaßen begründet (BT-Drucks. 16/735, B. Besonderer Teil, Zu Arti-
kel 6, Zu Nummer 6, Zu Buchstabe b, Zu Doppelbuchstabe aa, S. 17 re. Sp.
oben):
„Die Vorbemerkung wird neu eingeführt.
Nach Absatz 1 sollen in allen Beschwerdeverfahren die Gebühren
– ebenso
wie im patentamtlichen Verfahren
– von jedem Verfahrensbeteiligten erhoben
werden (siehe Begründung zur Vormerkung zu Teil A des Gebührenver-
zeichnisses).“
d)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 22. Feb-
ruar 2011
– X ZB 43/08, GRUR 2011, 509, Rn. 14 – Schweißheizung; ähnlich
BGH, Mauersteinsatz, a. a. O., Rn. 17) ist es zur Vermeidung unzumutbarer Här-
ten unabdingbar, dass für den um Rechtsschutz nachsuchenden Bürger der Um-
fang seiner Zahlungspflicht zweifelsfrei erkennbar ist, wenn die Inanspruchnahme
gerichtlichen Rechtsschutzes nicht nur von der Einzahlung einer Gebühr abhängt,
sondern
– wie nach § 6 Abs. 2 PatKostG – ohne Weiteres gesetzlich die Rück-
nahme des entsprechenden Antrags fingiert wird, wenn die Gebührenzahlung
nicht binnen der vorgesehenen Frist erfolgt.
e)
Der Senat ist der Auffassung, dass die Beschwerdeführer nicht zweifelsfrei
erkennen konnten, dass jeder von ihnen eine Gebühr nach Nummer 401 300 der
Anlage B I zu § 2 Abs. 1 PatKostG in Höhe von 200
€ zahlen musste, um zu ver-
hindern, dass die Einlegung ihrer Beschwerde nach § 73 PatG gegen den Be-
schluss der Prüfungsstelle des DPMA nach § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht vorge-
nommen gilt.
Zwar weist die Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses des DPMA vom
4. Februar 2014 darauf hin, dass die Beschwerdegebühr in Höhe von 200
€ für
jeden Beschwerdeführer gesondert zu zahlen ist. Auch werden die Gebühren
- 9 -
Nummer 400 000 bis 401 300 nach Abs. 1 der Vorbemerkung vor Abschnitt I in
Teil B des Gebührenverzeichnisses des Patentkostengesetzes ausdrücklich für
jeden Antragsteller gesondert erhoben.
Gleichwohl meint der Senat, dass die genannte Gesetzesbestimmung ausle-
gungsbedürftig ist und für die Beschwerdeführer Zweifel an dem Erfordernis der
Zahlung von zwei Beschwerdegebühren blieben. Denn zum einen sollen die Ge-
bühren nach der genannten Vorschrift für jeden „Antragsteller“ gesondert erhoben
werden, was den um Rechtsschutz nachsuchenden Bürger zu der Prüfung zwingt,
ob dies auch für jeden Beschwerdeführer gilt, was die schon angesprochene
Rechtsprechung (BPatG, Satz aus Mauersteinen, a. a. O., Rn. 12; BGH, Mauer-
steinsatz, a. a. O., Rn. 11) bejaht.
Zweifel an dem Erfordernis der Zahlung von zwei Beschwerdegebühren bestan-
den für die Beschwerdeführer zum anderen und vor allem deshalb, weil es in der
zitierten Begründung zu Abs. 1 der Vorbemerkung vor Abschnitt I in Teil B des
Gebührenverzeichnisses heißt, dass im Beschwerdeverfahren die Gebühren
„“ von jedem Verfahrensbeteiligten erho-
ben werden sollen (BT-Drucks. 16/735, S. 17 re. Sp. oben). Wie § 14 DPMAV zu
entnehmen ist, können mehrere Personen zusammen eine Erfindung zur Erteilung
eines Patents beim DPMA anmelden. Nach Anlage A I 1 des Gebührenverzeich-
nisses (Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG), die die Gebühren des DPMA für Patent-
sachen im Erteilungsverfahren bestimmt, ist bei Anmeldung, Prüfungs- und Re-
chercheantrag mehrerer Anmelder nur eine Gebühr zu zahlen (BPatG, Beschluss
vom 5. August 1977
– 5 W (pat) 417/76, BPatGE 20, 94; , PatG,
9. Aufl., § 34 Rn. 17). Insofern war für die um Rechtsschutz nachsuchenden Be-
schwerdeführer der Umfang ihrer Zahlungspflicht nicht
– wie vom Bundesgerichts-
hof (Schweißheizung, a. a. O., Rn. 14) gefordert
– zweifelsfrei erkennbar. Denn für
die Anmeldung ihrer Erfindung zur Erteilung eines Patents beim DPMA sowie für
die Stellung eines Prüfungs- und Rechercheantrags fielen nach Anlage A I 1 des
Gebührenverzeichnisses (Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG) jeweils nur eine einzige
- 10 -
Gebühr an, weshalb die Beschwerdeführer mit Blick auf die Amtliche Begründung,
der zufolge im Beschwerdeverfahren die Gebühren „
“ erhoben werden sollen, nicht zweifelsfrei erkennen konnten, dass
sie
– möglicherweise – jeder eine Beschwerdegebühr nach Nummer 401 300 ge-
mäß Abs. 1 der Vorbemerkung vor Abschnitt I in Teil B des Gebührenverzeichnis-
ses des Patentkostengesetzes hätten zahlen müssen, um zu verhindern, dass die
Einlegung ihrer Beschwerde nach § 73 PatG gegen den Beschluss der Prüfungs-
stelle des DPMA nach § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht vorgenommen gilt. Die Be-
schwerdeführer durften die Amtliche Begründung des „Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des patentrechtlichen Einspruchsverfahrens und des Patentkosten-
gesetzes“ berücksichtigen, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
(Schweißheizung, a. a. O., Rn. 14) die Materialien zu einem Gesetzgebungsver-
fahren im Rahmen der historischen Auslegungsmethode für die Auslegung der
fraglichen Neuregelung heranzuziehen sind.
Neben den schon genannten Gründen hält der Senat Abs. 1 der Vorbemerkung
vor Abschnitt I in Teil B des Gebührenverzeichnisses des Patentkostengesetzes
trotz seines scheinbar eindeutigen Wortlauts, Gebühren für jeden „Antragstel-
ler“/Beschwerdeführer gesondert zu erheben, auch deshalb für auslegungsbedürf-
tig, weil die Antwort auf die Frage, ob der Wortlaut eines Gesetzes eindeutig und
deshalb nicht auslegungsbedürftig ist, die Auslegung des Wortlauts des Gesetzes
erfordert.
Der Senat setzt sich mit der geschilderten Auffassung nicht in Widerspruch zur
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dem Beschluss
„Mauersteinsatz“.
Denn der Bundesgerichtshof hat dort (a. a. O., Rn. 8) die Auffassung des
10. Senats des Bundespatentgerichts bestätigt, dass im Einspruchsverfahren für
die Beschwerde von zwei Patentinhabern zwei Beschwerdegebühren zu entrich-
ten sind. Vorliegend geht es nicht um eine Beschwerde mehrerer Patentinhaber
gegen eine Entscheidung einer Patentabteilung des DPMA im Einspruchsverfah-
ren, sondern um die Beschwerde mehrerer Patentanmelder gegen die Entschei-
- 11 -
dung einer Prüfungsstelle des DPMA im Anmeldeverfahren. Soweit ersichtlich, ist
die Frage, ob mehrere Personen, die sich gemeinsam gegen die Nichterteilung
des von ihnen angemeldeten Patents wehren, eine oder mehrere Beschwerdege-
bühren zahlen müssen, gerichtlich noch nicht entschieden (, Gebühren
im patentrechtlichen Verfahren bei Beteiligung mehrerer Personen, GRUR 2015,
1170, 1173 li. Sp.).
Mehrere Anmelder, die sich zwangsläufig gemeinsam gegen die Zurückweisung
ihrer Patentanmeldung durch eine Prüfungsstelle des DPMA beim BPatG be-
schweren, zur Zahlung mehrerer Beschwerdegebühren zu verpflichten, erscheint
in der Sache zudem unberechtigt. Mehrere Einsprechende können gegenüber
dem BPatG durchaus unterschiedliche Einwendungen vorbringen und unter-
schiedliche Anträge stellen und damit einen Mehraufwand verursachen, der die
Zahlung mehrerer Beschwerdegebühren rechtfertigt. An einem entsprechenden
Mehraufwand seitens des BPatG, der mehrere Beschwerdegebühren rechtfertigen
könnte, fehlt es aber, wenn nicht nur einer, sondern mehrere Anmelder Be-
schwerde gegen die Zurückweisung ihrer Patentanmeldung einlegen. Anders als
mehrere Einsprechende sind mehrere Anmelder notwendige Streitgenossen, die
einheitliche Anträge stellen müssen. Bei Streit ist das Verfahren bis zur rechtskräf-
tigen Erledigung eines Prozesses unter ihnen auszusetzen. Bleibt es bei unter-
schiedlichen Anträgen, ist wegen der Bindung an den Antrag die Beschwerde zu-
rückzuweisen (, PatG, 9. Aufl., § 73 Rn. 103 mit Nachweisen zur
Spruchpraxis des BPatG; ähnlich , a. a. O., 1175 li. Sp.).
f)
Würde(n) die Beschwerde(n) der Anmelder nach § 6 Abs. 2 PatKostG als
nicht eingelegt gelten, weil sie die Beschwerdegebühren nicht bzw. nicht vollstän-
dig gezahlt haben, obwohl aus den genannten Gründen die um Rechtsschutz
nachsuchenden Beschwerdeführer den Umfang ihrer Zahlungspflicht nicht zwei-
felsfrei erkennen konnten, würde dies auf eine mit dem Rechtsstaatlichkeitsgebot
unvereinbare Erschwerung des Zugangs der Anmelder zu einer gerichtlichen In-
stanz hinauslaufen (BGH, Schweißheizung, a. a. O., Rn. 14). Darin läge ein Ver-
- 12 -
stoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, der als wesentliche rechtsstaatliche Verbür-
gung dem Einzelnen den lückenlosen Rechtsschutz gegen behauptete rechtswid-
rige Eingriffe der öffentlichen Gewalt in seine Rechte gewährleistet und dem im
Verfassungsgefüge des Grundgesetzes als Grundsatznorm für die gesamte
Rechtsordnung überragende Bedeutung zukommt (BVerfG, Beschluss vom
23. Juni 1981
– 2 BvR 1107/77, 2 BvR 1124/77, 2 BvR 195/79, NJW 1982, 507,
Rn. 105
– Eurocontrol I).
2.
Die Beschwerde erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhand-
lung als nicht begründet, denn die Verkehrsschild-Vorrichtung nach Anspruch 1
wird dem Fachmann durch die Druckschrift D1 in Verbindung mit der Druckschrift
D6 nahegelegt, so dass diese gemäß § 4 PatG wegen fehlender erfinderischer
Tätigkeit nicht patentfähig ist.
Bei dieser Sachlage kann die Zulässigkeit des Anspruchs 1 dahingestellt bleiben
Der zuständige Fachmann ist hier als ein berufserfahrener Ingenieur der Elektro-
technik mit Fachhochschulabschluss und Erfahrung in der Entwicklung und Kon-
struktion von mit Solarzellen ausgestatteten, beleuchteten Verkehrsschildern zu
definieren.
3.
Die Anmeldung betrifft eine Verkehrsschild-Vorrichtung mit einem Basispa-
neel, dessen Oberfläche zur Aufnahme einer grafischen Gestaltung gemäß einer
genormten Vorgabe der STVO dimensioniert ist.
Solche Verkehrsschild-Vorrichtungen werden zur Regulierung des Verkehrs von
Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen verwendet. Die üblicherweise verwendeten
Vorrichtungen weisen jedoch den Nachteil auf, dass sie bei Dämmerung oder
Dunkelheit für die Fahrer von Fahrzeugen oft nur schwer erkennbar sind.
- 13 -
Vor diesem Hintergrund liegt der Anmeldung als technisches Problem die Aufgabe
zugrunde, eine Verkehrsschild-Vorrichtung zu schaffen, deren Erkennbarkeit bei
Dämmerung und Dunkelheit gegenüber den bekannten Verkehrsschild-Vorrich-
tungen verbessert ist,
Gelöst wird diese Aufgabe durch die Vorrichtung des Anspruchs 1.
Die beanspruchte Verkehrsschild-Vorrichtung zeichnet sich dadurch aus, dass sie
ein Basispaneel und mindestens ein mit dem Basispaneel verbundenes Chassis
aufweist, wobei die Oberfläche des Basispaneels zur Aufnahme einer grafischen
Gestaltung gemäß einer genormten Vorgabe der STVO dimensioniert ist und im
Bereich zumindest eines Teils der grafischen Gestaltung der Oberfläche des Ba-
sispaneels Leuchtelemente vorgesehen sind. Zum Erzeugen von elektrischem
Strom bei Tageslicht ist die Oberfläche des Chassis mindestens teilweise mit
Photovoltaik-Elementen versehen und im Inneren des Chassis ist neben einer mit
den Photovoltaik-Elementen elektrisch verbundenen Stromspeicher-Einrichtung
auch eine Steuereinheit untergebracht, die zum Steuern sowohl eines Einschalt-
vorgangs als auch eines Ausschaltvorgangs der mit der Stromspeicher-Einrich-
tung zeitweise elektrisch verbindbaren Leuchtelemente geeignet ist. Das Chassis
ist zudem in zwei Chassisteile aufgeteilt, die durch einen Zwischenraum vonei-
nander getrennt und so weit voneinander entfernt angeordnet sind, dass ihre je-
weiligen Unterflächen eine stabile Standfläche der gesamten Verkehrsschild-Vor-
richtung bilden. Diese beiden Chassisteile sind im Querschnitt jeweils im Wesent-
lichen dreieckförmig ausgebildet und zumindest eine obere Außenfläche des
Chassis ist schräg angeordnet, so dass die Querschnittsfläche des Chassis-Kör-
pers mit steigendem Abstand von dem Basispaneel abnimmt, wobei zusätzlich ein
Photovoltaik-Elemente enthaltendes Photovoltaik-Paneel im Bereich der mindes-
tens einen schräg angeordneten Außenfläche des Chassis-Körpers angeordnet
ist.
- 14 -
Damit soll die Helligkeit aller oder zumindest wesentlicher Bestandteile der grafi-
schen Gestaltung eines Verkehrsschildes bei Dämmerung und Dunkelheit wesent-
lich erhöht und eine deutliche Verbesserung der optischen Wahrnehmung des
Verkehrsschildes seitens der Verkehrsteilnehmer erreicht werden,
4.
Die Druckschrift D1, vgl. deren Fig. 1 bis 4 mit Bezugszeichenliste sowie die
Beschreibung in den Abs. [0017] bis [0019], offenbart in Übereinstimmung mit dem
Oberbegriff des Anspruchs 1 eine
Verkehrsschild-Vorrichtung
a) mit einem Basispaneel ,
dessen Oberfläche zur Aufnahme einer grafischen Gestaltung gemäß einer
genormten Vorgabe der STVO dimensioniert ist ,
b) wobei im Bereich zumindest eines Teils der grafischen Gestaltung der
Oberfläche des Basispaneels Leuchtelemente
vorgesehen sind,
c) wobei mindestens ein mit dem Basispaneel verbundenes Chassis
vorgesehen ist,
d) dessen Oberfläche mindestens teilweise mit Photovoltaik-Elementen
zum Erzeugen von elektrischem Strom bei Tageslicht
versehen ist
e) und in dessen Inneren eine mit den Photovoltaik-Elementen elektrisch
verbundene
Stromspeicher-Einrichtung
sowie eine Steuereinheit
zum Steuern sowohl eines Einschaltvorgangs als auch eines
Ausschaltvorgangs der mit der Stromspeicher-Einrichtung zeitweise
elektrisch verbindbaren Leuchtelemente untergebracht sind.
- 15 -
Wie zudem in Fig. 3 und 4 der D1 gezeigt, hat der Grundrahmen des Warn-
dreiecks ein nach unten offenes U-förmiges Profil, wobei in den Enden der Schen-
kel jeweils ein Gegengewicht zur Erhöhung des Standfestigkeit und im Zwi-
schenraum zwischen den Schenkeln eine drehbare Stütze vorgesehen sind,
Damit sind aber auch die weiteren Merkmale f) und g) des An-
spruchs 1 aus der D1 bekannt, wonach das Chassis in zwei
Chassisteile
aufgeteilt ist, die durch einen Zwischenraum
voneinander getrennt sind, wobei die beiden Chassisteile so weit voneinander
entfernt angeordnet sind, dass ihre jeweiligen Unterflächen eine stabile Standflä-
che der insgesamten Verkehrsschild-Vorrichtung bilden.
Folglich ist aus der Druckschrift D1 eine Verkehrsschild-Vorrichtung bekannt, die
bis auf die Merkmale h) bis j), wonach
h) die beiden Chassisteile im Querschnitt jeweils im Wesentlichen
dreieckförmig ausgebildet sind,
i) zumindest eine obere Außenfläche der Außenflächen schräg angeordnet ist
derart, dass die Querschnittsfläche eines Chassis-Körpers mit steigendem
Abstand von dem Basispaneel abnimmt,
j) und ein Photovoltaik-Elemente enthaltendes Photovoltaik-Paneel im
Bereich der mindestens einen schräg angeordneten Außenfläche eines
Chassis-Körpers angeordnet ist,
sämtliche Merkmale der Verkehrsschild-Vorrichtung des Anspruchs 1 aufweist.
Diese verbleibenden Merkmale können jedoch keine erfinderische Tätigkeit des
Fachmanns begründen. Denn aus den Figuren der D1 erkennt er sofort, dass die
waagerechte Anordnung der Solarzelle im unteren Bereich des Warndreiecks
nachteilig ist, da sie dadurch häufig der Beschattung durch das Basispaneel aus-
gesetzt ist und zudem wegen der waagerechten Platzierung ineffizient arbeitet.
- 16 -
Ausgehend von dieser Erkenntnis wird der Fachmann bestrebt sein, die Anord-
nung der Solarzelle hinsichtlich ihres Ertrags und ihrer Einbindung in das Chassis
zu optimieren. In diesem Zusammenhang entnimmt er der Druckschrift D6, vgl.
deren Abstract mit Figur, die vorteilhafte Lehre, bei einem Verkehrsschild die So-
larzelle an einer erhöhten Stelle und geneigt anzuordnen, indem das Chassis ent-
lang der Rückseite des Verkehrsschildes nach oben hin vergrößert und mit einer
geneigten Oberseite ausgebildet wird, auf der sich dann die Solarzelle befindet,
was der Fachmann in naheliegender Weise bei dem Verkehrsschild nach der
Druckschrift D1 anwendet. Wie aus der Figur des Abstracts von D6 ersichtlich,
ergibt sich bei einer solchen Ausgestaltung des Chassis automatisch eine im
Querschnitt im Wesentlichen dreieckförmige Ausbildung des Chassis, dessen
obere Außenfläche schräg angeordnet ist, wobei die Querschnittsfläche des
Chassis-Körpers mit steigendem Abstand von dem Basispaneel abnimmt und ein
Photovoltaik-Elemente enthaltendes Photovoltaik-Paneel im Bereich der schräg
angeordneten Außenfläche des Chassis-Körpers angeordnet ist. Dabei wird der
Fachmann, wie bereits in der D1 angedeutet, das Chassis in zwei Chassisteile im
linken bzw. rechten Bereich der Rückseite des Verkehrsschildes aufteilen, um die
Stützleiste (33) weiterhin an der Rückseite der Platte (11) schwenkbar befestigen
können.
Damit ergeben sich die verbleibenden Merkmale (h) bis (j) in naheliegender Weise
aus der Druckschrift D6, so dass die Verkehrsschild-Vorrichtung des Anspruchs 1
dem Fachmann durch die Druckschrift D1 i. V. m. der D6 nahegelegt und folglich
wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig ist.
5.
- 17 -
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diesen Beschluss steht den Anmeldern
– vorbehaltlich des Vorliegens der
weiteren Rechtsmittelvoraussetzungen, insbesondere des Vorliegens einer Be-
schwer
Rechtsbeschwerde
beschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn einer der nachfolgen-
den Verfahrensmängel gerügt wird, nämlich
1. dass das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war,
2. dass bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der
Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder
wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. dass einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Geset-
zes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens
ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. dass der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung
ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des
Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. dass der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
innerhalb eines Monats
schlusses
schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als
Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, ein-
zureichen oder
durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmäch-
www.bundesgerichtshof.de/erv.html. Das elektronische Dokument ist mit einer
prüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz oder mit
einer prüfbaren fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu versehen. Die Eig-
- 18 -
nungsvoraussetzungen für eine Prüfung und für die Formate des elektronischen
Dokuments
werden
auf
der
Internetseite
des
Bundesgerichtshofs
www.bundesgerichtshof.de/erv.html bekannt gegeben.
Dr. Strößner
Brandt
Dr. Friedrich
Dr. Himmelmann
prö