Urteil des BPatG vom 09.07.2015

Stand der Technik, Patentanspruch, Gehalt, Zusammensetzung

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
15 W (pat) 13/12
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
9. Juli 2015
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2007 027 343.8-43
hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Feuerlein und der Richter Heimen, Dr. Wismeth und Dr. Freudenreich
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
- 2 -
G r ü n d e
I.
Die Anmelderin hat am 14. Juni 2007 beim Deutschen Patent- und Markenamt in
englischer Sprache die Patentanmeldung mit der Bezeichnung
„Lubricant Compositions“
eingereicht. Die am 22. August 2007 eingereichte deutsche Übersetzung ist am
17. Januar 2008 in Form der DE 10 2007 027 343 A1 offengelegt worden. Sie
trägt die Bezeichnung „Schmiermittelzusammensetzungen“. Die Patentanmeldung
nimmt die Unionspriorität der US-amerikanischen Patentanmeldung mit der
Nummer 11/457 613 vom 14. Juli 2006 in Anspruch.
Die Anmeldung umfasst 30 Patentansprüche von denen die unabhängigen ur-
sprünglichen Patentansprüche 1, 20, 23, 24, 25, 26, 27 und 28 lauten:
- 3 -
Im Prüfungsverfahren hat die Prüfungsstelle für Klasse C 10 M des Deutschen
Patent- und Markenamts folgenden Stand der Technik ermittelt:
(D1) WO 2005/066314 A1
(D2) KLAMANN, Dieter: Schmierstoffe und verwandte Produkte. Weinheim:
Verlag Chemie, 1982, S. 81-101.
– ISBN 3-527-25966-X
(D3) EP 1 661 971 A1
(D4) US 2005/0261145 A1
(D5) EP 1 657 293 A2
- 4 -
In der Anhörung vom 25. April 2012 hat die Anmelderin eine Patenterteilung auf
Grundlage der mit Schriftsatz vom 4. November 2010 eingereichten Patent-
ansprüche 1 bis 23 nach Hauptantrag (entsprechend dem geltenden Hauptantrag)
beantragt, hilfsweise auf Grundlage der in der Anhörung überreichten
Patentansprüche 1 bis 23 nach Hilfsantrag 1 (ähnlich dem geltenden Hilfsantrag I),
weiter hilfsweise auf Grundlage der in der Anhörung überreichten Patentan-
sprüche 1 bis 20 nach Hilfsantrag 2 und hilfsweise auf Grundlage der mit
Schriftsatz vom 4. November 2010 eingereichten Patentansprüche 1 bis 21 nach
Hilfsantrag 3 (entsprechend dem geltenden Hilfsantrag IV).
Durch in der Anhörung verkündeten Beschluss vom 25. April 2012, zugestellt am
18. Mai 2012, ist die Zurückweisung der Patentanmeldung erfolgt.
Gemäß der Begründung des Zurückweisungsbeschlusses seien die Gegenstände
der Hauptansprüche nach Haupt- und 3. Hilfsantrag nicht neu. Die Prüfungsstelle
erkennt zwar die Neuheit der Gegenstände der Hauptansprüche nach Hilfs-
anträgen 1 und 2 an, jedoch beruhten sie nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Druckschrift D1 offenbare Schmiermittelzusammensetzungen für Motoröle und
ATFs (Automatic Transmission Fluids), wobei dem Fischer-Tropsch-Grundöl
zusätzlich Grundöle der Gruppe II und Phosphatester zugesetzt werden könnten.
Die Grundöle wiesen dabei bevorzugt weniger als 0,1 Gew.-% Multicyclo- und
damit auch Tetracycloparaffine auf. Der Gegenstand des Hauptanspruchs gemäß
dem Hauptantrag sei somit nicht neu.
Die Druckschrift D5 beschreibe Schmiermittelzusammensetzungen für Motoren
und Getriebe, welche gemäß den Beispielen aus Gruppe II Basisölen bestünden,
die Tetracycloparaffingehalte zwischen 0,8 und 2,8 Gew.-% bezogen auf das
Basisöl enthielten. Im Übrigen verweise die Druckschrift explizit darauf, dass der
Tetracycloparaffingehalt der Zusammensetzung weniger als 2 Gew.-% betragen
solle. Da Basisölgehalte in Schmiermitteln größer 90 Gew.-% im üblichen Rahmen
- 5 -
seien und die D5 weiter ausführe, dass die Schmiermittelzusammensetzungen
wenigstens ein Additiv, wie Korrosionsinhibitoren und Detergentien enthalten
sollten, sei der Fachmann somit angehalten im Stand der Technik nach üblichen
Additiven zu suchen. Ein hierfür nahe liegender Ausgangspunkt seien Fach-
bücher. Bezüglich der Additive finde der Fachmann im Lehrbuch D2, dass Metall-
freie Phosphorverbindungen, wie Aminsalze von Phosphorsäurediestern, geeig-
nete Korrosionsinhibitoren darstellten, die gerade für Motorschmieranwendungen
eingesetzt würden. Weiterhin sei dort zu finden, dass Detergentienzusatz für
Motorschmiermittel von großer Bedeutung sei und dass Succinimide gängige
Detergentien hierfür seien. Folglich sei es für den Fachmann nahe liegend, dass
die aus der D5 bekannte Zusammensetzung Gruppe II Basisöle mit Tetra-
cycloparaffingehalten zwischen 0,8 und 2,8 Gew.-% auch eine Metall-freie,
Phosphor enthaltende Verbindung und Succinimid-Detergentien umfasse. Der
Gegenstand der Hauptansprüche gemäß dem 1. und dem 2. Hilfsantrag beruhe
somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Gegenstand des Hauptanspruchs nach Hilfsantrag 3 sei nicht neu. Ent-
sprechend der Entscheidung „Kaffeefiltertüte“ des BPatG (BPatGE 41, 202) könne
eine erstmalige Formulierung einer weiteren Wirkung eines bekannten Erzeug-
nisses, die nicht zugleich eine neue Brauchbarkeit aufzeige, auch nicht als
Funktions- oder Verwendungserfindung schutzfähig sein. Die Druckschrift D1
offenbare Schmiermittelzusammensetzungen für Motoröle und ATFs, deren Öl-
grundlagen Gruppe II Basisöle enthielten, die weniger als 0,1 Gew.-% Multicyclo-
und damit auch Tetracycloparaffine, sowie Metall-freie Phosphor-enthaltende
Verbindungen umfassten. Die Verwendung dieser aus der D1 bekannten Schmier-
mittel zur Verringerung der Dünnfilmreibung stelle aber keine neue Brauchbarkeit,
also keine neue Funktion, sondern lediglich eine gegenüber der D1 erstmalige
Formulierung einer weiteren Wirkung, also einen in der D1 nicht beschriebenen
Effekt, dar. Dieser Effekt lege lediglich die naturgesetzliche Begründung der
Wirkung der Zusammensetzung bei der Verwendung als Motor- und Getriebe-
- 6 -
schmiermittel dar. Die Verwendung gemäß dem Hauptanspruch des Hilfsantrags 3
sei somit nicht neu.
Die Anmelderin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 15. Juni 2012, eingegangen am
selben Tag, Beschwerde eingelegt. Hierzu legt sie Patentansprüche 1 bis 23 nach
Hauptantrag und mit der Beschwerdebegründung vom 11. Oktober 2012 Patent-
ansprüche 1 bis 20 nach Hilfsantrag 1, Patentansprüche 1 bis 17 nach Hilfs-
antrag 2 und Patentansprüche 1 bis 21 nach Hilfsantrag 3 vor.
In der mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 2015 hat sie zudem weitere Hilfs-
anträge eingereicht, einen neuen Hilfsantrag 2 (II), einen Hilfsantrag 3 (III) und
einen Hilfsantrag 5 (V), mit der Maßgabe, dass der bis dahin geltende Hilfs-
antrag 1 gestrichen wird und Hilfsantrag 2 vom 11. Oktober 2012 zum Hilfs-
antrag 1 (I) und Hilfsantrag 3 vom 11. Oktober 2012 zum Hilfsantrag 4 (IV)
werden. (Im Folgenden werden zur besseren Unterscheidbarkeit die hier in
Klammern gesetzten römischen Ziffern zur Nummerierung der Hilfsanträge
verwendet.)
Die jeweils unabhängigen Patentansprüche der Anträge lauten:
Hauptantrag: (Patentansprüche 1, 19, 20, 21, 22, 23)
- 7 -
Hilfsantrag I: (Patentansprüche 1, 13, 14, 15, 16, 17)
- 8 -
Hilfsantrag II: (Patentansprüche 1, 19, 20, 21, 22, 23)
- 9 -
Hilfsantrag III: (Patentansprüche 1, 14, 15, 16, 17, 18)
- 10 -
Hilfsantrag IV: (Patentansprüche 1, 21)
Hilfsantrag V: (Patentansprüche 1, 16)
Aus Sicht der Anmelderin treten in geschmierten mechanischen Vorrichtungen wie
beispielsweise Motoren, Getrieben, Transmissionsgetrieben, Kupplungsgetrieben,
hydraulischen Systemen verschiedene deutlich voneinander zu unterscheidende
Arten von Reibung auf, die je nach typischen Arbeitsbedingungen der Vorrichtung
(Temperatur, Last, Geschwindigkeit usw.) einen unterschiedlichen Einfluss auf
- 11 -
den Gesamtenergieverlust hätten. Zu diesen Reibungsarten zählten die Grenz-
flächenreibung, die Dünnfilmreibung und die Reibung, die auftrete, wenn
Oberflächen durch eine dickere Schicht Flüssigkeit separiert seien. Die Dünn-
filmreibung trete auf, wenn Oberflächen durch einen etwa 50 bis 200 nm dicken
Ölfilm voneinander getrennt seien und die Oberflächen durch Druck oder eine
Kraft gegeneinander gedrückt würden. Im Unterschied zu Viskositätsmessungen
unter Hochscher- oder Niedrigscherbedingungen stehe das Fluid hier unter dem
Einfluss von Druck. Moleküle hielten sich hier in einem Fluid auf, das lediglich 20
bis 50 Molekularschichten umfasse. Die Reibung hänge somit in hohem Maße
davon ab, wie die Moleküle sich in diesem gedrängten Raum unter Druck
anordneten. Zur Illustration verweist sie auf eine Veröffentlichung von einem der
Erfinder:
(AC-1)
DEVLIN, Mark T; KUO, Cheng C.; PIETRAS, John M.; YUN,
Zhang: Bench Test Modeling for Current and Future PCMO
Fuel Economy Requirements. Presented at PetroChina
2007. Ohne Jahr, 11 Seiten
– Druckschrift unbekannter
Herkunft
Für die Anwendungen, an die sich die vorliegende Erfindung hauptsächlich richte,
nämlich Getriebe- und Motorschmierung, könne Dünnfilmreibungsverringerung
von besonderem Interesse sein, während in anderen Anwendungen beispiels-
weise die Verringerung (oder Erhöhung) der Hochtemperatur-Hochscherviskosität
bzw. der Grenzflächenreibung im Vordergrund stehe. Die Erfinder der vorlie-
genden Anmeldung hätten gefunden, dass verschiedene Grundöle der Gruppe II
extrem unterschiedliche Dünnfilmreibung aufwiesen und dass diese Dünnfilm-
reibung vom Gehalt an Tetracycloparaffinen im Grundöl abhänge.
Anwendungen von Schmiermitteln erforderten vielfach die Zugabe von Metall-
freien Phosphor-enthaltenden Verbindungen als Additiv. Es sei bekannt, dass
Additive wie Zinkdialkyldithiophosphat (ZDDP) die Dünnfilmreibung erhöhten. Aber
- 12 -
auch Metall-freie Phosphor-enthaltende Additive, wie schwefelhaltiges Neopentyl-
glycolphosphat (S-NPGP), könnten einen beträchtlichen dünnfilmreibungser-
höhenden Einfluss haben (siehe Beispiel 1 und 2, Tabellen 1 und 2 der vor-
liegenden Anmeldung). Die Zugabe von Metall-freien Phosphor-enthaltenden
Verbindungen habe demnach einen Effekt auf die Dünnfilmreibung, der nicht im
Einzelnen vorhersagbar sei und der vor allem höchst unerwünscht sein könne (vgl.
Absatz [0003] der Beschreibung).
Dem Fachmann stelle sich somit das Problem, geeignete Grundöle zu finden, um
eine Schmiermittelzusammensetzung, die Metall-freie Phosphor-enthaltende Ver-
bindungen enthält, mit einer möglichst niedrigen Dünnfilmreibung bereitzustellen.
Die von der Prüfungsstelle im Zurückweisungsbeschluss behauptete mangelnde
Neuheit des Gegenstands des geltenden Patentanspruchs 1 gegenüber der
Druckschrift D1 träfe nicht zu. Es sei nämlich aus der grammatischen For-
mulierung unmittelbar ersichtlich, dass sich der Tetracycloparaffingehalt auf die
Ölgrundlage der Gruppe II beziehe und nicht etwa auf die gesamte Schmier-
mittelzusammensetzung oder eventuell weitere vorliegende Ölgrundlagen. Die D1
offenbare keine derartigen Ölgrundlagen der Gruppe II.
Der Gegenstand der D1 betreffe vielmehr mit wenigstens einem Additiv versehene
Schmiermittel auf Basis eines Fischer-Tropsch-synthetischen Öls. Die bevorzugte
Obergrenze von 0,1 Gew.-% Multicycloparaffine sei in der D1 lediglich in Bezug
auf diese Grundöle genannt. Nur beiläufig werde erwähnt, dass zusätzlich
Grundöle der Gruppe II beigefügt werden könnten, wobei keine Aussage zu deren
Tetracycloparaffingehalt erfolge. Weiter werde nicht zwischen den verschiedenen
Multicycloparaffinarten unterschieden, so dass die D1 den streitanmeldungs-
gemäßen besonderen Einfluss der Tetracycloparaffine auf die Eigenschaften des
Grundöls nicht offenbare.
- 13 -
Die ledigliche Tatsache, dass in der D1 eine bevorzugte Obergrenze von
Multicycloparaffinen im Zusammenhang mit Fischer-Tropsch-Grundölen (zur
Erzielung anderer als streitanmeldungsgemäßer Effekte) offenbart werde und
hiervon völlig losgelöst eine optionale Zumischung unspezifizierter (konven-
tioneller) Grundöle der Gruppe II erwähnt werde, die sich darüber hinaus in den
Beispielen nicht einmal empfehlen würden, könne den Gegenstand des geltenden
Patentanspruchs 1 weder offenbaren noch nahelegen.
Die Druckschrift D3 erwähne weder Monocycloparaffine, Multicycloparaffine oder
gar Tetracycloparafine. Sie erwähne ein hydrogecracktes Mineralöl, beziehe sich
jedoch nicht - und erwähne auch in keiner Weise - ein Grundöl der Gruppe II.
Die Druckschrift D4 beziehe sich ausschließlich auf Fischer-Tropsch-Grundöle.
Eine Verbindung zwischen den optionalen Grundölen der Gruppe II und einem
Gehalt an Tetracycloparaffinen werde an keiner Stelle offenbart. Die Erwähnung
von Multicycloparaffin in Bezug auf Fischer-Tropsch-Grundöle lasse den Gegen-
stand von Patentanspruch 1 nach geltender Antragslage weder offenbaren noch
nahelegen. Auch bleibe offen, was unter Multicycloparaffinen zu verstehen sei und
ob davon überhaupt Tetracycloparaffine erfasst würden.
Die Druckschrift D5 betreffe ein völlig anderes technisches Problem. Tatsächlich
dienten die Beispiele der D5 ausschließlich dazu, Oxidationsstabilität über 32.000
Zyklen zu zeigen. Die D5 enthalte keine vergleichenden Daten zur Oxida-
tionsstabilität abhängig vom Cycloparaffin- oder gar Tetracycloparaffingehalt des
Grundöls. Dünnfilmreibung oder deren Abhängigkeit von der Grundölzusammen-
setzung würden nicht erwähnt.
Auch sei die erfinderische Tätigkeit gegeben, da keine der Entgegenhaltungen das
Problem der Dünnfilmreibung erwähne, das speziell durch die Zugabe von
Metall-freien Phosphor-enthaltenden Verbindungen zu einer Schmiermittelzusam-
mensetzung auftreten könne. Der Zusammenhang zwischen Tetracycloparaffin-
- 14 -
gehalt eines Grundöls der Gruppe II und der Dünnfilmreibung eines dieses
Grundöl enthaltenden Schmiermittels werde nirgendwo erwähnt.
Die vorliegende Anmeldung zeige weiter, dass die Zugabe von Phosphor-
enthaltenden Verbindungen zu Schmiermittelzusammensetzungen einen Einfluss
auf die Dünnfilmreibung habe. Unter Verwendung eines Grundöls der Gruppe II
mit weniger als 3 Gew.-% Tetracycloparaffin (Grundöl C) würden bessere
(verringerte) Dünnfilmreibungen der Schmiermittelzusammensetzung erzielt als
mit Grundölen der Gruppe II mit über 3 Gew.-% Tetracycloparaffin (Öl-Grund-
lage A) (siehe Beispiel 2, Tabelle 2 der ursprünglichen Beschreibung). Die vor-
liegende Erfindung gebe darüber hinaus dem Fachmann die Möglichkeit, unter
Wahl eines Grundöls mit niedrigem Tetracycloparaffingehalt und einer geeigneten
Phosphor-enthaltenden Verbindung die Dünnfilmreibung noch weiter zu redu-
zieren.
Auch sei, anders als von der Prüfungsstelle behauptet, die besondere Dreier-
kombination aus Grundöl mit niedrigen Tetracycloparaffingehalt von weniger als
etwa 3 Gew.-%, Metall-freier Phosphor-enthaltender Verbindung sowie Disper-
santmittel aus Succinimid und Mannich-Dispersantmittel nicht ausgehend von der
D5 in Verbindung mit der D2 nahe gelegen. Die streitpatentgemäße Dreier-
kombination gemäß dem Hilfsantrag I erziele überraschend eine deutliche weitere
Absenkung der Dünnfilmreibung gegenüber der Verwendung eines Grundöls mit
höherem Tetracycloparaffingehalt (siehe insbesondere Beispiel 3, Abs. [00113] bis
[00115]; Tabelle 3 der ursprünglichen Anmeldung).
Mit dem Hilfsantrag II würden mittels eines Disclaimers Olefincopolymer-Dis-
persantmittel ausgeschlossen, welche keinen Effekt in Bezug auf die Erniedrigung
der Dünnfilmreibung bei erfindungsgemäßen Ölgrundlagen der Gruppe II zeigten.
Gleichzeitig werde dadurch, dass die Ölgrundlage mehr als 90 Gew.-% der
Zusammensetzung ausmache, ein noch größerer Abstand zum Stand der Technik
erzielt. Dieser Unterschied zum Stand der Technik werde mit Hilfsantrag III durch
- 15 -
die Aufnahme eines Succinimid-Dispersantmittels und eines Reibungsmodifizie-
rungsmittels nochmals verdeutlicht.
Keine der Entgegenhaltungen könnte den auch in den Verwendungsansprüchen
entsprechend der Hilfsanträge IV und V genannten Effekt der Verringerung der
Dünnfilmreibung eines Fluids nahelegen oder gar offenbaren. Gemäß ständiger
Rechtsprechung des Europäischen Patentamts (G2/88 und G6/88) sowie des
BGH (BGH, Liedl 1961/62, 618, 636
– Holzzerspanvorrichtung) werde eine
Erfindung dann als patentwürdig angesehen, wenn die Verwendung für einen
ganz neuen technischen Zweck erschlossen werde oder ein bisher nur zufällig
oder unbewusst erzielter Erfolg nunmehr bewusst und planmäßig erreicht werden
könne.
Der neue Effekt ergebe sich aus der erstmaligen Entdeckung der Abhängigkeit der
Dünnfilmreibung vom Tetracycloparaffingehalt, welcher insbesondere von Interes-
se sei, wenn die Zusammensetzung Metall-freie Phosphor-enthaltende Verbin-
dungen enthalte. Der Fachmann erhalte erst durch die vorliegende Erfindung die
technischen Hilfsmittel an die Hand, ein Grundöl der Gruppe II gezielt so
auszuwählen, dass das Schmiermittel eine möglichst geringe Dünnfilmreibung
aufweise. Vor diesem Hintergrund halte daher die engere Auslegung der Patent-
fähigkeit durch die Prüfungsstelle unter Berufung auf BPatG-Kaffeefiltertüte einer
Überprüfung nicht stand.
Zudem gebe es keine Rechtfertigung dafür, die absolute Neuheit von medizini-
schen Verwendungen anders zu beurteilen als die absolute Neuheit nichtmedizini-
scher Verwendungen.
In Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hat der Senat auf die Druckschrift D6
hingewiesen.
- 16 -
(D6) MOORE, A.J.: The behaviour of lubricants in elasto-
hydrodynamic contacts. In: Proc. Instn. Mech. Engrs., Part J,
1997, Vol. 211, S. 91-106
In der mündlichen Verhandlung ist der Vertreter der Anmelderin auf Bedenken des
Senats gegen die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des jeweiligen Haupt-
anspruchs der Haupt- und Hilfsanträge hingewiesen worden.
Der Vertreter der Anmelderin ist der Auffassung, dass die Gegenstände der An-
spruchsfassungen nach Hauptantrag und Hilfsanträgen gegenüber dem Stand der
Technik neu seien und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.
Der Vertreter der Anmelderin hat in der mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 2015
den Antrag gestellt,
den Beschluss der Prüfungsstelle C 10 M des Deutschen Patent-
und Markenamtes vom 25. April 2012 aufzuheben
und das Patent zu erteilen auf der Grundlage der Patentansprüche
1 bis 23 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schriftsatz vom
15. Juni 2012 und den ursprünglichen Beschreibungsseiten 1 bis
32 vom 22. August 2007,
hilfsweise
1. auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 17 gemäß 2. Hilfs-
antrag vom 11. Oktober 2012,
2. auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 23 gemäß 2. Hilfs-
antrag vom 9. Juli 2015,
- 17 -
3. auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 18 gemäß 3. Hilfs-
antrag vom 9. Juli 2015,
4. auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 21 gemäß 3. Hilfs-
antrag vom 11. Oktober 2012,
5. auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 16 gemäß 5. Hilfs-
antrag vom 9. Juli 2015.
Für den Fall, dass der Senat den Anträgen auf Erteilung des Patents auch auf
Grundlage der Hilfsanträge IV oder V nicht stattgibt, regt die Anmelderin die
Zulassung der Rechtsbeschwerde an, da die Möglichkeit der Beanspruchung einer
so
genannten „zweiten nichtmedizinischen Verwendung“ angesichts der betagten
höchstrichterlichen Entscheidung „Holzzerspanvorrichtung“ und der Rechtskon-
vergenz mit der etablierten Entscheidungspraxis am Europäischen Patentamt eine
höchstrichterliche Klärung notwendig mache.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
1.
Die Beschwerde der Anmelderin ist frist- und formgerecht eingelegt worden
und zulässig (§ 73 PatG). Sie hat jedoch keinen Erfolg.
2.
Als Fachmann ist ein diplomierter Chemiker zu sehen, welcher mehrjährige
Erfahrung in der Entwicklung von Schmierstoffen für Maschinenteile besitzt.
- 18 -
Merkmalsanalyse
3.
Die folgende Merkmalsanalyse strukturiert und gliedert die Merkmale der
unabhängigen Patentansprüche des Hauptantrags und der Hilfsanträge. Wenn
nicht anders angegeben, sind die Änderungen zum Hauptantrag kursiv her-
vorgehoben. Die hochgestellten Ziffern geben die Nummer des jeweiligen
Hilfsantrags an, ab dem eine Änderung erstmals in die Patentansprüche
aufgenommen wird. Die insgesamt geänderten Merkmale sind unterstrichen.
4.
Das Erzeugnis (A) von Patentanspruch 1 nach Hauptantrag gliedert sich in
die folgenden Merkmale.
A1
Schmiermittelzusammensetzung, umfassend:
A2
eine Ölgrundlage
A2.1
der Gruppe II,
A2.1.1
welche weniger als etwa 3 Gew.-% Tetracyclopa-
raffine umfasst; und
A3
eine Phosphor-enthaltende Verbindung,
A3.1
welche Metall-frei ist.
Die Verwendungen entsprechend der Patentansprüche 19 bis 21 und 23 nach
Hauptantrag sind auf den Patentanspruch 1 bezogen und beschreiben Ver-
wendungen (B) der Schmiermittelzusammensetzung des Hauptanspruchs. Zur
Vereinfachung werden die Verwendungsarten der Patentansprüche 19 bis 21 und
23 mit kleinen Buchstaben bezeichnet (19 mit a, 20, mit b, 21 mit c, 23 mit d).
- 19 -
B1
Verwendung
einer
Schmiermittelzusammensetzung
gemäß einem der vorhergehenden Patentansprüche
betreffend
die
Schmiermittelzusammensetzung,
wahlweise
Ba2
zur Verringerung von Dünnfilmreibung eines Fluids
zwischen Oberflächen.
Bb2
zur Erhöhung von Kraftstoffeffizienz in einem Fahrzeug.
Bc2
zum Schmieren von Motor, Getriebe oder Sammel-
getriebe.
Bd2
zum Schmieren einer Maschine.
Der Patentanspruch 22 nach Hauptantrag ist auf ein Verfahren zur Herstellung
einer Schmiermittelzusammensetzung gerichtet.
C1
Verfahren
zur
Herstellung
einer
Schmiermittel-
zusammensetzung gemäß einem der vorhergehenden
Patentansprüche
betreffend
die
Schmiermittel-
zusammensetzung, umfassend
C2
das Kombinieren einer Metall-freien Phosphor-enthalten-
den Verbindung und der Ölgrundlage.
5.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag I unterscheidet sich vom Haupt-
A3
A3
eine Phosphor-enthaltende Verbindung,
A3.1
- 20 -
Die nebengeordneten Patentansprüche 13 bis 17 entsprechen in ihrer sprach-
lichen Formulierung den Patentansprüchen 19 bis 23 des Hauptantrags.
6.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II unterscheidet sich in den
A2
A4
D
hinzu. Er lautet nach Merkmalen gegliedert:
A1
Schmiermittelzusammensetzung, umfassend:
A2
eine Ölgrundlage
A2.1
A2.1.1
umfasst;
und
A3
eine Phosphor-enthaltende Verbindung.
- 21 -
Die nebengeordneten Patentansprüche 19 bis 23 entsprechen in ihrer sprach-
lichen Formulierung den Patentansprüchen 19 bis 23 des Hauptantrags.
7.
Die Anspruchsfassung des Patentanspruchs 1 des Hilfsantrags III lautet
nach Merkmalen gegliedert:
A1
Schmiermittelzusammensetzung, umfassend:
A2
eine Ölgrundlage
A2.1
A2.1.1
umfasst;
A3
eine Phosphor-enthaltende Verbindung,
A3.1
und
Die nebengeordneten Patentansprüche 14 bis 18 entsprechen in ihrer sprach-
lichen Formulierung den Patentansprüchen 19 bis 23 des Hauptantrags.
- 22 -
8.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag IV gliedert sich in die folgenden
Merkmale. Dieser Verwendungsanspruch (D) ist im Vergleich zu den Ver-
wendungsansprüchen (B) neu formuliert.
D1
Verwendung einer Ölgrundlage,
D1.1
D1.1.1
umfasst,
D2
in einer Schmiermittelzusammensetzung,
D2.1
D2.1.1
D3
zur Verringerung der Dünnfilmreibung eines Fluids zwi-
schen Oberflächen,
D4
D3
zusammensetzung umfasst.
Der Patentanspruch 21 nach Hilfsantrag IV gliedert sich in die folgenden Merk-
male. Auch dieser Verwendungsanspruch (E) ist neu formuliert.
E1
Verwendung einer Ölgrundlage gemäß einem der vorher-
gehenden Patentansprüche
E2
zur Erhöhung von Kraftstoffeffizienz in einem Fahrzeug.
- 23 -
9.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag V unterscheidet sich vom Patentan-
spruch 1 nach Hilfsantrag IV wie folgt:
D1
Verwendung einer Ölgrundlage,
D1.1
D1.1.1
umfasst,
D2
in einer Schmiermittelzusammensetzung,
D2.1
D2.1.1
und
D3
zur Verringerung der Dünnfilmreibung eines Fluids
zwischen Oberflächen,
D4
D3
zusammensetzung umfasst.
Der Patentanspruch 16 nach Hilfsantrag V entspricht dem Patentanspruch 21
nach Hilfsantrag IV.
- 24 -
Zur Zulässigkeit der Änderungen
10. a)
ursprünglichen Patentanspruch 1 in Verbindung mit S. 3, Abs. [0016] der Be-
A2.1
A3
Patentansprüchen 3 bis 19.
b)
A2.1.1
schreibung wird
ursprünglich offenbart, dass „die Ölgrundlage […] jedwede in die
Gruppen I bis
V kategorisierte Ölgrundlage sein [kann]“ und „in einer Aus-
führungsform […] die Ölgrundlage eine Ölgrundlage der Gruppe II [ist]“. Nun sollen
aber nach Abs. [0118] der Beschreibung Einzahlformen -
wie „ein“ oder
„die“ - Mehrzahlbezugnahmen einschließen. Dementsprechend wäre Abs. [0016]
der Beschreibung keineswegs ausschließlich so zu interpretieren, dass die
Ölgrundlage ausschließlich eine der Gruppe II sei. Vielmehr muss dieser Absatz
auch in dem Sinn verstanden werden, dass neben der Ölgrundlage der Gruppe II
auch weitere Ölgrundlagen vorhanden sein können. Zwar werden in Beispiel 1
(Abs. [0104]-[0108]) und den anderen Beispielen Ölgrundlagen der Gruppe II
verwendet, jedoch ist es dem Erfinder zum Zeitpunkt der Anmeldung offensichtlich
nicht auf eine (ausschließliche) Ölgrundlage der Gruppe II angekommen, sonst
wäre die in Abs. [0118] bewusst genannte Relativierung nicht erfolgt.
Wegen der offenen Anspruchsfassung bezieht sich aus Sicht des Senats das
Merkmal des Gehalts der Tetracycloparaffine nicht ausschließlich auf Ölgrund-
lagen der Gruppe II. Der Gehalt an Tetracycloparaffinen kann sich auch auf die Öl-
grundlage als solche beziehen, welche (unter anderem) eine Ölgrundlage der
Gruppe II enthält.
c)
Die Patentansprüche 19, 20, 21 und 23 nach Hauptantrag basieren auf den
ursprünglichen Patentansprüchen 24, 25, 26 und 28. Sie sind jeweils in Ver-
- 25 -
wendungsansprüche umformuliert. Das Herstellungsverfahren gemäß Patentan-
spruch 22 basiert auf dem ursprünglichen Patentanspruch 27.
11. a)
1
von Hilfsantrag I ist ausgewählt aus dem ursprüng-
lichen Unteranspruch 3.
Dabei wurde der ursprünglich offenbarte Begriff „Amylsäurephosphat“ auf Vor-
schlag der Prüfungsstelle in
„Amylalkoholphosphat“ geändert. In Abs. [0027] der
ursprünglichen Beschreibung werden in Verbindung mit Abs. [0025] und [0026]
Phosphorsäureester offenbart, welche aus der Reaktion von P
2
X
5
(X = O, S) mit
einer Hydroxyverbindung, u. a. Amylalkohol (1-Pentanol), hergestellt werden. In
den englischsprachigen Anmeldeunterlagen wird ursprünglich die Bezeichnung
„amyl acid phosphate“ (entsprechend dem „phosphoric acid pentyl ester“) ver-
wendet, welche nach Kenntnis des Senats gelegentlich in der Patentliteratur
anzutreffen ist. Die hierfür fachüblichen deutschsprachigen Bezeichnungen sind
aus Sicht des Senats aber beispielsweise „Phosphorsäure-(mono)amylester“,
„Phosphorsäure-pentylester“, oder „Amyl-/Pentyl-dihydrogenphosphat“. Gelegent-
lich wird in der Patentl
iteratur auch „Amylphosphat“ oder auch „Amyl-
säurephosphat“ verwendet. Die jetzige Bezeichnung „Amylalkoholphosphat“ kann
zwar unter Rückgriff auf die Beschreibung ausgelegt werden, wird jedoch nach
Kenntnis des Senats weder als „Amylalkoholphosphat“ noch als „amyl alcohol
phosphate“ in der Fachliteratur verwendet.
A4
1
A4.1
1
A4.2
1
A4.3
1
sind ausgewählt aus den
ursprünglichen Unteransprüchen 6 und 7.
b)
A2.1.2
2
von Hilfsantrag II und Hilfsantrag III leitet sich ab aus
Abs. [
0018] der Beschreibung. Demnach „kann [die Ölgrundlage] in der
Schmiermittelzusammensetzung in jedweder gewünschten oder wirksamen
Menge vorhanden sein. […] als ein […] Beispiel“ höher oder gleich 90 Gew.-%
relativ zum Gesamtgewicht der Zusammensetzung“. Diese Angabe bezieht sich
- 26 -
jedoch auf jedwede Ölgrundlage der Gruppen I bis IV gemäß Abs. [0016] der
Beschreibung (vgl. Abschnitt 10.b, oben). Entgegen der Auslegung der
ist die
Ölgrundlage eine Ölgrundlage der Gruppe
II“ (Hervorhebung hinzugefügt) nicht
abzuleiten, dass die Ölgrundlage ausschließlich eine der Gruppe II sein muss, da
– wie in Abschnitt 10 b, oben erläutert – nach Abs. [0118] bewusst Relativierungen
bezüglich Einzahl- und Mehrzahlbezugnahmen vorgenommen wurden. Hierzu
hätte es einer Offenbarung bedurft, wonach die Ölgrundlage „ausschließlich“ oder
„einzig“ eine der Gruppe II sein soll. Dementsprechend kann aus Sicht des Senats
wegen der offenen Anspruchsfassung das Merkmal der Menge an Ölgrundlage in
der Schmiermittelzusammensetzung nicht ausschließlich auf Ölgrundlagen der
Gruppe II, sondern auf die gesamte Menge der Ölgrundlagen bezogen werden.
A4
D
von Hilfsantrag II, wonach die Schmiermittelzusammen-
setzung frei von funktionalisiertem Olefincopolymer-Dispersantmittel sein soll, ist
nicht ursprünglich offenbart. Er geht auch nicht, wie von der Anmelderin gemeint,
aus dem ursprünglichen Unteranspruch 7 in Verbindung mit Abs. [0115] der
ursprünglichen Beschreibung hervor, wonach eine Tendenz zum Ausschluss von
Olefincopolymer-Dispersantmittel zu erkennen sei. Vielmehr wird gemäß Unter-
anspruch 7 funktionalisiertes Olefincopolymer gleichberechtigt neben anderen
Dispersantmitteln offenbart. Zudem entspricht die Erläuterung in Abs. [0115],
wonach „Additivzusammensetzungen mit dem Succinimid-Dispersantmittel alle
niedrige Dünnfilmreibungskoeffizienten im Vergleich zu Zusammensetzungen mit
dem funktionalisierten Olefincopolymer-
Dispersantmittel zeigten“ nicht den Ergeb-
nissen der Tabelle 3 von S. 31. Eher weisen die Schmiermittelzusammen-
setzungen, welche funktionalisiertes Olefincopolymer, AAP („amyl alcohol
phosphate“) und Glycerolmonooleat enthalten, die besten Dünnfilmreibungs-
A4
D
ist daher nicht zulässig.
A4
1
A4.1
1
A5
3
von Hilfsantrag III entsprechen den
ursprünglichen Unteransprüchen 8 bzw. 10.
- 27 -
c)
Der Verwendungsanspruch 1 nach Hilfsantrag IV entspricht in den Merk-
D1
ursprünglichen Verfahrensanspruchs 24 (mit der in Abschnitt II.10.b genannten
A1.1.1
D1.1
A3
Patentanspruch 21 nach Hilfsantrag IV leitet sich ab vom ursprünglichen Pa-
tentanspruch 25.
d)
D1.1.2
5
D2.2
5
D2.3
5
nach Hilfsantrag V entsprechen
A2.1.2
2
A4
1
A4.1
1
A5
3
. Sie sind folglich ursprünglich
offenbart und damit zulässig.
Auslegung verschiedener Begriffe
12. a)
Der Begriff „Dünnfilmreibung zwischen Oberflächen“ lässt zunächst offen,
wie dick der Film ist. Hierzu gibt auch die Beschreibung keinen Hinweis. Lediglich
der nachveröffentlichten Druckschrift AC-1 sind die von der Anmelderin
behaupteten Unterschiede zwischen Grenzflächenreibung („Boundary Friction
Coefficient“), Dünnfilmreibung („Thin-Film Friction Coefficient“) und Viskosität bzw.
Dickfilm
reibung („High Temperature High Shear Viscosity“) zu entnehmen. Die
Dicke des dünnen Films wird in AC-1 ein Mal mit 118 nm angegeben (AC-1: S. 4,
vorletzter Absatz). Nach Angaben der Anmelderin soll die anmeldungsgemäße
Dicke im Bereich von etwa 50 bis 200 nm liegen (Schriftsatz vom
11. Oktober 2011, S. 4, Abs. 2), was jedoch nicht aus den Anmeldeunterlagen zu
entnehmen ist.
Entsprechend den ursprünglichen Unterlagen lassen sich die erfindungsgemäßen
Schmiermittelzusammensetzungen in Motoren, Getrieben, Sammelgetrieben oder
- 28 -
beliebigen Maschinen einsetzen (vgl. ursprüngliche Patentansprüche 29 und 30
sowie Abs. [0102] und [0103]). Die erfindungsgemäßen Schmiermittelzusammen-
setzungen werden also nicht ausschließlich zu dem mindestens einen Zweck der
„verringerte[n] Dünnfilmreibung und erhöhte[n] Kraftstoffwirtschaftlichkeit“ einge-
setzt (vgl. Abs. [0006]). Sofern jedoch erfindungsgemäße Zusammensetzungen in
passgenau gefertigten Maschinenteilen zum Schmieren und zur Verringerung der
Reibung eingesetzt werden
, werden sie aus Sicht des Senats in einer „dünnen“
Schicht zwischen zwei Oberflächen verwendet. Werden im Stand der Technik
dann gleiche Schmiermittel in gleicher Weise verwendet, erfolgt diese Ver-
wendung zwangsläufig ebenso in einer „dünnen“ Schicht. Gleich formulierte
Schmiermittelzusammensetzungen führen bei gleicher Verwendung jedenfalls zu
einer gleichen Wirkung.
Grundsätzlich ist der Einfluss der Dicke eines Films auf das rheologische Verhal-
ten einer Flüssigkeit bekannt. So beschreibt die D6, dass aus dem Verhalten von
dünnen Filmen (D6: < 100 nm, Abschnitt 4.2, S. 102) am besten Rückschlüsse auf
das tatsächliche Verhalten von Schmiermitteln in Motoren gezogen werden kön-
nen (vgl. D6: Abstract i. V. m. S. 92, linke Sp., Abs. 2 sowie Abschnitt 4.2, S. 102).
b)
Ölgrundlagen der Gruppe II weisen entsprechend der Anmeldung
(Abs. [0005]) mehr als 90 % gesättigte Kohlenwasserstoffe, weniger als 0,03 %
Schwefel und einen Viskositätsindex im Bereich von 80 bis ≤ 120 auf. Diese Anga-
ben stimmen überein mit der Definition des American Petroleum Institute (API).
Entsprechend dieser Definition werden Gruppe
II Grundöle hergestellt durch „hy-
drocracking and solvent or catalytic dewaxing processes“.
Die vom American Petroleum Institute vorgenommene Einteilung der Ölgrund-
lagen erfordert eine Erläuterung zu den Zusammensetzungen der Ölgrundlagen
anderer Gruppen. Ölgrundlagen der Gruppe I weisen weniger als 90 % gesättigte
Kohlenwasserstoffe und/oder mehr als 0,03 % Schwefel sowie einen Viskositäts-
index zwischen 80 und 120 auf. Ölgrundlagen der Gruppe III weisen mehr als
- 29 -
90 % gesättigte Kohlenwasserstoffe, weniger als 0,03 % Schwefel sowie einen
Viskositätsindex über 120 auf. Bei Ölgrundlagen der Gruppe IV handelt es sich um
Polyalphaolefine (PAO; vgl. Abs. [0107], Tabelle 1 der ursprünglichen Beschrei-
bung). Der Viskositätsindex beschreibt die Temperaturabhängigkeit der kinema-
tischen Viskosität (m
2
s
−1
) eines Schmieröls, aber nicht dessen tatsächliche
Viskosität. Öle mit einem niedrigen Viskositätsindex zeigen eine stärkere tempe-
raturabhängige Viskositätsänderung als solche mit einem hohen Viskositätsindex.
c)
Die Anmelderin hat im Verfahren geltend gemacht (Schriftsatz vom
11. Oktober 2012, S 4), dass die Dünnfilmreibungsverminderung bei Getrieben
und Motoren von besonderem Interesse sei. Sie sei ein zur Dickfilmreibung nicht
gleich laufendes physikalisches Phänomen, zeige aber eine die Erfindung
begründende Korrelation mit dem Tetracycloparaffingehalt (TCP) der Ölgrundlage.
Diese Behauptung der Anmelderin hält einer näheren Überprüfung der ursprüng-
lichen Anmeldung nicht stand.
Betreffend den geltend gemachten Zusammenhang des Dünnfilmreibungs-
koeffizienten mit dem Gehalt an Tetracycloparaffinen (TCP), führt die ursprüng-
liche Beschreibung vielmehr aus, dass die offenbarten Ölgrundlagen einen
niedrigeren Dünnfilmreibungskoeffizienten als solche mit mehr als 3 % TCP
können
verstehen, dass auch höhere TCP Gehalte zu niedrigeren Dünnfilmreibungs-
koeffizienten führen können.
Zudem wäre beim Vorliegen der behaupteten Korrelation eine mit der Kon-
zentration einhergehende Änderung des Koeffizienten zu erwarten. Dies ist
offenbar nicht der Fall, da der Koeffizient entsprechend der ursprünglichen
Anmeldungsunterlagen zum Teil mit steigendem TCP-Gehalt sinkt (vgl. ursprüng-
liche Beschreibung: S. 29, Tabelle 1: 1,48 % TCP in Ölgrundlage B ergibt einen
Dünnfilmreibungskoeffizienten von 0,044 und 1,57 % TCP in Ölgrundlage C ergibt
einen Dünnfilmreibungskoeffizienten von 0,030). Diese Werte könnten zwar auch
- 30 -
damit erklärt werden, dass die Fehlergrenzen sowohl bei der Bestimmung des
TCP-Gehaltes als auch bei der Bestimmung des Koeffizienten so hoch sind, dass
die Ergebnisse bei den Ölgrundlagen B und C nach Tabelle 1 als identisch
anzusehen sind. Damit liefert aber das TCP-freie Grundöl PAO mit einem
Dünnfilmreibungskoeffizienten von 0,027 einen vergleichbaren Wert wie ein
Grundöl mit etwa 1,5 bis 1,6 % TCP. Für die behauptete Korrelation ergeben sich
aus Tabelle 1 der Anmeldung daher keine Anhaltspunkte.
Auch führt gemäß Tabelle 2 der ursprünglichen Beschreibung (S. 30) der Zusatz
von Phosphor-enthaltenden Verbindungen in Metall-freier und auch Metall-haltiger
Form allenfalls zu gleichbleibenden Werten (eher aber verschlechterten Werten)
des Dünnfilmreibungskoeffizienten (vgl. Ölgrundlage C: 0,034 und 0,035 für
Metall-freie Phosphor-enthaltende Verbindungen gegenüber 0,030 ohne Phos-
phor-enthaltende Verbindung; 0,074 bzw. 0,066 bei Metall-freier bzw. Metall-
haltiger Phosphor-enthaltender Verbindung gegenüber 0,030 ohne Phosphor-ent-
haltende Verbindung). Dagegen ist bei der wohl als Vergleichsbeispiel zu
verstehenden Ölgrundlage A mit einem TCP Gehalt von 3,33 % eher eine
Verbesserung des Dünnfilmreibungskoeffizienten zu beobachten (vgl. 0,040 bzw.
0,055 für Metall-freie Phosphor-enthaltende Verbindungen gegenüber 0,066 ohne
Phosphor-enthaltende Verbindung). In Ermangelung der Angabe eines Mess-
fehlers sind für den Fall der Zugabe von 1 % S-NPGP (schwefelhaltiges
Neopentylglycolphosphat) die absoluten Werte für den Dünnfilmreibungsko-
effizienten sogar im Grunde identisch (Ölgrundlage A: 0,069 gegenüber Öl-
grundlage C: 0,066). Dementsprechend beschreibt die Anmelderin selbst in
Abs. [0112], dass Zusammensetzungen mit einer Ölgrundlage, die weniger als
etwa 4 Gew.-% Tetracycloparaffine umfasst, einen niedrigeren Dünnfilmreibungs-
koeffizienten zeigen (die Ölgrundlage A mit 3,33 Gew.-% Tetracycloparaffinen ist
dann kein Vergleichsbeispiel mehr).
Vergleichbar beliebig in seiner Wirkung ist der Zusatz von Succinimid (vgl.
A4.1
1
D2.2
5
). Nach Tabelle 3 der Patentanmeldung führt auch der
- 31 -
Zusatz succinimidbasierter Dispersionsmittel zu wiederum gleich bleibenden oder
verschlechterten Werten bezüglich des Dünnfilmreibungskoeffizienten (Ölgrund-
lage C: 0,041, 0,036 und 0,046 gegenüber 0,030 ohne Zusatz), während die
Werte bei der nicht beanspruchten Ölgrundlage A leicht verbessert erscheinen.
Die besten Dünnfilmreibungskoeffizienten (0,010 bzw. 0,012) weisen zudem
Ölgrundlagen A oder
C mit der Zusätzen AAP („amyl acid phosphat“), funktio-
nalisiertes Olefincopolymer und Glycerolmonooleat auf, welche jedoch gemäß der
Hilfsanträge I, II, III und V nicht beansprucht sind.
Insgesamt ist in der Anmeldung damit nicht belegt, dass die erfindungsgemäßen
Bestandteile im Zusammenspiel gezielt zu einer verbesserten Dünnfilmreibung
führen, das heißt die von der Anmelderin vorgebrachte technische Aufgabe ist
nicht glaubhaft gelöst. Vielmehr ist von einer bloßen Aggregation der Bestandteile
auszugehen, wobei jeder Bestandteil bestenfalls einen isolierten Effekt erzielt. Die
Wirkung der Auswahl eines Zusatzes zu der Schmiermittelzusammensetzung lässt
sich aus den offenbarten Daten nicht vorhersagen. Die Auswahl von Zusätzen
liegt so im Belieben des Fachmanns.
Wie dies die Patentanmeldung damit selbst belegt, dürfte der TCP-Gehalt alleine
für den Dünnfilmreibungskoeffizienten in weiten Grenzen ohne Belang sein. In der
Folge ist der offen gehaltene Patentanspruch 1 nach Hauptantrag im Zusam-
menhang mit Absatz [0018] der Ursprungsunterlagen auszulegen, wo klargestellt
ist dass der Ausdruck „Ölgrundlage“ jedwede gewünschte oder „wirksame“ Menge
in der Schmiermittelzusammensetzung bedeutet. Selbst wenn sich dann der
Gehalt an TCP ausschließlich auf die in beliebigen Anteilen vorhandene Öl-
grundlage der Gruppe II beziehen würde (vgl. Abschnitt II.10.b), ist der Patent-
anspruch nach seinem Wortlaut weder hinsichtlich des Zusatzes weiterer Öle mit
beliebigem Tetracycloparaffingehalt, noch hinsichtlich eines etwaigen Zusatzes
von Tetracycloparaffinen selbst limitiert. Hinsichtlich der Tetracycloparaffine lässt
sich so bei dem beanspruchten Gemisch nicht feststellen, aus welcher Öl- oder
beliebigen externen Quelle diese stammen, weshalb letztlich der TCP-Gehalt in
- 32 -
der Schmiermittelzusammensetzung in einem so formulierten Patentanspruch 1
selbst beliebig ist, gerade unter Berücksichtigung der Beschreibung. Das Gemisch
ist dann lediglich durch das Vorhandensein eines Öls der Gruppe II charakterisiert.
Zur Patentfähigkeit der Gegenstände der Patentansprüche
13.
A4
D
an der ursprünglichen Offenbarung mangelt (vgl. Ab-
schnitt II.11.b), ist der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag II nicht patentfähig (§ 38
PatG).
14.
Über die vorstehend aufgezeigten Formalmängel hinaus sind die Patentan-
sprüche nach Hauptantrag und Hilfsanträgen nicht gewährbar, da ihre Gegenstän-
de entweder nicht neu sind oder nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen
(§ 3 und § 4 PatG).
15.
Die Aufgabe soll gemäß Beschreibung darin liegen, ein Schmiermittel
bereitzustellen, welches nicht teuer ist und eine verringerte Dünnfilmreibung hat
und/oder zu einer erhöhten Kraftstoffwirtschaftlichkeit führt (ursprüngliche Be-
schreibung: Abs. [0006]).
Laut Schriftsatz des Vertreters der Anmelderin vom 11. Oktober 2012 und den
Ausführungen in der mündlichen Verhandlung bestehe die Aufgabe darin,
geeignete Grundöle zu finden, um eine Schmiermittelzusammensetzung, die
Metall-freie Phosphor-enthaltende Verbindungen enthält, mit einer möglichst
niedrigen Dünnfilmreibung für die Anwendung als beispielsweise Motor-, Getriebe-
oder Transmissionsgetriebeschmiermittel bereitzustellen (S. 5, Abs. 4). Aufgrund
der von den Erfindern der vorliegenden Anmeldung erstmals aufgefundenen
Korrelation zwischen Tetracycloparaffingehalt des Grundöls und Dünnfilmreibung,
- 33 -
auch in Schmiermittelzusammensetzungen, die Metall-freie Phosphor-enthaltende
Verbindungen enthalten, könne diese Aufgabe erstmals gezielt gelöst werden
(S. 6, Abs. 1).
Zum Hauptantrag
16.
sind nicht neu gegenüber der Schmiermittelzusammensetzung der D1.
Die Druckschrift D1 beschreibt die Herstellung eines Schmiermittels durch
Fischer-Tropsch-Synthese unter Verwendung von Synthesegas (CO und H
2
)
welche zu einem Produktstrom („product stream“) führt, d. h. zu den üblichen aus
der Fischer-Tropsch-Synthese führenden Produkten (Alkane, Alkene, Alkohole,
Oxoprodukte). Aus dem Produktstrom werden Paraffin-Wachse isoliert, welche
weniger als 30 ppm Stickstoff und Schwefel zusammen und weniger als 1 %
Sauerstoff aufweisen. Diese Paraffine werden einem Wachsausschmelzen
(Wachsentfernen) unterzogen („dewaxing“), im Speziellen einem Wachsaus-
schmelzen u
nter Hydroisomerisierung („hydroisomerization dewaxing“), wodurch
ein isomerisiertes Öl entsteht. Dieses isomerisierte Öl wird dem Prozess des
„Hydrofinishings“ unterzogen. Das heißt, das Produkt wird mit Wasserstoff behan-
delt, um es abzusättigen. Abschließend wird das Öl mit mindestens einem
Schmieröladditiv geblendet. Das Öl weist dementsprechend einen geringen Anteil
an Molekülen mit einer aromatischen Funktion auf. Der Anteil an Monocyclo-
paraffinen ist hoch, derjenige an Multicycloparaffinen niedrig (vgl. D1: S. 1, Z. 7-
A1
D1 bekannt.
Mit anderen Worten entsteht aus diesem Prozess ein hochgesättigtes Öl
(Sättigungsgrad über 95 %; vgl. D1: S. 24, Z. 30-32), welches einen Schwefel-
Gehalt kleiner als 30 ppm (0,003 %) hat. Sein Viskositätsindex ist hoch (D1: S. 1,
- 34 -
Z. 28) und liegt bei größer als 137 bzw. 147 (vgl. D1: S. 33, Z. 5-12). Es dürfte sich
demnach um eine Ölgrundlage der Gruppe III handeln (mehr als 90 % gesättigte
Kohlenwasserstoffe, weniger als 0,03 % Schwefel und einen Viskositätsindex im
Bereich > 120, hergestellt z. B. durch Hydroisomerisierung).
Multicycloparaffine sind nicht erwünscht, da sie den Viskositätsindex erniedrigen,
die Oxidationsstabilität verringern und die Noack Volatilität erhöhen (zur Definition
der Noack Volatilität vgl. D1: S. 35, Z. 6-20). Bevorzugt enthalten die Ölgrundlagen
der D1 mehr als 10 Gew.-% Monocycloparaffine und weniger als 0,1 Gew.-% Mul-
ticycloparaffine (D1: S. 30, Z. 8-12), also auch weniger als 0,1 Gew.-% Tetracyclo-
paraffine, welche explizit genannt sind (D1: S. 29, Z. 26-32).
Die fertigen Produkte können mit anderen Ölgrundlagen, u.a. konventionellen
Ölgrundlagen der Gruppe II, verschnitten werden (D1: S. 14, Z. 1-10 // Merk-
A2.1
A2.1.1
die Ölgrundlage als solche beziehen können (vgl. Abschnitt II.11.b), sind auch die
A2.1.1
nahe, durch die Zugabe von Ölgrundlagen der Gruppe II den Gehalt an Multi-
cycloparaffinen nicht zu erhöhen. Selbst wenn aber Ölgrundlagen der Gruppe II
zugegeben würden, welche für sich betrachtet mehr als 3 Gew.-% Tetracyclo-
paraffine aufweisen, wird durch Verdünnung der Gehalt an Multicycloparaffinen in
der Ölgrundlage insgesamt nicht zwingend über 3 Gew.-% erhöht, wenn die
Ölgrundlage der Gruppe II nur in geringen Mengen zugegeben wird oder die
Ölgrundlage der Gruppe II einen ohnehin bevorzugten Gehalt von weniger als
0,1 Gew.-% Multicycloparaffine aufweist.
Auch die Zugabe von u. a. Phosphatestern wird zur Modifizierung der Eigen-
A3
Diese Phosphatester versteht der Fachmann als Metall-freie Ester aus Phos-
- 35 -
A3.1
D2.1.1
Das Schmiermittel kann u. a. für Automobile, Diesel-Motoren, Erdgas-Motoren,
D1
Bd2
C1
A1
Gegenstände der Patentansprüche 1, 21, 22 und 23 nach Hauptantrag aus der D1
bekannt. Zumindest aber lag es bei der Bereitstellung eines Blends mit
Ölgrundlagen der Gruppe II nahe, solche mit einem geringen Gehalt an
Multi/Tetracycloparaffinen zu verwenden und fachübliche Phosphatester (bzw.
Phosphor-enthaltende Verbindungen) hinzuzugeben, so dass die Gegenstände
der Patentansprüche 21, 22 und 23 nach Hauptantrag gegenüber der D1 auch
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
D1
Hilfsanträge IV und V aus der D1 bekannt.
b)
Selbst wenn der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag als
neu gegenüber der D1 anzusehen wäre, da Ölgrundlagen der Gruppe II in der D1
nur optional zugesetzt werden können, so beruht er ausgehend von der D1 nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Für den Betrieb von Motoren ist eine möglichst geringe temperaturbedingte
Viskositätsänderung der Öle erwünscht, welche sich in einem hohen Viskosi-
tätsindex niederschlägt (vgl. D2: S. 84, rechte Sp., Abschnitt 9.2 bis S. 85,
linke Sp., Abs. 1). Der Fachmann wählt für diese Anwendung daher Öle mit hohen
Viskositätsindizes, da diese im Sommer und Winter benutzt werden können. Im
Sommer ist die Schmierwirkung solcher Öle noch ausreichend, im Winter sind die
- 36 -
Öle nicht zu dickflüssig. Der übliche Wertebereich liegt um die 100 (vgl. D2: S. 86,
Tab.
54, Spalte „VI“ // D3: [0041]). Diese Werte werden neben Ölgrundlagen der
Gruppe III auch von Ölgrundlagen der Gruppe I und II erreicht. Aus diesem Grund
entspricht der Einsatz einer Ölgrundlage der Gruppe II als Motoröl bereits
fachüblichem Handeln. Die Druckschrift D1 lehrt dem Fachmann zudem, dass
Multicycloparaffine
im
Grundöl
ungewünscht
sind,
weil
sie
dessen
Oxidationsstabilität verringern (D1: S 2, letzter Satz). Der Fachmann wird also den
Gehalt derartiger Verbindungen im Öl feststellen und solche mit möglichst
geringem TCP-Gehalt zum Einsatz bringen.
17.
Zum gleichen Ergebnis gelangt der Fachmann bei Berücksichtigung der
Druckschriften D2, D3, D4 und D5.
a)
Entsprechend dem Lehrbuch D2 werden als Additive für Schmierstoffe auch
eine Vielzahl von Phosphor-enthaltenden Verbindungen eingesetzt. Erwähnt
werden Schwefel-Phosphor-Verbindungen bzw. Phosphor-Schwefel-Verbindun-
gen (D2: S. 83-84 und S. 96-97). Diese sind sowohl Metall-frei als auch Metall-
haltig, z. B. im Falle der weit verbreiteten Zinkalkydithiophosphonate als
Oxidationsinhibitoren für Motorenöle (vgl. D2: S. 83, rechte Sp., Abschnitt
„Schwefel-Phosphor-Verbindungen“). Phosphate und Thiophosphate sowie Phos-
phonate und Thiophosphonate werden in verschiedensten Variationen und
Kombinationen auch als Detergentien verwendet (vgl. D2: S. 92, rechte Sp.,
Abschnitt „Phosphate, Thiophosphate, Phosphonate, Thiophosphonate“). Auch
wirken organische Phosphorverbindungen als Hochdruckadditive (vgl. D2: S. 96,
rechte
Sp., Abschnitt „Phosphorverbindungen“). Weiter genannt werden Chlor-
Phosphor-Verbindungen (D2: S.
97, Abschnitt „Chlor-Phosphor-Verbindungen“).
Die Prüfungsstelle nimmt zu Recht besonders Bezug auf die in der D2 genannten
Phosphorsäurederivate (D2: S. 99, rechte
Sp., Abschnitt „Phosphorsäure-Deri-
vate“), welche insbesondere als Salze von Phosphorsäurediestern mit Aminen zur
Innenkonservierung von Motoren geeignet sind. Insgesamt ist der Einsatz von
- 37 -
Phosphor-enthaltenden Verbindungen sowohl in Metall-enthaltender (dann insbe-
sondere Zinkalkyldithiophosphonate) als auch in Metall-freier Form in Schmier-
A3
In der D2 werden auch Polyisobutenyl-bernsteinsäure-Derivate als gängige
A4.1
1
).
Detergentien stellen die Hauptmenge an Additiven und sind für die Motor-
schmierung von großer Bedeutung (D2: S. 90, linke Sp., letzter Abs. bis rechte
Sp., Abs. 2 und S. 91, linke Sp., Abs. 3).
b)
Die Druckschrift D3 offenbart Schmiermittel für Kontakt-Oberflächen,
welche mit einem Diamant-artigen Kohlenstoff beschichtet sind (D3: [0001]). Das
Schmiermittel enthält ein Grundöl und einen schwefelhaltigen Molybdän-Komplex
sowie optional mindestens einen Reibungsverbesserer, Detergentien auf der
Basis von Metallsalzen und ein Phosphor-basiertes Additiv gegen Verschleiß (D3:
A1
kann neben einem Metall-enthaltenden auch ein Metall-freies sein, insbesondere
A3.1
ein Kohlenwasserstoffrest der Phosphorverbindung unter einer Vielzahl von
Resten
– ähnlich wie in der Streitanmeldung (vgl. ursprüngliche Beschreibung:
[0025])
– wird auch „pentyl“ genannt (D3: [0140], S. 13, Z. 2), so dass
A3.2
2
) offenbart ist.
c)
Das Dokument D4 beschreibt Schmiermittel welche aus einem Blend
bestehen von 10 bis 80 Gew.-% Fischer-Tropsch Grundöl (üblicherweise
Gruppe III Grundöle; vgl. D4: [0115]) und 20 bis 90 Gew.-% Petroleum-basiertes
Grundöl ausgewählt aus Gruppe II oder Gruppe III Grundölen oder Mischungen
A1
Schmiermittelmischung soll der Gehalt an Multicycloparaffinen im Fischer-Tropsch
Grundöl - und damit auch an Tetracycloparaffinen (vgl. D4: [0109]) - kleiner als
0,1 Gew.-% und derjenige an Monocycloparaffinen größer als 10 Gew.-% sein
- 38 -
A2.1.1
Schmiermittel stabiler gegenüber Oxidation machen (D4: [0107]). Es wird insbe-
B1
A1
D1.1.1
A3
Additive zusätzlich zu einem „pour point depressant“ (Pourpoint-Erniedriger; der
Pourpoint ist die Temperatur eines Mineralöles, bei der eine Probe beim Abkühlen
unter bestimmten Bedingungen eben noch fließt) verwendet werden (D4: [0139]).
d)
Die Druckschrift D5 beschreibt eine Schmiermittelzusammensetzung, wel-
che eine Hauptmenge an Grundöl aufweist, welches weniger als 40 Gew.-%
Alkylcycloparaffine enthält und eine geringfügige Menge an mindestens einem
A1
[0042] der D5 enthält das Schmiermittel eine Ölgrundlage der Gruppe I oder II. Die
A2
D1
wurden. Deren Tetracycloparaffingehalt liegt maximal bei 2,8 Gew.-% (Merkmal
A2.1.1
Tetracycloparaffingehalt über etwa 2 Gew.-% die Schmiermittel höhere dTAN-
Werte im GMOT-Test haben (D5: [0043]). Der dTAN-Wert bezeichnet den
Unterschied der „Total Acid Number“ (TAN, Gesamtsäurezahl) zwischen einem
frischen Schmiermittel und einem Schmiermittel nach 32.000 Schalt-Zyklen vom
ersten in den vierten Gang eines Automatikgetriebes (D5: [0038]). Dies zeigt, dass
die Oxidationsstabilität gemessen als Gesamtsäurezahl bei einem Schmiermittel
besser ist, je weniger Tetracycloparaffine dieses aufweist (vgl. auch D5: [0021]).
Die Schmiermittelzusammensetzung kann zudem mindestens ein Additiv ent-
halten (D5: [0030]). Sie wird z. B. eingesetzt für Automatikgetriebe, Handgetriebe,
B1
- 39 -
A1
D1.1
18.
Die Aufgabe einer Erfindung ist vor dem Hintergrund dessen zu bewerten,
was die Erfindung leistet, im vorliegenden Fall, ob der Fachmann angeregt war,
eine Motorölzusammensetzung gemäß den beanspruchten stofflichen Ausgestal-
tungen bereitzustellen sowie, ob diese Komponenten beinhaltet, die aus dem
Stand der Technik nicht nahegelegt waren.
Ein Fachmann, der ausgehend von der D5 vor die objektive Aufgabe gestellt ist,
das dort beschriebene Schmiermittel bereitzustellen, welches neben den dort
beschriebenen Aminen als Antioxidationsmittel (D5: [0024]) fachübliche weitere
Additive enthält (D5: [0030]), wird z. B. als Korrosionsinhibitor eine fachübliche,
aus Lehrbüchern bekannte Verbindung einsetzen z. B. die in dem Lehrbuch D2
genannten Phosphorsäure-Derivate, insbesondere Aminsalze von Phosphorsäure-
diestern (vgl. D2: S. 99, rechte Sp., Absch
nitt „Phosphorsäure-Derivate“).
Damit gelangt der Fachmann ausgehend von der in der D5 beschriebenen Lehre,
auf niedrige Tetracycloparaffingehalte zu achten (am besten Gehalte unterhalb
von 2 Gew.-%; vgl. D5: [0043], Satz 3), allein schon dann, wenn er ein dort be-
schriebenes Schmiermittel fachüblicherweise mit Additiven bereitstellt, zu einer
A1
A3.1
D1
müssen.
Folglich beruhen die Gegenstände der Patentansprüche 1, 21, 22 und 23 nach
Hauptantrag - sofern sie denn neu sind - nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
- 40 -
Zu den Hilfsanträgen
19.
Die zusätzlichen Merkmale der Gegenstände der Patentansprüche 1, 15,
16 und 17 gemäß Hilfsantrag I können ausgehend von der D5 in Verbindung mit
der D2 oder D3 die erforderliche erfinderische Tätigkeit nicht begründen.
A3.2
1
) als Metall-
freie Phosphor-enthaltende Verbindung erfolgt aus einer Vielzahl in Abs. [0025]
der ursprünglichen Beschreibung nicht einschränkend aufgezählten Beispiele.
A3.2
1
) werden in der gesamten ursprünglichen
Anmeldung lediglich zwei Mal genannt, nämlich in Tabelle 2 auf S. 30 und in
Unteranspruch 3. Eine besondere die erfinderische Tätigkeit stützende Wirkung
dieser Auswahl kann der Fachmann aus der Streitanmeldung nicht ableiten (vgl.
auch Abschnitt II.12.c). Somit liegt die naheliegende Wahl von phosphorhaltigen
Verbindungen als Additiv zu einer Schmiermittelzusammensetzung ausgehend
von der D5 unter Rückgriff auf fachbekannte Verbindungen (vgl. D2 oder D3)
genauso im Belieben des Fachmanns, wie die streitanmeldungsgemäße Auswahl
aus einer ursprünglich als gleichwirkend offenbarten Liste (vgl. ursprüngliche
Beschreibung: [0023]-[0025]). So beschreibt z. B. die D3 fachübliche Phoshor-
basierte Additive gegen Verschleiß, unter denen auch Pentylgruppen aufweisende
Verbindungen genannt sind (D3: [0137]-[0140], insbesondere S. 13, Z. 2 // erstes
A3.2
1
).
Gleiches gilt für die Bereitstellung eines Schmierstoffes mit einem Dispersant-
mittel, welches für den Betrieb eines Motors unabdingbar sein dürfte (D2: S. 90,
linke Sp., letzter Abs. bis rechte Sp., Abs. 2 und S. 91, linke Sp., Abs. 3). Dabei
zählen Polyisobutenyl-bernsteinsäure-Derivate als für Motoren geeignete Disper-
santmittel zum fachüblichen Lehrbuchwissen (D2: S. 93, linke Sp. Abs. 3 //
A4
1
A4.1
1
D2.2
5
).
- 41 -
Folglich beruhen die Gegenstände der Patentansprüche 1, 15, 16 und 17 nach
Hilfsantrag I nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
20.
Mit Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag III wird die Menge an Ölgrundlage
auf mehr als 90 Gew.-% relativ zum Gesamtgewicht der Schmiermittelzusammen-
A2.1.2
3
D1.1.2
5
). Auch diese
Festlegung der Formulierung einer Schmiermittelzusammensetzung liegt in einem
fachüblichen Bereich. So setzt beispielsweise die D1 Zusammensetzungen ein,
welche zwischen 79 und 90 Gew.-% Ölgrundlage enthält (vgl. D1: S.50, Table IV,
jeweils Summen der Komponent
en „Example 2“, „Example 4“, „Example 5“,
„Chevron GTL Base Oil 9.8“, „Chevron 220R“, “Chevron 600R”). Dement-
sprechend liegt gemäß der D1 der Gehalt an Additiven im Bereich von 0,1 bis
etwa 30 Gew.-% bezogen auf die fertige Zusammensetzung (D1: S. 10, Z. 6-7).
Eine erfinderische Tätigkeit kann daher in der Auswahl des streitanmeldungs-
gemäßen Bereiches nicht gesehen werden, zumal der Fachmann schon aus
Kostengründen auf einen möglichst geringen Zusatz teurer Additive zur Ölgrund-
lage achten wird.
Auch der Zusatz eines beliebigen Reibungsmodifizierungsmittels zur Schmier-
A5
3
D2.3
5
) stellt
fachübliches Handeln dar und wird beispielweise in der D1 (S. 10, Z. 1), der D2
(S. 97-
98, Abschnitt „9.6 Reibwertminderer“), der D3 ([0150], S. 14, Z. 18), der D4
(Patentansprüche 48 und 50) und der D5 beschrieben ([0030], S. 4, Z. 36).
Daher beruhen auch die Gegenstände der Patentansprüche 1, 16, 17 und 18 nach
Hilfsantrag III nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
21.
Die unabhängigen Patentansprüche nach Hilfsanträgen IV und V sowie die
Patentansprüche 19 und 20 nach Hauptantrag und Hilfsantrag II, die Patent-
- 42 -
ansprüche 13 und 14 nach Hilfsantrag I und die Patentansprüche 14 und 15 nach
Hilfsantrag III beschreiben die Verwendung einer Ölgrundlage in einer Schmier-
mittelzusammensetzung mit der Wirkung einer Verringerung der Dünnfilmreibung
(jeweils Patentanspruch 1 der Hilfsanträge IV und V bzw. Patentanspruch 19 nach
Hauptantrag und Hilfsantrag II sowie Patentanspruch 13 nach Hilfsantrag I und
Patentanspruch 14 nach Hilfsantrag III) bzw. einer Erhöhung von Kraftstoff-
effizienz (nebengeordnete Patentansprüche 21 bzw. 16 der Hilfsanträge IV und V
bzw. Patentanspruch 20 nach Hauptantrag und Hilfsantrag II sowie Patent-
anspruch 13 nach Hilfsantrag I und Patentanspruch 15 nach Hilfsantrag III).
Aus Sicht des Senats führt der Einsatz der aus der D1, D4 oder D5 bekannten
B1
Ba2
Bb2
sollen explizit auch als Motoröle eingesetzt werden. Ziel der Verringerung des
Gehalts an Tetracycloparaffinen ist zwar eine erhöhte Oxidationsstabilität. In
Motoren herrschen aber an vielen Stellen, z. B. zwischen Kolben und Zylinder,
sehr geringe - also dünne - Abstände. Wird dort ein aus der D1, D4 oder D5
bekanntes Schmiermittel eingesetzt, führt dies zwangsläufig zu einer Verringerung
D3
E2
D2.1
sind die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche des Hilfsantrags IV
daher nicht neu gegenüber der Druckschrift D1.
Wie bereits in den Abschnitten II.18, II.19 und II.20 dargelegt, sind die Merkmale
D2.1
5
D2.2
5
D2.3
5
ausgehend von den Druckschriften D4
oder D5 nahegelegt, da sie auf fachüblichem Handeln beruhen, zumal mit ihnen
kein weitergehender technischer Effekt belegt ist. Die Gegenstände der unab-
hängigen Patentansprüche nach Hilfsantrag IV und Hilfsantrag V sowie die
- 43 -
Gegenstände der Patentansprüche 19 und 20 nach Hauptantrag und Hilfs-
antrag II, die Gegenstände der Patentansprüche 13 und 14 nach Hilfsantrag I und
die Patentansprüche 14 und 15 nach Hilfsantrag III beruhen gegenüber der D4
oder D5 in Verbindung mit der D2 und dem fachüblichen Handeln nicht auf einer
erfinderischen Tätigkeit.
Das nachträgliche Auffinden der technischen (physikalischen) Zusammenhänge,
die der Wirkung eines Schmiermittels zugrunde liegen, offenbart keine neue Lehre
zum technischen Handeln, wenn die (bekannten) Zusammensetzungen in der
bekannten, hier sogar üblichen Art und Weise, als Schmiermittel eingesetzt
werden (vgl. zu Arzneimittelerfindungen: BGH, Urteil vom 24. September 2013,
X ZR 40/12
neuen
bekannten
wendung eines bekannten Gegenstandes. Die erstmalige Formulierung einer
(weiteren) Wirkung eines bekannten Erzeugnisses, die nicht zugleich eine weitere
Brauchbarkeit (Funktion) des Erzeugnisses aufzeigt, sondern gerade die bekannte
Brauchbarkeit betrifft, kann nicht unter dem Gesichtspunkt der Funktions- oder
Verwendungserfindung schutzfähig sein (vgl. BPatGE 41, 202
– Kaffeefiltertüte;
Busse, Patentgesetz, 7. Aufl., § 1, Rdn. 135).
Die Ausführungen der Anmelderin, die meint, eine bislang verborgene neue
Verwendung aufgezeigt zu haben, vermögen den Senat hingegen nicht zu
überzeugen. Zwar werden an Schmiermittel unterschiedliche Anforderungen
gestellt, wobei Schmiermittelprodukte nicht nur z.B. nach der Art ihrer
Zusammensetzung oder Gewinnung (z. B. Mineralöl, Teilsynthetiköl und Syn-
thetiköl) und ihren eigentlichen Verwendungen (Motoröl, Getriebeöl, Kettenöl, etc.)
sondern auch nach ihren Eigenschaften bzw. Wirkungen in verschiedene Arten
oder Kategorien eingeteilt werden können (z. B. Leichtlauföle, Longlife-Öle,
oxidationshemmende Schmiermittel, Schmiermittel zur Drehmomentübertragung).
Dabei mögen die letztgenannten Schmieröl-
„Arten“ zwar unterschiedliche Eigen-
schaften haben und sich dementsprechend für bestimmte „Einsatzzwecke“ besser
- 44 -
oder schlechter eignen. Innerhalb dieser Einsatzzwecke werden sie aber stets nur
im Rahmen der gleichen und längst bekannten Verwendung (bzw. Funktion)
eingesetzt, nämlich z. B. als Motorschmiermittel, welches stets auch zur Verrin-
gerung der Reibung an engen Stellen verwendet wird.
Der Verwender wird die oben genannten verschiedenen Eigenschaften zwar bei
der Auswahl des Produkts berücksichtigen und möglicherweise eine Auswahl
zugunsten eines bekannten Motoröls treffen, dem neuerdings nach den Er-
kenntnissen der Anmelderin besonders gute Dünnfilmeigenschaften zugeschrie-
ben werden. Er wird es jedoch nach wie vor nur in der bekannten Weise als
Motorschmiermittel verwenden, d. h. beim Ölwechsel in den Motor einfüllen und
sodann das Fahrzeug in Betrieb nehmen. Die eigentliche Verwendung eines
“Schmiermittels zur Verringerung der Dünnfilmreibung“ unterscheidet sich in nichts
von der bekannten Verwendung. Dies würde selbst dann gelten, wenn die
Erkenntnis einer neuen positiven Eigenschaft (hier: besonders gute Dünnfilm-
schmierung) eine variierte Verwendungsweise nahelegt, z. B. häufigere Kaltstart-
fahrt
en, zügige Bergfahrten oder Ähnliches. Denn auch diese „Verwendungs-
weisen“ liegen nur innerhalb der bekannten typischen Verwendung eines Motor-
schmiermittels. Die Argumentation der Anmelderin würde dagegen darauf hinaus
laufen, aus jeder (positiven) Eigenschaft eines bekannten Produkts eine eigene
Verwendungsart zu folgern.
22.
Auf die echten Unteransprüche der jeweiligen Anträge brauchte bei dieser
Sachlage nicht gesondert eingegangen zu werden; sie teilen das Schicksal des
Patentanspruchs 1, auf den sie rückbezogen sind, da die Anmelderin die Erteilung
eines Patents erkennbar nur im Umfang der vorliegenden Patentanspruchsätze
begehrt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007, X ZB 6/05
– Infor-
mationsübermittlungsverfahren II; Fortführung von BGH, Beschluss vom 26. Sep-
tember 1996, X ZB 18/95
– Elektrisches Speicherheizgerät).
- 45 -
Zur Frage der Zulassung der Rechtsbeschwerde
23.
Anlass, die von der Anmelderin angeregte Rechtsbeschwerde zuzulassen,
besteht nicht. Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 100
Abs. 2 Nr. 1 oder 2 PatG liegt nicht vor. Insbesondere betrifft die von der
Anmelderin aufgeworfene und vom Senat entschiedene Frage, ob hier eine
patentfähige neue Verwendung im Sinne einer sogenannten Verwendungs- bzw.
Funktionserfindung (vgl. Schulte, PatG, 9. Auflage, § 1 Rdn. 240, § 4 Rdn. 155;
Busse, PatG, 7. Auflage, § 1 Rdn. 135) vorliegt, keine offene oder sonst
klärungsbedürftige Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder eine Frage,
die zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.
Mit seiner Auffassung, dass die Verwendung bereits bekannter Schmier-
mittelzusammensetzungen zum Zwecke der Verringerung der Dünnfilmreibung
keine neue Verwendung darstellt und mit den diese Auffassung tragenden
Erwägungen, hält sich der Senat ihm Rahmen der zu Verwendungserfindungen
ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundespatent-
gerichts, im Übrigen auch im Rahmen der Spruchpraxis der Großen Beschwerde-
kammer des Europäischen Patentamts.
Nach der von der Anmelderin angeführten älteren Entscheidung BGH,
Liedl 1961/62, 618, 636
– Holzzerspanvorrichtung kann „unter bestimmten
Voraussetzungen“ auch in der erstmaligen Entdeckung einer neuen Brauchbarkeit
eine patentwürdige Erfindung gesehen werden, etwa, wenn die neue Erkenntnis
die Verwendung einer schon bekannten Vorrichtung oder eines solchen Ver-
fahrens für einen „ganz neuen“ technischen Zweck erschließt oder wenn sie es
ermöglicht, einen bisher nur zufällig und unbewusst erzielten Erfolg nunmehr
bewusst und planmäßig zu erreichen (BGH, a. a. O., S. 636, 3. Abs.). Direkt im
Anschluss an diese Passage, auf deren letzten Teil vorliegend die Anmelderin
besonders abhebt, hat der Bundesgerichtshof jedoch weiter ausgeführt, dass die
- 46 -
Anerkennung einer solchen schutzwürdigen Funktionserfindung neben einer
deutlichen Offenbarung der neuen Brauchbarkeit auch voraussetze, dass sich die
Auffindung der neuen Funktion nicht in der Entdeckung naturgesetzlicher Zu-
sammenhänge oder in einer vom Gegenstand losgelösten theoretischen Erkennt-
nis erschöpfe, sie vielmehr in einer neuen technischen Lehre Gestalt gewinne,
was z. B. in Form einer vom Erfinder an die gesteigerte Funktion angepassten
wirksameren Gestaltung geschehen könne.
Diese Ausführungen lassen erkennen, dass der Bundesgerichtshof bereits damals
nicht zu niedrige Anforderungen an die „Funktion“ bzw. „Verwendung“ stellen und
eine deutliche Abgrenzung gegenüber bloßen Entdeckungen naturgesetzlicher Zu-
sammenhänge oder theoretischen Erkenntnissen bzw. Feststellungen schaffen
wollte. Im Fall „Holzzerspanvorrichtung“ hatte der Erfinder eine Umgestaltung be-
kannter Vorrichtungen zum Zerkleinern von Körnern, Rinden und Borken unter Er-
satz der für diese Vorrichtungen verwendeten Zuführungsorgane durch ein (wenn
auch wiederum vorbekanntes) Schlagkreuz vorgenommen (vgl. a. BGH, a. a. O.,
S. 637, vorletzter Absatz), so dass das Vorliegen einer neuen Verwendung bzw.
Funktion vorbekannter Vorrichtungen - anders als im vorliegenden Fall - kaum
zweifelhaft sein konnte.
An dieser Linie hat der Bundesgerichtshof bis heute festgehalten. Insbesondere
zum Arzneimittelbereich hat er in einer Entscheidung (BGH, Urteil vom
9. Juni 2011, X ZR 68/08
– Memantin) festgestellt, die Entdeckung, dass ein
bestimmter Wirkstoff einem pathologischen Zustand entgegenwirkt, könne keine
neue Lehre zum technischen Handeln begründen, wenn die Behandlung von
Patienten mit dem Wirkstoff im Stand der Technik bekannt war, und weder eine
neue Art der Wirkstoffgabe gelehrt noch eine Patientengruppe als erfolgreich
behandelbar aufgezeigt werde, die bisher noch nicht mit dem Wirkstoff behandelt
worden ist.
- 47 -
Ähnlich hat der Bundesgerichtshof in einer weiteren Entscheidung (BGH, Urteil
vom 9. Juni 2011, X ZR 68/08
– Fettsäuren) festgestellt, dass das nachträgliche
Auffinden der biologischen Zusammenhänge, die der Wirkung eines Arzneimittels
zugrunde liegen, keine neue Lehre zum technischen Handeln offenbare, sofern
der verabreichte Wirkstoff, die Indikation, die Dosierung und die sonstige Art und
Weise, in der der Wirkstoff verwendet werde, mit einer bereits beschriebenen
Verwendung eines Wirkstoffs zur Behandlung einer Krankheit übereinstimme
(BGH, a. a. O., Leitsatz u. Rdn. 47).
Dies entspricht im Übrigen auch der von der Prüfungsstelle zitierten Entscheidung
(BPatGE 41, 202. Leitsatz 2
– Kaffeefiltertüte), wonach die erstmalige Formu-
lierung einer (weiteren) Wirkung eines bekannten Erzeugnisses, die nicht zugleich
eine weitere Brauchbarkeit (Funktion) des Erzeugnisses aufzeigt, sondern gerade
die bekannte Brauchbarkeit betreffe, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der
Funktions- oder Verwendungserfindung schutzfähig sein könne.
Die beiden oben genannten Entscheidungen (BGH-Memantin und BGH-Fettsäu-
ren) zeigen im Übrigen, dass die Anmelderin auch aus einem Vergleich mit der
Rechtslage bei Arzneimittelerfindungen keine offene Rechtsfrage herleiten könnte.
Im Übrigen lässt sich auch aus den von der Anmelderin zitierten Entscheidungen
der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (G 2/88,
ABl. EPA 1990, 93; G 6/88, ABl. EPA 1990, 410) nichts Gegenteiliges entnehmen.
Die Große Beschwerdekammer hat dort auf Vorlagefragen, von denen eine zu
einem Fall eines reibungsverringernden Zusatzes erging, nur weitgehend abstrakt
zur rechtlichen Natur und zur Neuheit von Verwendungsansprüchen Stellung
genommen. Dabei hat sie in der Entscheidung G 2/88 unter Ziff. 7.1 ausgeführt,
dass der Patentanspruch dann kein neues technisches Merkmal enthalte, wenn
der neue Zweck durch ein Ausführungsmittel erzielt werde, das bereits Teil des
Standes der Technik in Verbindung mit dem bekannten Gegenstand sei und wenn
- 48 -
die einzigen technischen Merkmale im Patentanspruch der (bekannte) Gegen-
stand in Verbindung mit dem (alten) Ausführungsmittel seien.
Als einziges Beispiel für einen Verwendungsanspruch hat sie den der Ent-
scheidung T 231/85 (ABl. EPA 1989, 74) zugrunde liegenden Fall angeführt, in
dem die Verwendung eines Stoffs zur Bekämpfung von Pilzen beansprucht wurde,
wobei der fragliche Stoff im Stand der Technik als Wachstumsregulator be-
schrieben war (vgl. G2/88, unter Ziff. 9.1 der Entscheidungsgründe; identisch:
G 6/88 unter 7.1 der Entscheidungsgründe). Die Nennung eines solchen Beispiels,
bei dem ein bekannter Stoff auch außerhalb seines bekannten Anwendungs-
gebiets (Wachstumsbeschleunigung) zusätzlich in einer besonderen Situation
(Auftritt einer Pilzkrankheit) angewendet werden kann, entspricht nicht der hier zu
beurteilenden Fallgestaltung, in der eine bekannte Schmiermittelzusammen-
setzung nur im Rahmen eines für Schmiermittel typischen, gattungsmäßigen
Gebrauchs verwendet werden kann. Der vorliegende Fall entspricht vielmehr eher
denjenigen der oben genannten BGH- und BPatG-Entscheidungen. Ob vorliegend
eine neue Verwendung vorlag oder nicht, war dann eine Frage des Einzelfalls,
deren Klärung keine Befassung durch den Bundesgerichtshof erforderte.
- 49 -
III.
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen
beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schrift-
lich einzulegen.
Feuerlein
Heimen
Wismeth
Freudenreich
Me