Urteil des BPatG vom 06.05.2015

Stand der Technik, Anhörung, Fahrzeug, Zustand

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
20 W (pat) 36/13
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
6. Mai 2015
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2004 001 198.2-53
hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) auf die mündliche Verhandlung
vom 6. Mai 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, die Rich-
terin Dorn sowie die Richter Dipl.-Ing. Albertshofer und Dipl.-Geophys. Dr. Wollny
- 2 -
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Prüfungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes, zuständig für die
Klasse G 07 C, hat mit Beschluss vom 6. Dezember 2011 die Patentanmeldung
mit dem Aktenzeichen 10 2004 001 198.2 und der Bezeichnung
„Verfahren zur Überwachung des Lagerzustandes mittels einem sehenden auto-
nomen Transportfahrzeug“,
zurückgewiesen.
Der Zurückweisung lagen die mit der Eingabe vom 9. November 2011 eingereich-
ten Ansprüche 1 bis 9 zu Grunde.
Die Prüfungsstelle hat in ihrem Zurückweisungsbeschluss insbesondere ausge-
führt, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 in naheliegender Weise aus ei-
ner
Zusammenschau
der
Druckschriften
D1
und
D4
scher Tätigkeit nicht gewährbar.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss der Prüfungsstelle verwie-
sen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 12. Dezember 2011 beim Deutschen
Patent- und Markenamt eingegangene Beschwerde.
- 3 -
Der Bevollmächtigte der Anmelderin beantragt in der mündlichen Verhandlung
vom 6. Mai 2015,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 07 C des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 6. Dezember 2011 aufzuhe-
ben und das nachgesuchte Patent auf der Grundlage folgender
Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche
Patentansprüche 1 bis 9 vom 9. November 2011, beim DPMA per
Fax eingegangen am selben Tag
Beschreibung
Beschreibungsseiten 1, 2 und 4 bis 12 vom Anmeldetag
(7. Januar 2004)
Beschreibungsseiten 3, 3a vom 5. November 2008, beim DPMA
eingegangen am 7. November 2008
Zeichnungen
(einzige) Figur vom Anmeldetag (7. Januar 2004).
Hilfsweise,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 07 C des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 6. Dezember 2011 aufzuhe-
ben und das Verfahren zur weiteren Behandlung an das Deutsche
Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
- 4 -
Ferner regt er die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an.
Der Anspruch 1 gemäß Antrag lautet:
„Verfahren zum Betrieb eines sehenden autonomen Transport-
fahrzeugs, wobei mittels wenigstens einem am Transportfahrzeug
angebrachten optischen Bildsensor Umgebungsinformationen in
einem Lagerbereich aufgezeichnet werden, die aufgezeichneten
Umgebungsinformationen mittels einer Rechnereinheit weiterver-
arbeitet werden,
wobei die Umgebungsinformationen den Zustand des Lagerbe-
reichs beschreiben, zur Beschreibung des Lagerzustands anhand
der Umgebungsinformationen eine Objekterkennung durchgeführt
wird, womit die im Lager befindlichen Objekte erkannt werden und
deren Position bestimmt wird, und
ein Kommunikationsmittel den erfassten Lagerzustand an ein
übergeordnetes System weiterleitet
.“
Der Bevollmächtigte der Anmelderin trägt vor, der Gegenstand von Anspruch 1 sei
in den ursprünglichen Unterlagen offenbart und sei im Hinblick auf den vorliegen-
den Stand der Technik patentfähig.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
- 5 -
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, da der Gegenstand des Patentan-
spruchs 1 mangels Neuheit nicht patentfähig ist (§ 1 Abs. 1 i. V. m. § 3 PatG):
1.
Abs. 1) ein Verfahren zur Überwachung des Lagerzustandes mittels einem sehen-
den autonomen Transportfahrzeug.
Im Produktionsumfeld würden vermehrt autonome Transportfahrzeuge eingesetzt,
jedoch seien diese relativ unflexibel. Sie könnten sich meist nur auf vorgegebenen
Fahrspuren fortbewegen und nicht selbständig einen Weg finden. Ebenso wie bei
stationären Industrierobotern müsse die Arbeitsumgebung den Transportfahrzeu-
gen angepasst werden. Daher könnten diese bisher nur genutzt werden, wenn
sich die Arbeitsumgebung nicht verändere. Autonome, frei navigierende und uni-
versell einsetzbare Transportfahrzeuge sollten künftig zusammen mit dem Men-
schen und anderen Transportfahrzeugen in einer sich dynamisch ändernden Um-
gebung eingesetzt werden. Moderne autonome Transportfahrzeuge verfügten da-
her über umgebungserfassende Sensoren. Dabei ermöglichten Entfernungs- und
Bildsensoren die exakte Bestimmung der Fahrzeug- und Lastposition sowie das
Erkennen von Hindernissen (Ursprungsunterlagen, S. 1, Abs. 2).
In der WO 01 / 06401 A1 werde ein mobiles Lesegerät für elektronische Marken
sowie eine Methode zur Teileverfolgung gezeigt. Die ortsfesten oder beweglichen
Teile würden hierzu mit elektronischen Marken (RFID) versehen, wobei zwischen
den elektronischen Marken und dem mobilen Lesegerät eine Kommunikationsver-
bindung aufgebaut werde. Mittels der Kommunikationsverbindung würden Teile
identifiziert, deren Position bestimmt und der Status der elektronischen Marken so-
wie der Teile abgefragt. Die Position von mit Marken versehenen Teilen werde
entweder durch das mobile Lesegerät oder eine zentrale Steuereinheit ausgewer-
- 6 -
tet. Die Position des mobilen Lesegeräts werde mittels bekannter, ortsfester elek-
tronischer Marken bestimmt (Ursprungsunterlagen, S. 2, Abs. 1).
US 6,550,674 B1 zeige eine Steuer- und Verwaltungsmethode für Inventar mittels
einer mobilen Einheit. Diese umfasse ein Kommunikationsmittel und ein System
zum Lesen von Marken, wobei es sich bei dem Lesesystem um ein optisches oder
anderes System zum Lesen von elektronischen Marken, Barcodes und anderen
gedruckten Marken handeln könne. Die ermittelten Informationen würden unter
Verwendung des Kommunikationsmittels zur Auswertung an eine Rechnereinheit
übertragen (Ursprungsunterlagen, S. 2, Abs. 2).
In
der
nachveröffentlichten
Patentanmeldung
mit
dem
Aktenzeichen
DE 103 23 642.2 sei ein Verfahren zum Betrieb eines Bildsensors an einem auto-
nomen Transportfahrzeug sowie ein Bildsensor für ein autonomes Transportfahr-
zeug beschrieben. Der Bildsensor sei am Transportfahrzeug oder an einem seiner
Lastmittel in unterschiedlichen Positionen / Orientierungen verfahrbar angebracht
und diene der Erfassung von Umgebungsinformationen, die mittels einer Rechner-
einheit für Navigationszwecke sowie zur Erkennung und zur Vermessung von Ob-
jekten ausgewertet würden. Dabei könnte durch Schwenken und Neigen des Bild-
sensors eine Bildübersicht generiert und aufgrund dieser Information eine be-
stimmte Position angefahren werden (Ursprungsunterlagen, S. 2, Abs. 3).
Der Erfindung liege die Aufgabe zu Grunde, eine weitere Einsatzmöglichkeit eines
sehenden autonomen Transportfahrzeugs anzugeben, insbesondere ein Verfah-
ren zum Betrieb eines sehenden autonomen Transportfahrzeugs bereitzustellen,
womit es möglich werde, den Zustand eines Lagerbereichs auf zuverlässige Wei-
se zu überwachen (Ursprungsunterlagen, S. 2, Abs. 4).
- 7 -
2.
Diplom-Physiker mit Hochschulabschluss und mehrjähriger Erfahrung auf dem
Gebiet der optischen Bildaufnahme von Objekten sowie der digitalen Verarbeitung
und Auswertung der Bildaufnahmen.
3. Zum Patentanspruch 1
Der Patentanspruch 1 kann wie folgt gegliedert werden (Änderungen im Vergleich
zum ursprünglichen Patentanspruch 1 fett bzw. durchgestrichen):
M1
Verfahren zum Betrieb eines sehenden autonomen Trans-
portfahrzeugs,
M2
wobei mittels wenigstens einem am Transportfahrzeug an-
optischen
in einem Lagerbereich
M2.1 und wobei die aufgezeichneten Umgebungsinformationen
mittels einer Rechnereinheit weiterverarbeitet werden,
dadurch gekennzeichnet
M2.2 die Umgebungsinformationen in einem Lagerbereich aufge-
zeichnet werden, wobei die Umgebungsinformationen den
Zustand des Lagerbereichs beschreiben,
M2.3 zur Beschreibung des Lagerzustands anhand der Um-
gebungsinformationen eine Objekterkennung durchge-
führt wird,
M2.4 womit die im Lager befindlichen Objekte erkannt wer-
den und deren Position bestimmt wird, und
M3
wobei ein Kommunikationsmittel den erfassten Lagerzu-
stand an ein übergeordnetes System weiterleitet.
- 8 -
a)
M2
genüber dem ursprünglichen Patentanspruch 1 sind ursprünglich offenbart (vgl.
M2 und M2.2: S. 6, Abs. 1, Z. 4-8 i. V. m. S. 3, Abs. 4, Z. 6-9; M2.3 und M2.4: S. 8,
Abs. 2, Z. 1-4) und der geltende Anspruch 1 ist somit als zulässig anzusehen.
b)
Der Fachmann versteht den Wortlaut des Anspruchs 1 dergestalt, dass mit diesem
ein Verfahren beansprucht wird, das zwar prinzipiell beim Betrieb eines so ge-
nannten „sehenden autonomen Transportfahrzeugs“ einsetzbar ist, jedoch ohne
dass hierbei das Fahrzeug in seiner Funktionalität des Fahrens
– insbesondere
des Fahrens ohne aktiven menschlichen Eingriff
– merkmalstechnisch ausgestal-
tet wird (ein sich in irgendeiner Weise tatsächlich bewegendes Fahrzeug wird im
Verfahrensablauf nicht thematisiert). Dem Fachmann wird durch den Merkmals-
wortlaut lediglich gelehrt, dass zur Durchführung des Verfahrens an einem Fahr-
zeug ein optischer Bildsensor angebracht ist, der Umgebungsinformationen in ei-
nem Lagerbereich aufzeichnet; hierbei wird aber weder der Sensor noch der Ort
der Aufzeichnung (und somit der Ort der Durchführung des Verfahrens) mittels
Merkmalen weiter bestimmt. Daher sieht der Fachmann den Sensor allgemein als
flächigen Opto-Sensor, der z. B. ähnlich einer Digitalkamera Pixelbilder eines
Blickwinkelbereiches aufzunehmen vermag, auf den er (durch eine Vorsatzoptik)
ausgerichtet ist, ohne dass es im weiteren technisch konkret darauf ankommt, aus
welchem Bereich oder von welchem Ort dieselben stammen (Merkmale M1 und
M2).
- 9 -
Der Merkmalskomplex M2.1 und M2.2 führt zur rechnergestützten Verarbeitung
der gewonnenen Umgebungsinformationen aus, dass deren Resultat eine Aussa-
ge über den so genannten „Zustand“ im aufgenommenen Blickwinkelbereich lie-
fert; die Merkmale M2.2 bzw. M2.3 bis M2.4 konkretisieren hierbei den Grad der
rechnergestützten Objekterkennung: Lagerzustand  Umgebungsinformationen
 Objekterkennung  Bestimmung Position. Jedoch wird weder konkret festge-
legt, um welche Objekte mit welchen Eigenschaften es sich handelt (gegenständ-
lich / Personen, mobil / stationär, in einem Bereich erlaubt / unerlaubt, etc.), noch
wie die Objekterkennung durchgeführt wird. Der Fachmann wird daher jede Me-
thode der Objekterkennung mit Positionsbestimmung beliebiger Objekte in Be-
tracht ziehen.
Dieser so erfasste Lagerzustand wird letztlich mittels eines ebenfalls nicht weiter
spezifizierten „Kommunikationsmittels“ an eine hierarchisch über der Sensorebene
– in der die Umgebungsinformation aufgezeichnet wurde – angesiedelte Ebene
(sog. „übergeordnetes System“) weitergeleitet. Im gegebenen technischen Kontext
für den Fachmann sinnvolle und praktikable übergeordnete Ebenen (Systeme) rei-
chen hierbei von einem Steuerungssystem für das Fahrzeug, über ein lagerhallen-
spezifisches Multi-Fahrzeug-Steuerungssystem bis hin zu Logistik-Systemen, die
mehrere Lagerhallen oder auch Standorte betreuen können (Merkmal M3).
c)
Der Gegenstand von Anspruch 1 gilt als nicht neu und ist somit nicht patentfähig.
Von diesem Verständnis des Anspruchswortlauts ausgehend ist dem Fachmann in
Übereinstimmung mit dem anspruchsgemäßen Verfahren aus der Druckschrift
D1
Transportfahrzeugs bekannt, in dem mittels wenigstens einem optischen Bildsen-
sor Umgebungsinformationen in Form von Bildern aufgezeichnet werden (Ab-
satz
[0001], insb. „autonomes mobiles System“ i. V. m. Absatz [0023], insb.: „Die
… in einer definierten Umgebung vorhandenen Vorrichtungen 1, beispielsweise
- 10 -
fahrerlose Transportfahrzeuge, können mittels ihrer Informationsdaten … jederzeit
ein aktuelles Abbild ihrer Umgebung liefern
, und die Abbilder können an die Basisstation 8 ge-
sendet werd
en. … . In einem Getränkelager können dadurch z. B. mehrere fahrer-
lose Transportfahrzeuge
jederzeit mit einem aktuellen „Bild“ ihrer Umgebung ver-
sorgt werden. Außerdem können die Informationsdaten auf der Basisstation in ei-
M1
In weiterer Übereinstimmung ist bekannt, die aufgezeichneten Umgebungsinfor-
mationen mittels eines Rechners weiterzuverarbeiten (z. B. Absatz
[0019]: „Mittel
zur Erkennung / zur Eintragung von Veränderungen / zur Erzeugung neuer Infor-
mationsdaten“
; vgl. auch Absatz
[0001]: „autonomes mobiles System“ und Anspruch 1: „Na-
vigationssystem“; Unterstreichungen und Kursivdruck hinzugefügt). Diese be-
schreiben auch einen „Zustand“ (des Lagers), da der Fachmann in logischer Kon-
D1
gelehrten Fakten das dortige „Lagerverwal-
tungssystem“ samt „Karte“ zugrunde legt und entsprechend als Momentaufnahme
(Abbild) des Lagers nutzt (Absatz [0023] (s. o.) i. V. m. Absatz
[0013]: „[die] Dar-
stellung der Informationsdaten erleichtert einem Bediener eines Lagerverwaltungs-
systems die Übersicht“).
In weiterer Übereinstimmung mit dem Anspruchsgegenstand wird in der Druck-
D1
tenz eines Objekts in Verbindung mit seiner Positionsbestimmung) von Marken
gelehrt und zwar in Form von „veränderlichen Landmarken 5“ (am Ort / im Lager
bewegliche Marken: Figur 1 i. V. m. Absatz
[0021]: „Palette mit Getränkekisten“)
und „unveränderlichen Landmarken 6“ (vgl. Figur 1, ortsfeste Position bspw. eines
Regalpfostens im Getränkelager), wie sie in analoger Weise auch die Anmeldung
selbst zugrunde legt (vgl. Ursprungsunterlagen, S. 10, Z. 15
– 24, insb.: „Für den
- 11 -
Fall, dass die Objekte optische Marken tragen, wird ... zur Beschreibung des La-
gerzustands anhand der Umgebungsinformationen eine Objektidentifikation durch-
geführt, wobei Marken und/oder Schriftzeichen identifiziert werden. Bei den Mar-
ken kann es sich hierbei ... um Barcode
... handeln.“; Unterstreichungen hinzuge-
D1
(Land-) Marken beschrieben (s. o.), doch liest diese der Fachmann gerade im
Rahmen des dortigen Beispiels des Getränkekistenlagers unmittelbar mit, ist doch
die Bestückung von Getränkekisten mit einer für einen Menschen lesbaren Be-
schriftung, Etikettierung und/oder Barcodes zu deren Identifizierung üblich, kosten-
M2.1
Dass die mittels des Sensors über den Zustand des Lagers gewonnenen Informa-
tionen letztlich über ein Kommunik
ationsmittel („Sendevorrichtung 9“) an ein über-
g
D1
ebenfalls zu entnehmen (Anspruch
6: „ … dass die Vorrichtung (1) eine Sendevor-
richtung (9) zur Übertragung von aktualisierten Positionen veränderlicher Land-
marken (5) an die Basiseinheit
M3
Somit sind dem Fachmann alle Merkmale des Anspruchs 1 aus der Druck-
D1
derliche Neuheit auf und ist daher auch nicht patentfähig.
4.
che 2 bis 9 nicht gewährbar, da ein Patent nur so erteilt werden kann, wie es be-
antragt ist (BGH, Beschluss vom 26. September 1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997,
120 - elektrisches Speicherheizgerät, mit weiteren Nachweisen).
- 12 -
5.
eine Zurückverweisung an die Prüfungsstelle gemäß § 79 Abs. 3 PatG
– wie durch
die Anmelderin hilfsweise beantragt - kam nicht mehr in Betracht; zudem kann vor-
liegend dahingestellt bleiben, ob der elektronisch erstellte und signierte Beschluss
des DPMA möglicherweise an Wirksamkeitsmängeln leidet (vgl. 20 W (pat) 28/12
vom 12. Mai 2014 u. a. im Hinblick auf das Erfordernis einer signierten Urschrift in
der elektronischen Akte).
6.
derin stattgegeben werden.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
7.
war nicht angezeigt, weil keine Billigkeitsgründe erkennbar sind, die für eine sol-
che Anordnung sprechen würden. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr
kommt u. a. dann in Betracht, wenn ein schwerwiegender Verfahrensverstoß
durch das Deutsche Patent- und Markenamt vorliegt oder wenn ein Verfahrensfeh-
ler für die Erhebung der Beschwerde ursächlich war (vgl. Schulte, Patentgesetz,
9. Aufl., § 80 Rdn. 113 i. V. m. § 73 Rdn. 139). Dass eine dieser Voraussetzungen
im vorliegenden Fall gegeben wäre, ist nicht ersichtlich.
Allein der Umstand, dass die Prüfungsstelle entgegen dem entsprechenden An-
trag der Anmelderin (vgl. ihr Schreiben vom 9. November 2011, S. 1) die Anmel-
dung ohne nochmalige
– zweite - Anhörung zurückgewiesen hat, stellt sich nicht
von vornherein und ohne weitere Prüfung des Einzelfalls als Verletzung des recht-
lichen Gehörs und damit als schwerwiegender Verfahrensfehler dar.
- 13 -
Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG (in der bis 31. März 2014 geltenden) a. F. ist der
Anmelder auf seinen Antrag nur dann zu hören, wenn es sachdienlich ist. Die Prü-
fungsstelle hat am 14. März 2011
– nach vier vorangegangenen Prüfungsbeschei-
den
vom
22. Juni 2004,
12. November 2007,
21. November 2008
und
20. Januar 2011
– bereits eine Anhörung durchgeführt. Hierbei hat sie eine neue
D4
Ende der Anhörung keinen Beschluss gefasst, sondern der Anmelderin Gelegen-
heit zur Äußerung zu diesem neuen Stand der Technik gegeben, den die Prü-
fungsstelle gegenüber dem in der Anhörung erarbeiteten Anspruch 1 gemäß dem
D1
dungserheblich hielt (vgl. Beiblatt zur Anhörung, Amtsakte S. 143). Die patentan-
waltlich vertretene Anmelderin ist auf diesen Einwand mit ihrer o. g. Eingabe
(Schriftsatz vom 9. November 2011, insbesondere Seiten 3 bis 7, oben, in der
u. a. der in der Anhörung gestellte Hilfsantrag schließlich mit wenigen, lediglich re-
daktionellen Änderungen zum Hauptantrag erklärt wurde) auch umfangreich und
substantiiert eingegangen und hat sich somit auch auf die Ausführungen der Prü-
fungsstelle in der Anhörung eingelassen. Sie hatte damit ausreichend Zeit und Ge-
legenheit zur schriftlichen Stellungnahme auf den im Anhörungstermin erörterten
D4
Ein Antrag auf Anhörung kann zurückgewiesen werden, wenn dafür triftige Gründe
vorliegen. Dazu gehört insbesondere auch dieser Fall, bei dem die Prüfungsstelle
bereits eine Anhörung durchgeführt hat und im Zuge des anschließenden schriftli-
chen Verfahrens den Eindruck gewinnt, dass sich der Anmelder auf die Einwände
der Prüfungsstelle, die aus deren Sicht entscheidungserheblich sind, nicht einlas-
sen will (vgl. Schulte, a. a. O. § 46 Rdn. 12 mit weiteren Nachweisen), wie es ge-
rade durch die letztmalige Eingabe der Anmelderin vor dem Zurückweisungsbe-
schluss (vgl. Schriftsatz vom 9. November 2011) belegt ist. Mit dieser Eingabe ist
knapp 8 Monate nach Durchführung der Anhörung vom 14. März 2011 nämlich ein
im Vergleich zum Anspruchssatz aus der Anhörung lediglich redaktionell geänder-
ter Anspruchssatz als Hauptantrag eingereicht worden, und dies, obwohl die Prü-
- 14 -
fungsstelle insbesondere in der Anhörung bereits klar zum Ausdruck gebracht hat-
te, dass sie den Anspruch 1 in der jeweils gültigen Antragsfassung durchweg auf-
grund mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht für patentfähig halte und dieser
Umstand zur Zurückweisung der Anmeldung führen müsse (vgl. z. B. Beiblatt zur
Anhörung, Amtsakte S. 143).
In welcher Weise bei dieser Sachlage die Durchführung einer erneuten Anhörung
für die anstehende abschließende Entscheidung der Prüfungsstelle hätte sach-
dienlich sein können, ist nicht ersichtlich. Die Anmelderin hat dazu in der mündli-
chen Verhandlung vorgetragen, dass sie der Prüfungsstelle ihre Sichtweise, die
erfinderische Tätigkeit betreffend, auch mündlich habe vortragen wollen und dass
sie die unterlassene zweite Anhörung in Anlehnung an die Entscheidung des Bun-
despatentgerichts 17 W (pat) 104/07 als ursächlich für die Beschwerdeerhebung
betrachte.
Der Verweis auf diese Entscheidung, die zu einer Rückerstattung der Beschwer-
degebühr führte, greift hier jedoch nicht durch, da derselben gänzlich andere Vo-
raussetzungen zugrunde lagen. Weder liegt hier im Verfahren eine seitens der
Prüfungsstelle prinzipiell in Aussicht gestellte Patentfähigkeit des Patentbegehrens
vor (BPatG, Beschluss in der Sache 17 W (pat) 104/07, S. 14, Absatz 1 unten),
noch wurden seitens derselben neue (überraschende) Ablehnungsgründe neben
der mangelnden erfinderischen Tätigkeit vorgebracht (BPatG, Beschluss in der
Sache 17 W (pat) 104/07, S. 14, Absatz 2), oder gar lediglich ein Teilbeschluss
über den Hauptantrag (ohne Entscheidung über den Hilfsantrag) gefasst, was in
der genannten Entscheidung als weiterer Verfahrensverstoß gewertet wurde, der
gemeinsam mit der Verweigerung einer zweiten Anhörung zur Rückzahlung der
Beschwerdegebühr führte (BPatG, Beschluss in der Sache 17 W (pat) 104/07,
S. 15, Absatz 2 und 3). Der Verweis der Anmelderin auf die Entscheidung des
Bundespatentgerichts 17 W (pat) 104/07 zur Stützung und Begründung ihrer Argu-
mentation muss daher fehlgehen.
- 15 -
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist daher vorliegend nicht anzunehmen,
so dass eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen nicht in
Betracht kam.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diesen Beschluss des Beschwerdesenats steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten
die Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Absatz 2, § 100 Absatz 1, § 101 Absatz 1 des Patentgesetzes).
Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird,
dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft
Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht
der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften
über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist
(§ 100 Absatz 3 des Patentgesetzes).
Die Rechtsbeschwerde ist beim Bundesgerichtshof einzulegen (§ 100 Absatz 1 des Patentgeset-
zes). Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe (§ 123 GVG).
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundes-
gerichtshof schriftlich einzulegen (§ 102 Absatz 1 des Patentgesetzes). Die Postanschrift lautet:
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe.
Sie kann auch als elektronisches Dokument eingereicht werden (§ 125a Absatz 2 des Patentgeset-
zes in Verbindung mit der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesge-
richtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130)). In
diesem Fall muss die Einreichung durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die
elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes erfolgen (§ 2 Absatz 2 BGH/BPatGERVV).
- 16 -
Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss auf einer Verletzung
des Rechts beruht (§ 101 Absatz 2 des Patentgesetzes). Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen.
Die Frist für die Begründung beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Einlegung der Rechtsbe-
schwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 102 Absatz 3 des Pa-
tentgesetzes). Die Begründung muss enthalten:
1. die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und seine Abänderung oder Aufhebung
beantragt wird;
2. die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm;
3. insoweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Ver-
fahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben
(§ 102 Absatz 4 des Patentgesetzes).
Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen beim Bundesgerichtshof zu-
gelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 102 Absatz 5 des Patentgeset-
zes).
Dr. Mayer
Dorn
Albertshofer
Dr. Wollny