Urteil des BPatG vom 27.03.2015

Stand der Technik, Aufteilung, Patentanspruch, Zusammenwirken

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
18 W (pat) 88/14
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
27. März 2015
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2008 044 843.5 - 53
- 2 -
hat der 18. Senat (Techn. Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 27. März 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dipl.-
Ing. Wickborn sowie den Richter Kruppa, die Richterin Dipl.-Phys. Dr. Otten-
Dünnweber und den Richter Dipl.-Ing. Altvater
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die am 28. August 2008 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte
Patentanmeldung 10 2008 044 843.5 mit der Bezeichnung
„Verfahren und System zum Verteilen von Applikationen“
wurde mit Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 29. Oktober 2010 mit der Begründung zurückgewiesen,
dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht patentierbar sei, da er im
Hinblick auf die Druckschriften
D1
DE 10 2006 051 189 A1
und
D2
Hansen, S.: Composite Device Using a Distributed MVC
Architecture. Center for Pervasive Computing, Univ. of Aarhus, 2005
< http://www.daimi.au.dk/fileadmin/images/common/secretaries/
HansenSS.pdf
>
(recherchiert
von
der
Prüfungsstelle
am
18. Juni 2009)
- 3 -
nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für G06F des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 29. Oktober 2010 aufzuheben und das Patent auf der
Grundlage der folgenden Unterlagen zu erteilen:
- Patentansprüche 1 bis 12, eingegangen am 26. August 2009,
hilfsweise gemäß Hilfsantrag 1
Patentansprüche 1 bis 12, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
hilfsweise gemäß Hilfsantrag 2
Patentansprüche 1 bis 8, eingereicht in der mündlichen Verhandlung,
- Beschreibung,
Seiten 1
und 4 bis 12,
eingegangen
am
28. August 2008, Seiten 2, 3 und 3a eingegangen am 26. August 2009,
- Figuren 1 bis 5, eingegangen am 28. August 2008.
Patentanspruch 1
mäß Hauptantrag lautet:
M1
„Verfahren zum Verteilen von Applikationen (A1, A2) in einem Datenver-
arbeitungsnetzwerk (1),
M2
mit mindestens zwei Applikationen (A1, A2) zur Verarbeitung von Bilddaten,
die mit bildgebenden Diagnosegeräten (3,4) gewonnen wurden,
- 4 -
M3
welche Applikationen (A1, A2) sich hinsichtlich der zu verarbeitenden Da-
tenmengen voneinander unterscheiden,
M4
wobei es sich bei der zur Verarbeitung der kleineren Datenmenge vorge-
sehen Applikation (A1) um eine 2D-Applikation und bei der zur Verarbeitung
der größeren Datenmenge vorgesehen Applikation (A2) um eine 3D-Appli-
kation handelt,
M5
wobei jede Applikation (A1, A2) mehrschichtig aufgebaut ist und
M5a
unterschiedliche Hardwareressourcen (5, 6, 7),
M5b
mindestens eine entfernte Datenverarbeitungseinheit (7), verteilt werden,
M5c
installierten Schichten (M, V, C) an der Gesamtzahl der Schichten (M, V, C)
der jeweiligen Applikation (A1, A2) bei derjenigen Applikation (A2), welche
zur Verarbeitung der größeren Datenmenge vorgesehen ist, kleiner ist als
bei der zur Verarbeitung der kleineren Datenmenge vorgesehenen
Applikation (A1).
Patentanspruch 4
„System zum Verteilen von Applikationen (A1, A2) zur Verarbeitung von
Bilddaten, die mit bildgebenden Diagnosegeräten (3, 4) gewonnen wurden,
umfassend mindestens eine lokale Datenverarbeitungseinheit (5, 6) und
mindestens eine entfernte Datenverarbeitungseinheit (7), wobei auf die
Datenverarbeitungseinheiten (5, 6, 7) mindestens zwei, jeweils mehrschich-
tige Applikationen (A1, A2) verteilt sind, von welchen eine Applikation (A2)
zur Verarbeitung einer größeren Datenmenge und eine weitere Applikation
(A1) zur Verarbeitung einer kleineren Datenmenge vorgesehen ist, wobei
es sich bei der zur Verarbeitung der kleineren Datenmenge vorgesehen
- 5 -
Applikation (A1) um eine 2D-Applikation und bei der zur Verarbeitung der
größeren Datenmenge vorgesehen Applikation (A2) um eine 3D-Applikation
handelt und wobei der Anteil der auf der lokalen Datenverarbeitungseinheit
(5, 6) installierten Schichten (M, V, C) an der Gesamtzahl der Schichten (M,
V, C) der jeweiligen Applikation (A1, A2) bei derjenigen Applikation (A2),
welche zur Verarbeitung der größeren Datenmenge vorgesehen ist, kleiner
als bei der zur Verarbeitung der kleineren Datenmenge vorgesehenen
Applikation (A1) ist.
Anspruch 12
„Verwendung des Systems nach Anspruch 4 zur Verarbeitung medizintech-
nischer Bilddaten.
Wegen der geltenden abhängigen Ansprüche 2, 3 und 5 bis 11 gemäß Haupt-
antrag wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Patentanspruch 1
mäß Hauptantrag durch Anfügen des folgenden Merkmals M6a nach Merkmal
M5c:
„[…],
M6a
weist, mit welchem sowohl die zur Verarbeitung einer größeren Daten-
menge vorgesehene Applikation (A2) als auch die zur Verarbeitung einer
kleineren Datenmenge vorgesehene Applikation (A1) zusammenwirkt.
Patentanspruch 4
mäß Hauptantrag ebenfalls durch Anfügen des vorstehend aufgeführten Merkmals
M6a am Ende des Anspruchs.
- 6 -
Anspruch 12
Hauptantrag.
Wegen der geltenden abhängigen Ansprüche 2, 3 und 5 bis 11 gemäß Hilfs-
antrag 1 wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Patentanspruch 1
mäß Hauptantrag durch Anfügen der folgenden Merkmale M5d bis M6b nach
Merkmal M5c:
„[…],
M5d
Schicht und eine Controllerschicht umfasst,
M5e
kation eine Rich Client Konfiguration bildet, und
M5f
wobei die zur Verarbeitung der größeren Datenmenge vorgesehene Appli-
kation eine Rich Thin Client Konfiguration bildet,
M6a
weist, mit welchem sowohl die zur Verarbeitung einer größeren Datenmen-
ge vorgesehene Applikation (A2) als auch die zur Verarbeitung einer kleine-
ren Datenmenge vorgesehene Applikation (A1) zusammenwirkt,
M6b
mensionalen Bilddaten dient.
Patentanspruch 4
gemäß Hauptantrag durch Anfügen der folgenden Merkmale am Ende des An-
spruchs:
„[…],
- 7 -
wobei jede Applikation (A1, A2) eine Präsentationsschicht (V), eine Ge-
schäftsprozess-Schicht (M) und eine Controllerschicht (C) umfasst,
wobei die zur Verarbeitung der kleineren Datenmenge vorgesehene Appli-
kation (A1) eine Rich Client Konfiguration bildet, und
wobei die zur Verarbeitung der größeren Datenmenge vorgesehene Appli-
kation (A2) eine Rich Thin Client Konfiguration bildet, wobei das Datenver-
arbeitungsnetzwerk (1) ein zentrales Archiv (2) aufweist, mit welchem so-
wohl die zur Verarbeitung einer größeren Datenmenge vorgesehene
Applikation (A2) als auch die zur Verarbeitung einer kleineren Datenmenge
vorgesehene Applikation (A1) zusammenwirkt, das der Speicherung und
Verarbeitung der zweidimensionalen und dreidimensionalen Bilddaten
dient.
Anspruch 8
antrag.
Wegen der geltenden abhängigen Ansprüche 2, 3 und 5 bis 7 gemäß Hilfsantrag 2
wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Die Beschwerdeführerin führt aus, dass die geltenden Ansprüche zulässig und im
Lichte des im Verfahren befindlichen Standes der Technik patentfähig seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde
ist nicht begründet, da sich der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 des
Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 und 2 jeweils als nicht patentfähig erweist.
- 8 -
Die Frage der Zulässigkeit des jeweils verteidigten Verfahrens gemäß Anspruch 1
kann daher dahinstehen (vgl. BGH, Urteil X ZR 29/89 vom 18. September 1990,
GRUR 1991, 120, 121 li. Sp. Abs. 3
– Elastische Bandage)
1.
Die Anmeldung betrifft ein Verfahren und ein System zum Verteilen von
Applikationen in einem Datenverarbeitungsnetzwerk, insbesondere in ei-
nem Datenverarbeitungsnetzwerk einer medizinischen Einrichtung (vgl. gel-
tende Beschreibung, Seite 1, Zn. 5-9).
Die Anmeldung geht davon aus, dass aus Druckschrift D1 ein Verfahren
zum Erstellen und Ausführen zumindest einer mehrschichtigen Applikation
in Abhängigkeit von einer Einsatzumgebung bekannt sei. Die Applikation
sei n-schichtig strukturiert und weise eine Präsentationsschicht zur Dar-
stellung von Informationen und für Benutzerinteraktionen, eine Geschäfts-
prozess-Schicht, die unterschiedliche Geschäfts-Prozess-Logik-Module
umfasse, sowie eine Controllerschicht auf. Im Rahmen der Verteilung der
Schichten dieser Applikation („Deployment“) könnten verschiedene Szena-
rien zum Tragen kommen, nämlich Thin-Client, Rich-Thin-Client, Rich-
Client, Adaptive-Client, Fat-Client und Web-Service. Im Fall eines Rich-
Thin-Client könne die Controller-Schicht zweigeteilt beziehungsweise als
Netzwerkfunktionalität ausgelegt sein, wodurch auf einem leistungsstarken
Rechner, den sich mehrere Anwender teilen, viele rechenaufwändige Vor-
gänge abgearbeitet werden könnten. Vorzugsweise seien die verschiede-
nen Schichten unabhängig von der Deployment-Strategie programmiert.
Die flexible, je nach Bedarf und Einsatzumgebung herunterladbare Appli-
kations-Architektur erkenne, in welchem Einsatz sich eine Applikation gera-
de befinde. Häufig verwendete Bezeichnungen für Schichten einer solchen
Systemarchitektur seien
„Model“, „View“ und „Controller“, die zusammen-
fassend auch als MVC Softwaremuster bezeichnet würden. In diesem Zu-
sammenhang verweist die Anmeldung beispielgebend auf die als
- 9 -
DE 196 25 841 A1 und DE 10 2005 010 405 A1 veröffentlichten Patentan-
meldungen.
Die Anmeldung geht weiter davon aus, dass in Krankenhäusern vermehrt
PACS-Systeme (Picture Archiving and Communication System) zum
Einsatz kämen, deren Anwendungsmöglichkeiten zum Beispiel in der als
DE 10 2006 033 861 A1 veröffentlichten Patentanmeldung offenbart seien.
PACS-Systeme seien prinzipiell zur Verarbeitung jeglicher in digitaler Form
vorliegender Bilddaten geeignet. Ein grundsätzliches Problem stelle das
zunehmende Datenvolumen dar, welches in medizintechnischen Datenver-
arbeitungsnetzwerken zu beherrschen sei. (vgl. geltende Beschreibung,
S. 1, Z. 10 bis S. 2, Z. 30).
Die Anmeldung nennt als Aufgabe, die Leistungsfähigkeit von Datenverar-
beitungssystemen, welche mit mehrschichtigen Applikationen arbeiten, ins-
besondere im Hinblick auf limitierte Netzwerkressourcen, gegenüber dem
Stand der Technik zu steigern (vgl. geltende Beschreibung, S. 3, Zn. 1-5).
Die objektive technische Problemstellung ist darin zu sehen, eine geeignete
Aufteilung der Abarbeitung von einzelnen Schichten mehrschichtiger Appli-
kationen auf lokale und entfernte Datenverarbeitungseinheiten eines Daten-
verarbeitungssystems bei der Verarbeitung von medizinischen Bilddaten in
Form von 3D-Bilddaten mit großen Datenmengen sowie 2D-Bilddaten mit
geringen Datenmengen vorzunehmen.
Diese Aufgabe richtet sich an einen Fachmann, der eine abgeschlossene
Hochschulausbildung auf dem Gebiet der Elektrotechnik oder Informations-
technik aufweist und Erfahrung auf dem Gebiet verteilter, mehrschichtiger
Applikationen in Datenverarbeitungsnetzen besitzt.
Zur Lösung der vorstehend genannten Aufgabe sollen nach Anspruch 1
gemäß Hauptantrag mindestens zwei unterschiedliche Applikationen, die
zur Verarbeitung von mit bildgebenden Diagnosegeräten gewonnenen Bild-
- 10 -
daten dienen, verteilt in einem Datenverarbeitungsnetzwerk abgearbeitet
werden. Die Applikationen unterscheiden sich hinsichtlich der zu verarbei-
tenden Datenmengen. So sollen mit einer der mindestens zwei Applika-
tionen 2D-Bilddaten und damit eine kleinere Datenmenge verarbeitet wer-
den, und mit einer weiteren Applikation 3D-Bilddaten und damit eine grö-
ßere Datenmenge. Jede dieser Applikationen ist mehrschichtig aufgebaut
und die Schichten werden je nach zu verarbeitender Datenmenge auf
unterschiedliche Hardwareressourcen, nämlich auf mindestens eine lokale
Datenverarbeitungseinheit und mindestens eine entfernte Datenverarbei-
tungseinheit, verteilt. Bei einer Applikation zur Verarbeitung der kleineren
Datenmenge wird eine größere Anzahl der Schichten auf einer lokalen
Datenverarbeitungseinheit als bei einer Applikation zur Verarbeitung einer
größeren Datenmenge ausgeführt. Damit wird bei einer Applikation zur Ver-
arbeitung der größeren Datenmenge eine größere Anzahl der Schichten auf
einer entfernten Datenverarbeitungseinheit als bei einer Applikation zur
Verarbeitung einer kleineren Datenmenge ausgeführt.
Nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist außerdem ein zentrales Archiv
zur Speicherung der Daten vorgesehen.
Nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 wird zusätzlich der Schichtenaufbau
der Applikationen präzisiert. Zur Verarbeitung der kleineren Datenmenge ist
eine Rich Client Konfiguration und zur Verarbeitung der größeren Da-
tenmenge ist eine Rich Thin Client Konfiguration vorgesehen.
2.
Anspruch 1
von der Lehre gemäß Druckschrift D1 nicht auf einer erfinderischen Tätig-
keit.
Druckschrift D1
Applikationen
(„Deployment“) in einem Datenverarbeitungsnetzwerk (vgl.
Merkmal M1
- 11 -
Hierbei sind verschiedene (d. h. mindestens zwei) Applikationen zur Verar-
beitung von Bilddaten vorgesehen, die mit bildgebenden Diagnosegeräten
Merkmal M2
Der Fachmann liest bei den Datenmengen, die der Applikation in ihrer
jeweiligen Einsatzumgebung verfügbar gemacht werden, mit, dass sich die
Applikationen hinsichtlich der jeweils zu verarbeitenden Datenmengen von-
einander unterscheiden können (vgl. Abs. [0069] i. V. m. Abs. [0013] /
Merkmal M3
Die Applikationen dienen der Verarbeitung und Darstellung medizinischer
Daten (vgl. Abs. [0036]), wobei unter anderem auf die besonderen Anforde-
rungen an die Leistungsfähigkeit des Zielrechners bei der dreidimensio-
nalen Wiedergabe der Daten
– also die Verwendung von 3D-Applikationen
– explizit hingewiesen ist (vgl. Abs. [0013]). Der Fachmann entnimmt hie-
raus, dass es sich bei 3D-Applikationen um Applikationen zur Verarbeitung
einer größeren Datenmenge handelt, woraus implizit folgt, dass es sich bei
2D-Daten zur Verarbeitung durch 2D-Applikationen in der Regel um klei-
Merkmal M4
Die jeweiligen Applikationen sind mehrschichtig aufgebaut (vgl. Abs. [0015]
Merkmal M5
terschiedliche Hardwareressourcen, nämlich auf mindestens eine lokale
Datenverarbeitungseinheit (Client, Desktop-Deployment) und mindestens
eine entfernte Datenverarbeitungseinheit (Server, Web-Deployment), ver-
teilt werden (vgl. Abs. [0015] sowie Abs. [0043] i. V. m. Abs. [0048]-[0051] /
Merkmale M5a, M5b
verarbeitungseinheit installierten Schichten für Applikationen mit verschie-
denen zu verarbeitenden Datenmengen unterschiedlich (vgl. Deployment-
Strategien, Abs. [0043] i. V. m. Abs. [0048]-[0051]), ohne dass ein Verhäl-
tnis von Schichten zu Applikationen mit unterschiedlicher zu verarbeitender
Datenmenge explizit angegeben ist. Die Verteilung der Schichten erfolgt an-
hand der Eigenschaften der Einsatzumgebung, welche die jeweils verfügbar
gemachten
– also jeweils zu verarbeitenden – Datenmengen und die Leis-
- 12 -
tungsfähigkeit und Verwendung des jeweiligen Zielrechners umfasst (vgl.
teilweise Merkmal M5c
Bei den in Druckschrift D1 beschriebenen Deployment-Strategien wird je-
weils nur eine Applikation betrachtet und deren Schichtenaufteilung hin-
sichtlich ihrer jeweils zu verarbeitenden Datenmenge wird nicht explizit mit
einer anderen Applikation verglichen (vgl. Merkmal M5c). In Anspruch 1 ist
in Merkmal M5c die Aufteilung der Applikationsschichten ausschließlich auf
Basis der jeweils vorgegebenen zu verarbeitenden Datenmengen bean-
sprucht. Dabei setzt die Anmeldung jedoch voraus, dass es bei den Appli-
kationen mit kleineren zu verarbeitenden Datenmengen (Applikationen zur
Verarbeitung von 2D-Daten) zu sehr viel mehr Nutzerinteraktionen kommt
als bei den Applikationen mit größeren zu verarbeitenden Datenmengen
(vgl. Beschreibung, S. 4, Zn. 9-21). Gemäß Druckschrift D1 ist bei der
Festlegung des Deployments der Applikationsschichten die Einsatzum-
gebung der betrachteten Applikation zu berücksichtigen, welche alle Aspek-
te außerhalb der Applikation umfasst, die auf das Laufzeitverhalten der
Applikation oder ihre Wechselwirkung mit der Hardware oder anderen
Applikationen des Zielsystems Einfluss nehmen. Dazu zählen neben der
zur Verarbeitung vorgesehenen, bereitgestellten Datenmenge auch die
Leistungsfähigkeit der Netzwerkverbindung sowie die Verwendung und die
Leistungsfähigkeit des Zielrechners (vgl. Abs. [0013] i. V. m. Abs. [0092]
und Anspruch 11). Unter Kenntnis der Lehre der Druckschrift D1 würde der
Fachmann folglich alle ihm bekannten Randbedingungen
– wie u. a. vorlie-
gend Datenmengen und Nutzerverhalten
– bei der Festlegung der Auftei-
lung der Schichten der jeweiligen Applikation mit berücksichtigen.
Aufgrund der begrenzten Geschwindigkeit bzw. Bandbreite der Netzwerk-
verbindungen liegt es daher ausgehend von Druckschrift D1 im Rahmen
des fachmännischen Handelns, von den Nutzern besonders intensiv ge-
nutzte Daten unabhängig von der erwarteten Größe der zu verarbeitenden
Datensätze vorzugsweise lokal zu verarbeiten. Umgekehrt gilt für selten
- 13 -
genutzte, größere Datensätze, diese vorzugsweise zentral zu verarbeiten,
da durch die in Druckschrift D1 angesprochene Verwendung in Verbindung
mit einem PACS-System (vgl. Abs. [0085], letzter Spiegelstrich) aufgrund
der zentralen Archivierung der Daten hierfür geeignete Datenverarbeitungs-
ressourcen bereits vorgesehen sind. Hinzu kommt, dass lokale Rechner
(d. h. Arbeitsplatzrechner der Nutzer) aufgrund ihrer begrenzten Rechen-
leistung ein Auslagern rechenintensiver Verarbeitungsschritte
– wie sie bei
großen Datenmengen in 3D-Applikationen anfallen
– auf Server des Netz-
werks nahelegen.
Da Druckschrift D1 eine Mehrzahl an Verteilungsstrategien für verschiede-
ne zu berücksichtigenden Randbedingungen beschreibt, ergibt sich
zwangsläufig aus der unabhängigen Betrachtung der unterschiedlichen
Vorgaben für die beiden Applikationen gemäß Anspruch 1 auch eine un-
terschiedliche Verteilungsstrategie für die jeweiligen Schichten dieser Appli-
Merkmal M5c
Der Auffassung der Anmelderin, dass Druckschrift D1 für bildgebende Sys-
teme in der Medizintechnik (bspw. PACS-
Systeme) eine „Adaptive Client“
Konfiguration vorsehe und damit von der beanspruchten Lösung wegweise,
kann sich der Senat nicht anschließen. Zwar beschreibt Druckschrift D1
einen
„Adaptive Client“ als eine aus Leistungsgründen für PACS-Systeme
vorteilhafte Konfiguration. Dies geschieht aber nur in Abgrenzung zu einem
„Thin Client“ und „Web Client“ Deployment, die beide allenfalls die Imple-
mentierung der Benutzerschnittstelle auf dem lokalen Rechner vorsehen
(vgl. Abs. [0092] i. V. m. Abs. [0090] und [0091]). Dies ist somit als Hinweis
an den Fachmann zu verstehen, zumindest Teile der Datenverarbeitung
durch die jeweilige Applikation auf dem lokalen Zielrechner und nicht nur
auf dem zentralen Rechner vorzusehen. Es wird zudem auch in diesem
Zusammenhang wieder auf die verschiedenen Randbedingungen wie Ziel-
rechnerressourcen und Netzwerkverbindungen verwiesen, die zur Bestim-
mung des geeigneten Deployments zu berücksichtigen sind und aus denen
- 14 -
sich Vorteile eines
„Adaptive Client“ ergeben könnten – aber nicht zwangs-
läufig ergeben. Der Fachmann hat somit auch ausgehend von der zitierten
Textstelle zu bildgebenden Systemen in der Medizintechnik Veranlassung,
für die in der vorliegenden Anmeldung vorgegebenen Randbedingungen
jeweils eine geeignete Verteilung der Schichten der Applikation gemäß ei-
ner der in Druckschrift D1 ausführlich dargestellten Deploymentstrategien
zu wählen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht daher aus-
gehend von Druckschrift D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.
Anspruch 1
mann ausgehend von der Lehre der Druckschrift D1 ebenfalls nicht auf ei-
ner erfinderischen Tätigkeit.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des
Hauptantrags darin, dass das Datenverarbeitungsnetzwerk zusätzlich ein
zentrales Archiv aufweist, mit welchem sowohl die zur Verarbeitung einer
größeren Datenmenge vorgesehene Applikation, als auch die zur Verar-
beitung einer kleineren Datenmenge vorgesehene Applikation zusammen-
wirkt (vgl. Merkmal M6a).
Hinsichtlich der gegenüber dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag un-
Merkmale M1 bis M5c
henden Ausführungen unter Abschnitt II.2. dieses Beschlusses verwiesen.
Das Zusammenwirken der beiden Applikationen mit dem zentralen Archiv
gemäß Merkmal M6a ist als Zugreifen auf die im Archiv gespeicherten
Daten durch die Applikationen zu verstehen, da sich für eine über die
Speicherung und das Ermöglichen des Zugriffs hinausgehende Verarbei-
- 15 -
tung der Bilddaten durch das zentrale Archiv in der Anmeldung keine An-
haltspunkte finden. Unter einem zentralen Archiv versteht die Anmeldung
beispielsweise ein im Bereich der Verwaltung medizinischer Bilddaten ge-
bräuchliches Bildarchivierungs- und Kommunikationssystem (PACS) (vgl.
Beschreibung, S. 6, Zn. 26-32 i. V. m. S. 7, Zn. 4-8).
Ein solches im Bereich der Verwaltung medizinischer Bilddaten gebräuch-
liches Bildarchivierungs- und Kommunikationssystem (PACS) ist auch in
Druckschrift D1 vorgesehen (vgl. Abs. [0046] i. V. m. Abs. [0085], letzter
Spiegelstrich), so dass der Fachmann ein zentrales Archiv mitliest, in dem
alle Daten nicht nur lokal, sondern auch über ein Netzwerk bereitgestellt
werden können. Das Vorsehen eines zentrales Archivs, in dem sowohl die
Daten von Applikationen mit einer größeren Datenmenge als auch einer
kleineren Datenmenge abgespeichert sind, ergibt sich daher für den Fach-
Merkmal M6a
Die Anmelderin vertritt die Auffassung, dass aus der gemeinsamen Verwen-
dung des zentralen Archivs durch die Applikationen eine Abhängigkeit
zwischen diesen Applikationen folge und sich daraus eine Besonderheit in
der anspruchsgemäßen asymmetrischen Aufteilung der Schichten der
Applikationen ergebe. Die beanspruchte Aufteilung der Schichten ist jedoch
unabhängig von einer zentralen Archivierung der durch die Applikationen
verarbeiteten Bilddaten. Denn gemäß Anspruch 1 erfolgt diese Aufteilung
allein anhand der jeweils zu verarbeitenden Datenmengen. Ein technischer
Zusammenhang zwischen den Applikationen ist in der vorliegenden Anmel-
dung weder im Zusammenwirken der Schichten der einzelnen Applika-
tionen mit dem Archiv ersichtlich, noch sind Zusammenhänge genannt,
durch welche das Zusammenwirken mit dem zentralen Archiv die jeweilige
Aufteilung der Schichten der Applikationen beeinflussen würde.
- 16 -
Auch Merkmal M6a ist daher nicht geeignet, ausgehend von Druckschrift
D1 die Patentfähigkeit des Anspruchs 1 zu begründen. Der Gegenstand
des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 beruht daher ebenfalls nicht auf einer
erfinderischen Tätigkeit.
4.
Anspruch 1
Fachmann ausgehend von der Lehre der Druckschrift D1 ebenfalls nicht auf
einer erfinderischen Tätigkeit.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des
Hilfsantrags 1 in einer Festlegung der Deployment-Strategien für die beiden
anspruchsgemäßen Applikationen (Merkmale M5d bis M5f) sowie in der
Charakterisierung des zentralen Archivs als eines zur Speicherung und
Verarbeitung der zweidimensionalen und dreidimensionalen Bilddaten
(Merkmal M6b).
Hinsichtlich der gegenüber dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag un-
Merkmale M1 bis M5c
stehenden Ausführungen unter Abschnitt II.2. dieses Beschlusses verwie-
sen.
Druckschrift D1 ist auch zu entnehmen, dass die Applikationen allgemein
eine Präsentationsschicht (Schicht „View“ zur Nutzerinteraktion), eine
Geschäftsprozess-Schicht (
Schicht „Model“ zur Verarbeitung von und zum
Zugriff auf Daten) und ei
ne Controllerschicht (Schicht „Control“ zur Steue-
rung des Ablaufs innerhalb einer Aktivität) umfassen (vgl. Abs. [0036] /
Merkmal M5d
Hierbei geht Druckschrift D1 davon aus, dass es sich bei den drei Schichten
um eine allgemeine Aufteilung handelt, auf die eine beliebige Zahl weiter
- 17 -
untergliederter Schichten von n-schichtigen Applikationen abgebildet bzw.
die um weitere Schichten ergänzt werden kann (vgl. Abs. [0045]-[0047] und
Fig. 2). Die einzelnen Deploymentstrategien für mehrschichtige Applikati-
onen sind in Druckschrift D1 am Beispiel einer fünfschichtigen Applikation
beschrieben (vgl. Abs. [0048]-[0051]).
Diesem Beispiel einer fünfschichtigen Applikation entnimmt der Fachmann
unter anderem das Konzept der
„Rich Client“ Konfiguration entsprechend
Merkmal M5e. Die vorliegende Anmeldung versteht unter einer „Rich Client“
Konfiguration ein Vorsehen sämtlicher Schichten einer Applikation auf einer
einzigen, lokalen Datenverarbeitungseinheit (vgl. Beschreibung, S. 7-8, sei-
tenübergreifender Abs.) und setzt dabei die Kommunikation mit einem zen-
tralen Archiv über eine Netzwerkverbindung voraus (vgl. Hilfsantrag 2, An-
spruch 1, Merkmal M5e i. V. m. Merkmalen M6a und M6b). Dies entspricht
der aus Druckschrift D1 bekannten „Rich Client“ Konfiguration, die sich im
Vorhandensein der Netzwerkverbindung von einer „Fat Client“ Konfiguration
für Stand-Alone-Applikationen ohne Netzwerkanbindung unterscheidet (vgl.
Abs. [0048]).
Für eine Anwendung, die eine Netzwerkverbindung voraussetzt sowie viele
Nutzerzugriffe erwarten lässt und damit eine vorzugsweise lokale Verarbei-
tung der Daten nahelegt (vgl. Ausführungen zu Merkmal M5c), entnimmt
der Fachmann Druckschrift
D1 die „Rich Client“ Konfiguration als geeignete
Merkmal M5e
Für eine Anwendung, die zur Verarbeitung größerer Datenmengen vorge-
sehen ist,
entnimmt der Fachmann Druckschrift D1 die „Rich Thin Client“
Konfiguration als geeignete Deploymentstrategie (vgl. Abs. [0049] f), welche
die Anforderungen an den lokalen Zielrechner verringert, da viele rechen-
aufwendige Schritte, also bspw. vorliegend die Verarbeitung von 3D-Daten,
auf einen leistungsstarken zentralen Rechner (Server) verlagert werden
(vgl. Abs. [0089]). Die Entscheidung für eine
„Rich Thin Client“ Konfigu-
ration anhand der vorgegebenen Randbedingungen und den jeweiligen aus
- 18 -
Druckschrift D1 bekannten Vorteilen liegt daher im Rahmen des fachmänni-
schen Handelns und ist nicht geeignet, eine erfinderische Tätigkeit zu be-
Merkmal M5f
Nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 dient das zentrale Archiv der Spei-
cherung und Verarbeitung der jeweiligen Bilddaten (vgl. Merkmal M6b). Wie
im Zusammenwirken mit dem Archiv gemäß Merkmal M6a (vgl. vor-
stehende Ausführungen zu Hilfsantrag 1) ist auch die Speicherung und
Verarbeitung der Bilddaten als das Speichern und Ermöglichen des Zugriffs
auf diese Bilddaten zu verstehen. Für eine darüber hinausgehende Ver-
arbeitung der Daten durch das zentrale Archiv finden sich in der Anmeldung
keine Hinweise. Die Verwendung eines zentralen Archivs gemäß Merkmal
M6a und dessen Eigenschaften zur Archivierung von Bilddaten gemäß
Merkmal M6b sind ausgehend von dem Druckschrift D1 (vgl. Abs. [0046]
und Abs. [0085], letzter Spiegelstrich) entnehmbaren Zusammenwirken
eines Datenverarbeitungsnetzwerks mit einem PACS-System
– welches der
zentralen Speicherung von medizinischen Bilddaten dient
– nicht geeignet,
Merkmale M6a und M6b
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruht daher eben-
falls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5.
Mit dem jeweils nicht patentfähigen Anspruch 1 des Hauptantrags und der
Hilfsanträge 1 und 2 sind auch die jeweils nebengeordneten Patentansprü-
che 4 und 12 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1, die Patentansprü-
che 4 und 8 des Hilfsantrags 2 sowie die auf diese Ansprüche direkt oder
indirekt rückbezogenen Unteransprüche nicht schutzfähig, da auf diese An-
sprüche jeweils kein eigenständiges Patentbegehren gerichtet ist und über
einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (vgl. BGH, Beschluss
- 19 -
X ZB 6/05 vom 27. Juni 2007, GRUR 2007, 862, Abs. III. 3. aa
– Informa-
tionsübermittlungsverfahren II).
6.
Nachdem die Anspruchssätze gemäß Hauptantrag sowie gemäß Hilfsan-
trag 1 und 2 jeweils nicht patentfähig sind, war die Beschwerde zurückzu-
weisen.
III.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht der am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
- 20 -
#Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlus-ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch
einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten
schriftlich einzulegen.
Wickborn
Kruppa
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