Urteil des BPatG vom 16.03.2015

Elektromagnetisches Feld, Patentanspruch, Wasser, Spaltung

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
15 W (pat) 10/13
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2008 039 499.8-43
hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in
der Sitzung vom 16. März 2015 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Feuerlein, des Richters Dr. Egerer, der Richterin Dr. Hoppe und des Richters
Dr. Wismeth
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss des Deut-
schen Patent- und Markenamts, Prüfungsstelle für Klasse C 07 C,
vom 4. März 2013 aufgehoben und das Patent erteilt.
- 2 -
Bezeichnung:
und Wasser zu Methanol.
Anmeldetag:
Der Patenterteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 26, eingegangen am 15. Januar 2010, un-
ter Hinzunahme der fehlenden Seite 3 des Patentanspruchs 1,
eingegangen am 6. Dezember 2012, mit den im Sachverhalt wie-
dergegebenen redaktionellen Änderungen,
ursprüngliche Beschreibung Seiten 1 bis 5, eingegangen am
23. August 2008,
ursprüngliche 3 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 3, eingegangen
am 23. August 2008.
I. Sachverhalt
Der Anmelder reichte am 23. August 2008 beim Deutschen Patent- und Marken-
amt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung
„Verfahren und Doppelwandler von Kohlendioxid und Wasser zu Methanol“
ein, die am 25. Februar 2010 in Form der DE 10 2008 039 499 A1 veröffentlicht
wurde.
Mit Beschluss vom 4. März 2013 wies die Prüfungsstelle für Klasse C 07 C des
Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung wegen mangelnder Ausführ-
barkeit des Anmeldungsgegenstands zurück. Dem Beschluss lagen die Ansprü-
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che 1 bis 26, eingegangen am 15. Januar 2010, zugrunde, wobei die fehlende
Seite 3 betreffend die Schritte k bis n in Anspruch 1 mit Eingabe vom
6. Dezember 2012 nachgereicht worden war.
Die mangelnde Ausführbarkeit wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die
thermische Spaltung des Kohlendioxids und die Teilionisierung innerhalb der Anti-
zyklon-Strecke des ebenfalls beanspruchten Doppelwandlers ausgehend von ei-
ner Erhitzung des Kohlendioxids im Einlassbereich auf eine Betriebstemperatur
von 600 bis 900 Grad Celsius gemäß Verfahrensschritt d sowie gemäß den
nachfolgenden Schritten des beanspruchten Verfahrens nicht stattfinden könnten.
Dementsprechend mangele es auch der beanspruchten Vorrichtung eines Dop-
pelwandlers zur Durchführung des beanspruchten Verfahrens an einer gewerbli-
chen Verwendbarkeit.
Im Prüfungsverfahren wurden die folgenden, seitens der Prüfungsstelle ermittelten
oder seitens des Anmelders eingeführten Druckschriften berücksichtigt. Die Sach-
und Rechtslage wurde mit dem Anmelder im Rahmen der Anhörung am
13. November 2012 erörtert.
1) http:/www.ieap.uni-kiel.de/plasma/ag-kersten/vorlesungsdateien/gasentladung
_ss06/gasentladungsphysik_2.pdf: Erzeugung und Vernichtung von Ladungsträ-
gern, 9 Seiten.
2) EP 0 808 528 B1
3) Endlich, Wilhelm: Kleber im Porzellanladen. In: Konstruktionspraxis, 1994,
Nr. 5, S. 28 bis 29
4) Hollemann, Arnold F.: Lehrbuch der anorganischen Chemie. 91.-100. Aufl.,
Berlin, New York: De Gruyter, 1985. ISBN 3-11-007511-3, S. 718, 720, 721
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5) CRC Handbook of Chemistry and Physics. 67th ed., 3rd Printing 1987. ISBN
0-8493-0467-9, S. E-85
6) Wiesemann, Klaus: Einführung in die Gaselektronik: Grundlagen der Elektri-
zitätsleitung in Gasen. 1. Aufl., Stuttgart: Teubner, 1976. ISBN 3-519-03014-4,
S. 152, 153, 187.
Gegen die Zurückweisung hat der Anmelder mit Schriftsatz vom 25. März 2013
Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdebegründung hat der Anmelder sinnge-
mäß ausgeführt, die dem Beschluss zugrundeliegende Annahme, wonach die ge-
nauen Angaben in den Anmeldeunterlagen zur Temperatur der thermischen Ioni-
sierung und des Entstehens von Kohlenmonoxid-Ionen unvereinbar seien mit der
praktischen Entstehung solcher Ionen in der erfindungsgemäßen Vorrichtung,
treffe nicht zu, zumal die prinzipielle Durchführbarkeit des Prozesses an sich gar
nicht bestritten worden sei.
Nach Prüfung des Sachverhalts wurde dem Anmelder in der Zwischenverfügung
vom 18. Dezember 2014 mitgeteilt, dass die anmeldungsgemäße Erfindung aus-
führbar sei. Die Patentfähigkeit des Anmeldungsgegenstands sei auch im Übrigen
anzuerkennen, da weder im Prüfungsverfahren noch seitens des Senats ein Vor-
bild oder eine Anregung für die Methanol-Produktion in einem anmeldungsgemä-
ßen Doppelwandler gefunden wurde. Die Patenterteilung könne deshalb auf Basis
der dem Zurückweisungsbeschluss zugrunde liegenden Anspruchsfassung mit re-
daktionellen Änderungen seitens des Senats erfolgen.
Der Anmelder stellt sinngemäß den Antrag,
den Zurückweisungsbeschluss aufzuheben und ein Patent zu er-
teilen auf Grundlage der mit Eingabe vom 15. Januar 2010 beim
Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten Patentansprü-
che 1 bis 26 unter Hinzunahme der Verfahrensschritte k bis n auf
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der fehlenden Seite 3 des Patentanspruchs 1, eingegangen am
6. Dezember 2012, mit redaktionellen Änderungen seitens des
Senats.
Die mit redaktionellen Änderungen seitens des Senats versehene, für die Patent-
erteilung bestimmte Fassung der Patentansprüche lautet wie folgt:
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Anmelders wird auf den In-
halt der Akten verwiesen.
II. G r ü n d e
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere frist- und formgerecht einge-
reicht worden (§ 73 PatG). Sie führt auch zum Erfolg. Die anmeldungsgemäße
Lehre betreffend den beanspruchten Doppelwandler und das damit durchzufüh-
rende beanspruchte Verfahren zur Herstellung von Methanol aus Kohlendioxid
und Wasser ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie aus-
führen kann. Der beanspruchte Doppelwandler und das beanspruchte, mit dem
Doppelwandler durchzuführende Verfahren sind neu und beruhen auf einer erfin-
derischen Tätigkeit.
1.
sung einschließlich der zunächst fehlenden Seite 3 des Patentanspruchs 1, einge-
gangen am 6. Dezember 2012, betreffend die Verfahrensschritte k bis n lassen
sich, wie bereits in dem angefochtenen Beschluss festgestellt, unmittelbar aus den
ursprünglichen Ansprüchen durch deren Aufteilung in Verfahrens- und Vorrich-
tungsansprüche herleiten, so dass bezüglich der Offenbarung keine Bedenken
bestehen.
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2.
gelnder Ausführbarkeit (§§ 34 Abs. 4, 45 Abs. 1, 48 PatG) hält einer Überprüfung
nicht stand.
a)
vor allem bezüglich der zur Durchführung des beanspruchten Verfahrens gemäß
Patentanspruch 1 erforderlichen konstruktiven Maßnahmen, sowohl in der Be-
schreibung als auch in den Patentansprüchen ausführlich erläutert (vgl. Patentan-
spruch 14 i. V. m. Patentanspruch 1 sowie urspr. Beschreibung S. 1 Abs. 4 bis
S. 5 i. V. m. Fig. 1 bis 3), so dass an der Herstellbarkeit dieser Vorrichtung keine
Zweifel bestehen.
Dies gilt insbesondere auch für die zur anspruchsgemäßen Druck- und Tempera-
turführung gemäß den Verfahrensschritten c, d, j und k notwendige bauliche Ge-
staltung der Vorrichtungsteile sowie für die Einrichtungen zur Reaktionsführung
betreffend Heizung, magnetisches und elektromagnetisches Feld sowie den
Transport der Edukte und Produkte einschließlich deren Trennung und Umsetzung
zu Methanol.
Anzuerkennen ist die Ausführbarkeit auch für die im Prüfungsverfahren zunächst
in Frage gestellte, im Zurückweisungsbeschluss jedoch nicht mehr aufgegriffene
Beständigkeit von Vorrichtungsteilen in dem anspruchsgemäßen Temperaturbe-
reich im Hinblick auf die Druckschrift (3).
b)
dioxids und der Teilionisierung unter den erfindungsgemäßen Bedingungen, die in
dem angefochtenen Beschluss verneint wurde, wird durch Druckschriften belegt,
die im Verlauf des Prüfungsverfahrens eingeführt wurden. Demnach zerfällt Koh-
lendioxid im anspruchsgemäßen Temperaturbereich von 600 bis 900 Grad Cel-
sius, wenngleich zu einem geringen Anteil, in Kohlenmonoxid und Sauerstoff
(vgl. (4) S. 718 Mitte). Auch die thermische Ionisierung des gebildeten Kohlenmo-
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noxids und Sauerstoffs findet - wenn auch in sehr geringem Umfang
– grundsätz-
lich statt (vgl. (1), (5) und (6)). Inwieweit hierbei die theoretische Interpretation des
Anmelders zur Ionisierung zutrifft, ist für die Ausführbarkeit unerheblich.
Nichts anderes ergibt sich aus der seitens des Senats zur thermischen Spaltung
von Kohlendioxid ermittelten Patent- und Fachliteratur, die dem Anmelder in der
Zwischenverfügung vom 18. Dezember 2014 mitgeteilt wurde. Demnach entste-
hen bei der nicht-thermischen und bei der thermischen Spaltung von Kohlendioxid
erhebliche Mengenanteile von Kohlenmonoxid, und ionisierte Produkte lassen sich
aus einem Fluidstrom unter dem Einfluss von Magnetfeldern ab- bzw. auftrennen
(vgl.
z. B.
US 2007/0221578 A1;
US 6 768 109 B1;
WO 2008/014168 A2;
US 2008/0017514 A1; US 2004/0265137 A1; Savinov, Sergey Y.; Lee, Hwaung;
Song, Hyung Keun; Na, Byung-Ki: Decomposition of Methane and Carbon Dioxide
in a Radio-Frequency Discharge. In: Ind. Eng. Chem. Res. 1999, Vol. 38, S. 2540-
254; Futamaru, Shigeru; Kabashima, Hajime: Production of Synthesis Gas from
H
2
O and CO
2
with Nonthermal Plasma. In: Fuel Chemistry Division Preprints 2003,
Vol. 48, Iss. 1, S. 266-267).
Deshalb kann auch im anmeldungsgemäßen Fall unter den anspruchsgemäßen
Bedingungen (600 bis 900 Grad Celsius, 2 bis 50 bar, elektromagnetisches Feld,
magnetisches Feld, Zentrifugalkraft) die Bildung von Kohlenmonoxid neben Sau-
erstoff in der Antizyklon-Strecke und von Wasserstoff neben Sauerstoff in der
Zyklonstrecke des Doppelwandlers sowie die Abtrennung von Kohlenmonoxid und
von Wasserstoff von den jeweiligen Edukten und anderen Reaktionsprodukten
nicht ausgeschlossen werden.
c)
den beiden Spaltungsreaktionen sowie in der nachfolgenden katalytischen Bildung
von Methanol aus den Spaltprodukten Kohlenmonoxid und Wasserstoff stehen der
Ausführbarkeit des Anmeldungsgegenstands nicht entgegen. Denn Fragen der
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Ausbeute, der Reinheit und der Wirtschaftlichkeit sind für die patentrechtliche Be-
wertung der Ausführbarkeit nicht in Betracht zu ziehen.
Die in dem angefochtenen Beschluss wegen der Nichtausführbarkeit des Verfah-
rens bemängelte gewerbliche Anwendbarkeit des beanspruchten Doppelwandlers
ist allein schon wegen der Herstellbarkeit einer solchen Vorrichtung und der prin-
zipiellen Durchführbarkeit des beanspruchten Verfahrens in dieser Vorrichtung an-
zuerkennen. An die gewerbliche Anwendbarkeit sind keine hohen Anforderungen
zu stellen, es genügt bereits die Möglichkeit der Herstellung oder Benutzung auf
irgendeinem gewerblichen Gebiet (§ 5 PatG).
3.
konstruktiven Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Doppelwandlers und dem
damit durchzuführenden Verfahren zur Herstellung von Methanol getragen. Weder
im Verlauf des Prüfungsverfahrens noch im Zuge der Überprüfung der Sachlage
durch den Senat konnte der Anmeldungsgegenstand als neuheitsschädlich vorbe-
schrieben nachgewiesen werden. Dabei wurden auch keine Druckschriften er-
mittelt, die dem Fachmann gegebenenfalls eine Anregung hätten liefern können
oder als Vorbild für den Anmeldungsgegenstand hätten dienen können.
Der Senat sieht auf Grund dessen keinen Anlass für eine Zurückverweisung an
das Deutsche Patent- und Markenamt und hat die Erteilung des Patents ohne
mündliche Verhandlung beschlossen (vgl. z. B. Schulte 9. Auflage: § 79 PatG,
Rdn. 17).
III. Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht dem Anmelder
– vorbehaltlich des Vorliegens der
weiteren Rechtsmittelvoraussetzungen, insbesondere des Vorliegens einer Be-
schwer
Rechtsbeschwerde
einer der nachfolgenden Verfahrensmängel gerügt wird, nämlich
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1. dass das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. dass bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung
des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. dass einem Beteiligten das Rechtliche Gehör versagt war,
4. dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertre-
ten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. dass der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist,
bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt wor-
den sind, oder
6. dass der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
innerhalb eines Monats
Beschlusses
schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als
Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe,
oder
durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmäch-
tigten in elektronischer Form bei der elektronischen Poststelle des Bundesge-
richtshof
einzureichen.
Das elektronische Dokument ist mit einer prüfbaren qualifizierten elektronischen
Signatur nach dem Signaturgesetz oder mit einer prüfbaren fortgeschrittenen
elektronischen Signatur zu versehen. Die Eignungsvoraussetzungen für eine Prü-
fung und für die Formate des elektronischen Dokuments werden auf der Internet-
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seite des Bundesgerichtshofs
bekannt
gegeben.
Dr. Feuerlein
Dr. Egerer
Dr. Hoppe
Dr. Wismeth
Pr