Urteil des BPatG vom 01.12.2014

Patent, Teilung, Rechtskraft, Verfahrensverschleppung

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
18 W (pat) 36/14
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Teilanmeldung 10 2004 064 283.4
hat der 18. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts
durch die Vorsitzende Richterin Dipl.-Ing. Wickborn und die Richter Kruppa,
Dipl. Phys. Dr. rer. nat. Schwengelbeck
und
Dipl.-Ing. Altvater
am
1. Dezember 2014
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beschlossen:
1.
Das Bundespatentgericht ist für die Prüfung der aufgrund der
Teilungserklärung vom 27. Januar 2014 aus der Stamman-
meldung 10 2004 039 932.8-53 entstandenen Patentanmel-
dung 10 2004 064 283.4 nicht zuständig.
2.
Das aufgrund der Teilung durchzuführende Anmeldeverfah-
ren 10 2004 064 283.4 wird zur weiteren Bearbeitung an das
Deutsche Patent- und Markenamt verwiesen.
3.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
I.
Die Beschwerdeführerin war Anmelderin der am 17. August 2004 beim Deutschen
Patent- und Markenamt eingegangenen Patentanmeldung 10 2004 039 932.8-53
mit der Bezeichnung
„Verfahren und Vorrichtung zur Busankopplung sicherheitsrele-
vanter Prozesse“,
aus welcher die vorliegende Teilanmeldung 10 2004 064 283.4 hervorgeht.
Mit Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 7. April 2008 wurde die Anmeldung 10 2004 039 932.8-53 zu-
rückgewiesen, da der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf die Druck-
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schriften DE 195 32 639 C2 und DE 100 65 907 A1 nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 15. Mai 2008 beim Deutschen Patent-
und Markenamt eingegangene Beschwerde der Anmelderin.
Mit am 27. Januar 2014 beim Bundespatentgericht eingegangenem Schriftsatz hat
die Anmelderin hilfsweise die Teilung der Patentanmeldung für den Fall erklärt,
dass ihren Patenterteilungsanträgen nicht entsprochen werde.
In der mündlichen Verhandlung am 29. Januar 2014 hat die Anmelderin beantragt,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 7. April 2008 aufzuheben und
das Patent auf der Grundlage der mit Schriftsatz vom
29. März 2007 eingereichten Ansprüche 1 - 16, ursprüngliche Be-
schreibung Seiten 1 - 21 und 4 Blatt Zeichnungen mit Figu-
ren 1 - 4, jeweils vom Anmeldetag, zu erteilen,
hilfsweise das Patent auf der Grundlage der mit Schriftsatz vom
13. Januar 2014 eingereichten Hilfsanträge I - IV und der darin
abgeänderten Ansprüche zu erteilen.
Weiter hilfsweise wurde gemäß der Eingabe vom 27. Januar 2014
die Teilung der Patentanmeldung erklärt.
Mit am 28. April 2014 zugestelltem Beschluss vom 29. Januar 2014 hat der Senat
die Beschwerde zurückgewiesen, da die Gegenstände der jeweiligen Ansprüche 1
nach Hauptantrag und nach den Hilfsanträgen I bis IV nicht patentfähig seien.
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Bezugnehmend auf die am 27. Januar 2014 hilfsweise erklärte Teilung der Pa-
tentanmeldung 10 2004 039 932.8-53 hat die Anmelderin mit an das Bundespa-
tentgericht gerichtetem Schriftsatz vom 11. April 2014 Unterlagen zur Teilanmel-
dung (Patentansprüche, Beschreibung, Zusammenfassung, Zeichnungen) und
eine Einzugsermächtigung über zu entrichtende Gebühren eingereicht. Unter Hin-
weis auf drei Entscheidungen des Bundespatentgerichts hat sie beantragt, die
Teilanmeldung zur weiteren Bearbeitung an das Deutsche Patent- und Markenamt
zu verweisen.
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat in der Folge die Teilungsakte mit dem
Aktenzeichen 10 2004 064 283.4 angelegt und diese dem Bundespatentgericht
vorgelegt.
II.
1.
Das Bundespatentgericht ist für die Prüfung der aus der Stammanmeldung
10 2004 039 932.8-53 entstandenen Teilanmeldung 10 2004 064 283.4 nicht zu-
ständig. Die Zuständigkeit für die Teilanmeldung liegt beim Deutschen Patent- und
Markenamt, sodass die Teilanmeldung zur weiteren Bearbeitung an das Deutsche
Patent- und Markenamt zu verweisen ist.
Die gemäß § 39 PatG wirksame Teilanmeldung ist zwar beim Bundespatentgericht
anhängig geworden, da die mit Schriftsatz vom 27. Januar 2014 hilfsweise erklärte
Teilung während des Beschwerdeverfahrens zur Stammanmeldung beim Bundes-
patentgericht eingegangen ist. Dies führt jedoch nicht dazu, dass das Gericht für
die
Prüfung
der
Teilanmeldung
zuständig
ist
(ebenso
BPatG
12 W (pat) 42/14 - Beschluss vom 13. Mai 2014; 7 W (pat) 44/11 - Beschluss vom
22. November 2013; 21 W (pat) 1/09 - Beschluss vom 21. Dezember 2010; a. M.:
BGH GRUR 1999, 574 ff. - Mehrfachsteuersystem; BGH GRUR 1998, 458 ff. -
Textdatenwiedergabe; BPatG 17 W (pat) 6/13 - Beschluss vom 22. Oktober 2013).
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Die gegenteilige Auffassung beruht auf der Annahme, dass es sich bei der Teilung
nach § 39 Abs. 1 PatG um einen der Prozesstrennung nach § 145 ZPO vergleich-
baren Vorgang handelt (vgl. BGH GRUR 1999, 574 ff. - Mehrfachsteuersystem;
GRUR 1998, 458, 460 - Textdatenwiedergabe). Wie der 21. Senat des Bundes-
patentgerichts aber in der von der Anmelderin genannten Entscheidung (BPatG
Beschluss vom 07.12.2010
– 21 W (pat) 10/09, GRUR 2011, 949 - Teilung einer
Patentanmeldung im Beschwerdeverfahren) im Einzelnen dargelegt hat, ist dies
jedoch nicht der Fall. Danach entsteht bei einer Teilung nach § 39 PatG vielmehr
ein neuer Verfahrensgegenstand, der im bisherigen Erteilungsverfahren bis zur
Erklärung der Teilung keine Rolle gespielt hat. Dementsprechend fällt der Gegen-
stand der Teilanmeldung auch nicht in der Beschwerde an. Denn der Beurteilung
durch das Beschwerdegericht unterliegt ein Rechtsschutzbegehren nur insoweit,
als darüber in der Vorinstanz entschieden wurde. Nur in diesem Umfang kommt
einer Beschwerde Devolutiveffekt zu (sog. Anfallwirkung). Sie ist das Mittel, um
angegriffene Entscheidungen in der höheren gerichtlichen Instanz nachprüfen zu
lassen. Entscheidend ist, dass das Rechtsmittelgericht alleine über das prozessu-
ale Schicksal des erstinstanziellen Streitgegenstandes entscheidet (vgl. Bay. VGH
NVwZ 2000, 210 f. m.w.N.). Demgegenüber ist die erstmalige Prüfung von Pa-
tentanmeldungen
- wozu
auch
die
Prüfung
einer
Teilanmeldung
ge-
hört - grundsätzlich Sache des Deutschen Patent- und Markenamts als Verwal-
tungsbehörde. Wegen der Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen
auf den o.g. Beschluss des 21. Senats Bezug genommen, dem sich der erken-
nende Senat in vollem Umfang anschließt.
Der Senat hält eine Verweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt insbe-
sondere auch deshalb für sachgemäß, damit der Anmelderin für die abgetrennte
Teilanmeldung zwei Instanzen zur Verfügung stehen (vgl. Busse, PatG, 7. Aufl.,
§ 39 Rdn. 27). Die nach der Zurückweisung der Anmelderbeschwerde mit den Tei-
lungsunterlagen eingereichten neuen Ansprüche waren in dieser Form nicht Ge-
genstand im Prüfungsverfahren der Stammanmeldung. Die eingereichten neuen
Ansprüche unterscheiden sich im geltenden Anspruch 1 zumindest von den der
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Entscheidung in der Stammanmeldung zugrunde liegenden Ansprüchen 1 gemäß
Hauptantrag und Hilfsanträgen I
– IV. Dass sich die neuen Merkmale des
Anspruchs 1 sinngemäß oder auch implizit aus Unteransprüchen der Stamman-
meldung ergeben, spielt keine Rolle, da diese zumindest inhaltlich nicht Gegen-
stand der Entscheidung über die Stammanmeldung waren. Über den Anspruchs-
gegenstand der Teilanmeldung wurde daher inhaltlich bisher noch nicht ent-
schieden.
Zwar hätte die Anmelderin auch im Beschwerdeverfahren die jetzt geltenden An-
sprüche als Hilfsantrag einreichen können. Da sie aber die Anmeldung
„jederzeit“
bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Stammanmeldung teilen darf, dürfte
sie auch ein bere
chtigtes Interesse daran haben, zur Prüfung „neuer“ Aspekte in
einer solchen Teilanmeldung alle Instanzen des Prüfungsverfahrens nutzen zu
können.
Ein mangelndes Rechtsschutzbedürfnis wegen Verfahrensverschleppung (vgl.
Schulte, PatG, 9. Aufl., § 39 Rdn. 17) liegt nicht vor, weil die Teilungserklärung
keinen Einfluss auf das Beschwerdeverfahren der Stammanmeldung hatte.
Da es somit an einer funktionalen Zuständigkeit des Bundespatentgerichts zur
Entscheidung über die Teilanmeldung mangelt, ist diese durch Beschluss gemäß
§ 17a Abs. 2 i.V.m. § 13 GVG, § 39 Abs. 1 Satz 3 PatG an das Deutsche Patent-
und Markenamt zu verweisen.
2.
Die Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-
chung nach § 100 Abs. 2 Nr. 2 PatG zuzulassen, da der Senat zwar mit der
Rechtsprechung des 21. Senats des Bundespatentgerichts übereinstimmt, hiermit
aber von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und anderer
Senate des Bundespatentgerichts abweicht.
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III.
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, durch einen
beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schrift-
lich einzulegen.
Wickborn
Kruppa
Dr. Schwengelbeck
Altvater
Hu