Urteil des BPatG vom 19.07.2016

Stickoxid, Abhängigkeit, Neuheit, Auflage

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 50/12
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 100 15 292.9-43
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in
der Sitzung vom 19. Juli 2016 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Maksymiw, des Richters Schell, der Richterin Dr. Münzberg sowie des
Richters Dr. Jäger
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
- 2 -
G r ü n d e
I.
Mit Beschluss vom 18. September 2012 hat die Prüfungsstelle für Klasse B01D
des Deutschen Patent- und Markenamts die Patentanmeldung 100 15 292.9-43
mit der Bezeichnung
„Abgasreinigungsanlage mit Stickoxid-Speicherkatalysator“
gemäß § 48 PatG zurückgewiesen.
Dem Beschluss liegen die Ansprüche 1 bis 11 gemäß Hauptantrag vom 3. Sep-
tember 2012 zugrunde, die Gegenstand der Anhörung vor der Prüfungsstelle am
18. September 2012 waren. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
- 3 -
Dem Beschluss liegen ferner die Ansprüche 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag vom
3. September 2012 zugrunde, die ebenfalls Gegenstand der Anhörung vor der
Prüfungsstelle am 18. September 2012 waren. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag hat
folgenden Wortlaut:
Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10 gemäß Hauptantrag sind auf Weiterbildun-
gen der Vorrichtung nach Anspruch 1 gerichtet; der nebengeordnete Anspruch 11
gemäß Hauptantrag betrifft die Verwendung der Vorrichtung nach einem der
Ansprüche 1 bis 10. Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 6 gemäß Hilfsantrag
betreffen Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1. Wegen des Wort-
lauts der Ansprüche 2 bis 11 gemäß Hauptantrag sowie der Ansprüche 2 bis 6
gemäß Hilfsantrag wird auf die Akten verwiesen.
Die Zurückweisung ist im Wesentlichen damit begründet, dass unklar sei, welche
Mittel unter den im jeweiligen Anspruch 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag genann-
ten „Mitteln zur Erfassung von Kraftstoffabschalt-Betriebsphasen“ zu subsumieren
seien und ob diese mit den darin ebenfalls genannten „Kraftstoffabschalt-Erfas-
- 4 -
sungsmitteln“ identisch seien. Die Unklarheit dieser Begriffe werde durch den
rückbezogenen Anspruch
2 unterstrichen, in welchem „Mittel zur Erfassung der
Temperatur des Stickoxid-
Speicherkatalysators“ genannt seien, die den „Mitteln
zur Erfassung von Kraftstoffabschalt-
Betriebsphasen“ im Anspruch 1 des Haupt-
antrags damit beigestellt würden, so dass die im Absatz [0018] der Offenlegungs-
schrift genannten Mittel offensichtlich nicht der Erfassung der Betriebsphasen des
Verbrennungsmotors dienten. Der Fachmann könne der Anmeldung somit nicht
entnehmen,
was unter „Mitteln zur Erfassung von Kraftstoffabschalt-Betriebspha-
sen“ zu verstehen sei, weshalb nicht klar sei, was mit dem jeweiligen Anspruch 1
gemäß Haupt- und Hilfsantrag unter Schutz gestellt werden solle.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie
ihr Patentbegehren auf der Grundlage der Anspruchsfassungen gemäß Haupt-
und Hilfsantrag, wie sie bereits der mündlichen Anhörung vor der Prüfungsstelle
am 18. September 2012 zugrunde lagen, weiterverfolgt.
Die Anmelderin trägt zur Begründung ihrer Beschwerde schriftsätzlich im Wesent-
lichen vor, dass sie den Einwand der mangelnden Klarheit in Bezug auf das Merk-
mal
als nicht gerecht-
fertigt ansehe. Aus ihrer Sicht ergebe sich die Bedeutung dieses Merkmals
unzweifelhaft und eindeutig bereits aus der Begrifflichkeit selbst. Zudem werde in
den ursprünglichen Unterlagen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Betrieb
bzw. eine Betriebssituation des Verbrennungsmotors mit Kraftstoffabschaltung
u. a. anhand des Betriebszustands von Kraftstoffabschalt-Steuermitteln der vor-
gesehenen Motorsteuereinheit erkannt werden könne, was für den einschlägig
tätigen Fachmann allerdings auch ohne diese ausdrückliche Offenbarung klar sei.
Des Weiteren sei die von der Prüfungsstelle vorgenommene Differenzierung zwi-
schen
und
unangemessen, abwegig und aus Gründen der
Semantik auch unzutreffend. Unzutreffend und nicht sachgerecht sei ferner die
Argumentation der Prüfungsstelle, dass durch das Merkmal des Anspruchs 2
- 5 -
diese Unklarheit bestätigt oder sogar verstärkt werde. Dem von der Prüfungsstelle
erhobenen Einwand der mangelnden Neuheit gegenüber der nachveröffentlichten
Druckschrift
D6
DE 199 52 526 A1
sei mit dem Anspruch 1 des Hauptantrags bereits Rechnung getragen worden.
Nachdem dieser Einwand im Zurückweisungsbeschluss nicht mehr aufgegriffen
worden sei, gehe die Anmelderin davon aus, dass dieser offensichtlich fallengelas-
sen wurde. Neuheit und erfinderische Tätigkeit seien von der Prüfungsstelle auch
gegenüber keinem der anderen verfahrensrelevanten Dokumente in ihrem Zurück-
weisungsbeschluss infrage gestellt worden, weshalb die Anmelderin von der
Patentierbarkeit der Gegenstände gemäß Haupt- und Hilfsantrag ausgehe.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
-
den angefochtenen Beschluss aufzuheben,
-
das Patent im Umfang der eingereichten Ansprüche 1 bis 11
gemäß Hauptantrag zu erteilen,
-
hilfsweise das Patent im Umfang der eingereichten Ansprü-
che 1 bis 6 gemäß Hilfsantrag zu erteilen und
-
weiter hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung, in der die Anmelderin vom Senat
darauf hingewiesen worden war, dass es in der mündlichen Verhandlung nicht nur
auf die Auslegung der Ansprüche bzw. die ausreichende Offenbarung ankommen
dürfte, sondern darin auch Fragen betreffend die Neuheit und erfinderische Tätig-
keit zu diskutieren sein dürften, hat die Anmelderin mit Telefax, datiert vom
30. Juni 2016, eingegangen am 1. Juli 2016, mitgeteilt, dass sie an der Beschwer-
deverhandlung nicht teilnehmen werde. Sie beantragt darin sinngemäß eine Ent-
- 6 -
scheidung nach Aktenlage. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt
verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.
1.
Die sich durch den Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle vom
18. September 2012 ergebende grundsätzliche Rechtsfrage, ob eine Patentan-
meldung aufgrund eines unklaren oder unverständlichen Patentanspruchs zurück-
gewiesen werden kann, muss vorliegend nicht geklärt werden, da im jeweiligen
Anspruch 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag klar und deutlich angegeben ist, was
damit unter Schutz gestellt werden soll (vgl. Schulte, PatG, 9. Auflage, § 34
Rdn. 110).
Um den Sinngehalt eines Anspruchs zu ermitteln ist es nach ständiger Rechtspre-
chung des Bundesgerichtshofs geboten, den Anspruch unter Heranziehung von
Beschreibung und Zeichnungen aus der Sicht des Fachmanns auszulegen (vgl.
BGH, GRUR 2012, 1124, Rdn. 27
– Polymerschaum). Dieser für das Einspruchs-
und Nichtigkeitsverfahren gültige Grundsatz ist in gleicher Weise auch im Prü-
fungsverfahren anzuwenden, da bei Patentanmeldungen der Schutzbereich nach
§ 14 PatG ebenfalls durch Auslegung der Patentansprüche zu ermitteln ist. Dem-
nach ist vorliegend durch Auslegung des Anspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag
zu klären, was der einschlägig tätige Fachmann
– hier ein Ingenieur der Verfah-
renstechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Abgasreini-
gung
– unter den darin verwendeten Begriffen
und versteht.
- 7 -
Aus der Beschreibung der Anmeldung erfährt der Fachmann, dass der Anmeldung
die Aufgabe zugrunde liegt, eine Abgasreinigungsanlage mit einem Stickoxid-
Speicherkatalysator bereitzustellen, der sich durch eine lange Lebensdauer aus-
zeichnet, wobei die Anmeldung im einleitenden Teil der Beschreibung davon aus-
geht, dass sich insbesondere hohe Temperaturbelastungen negativ auf die
Lebensdauer
von
Stickoxid-Speicherkatalysatoren
auswirken
(vgl.
DE 100 15 292 A1, Abs. [0003] und [0005]). Um den Stickoxid-Speicherkatalysator
hiervor zu schützen ist es in der Beschreibung der Anmeldung daher vorgesehen,
zu heißes bzw. zu sauerstoffreiches Abgas stromaufwärts des Stickoxid-Speicher-
katalysators entweder über eine Bypassleitung am Stickoxid-Speicherkatalysator
vorbeizuleiten, oder aber über eine Abgasrückführleitung zum Ansaugtrakt des
Verbrennungsmotors zurückzuführen (vgl. DE 100 15 292 A1, Abs. [0018] und
[0024] i. V. m. [0025]). Daraus wird für den Fachmann deutlich, dass die Überwa-
chung der Temperatur ein wesentlicher Aspekt der anmeldungsgemäßen Lehre
ist. Der Beschreibung der Anmeldung entnimmt der Fachmann allerdings, dass
zum Schutz des Stickoxid-Speicherkatalysators nicht nur die Signale von Tempe-
ratur-Sensoren sondern auch die von Lambda-Sonden, Stickoxid-Sensoren und/
oder internen Kraftstoffabschalt-Erkennungsmitteln verwendet werde können (vgl.
DE 100 15 292 A1, Sp. 3, Z. 22 bis 32 und 39 bis 48). Daraus ist für den Fach-
mann ersichtlich, dass es sich bei den diversen, in der Anmeldung genannten
Sensoren um diejenigen Mittel handelt, mit deren Hilfe die im Anspruch 1 nach
Haupt- und Hilfsantrag allgemein genannt
en „Kraftstoffabschalt-Betriebsphasen“
erfasst werden können. Davon geht der Fachmann auch deshalb aus, weil ihm
aufgrund seiner allgemeinen Fachkenntnis bekannt ist, dass eine Kraftstoffab-
schaltung Auswirkungen auf die Temperatur sowie die Zusammensetzung des
Abgases hat und eine Betriebsphase mit Kraftstoffabschaltung daher mittels Tem-
peratur- und/oder Abgassensorik erkannt werden kann.
Der Beschreibung der Anmeldung ist ferner zu entnehmen, dass mit der anmel-
dungsgemäßen Sensorik nicht nur ein Betriebszustand mit Kraftstoffabschaltung
erfasst werden kann, sondern damit über eine Motoreinheit auch ein Durchfluss-
querschnitts-Einstellorgan in einer Leitung stromaufwärts des Stickoxid-Speicher-
- 8 -
katalysators angesteuert und auf diese Weise eine Temperaturbelastung des
Stickoxid-Speicherkatalysators vermieden werden kann (vgl. DE 100 15 292 A1,
Sp. 2, Z. 64 bis Sp. 3, Z. 2). In Kenntnis dessen geht der Fachmann davon aus,
dass die beiden Begriffe im Anspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag synonym ver-
wendet werden und daher nur eine einzige Art von Mitteln umschreiben, mit denen
eine Kraftstoffabschalt-Betriebsphase sowohl erkannt als auch technisch realisiert
werden kann. Somit besteht für den Fachmann keine Notwendigkeit zwischen den
beiden Begriffen
und
zu differenzieren. Hierfür spricht auch die
Wortwahl des Anspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag. So ist zu Beginn des
kennzeichnenden Teils von
die Rede, während diese in der Folge nur noch in einer eindeutig verkürz-
ten Form als
bezeichnet werden. Ein solches
Verständnis des Anspruchs 1 ergibt sich auch aus der Verwendung des bestimm-
ten Artikels „den“ in Verbindung mit dem Begriff
, da der bestimmte Artikel voraussetzt, dass diese Mittel im Satz bereits zuvor
angesprochen wurden und dem Leser daher bereits bekannt sind. Somit führt
auch die Verwendung der beiden unterschiedlichen Begriffe
und
nicht dazu, dass der jeweilige Anspruch 1 des Haupt- und Hilfsantrags unklar for-
muliert ist.
Entgegen der Auffassung der Prüfungsstelle wird die Klarheit des Anspruchs 1
nach Haupt- und Hilfsantrag auch durch den darauf jeweils rückbezogenen
Anspruch 2 nicht in Frage gestellt. Denn der Fachmann interpretiert die Merkmale
und Begriffe eines Anspruchs stets so, wie dies angesichts der ihnen nach dem
offenbarten Erfindungsgedanken zugedachten technischen Funktion angemessen
ist, da er davon ausgeht, dass Beschreibung und Ansprüche nicht im Widerspruch
zueinanderstehen, sondern aufeinander bezogene Teile eines sinnvollen Ganzen
darstellen, mit dem ihm eine technische Lehre vermittelt wird (vgl. BGH GRUR
2015, 875, Rdn. 16
– Rotorelemente). Ausgehend davon, sowie unter Berücksich-
- 9 -
tigung der Tatsache, dass
– wie bereits zuvor angesprochen – mit der in der vor-
liegenden Anmeldung beschriebenen Lehre das Ziel verfolgt wird, Stickoxid-Spei-
cherkatalysatoren vor zu hohen Temperaturbelastungen zu schützen, erkennt der
Fachmann in den „Mitteln zur Erfassung der Temperatur“ bzw. den „Temperatur-
Erfassungsmi
tteln“ des jeweiligen Anspruchs 2 keine Mittel, um die die Abgasrei-
nigungsanlage des Anspruchs 1 nachträglich ergänzt werden soll. Er wird darin
vielmehr eine Präzisierung der Mittel des Anspruchs 1 dahingehend sehen, dass
diese zwingend Mittel zur Erfassung der Temperatur enthalten müssen, was für
den Fachmann im Hinblick auf Aufgabe und Lösung der Anmeldung technisch
sinnvoll erscheint. Eine andere Interpretation des Wortlauts von Anspruch 2 ist
auch deshalb nicht möglich, weil es sich beim geltenden Anspruch 2 um einen
echten Unteranspruch von Anspruch 1 handelt, der dem Erfindungsgedanken des
Hauptanspruchs demzufolge nichts hinzufügt, sondern lediglich spezifische Aus-
gestaltungen der im übergeordneten Anspruch beschriebenen Erfindung enthält
(vgl. Schulte, PatG, 9. Auflage, § 34 Rdn. 175).
Die Klarheit des jeweiligen Anspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag ist somit
gegeben.
2.
Die mangelnde Ausführbarkeit der anmeldungsgemäßen Lehre wurde von
der Prüfungsstelle einmalig in der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom
15. Mai 2012 pauschal beanstandet, danach im Zurückweisungsbeschluss aber
nicht mehr aufgegriffen. Da die Frage der Ausführbarkeit in § 34 (4) PatG jedoch
eng mit der Frage der Klarheit verbunden ist, ist vorliegend ergänzend festzustel-
len, dass die Lehre des jeweiligen Anspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag in
der Anmeldung nicht nur klar sondern auch so deutlich und vollständig offenbart
ist, dass ein Fachmann sie ausführen kann.
So erhält der Fachmann, wie bereits zuvor unter Punkt II.1 ausführlich dargelegt,
aus der Beschreibung der Anmeldung die Information, dass eine den Stickoxid-
Speicherkatalysator belastende Betriebssituation mit Hilfe von Lambdasonden,
- 10 -
Temperatursensoren oder Stickoxidsensoren erfasst werden kann. Auch wenn
eine solche belastende Betriebssituation mit einer Kraftstoffabschalt-Betriebs-
phase im Sinne des jeweiligen Anspruchs 1 nicht immer identisch sein muss, so
ist für den Fachmann doch einsichtig, dass die besagten Sensoren in der Lage
sind eine solche Kraftstoffabschalt-Betriebsphase zu erkennen, zumal dem Fach-
mann bekannt ist, dass sich eine Kraftstoffabschaltung auf die Temperatur und die
Zusammensetzung des Abgases auswirkt und daher mittels Temperatur- und/oder
Abgassensorik erkannt werden kann. Die Anmeldung lehrt den Fachmann ferner,
ein Durchflussquerschnitts-Einstellorgan über eine Motoreinheit in Abhängigkeit
von den Signalen der zuvor genannten Sonden und Sensoren zu steuern (vgl.
DE 100 15 292 A1, Sp. 3, Z. 42 bis 48). Angaben dazu, wie die für dessen Steue-
rung relevanten Parameter zu ermitteln sind, benötigt der Fachmann nicht. Denn
in Kenntnis der anmeldungsgemäßen Lehre muss der Fachmann in reinen Routi-
neversuchen anhand der zuvor genannten Sensoren lediglich Grenzwerte für die
Sauerstoff- und Stickoxidkonzentration sowie die Temperatur des Abgases festle-
gen, die es ermöglichen das Durchflussquerschnitts-Einstellorgan stromaufwärts
des Stickoxid-Speicherkatalysators so zu steuern, dass eine Rückführung des
Abgases in den Ansaugtrakt des Verbrennungsmotors und damit ein Schutz des
Stickoxid-Speicherkatalysators vor einer Temperaturbelastungssituationen im an-
meldungsgemäßen Sinn erreicht wird.
Die Ausführbarkeit der Lehre des geltenden Anspruchs 1 nach Haupt- und Hilfs-
antrag ist auch im Hinblick auf das darin ohne Bezugszeichen genannte und nicht
näher definierte Durchflussquerschnitts-Einstellorgan in der Abgasrückführlei-
tung (11) gegeben. Den anmeldungsgemäßen Figuren 1 bis 4 ist nämlich zu ent-
nehmen, dass sich in der Abgasrückführleitung (11) ein Bauteil mit dem Bezugs-
zeichen (12) befindet. Dieses Bezugszeichen wird im ursprünglichen Anspruch 2
im gleichen Atemzug wie die Bezugszeichen (17), (17`), (31) und (32) genannt, bei
denen es sich um Durchflussquerschnitts-Einstellorgane in der Abgaszufuhrlei-
tung (7) bzw. der Abgasrückführleitung (11) in der anmeldungsgemäßen Abgasrei-
nigungsanlage handelt. In der Beschreibung der Anmeldung findet sich darüber
- 11 -
hinaus der Hinweis, dass sich nicht nur in der Bypassleitung, sondern auch in der
Abgasrückführleitung
Durchflussquerschnitts-Einstellorgane
befinden
(vgl.
DE 100 15 292 A1, Sp. 1, Z. 58 bis Sp. 2, Z. 1). Ergänzend hierzu erhält der Fach-
mann aus der Beschreibung der Anmeldung die Information, dass das Durchfluss-
querschnitts-Einstellorgan (12) in der Abgasrückführleitung (11) u. a. als Abgas-
rückführventil ausgestaltet sein kann (vgl. DE 100 15 292 A1, Sp. 2, Z. 49 bis 51
und Abs. [0020]).
In Anbetracht all dessen liefert die Anmeldung dem Fachmann so viel an techni-
scher Information, dass der Fachmann die darin beschriebene technische Lehre
unter Einsatz seines Fachwissens praktisch verwirklichen kann (vgl. Schulte,
PatG, 9. Auflage, § 34 Rdn. 349).
III.
Die Abgasreinigungsanlage des geltenden Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag wird
vom Inhalt der Druckschrift D6 jedoch neuheitsschädlich getroffen.
Die anmeldungsgemäße Anlage weist folgende Merkmale auf:
(1)
Abgasreinigungsanlage für einen Kraftfahrzeug-Verbrennungsmotor mit
(1.1)
einem Stickoxid-Speicherkatalysator und
(1.2)
Mitteln zur Regulierung der dem Stickoxid-Speicherkatalysator zuge-
führten Abgasmenge, bestehend aus
(1.2.1) einer Abgasrückführleitung, die stromaufwärts des Stickoxid-Spei-
cherkatalysators vom Abgasstrang abzweigt und zu einem Ansaug-
trakt des Verbrennungsmotors führt, mit einem Durchflussquer-
schnitts-Einstellorgan, wobei
(1.2.2) das Durchflussquerschnitts-Einstellorgan in Abhängigkeit von Kraft-
stoffabschalt-Erfassungsmitteln bzw. Mitteln zur Erfassung von Kraft-
stoffabschalt-Betriebsphasen gesteuert wird.
- 12 -
Aus der Druckschrift D6 ist eine Brennkraftmaschine für Kraftfahrzeuge bekannt,
die mit einem Stickoxid-Speicherkatalysator (12) ausgestattet ist, wobei in der D6
davon ausgegangen wird, dass für den Betrieb des Stickoxid-Speicherkatalysators
die Einhaltung einer definierten Grenztemperatur erforderlich ist (vgl. D6, Fig. 1
i. V. m. Sp. 4, Z. 22 bis 28). Um die Überschreitung dieser Grenztemperatur zu
vermeiden, sieht es die Lehre der D6 vor, die dem Katalysator zugeführte Abgas-
menge in Abhängigkeit von der Temperatur des Katalysators bzw. des Abgases
zu regeln (vgl. D6, Ansprüche 1 bis 3). Für die Regelung der Abgasmenge werden
in der D6 Temperatursensoren verwendet. Deren Signale werden an eine Steuer-
einheit weitergeleitet, mittels derer die Stellung eines Abgasrückführventils und
darüber letztendlich die Abgasrückführrate geregelt wird (vgl. D6, Sp. 4, Z. 29 bis
38 und 43 bis 55). Wie bereits zuvor unter Punkt II.1 festgestellt, umfassen die
anmeldungsgemäßen Kraftstoffabschalt-Erfassungsmittel ebenfalls Temperatur-
sensoren, wie sie in der Druckschrift D6 beschrieben werden. Zudem entsprechen
die in der D6 beschriebenen Abgasrückführventile den anmeldungsgemäßen
Durchflussquerschnitts-Einstellorganen, da diese in den anmeldungsgemäßen
Ausführungsbeispielen als Bypassventil (17), Absperrventil (17`, 31, 32) oder Ab-
gasrückführventil (12) ausgestaltet sind (vgl. DE 100 15 292 A1, Sp. 3, Z. 28, 44,
55 und 67). Folglich offenbart die Druckschrift D6 eine Abgasreinigungsvorrichtung
für Brennstoffkraftmaschinen, in der
– entsprechend den anmeldungsgemäßen
Merkmalen (1), (1.1), (1.2) und (1.2.2.)
– ein Durchflussquerschnitts-Einstellorgan
in Abhängigkeit von Kraftstoffabschalt-Erfassungsmitteln gesteuert wird.
Die Abgasrückführung ist in der Vorrichtung der D6 so konzipiert, dass vom
Abgasrohr (8) stromaufwärts des Stickoxid-Speicherkatalysators (12) ein Abgas-
rückführrohr (13) abzweigt, welches in das Ansaugrohr (7) mündet. Im Abgasrück-
führrohr (13) befindet sich das Abgasrückführventil (14), mit dem die Menge des in
das Ansaugrohr (7) rückgeführten Abgases eingestellt werden kann (vgl. D6,
Sp. 3, Z. 5 bis 11 i. V. m. Fig. 1 und Anspruch 8). Damit weist die Vorrichtung der
D6 auch eine Abgasrückführung auf, wie sie im anmeldungsgemäßen Merk-
mal (1.2.1) beschrieben wird.
- 13 -
In ihrem Schriftsatz vom 23. Juli 2012, eingegangen am 26. Juli 2012, hat die
Anmelderin im Prüfungsverfahren die Neuheitsschädlichkeit der D6 mit dem Argu-
ment bestritten, dass in der D6 kein Durchflussquerschnitts-Einstellorgan offenbart
sei, welches in Abhängigkeit von Kraftstoffabschalt-Erfassungsmitteln tatsächlich
angesteuert werden könne (vgl. Schriftsatz der Anmelderin, S. 3, Punkt II.2). Die-
ses Argument vermag nicht zu überzeugen. Denn in der D6 wird expressis verbis
angegeben, dass das Steuergerät (18) in Abhängigkeit von der von dem Tempera-
tursensor (23) gemessenen Temperatur über das Abgasrückführventil (14) die
Abgasrückführrate der Abgasrückführung beeinflusst (vgl. D6, Sp. 4, Z. 43 bis 46).
Demzufolge muss das Abgasrückführventil (14) in der D6 so ausgestaltet sein,
dass es abhängig von den Signalen des Temperatursensors (23) über eine Motor-
einheit gesteuert werden kann. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass in der
D6 von einem Abgasrückführventil und einem Temperatursensor die Rede ist und
nicht wie im Anspruch 1 des Hauptantrags von einem Durchflussquerschnitts-Ein-
stellorgan und einem Kraftstoffabschalt-Erfassungsmittel. Denn wie bereits zuvor
dargelegt, umschreiben die anmeldungsgemäß verwendeten Begriffe „Durchfluss-
querschnitts-
Einstellorgan“ und „Kraftstoffabschalt-Erfassungsmittel“ keine ande-
ren Bauteile als sie im Verfahren der D6 verwendet werden.
Auch eine Berücksichtigung des Vorbringens der Anmelderin in ihrem Beschwer-
deschriftsatz vom 24. Oktober 2012, eingegangen am 27. Oktober 2012, führt
ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage. Die Anmelderin sieht darin
die Neuheit der anmeldungsgemäßen Abgasreinigungsanlage gegenüber der D6
deshalb als gegeben an, weil die von ihr beanspruchte Abgasreinigungsanlage im
Patentanspruch vom 23. Juli 2012 einen Stickoxid-Speicherkatalysator mit vorge-
schaltetem Oxidationskatalysator aufweise und die D6 eine solche Katalysator-
kombination nicht offenbare. Insoweit ist den Ausführungen der Anmelderin zuzu-
stimmen. Nicht zutreffend ist allerdings die weitergehende Feststellung der Anmel-
derin, dass Gleiches auch für den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 gemäß
Hauptantrag vom 3. September 2012 gelte (vgl. Beschwerdeschriftsatz der Anmel-
derin vom 24. Oktober 2012, S. 2/3, Punkt I.1). Denn hierbei ist zu beachten, dass
- 14 -
in der Abgasreinigungsanlage nach dem geltenden Anspruch 1 des Hauptantrags
eine solche Katalysatorkombination nicht mehr vorgesehen ist, so dass der von
der Anmelderin in ihrem Beschwerdeschriftsatz vorgebrachte Einwand vorliegend
nicht mehr durchgreift.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist somit nicht neu und der
Anspruch 1 gemäß Hauptantrag folglich nicht gewährbar.
IV.
Da sich der Anspruch 1 des Hilfsantrags nur in der Anspruchskategorie nicht aber
in den technischen Merkmalen vom Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet,
gelten die vorangegangenen Ausführungen für den Anspruch 1 des Hilfsantrags
entsprechend. Der Anspruch 1 des Hilfsantrags ist damit mangels Neuheit eben-
falls nicht gewährbar. Die übrigen Ansprüche gemäß Hilfsantrag teilen das Schick-
sal des Hauptanspruchs (vgl. BGH GRUR 1997, 120
– Elektrisches Speicherheiz-
gerät; BGH GRUR 2007, 862
– Informationsübermittlungsverfahren II).
V.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Verfahrensbeteiligten das Rechtsmittel der
Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat,
ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
- 15 -
1.
das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5.
der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6.
der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses von einer beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwältin
oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt beim Bun-
desgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, eingereicht werden.
Dr. Maksymiw
Schell
Dr. Jäger
Dr. Münzberg
Fa