Urteil des BPatG vom 03.07.2014

Stand der Technik, Fig, Patent, Auflage

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
12 W (pat) 1/14
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
3. Juli 2014
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2004 060 910.1-13
hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Ing. Schneider, der Richterin Bayer sowie der Richter
Dr.-Ing. Krüger und Dipl.-Ing. Ausfelder
- 2 -
beschlossen:
Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F01L des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 12. Juni 2008 wird aufgehoben und das
Patent mit der Bezeichnung „Zylinderkopf“ mit folgenden Unterlagen
erteilt:
Patentansprüche 1 bis 7, eingegangen am 30. Juni 2014,
Beschreibung Seiten 1 bis 4, eingegangen am 30. Juni 2014,
Seiten 5 bis 11, eingegangen am 16. März 2005
und Zeichnungen (Fig. 1 bis Fig. 7, Fig. 8A bis 8C und Fig. 9)
gemäß Offenlegungsschrift.
G r ü n d e
I
Die Beschwerdeführerin ist Anmelderin der Patentanmeldung 10 2004 060
910.1-13 mit der Bezeichnung
„Zylinderkopf“, die am 17. Dezember 2004 beim
Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist, und die die Unionspriorität
der japanischen Voranmeldung JP 2003-419008 vom 17. Dezember 2003 in An-
spruch nimmt.
Mit in der Anhörung vom 12. Juni 2008 verkündetem Beschluss hat die Prü-
fungsstelle für Klasse F01L des Deutschen Patent- und Markenamts die An-
meldung zurückgewiesen. In der schriftlichen Begründung ist dazu ausgeführt,
- 3 -
dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit
beruhe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 2. September 2008 eingelegte
Beschwerde der Anmelderin.
Die Anmelderin stellte den Antrag,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F01L des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 12. Juni 2008 aufzuheben und das
Patent mit der Bezeichnung „Zylinderkopf“ mit folgenden Unterlagen zu
erteilen:
Patentansprüche 1 bis 7, eingegangen am 30. Juni 2014,
Beschreibung Seiten 1 bis 4, eingegangen am 30. Juni 2014,
Seiten 5 bis 11, eingegangen am 16. März 2005
(Seiten 34 bis 40 der Amtsakte)
und Zeichnungen (Fig. 1 bis Fig. 7, Fig. 8A bis 8C und Fig. 9)
gemäß Offenlegungsschrift.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
Zylinderkopf (20) mit
einer inneren Bodenfläche (22);
mindestens einem Lagerungsabschnitt (23, 24), der von der inneren
Bodenfläche (22) nach oben ragt und über den eine Nockenwelle (27, 28)
drehbar auf dem Zylinderkopf (20) angebracht ist; und
- 4 -
einer Stößelführung (29, 30), wobei in die Stößelführung (29, 30) ein
Stößel (31, 41) eingesetzt ist, über welchen ein Einlaßventil (34) oder ein
Auslaßventil (44) mittels einer Nocke (32, 42) der Nockenwelle (27, 28)
angetrieben wird,
wobei die Stößelführung (29, 30) den direkt von der Nocke (32, 42)
der Nockenwelle (27, 28) entlang seiner axialen Richtung angetriebenen
Stößel (31, 41) führt,
wobei die Stößelführung (29, 30) eine obere Endfläche (61, 62)
aufweist, die so ausgebildet ist, daß sie höher als eine Position eines
oberen Totpunktes des Stößels (31, 41) ist,
wobei ein Abschnitt der oberen Endfläche (61, 62) in einer Richtung
rechtwinklig zu einer Richtung einer Mittellinie der Nockenwelle (27, 28)
mit einem nach unten gerichteten Aussparungsabschnitt (63, 64) so
ausgebildet ist, dass sich die oberen Endflächen (61, 62) nicht mit
Ortskurven der rotierenden Nocken (32, 42) überschneiden, und
wobei eine obere Wanddicke (67, 68) eines mit dem Aus-
sparungsabschnitt (63, 64) ausgebildeten Abschnittes größer als eine
untere Wanddicke (91, 92) des Abschnitts und größer als eine obere
Wanddicke der nicht mit dem Aussparungsabschnitt (63, 64) ausge-
bildeten Abschnitte ausgebildet ist.
Die Ansprüche 2 bis 7 sind unmittelbar bzw. mittelbar auf den geltenden An-
spruch 1 rückbezogen.
Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind als Stand der
Technik die folgenden Druckschriften berücksichtigt worden:
- 5 -
D1)
DE 2 342 530 A
D2)
DE 83 26 935 U1
D3)
AT 404 387 B
D4)
GB 2 192 430 A
D5)
US 5 727 524 A
D6)
EP 1 134 402 A2
D7)
JP 2003 184519 AA
Patent Abstracts of Japan
D8)
Böge, Alfred: Mechanik und Festigkeitslehre, Friedr. Vieweg & Sohn,
Braunschweig, 17. Auflage 1979, Seite 259
In der Anmeldung waren bereits genannt:
VAG1)
JP 2841307 B1
VAG2)
JP 8-8285 Y2
Wegen des Wortlauts der rückbezogenen Ansprüche und wegen weiterer Ein-
zelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
1) Die Beschwerde ist zulässig und hat auch Erfolg, da der Gegenstand des
nunmehr geltenden Anspruchs 1 neu ist und auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
2) Der geltende Anspruch 1 lässt sich wie folgt gliedern:
M1
Zylinderkopf (20) mit
einer inneren Bodenfläche (22);
mindestens einem Lagerungsabschnitt (23, 24),
der von der inneren Bodenfläche (22) nach oben ragt
und über den eine Nockenwelle (27, 28)
- 6 -
drehbar auf dem Zylinderkopf (20) angebracht ist; und
einer Stößelführung (29, 30),
wobei in die Stößelführung (29, 30) ein Stößel (31, 41) eingesetzt ist,
über welchen ein Einlaßventil (34) oder ein Auslaßventil (44)
mittels einer Nocke (32, 42) der Nockenwelle (27, 28) angetrieben
wird,
wobei die Stößelführung (29, 30)
den direkt von der Nocke (32, 42) der Nockenwelle (27, 28)
entlang seiner axialen Richtung angetriebenen Stößel (31, 41) führt,
M2
wobei die Stößelführung (29, 30)
eine obere Endfläche (61, 62) aufweist, die so ausgebildet ist, dass
sie höher als eine Position eines oberen Totpunktes des Stößels (31,
41) ist,
M3
wobei ein Abschnitt der oberen Endfläche (61, 62) in einer Richtung
rechtwinklig zu einer Richtung einer Mittellinie der Nockenwelle (27,
28) mit einem nach unten gerichteten Aussparungsabschnitt (63, 64)
so ausgebildet ist, dass sich die oberen Endflächen (61, 62)
nicht mit Ortskurven der rotierenden Nocken (32, 42) überschneiden,
und
M4
wobei eine obere Wanddicke (67, 68) eines
mit dem Aussparungsabschnitt (63, 64) ausgebildeten Abschnittes
größer [ausgebildet ist] als eine untere Wanddicke (91, 92) des
Abschnitts,
M4.1
und größer [ausgebildet ist] als eine obere Wanddicke
der nicht mit dem Aussparungsabschnitt (63, 64) ausgebildeten
Abschnitte.
3) Als Fachmann zuständig ist vorliegend ein Maschinenbauingenieur der Fach-
richtung Brennkraftmaschinen mit Erfahrung im Bereich der Konstruktion von
Zylinderköpfen.
- 7 -
4) Nach dem Verständnis dieses Fachmanns betrifft die Erfindung einen Zylin-
derkopf einer Brennkraftmaschine mit einer Stößelführung zum Führen eines von
einer Nocke einer Nockenwelle angetriebenen Stößels, über welchen ein Einlass-
oder Auslassventil bewegt wird, siehe Absatz 0001 der Offenlegungsschrift (OS).
Der Stößel ist dabei in einer Bohrung geführt, die auf einem Teil ihres Umfangs
von einem Nockenwellen-Lagerungsabschnitt (23 in Fig. 6 der Anmeldung) bzw.
von einer Zylinderkopf-Seitenwand (21 in Fig. 6) umgeben sein kann, und die auf
dem verbleibenden Teil ihres Umfangs von der eigentlichen, in der Regel im
Wesentlichen zylindrischen Stößelführung (29 in Fig. 6) umgeben ist.
Die in der Anmeldung angegebene Aufgabe, siehe Abs. 0006 der OS, lässt sich in
drei Teilaufgaben gliedern,
- effektiv Öl auf einer Oberfläche eines Stößels so zu speichern,
- dass sich eine Nocke einer rotierenden Nockenwelle
nicht mit einer oberen Endfläche einer Stößelführung überschneidet,
- und die Festigkeit der Stößelführung sicherzustellen.
Erfindungsgemäß ist zur Lösung der ersten dieser drei Teilaufgaben vorgesehen,
dass gemäß dem Merkmal M2
die Stößelführung (29, 30)
eine obere Endfläche (61, 62) aufweist, die so ausgebildet ist, dass sie
höher als eine Position eines oberen Totpunktes des Stößels (31, 41) ist.
Mit dieser Verlängerung der Stößelführung nach oben soll verhindert werden, dass
auf der Oberseite des Stößels sich befindendes Öl seitlich vom Stößel herunter
läuft.
Zugleich entstünde damit jedoch ein Bereich einer Überschneidung der Stößel-
führung mit der Bahn der rotierenden Nocke. Diese Überschneidung zu ver-
hindern, ist als zweite Teilaufgabe angegeben.
- 8 -
Zur Lösung der zweiten Teilaufgabe ist vorgesehen, dass gemäß dem Merkmal
M3
ein Abschnitt der oberen Endfläche (61, 62) in einer Richtung
rechtwinklig zu einer Richtung einer Mittellinie der Nockenwelle (27, 28)
mit einem nach unten gerichteten Aussparungsabschnitt (63, 64)
so ausgebildet ist, dass sich die oberen Endflächen (61, 62)
nicht mit Ortskurven der rotierenden Nocken (32, 42) überschneiden.
Anschaulich ausgedrückt wird dort, wo die Nocke mit der Stößelführung kollidieren
würde, eine Aussparung (63 in Fig. 4 und 6 der OS) vorgesehen.
Damit wird jedoch die Stößelführung zugleich auch geschwächt. Trotzdem eine
ausreichende Festigkeit der Stößelführung sicherzustellen, ist als dritte Teilauf-
gabe angegeben.
Zur Lösung der dritten Teilaufgabe ist vorgesehen, dass der unterhalb der
Aussparung verbliebene Wandabschnitt der Stößelführung dicker ausgeführt ist.
Im Anspruch 1 ist dazu im Einzelnen angegeben, dass dieser Wandabschnitt oben
dicker sein soll als unten, dass also gemäß dem Merkmal M4
eine obere Wanddicke (67, 68) eines
mit dem Aussparungsabschnitt (63, 64) ausgebildeten Abschnittes
größer ausgebildet ist als eine untere Wanddicke (91, 92) des Abschnitts,
und dass weiterhin
– in Umfangsrichtung der Stößelführung gesehen – die Wand
im Bereich der Aussparung oben dicker sein soll als dort, wo keine Aussparung
ist, dass also gemäß dem Merkmal M4.1
eine obere Wanddicke (67, 68) des
mit dem Aussparungsabschnitt (63, 64) ausgebildeten Abschnittes
größer ausgebildet ist als eine obere Wanddicke
der nicht mit dem Aussparungsabschnitt (63, 64) ausgebildeten Abschnitte.
- 9 -
5) Die geltenden Ansprüche sind zulässig.
Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus dem ursprünglichen Anspruch 1 sowie
hinsichtlich der im Merkmal M1 hinzugefügten Angaben zum Zylinderkopf aus
Seite 5, Zeilen 19 bis 28 der Anmeldung (Absatz 0020 OS) und hinsichtlich des
Merkmals M4.1 aus Seite 11, Zeilen 14 bis 20 (Ende des Abs. 0036 OS) und aus
der Figur 6.
Die Unteransprüche 2 bis 5 ergeben sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 2
bis 5, Unteranspruch 6 aus Seite 6, Zeilen 28 bis 32 der Anmeldung (Absatz
0025 OS) und Unteranspruch 7 aus Seite 7, Zeilen 1 bis 5 der Anmeldung (Absatz
0026 OS).
6) Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu und beruht auch auf
erfinderischer Tätigkeit.
Keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen offenbart einen
Zylinderkopf mit einer Stößelführung gemäß dem Merkmal M4.1. Auch ein in diese
Richtung führender Hinweis lässt sich den Druckschriften nicht entnehmen, so
dass ein solcher Zylinderkopf auch durch eine Zusammenschau des Standes der
Technik nicht nahegelegt wird.
7) Die Unteransprüche betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des Zylinder-
kopfes nach Anspruch 1. Sie sind daher ebenfalls gewährbar.
8) Die Sache war entscheidungsreif, eine Zurückverweisung an das Deutsche
Patent- und Markenamt war nicht erforderlich. Zwar wurde der Anspruch 1 durch
Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung konkretisiert, dies hat jedoch im
- 10 -
vorliegenden Fall keine Nachrecherche erforderlich gemacht. Denn die im Merk-
mal M1 des Anspruchs 1 ergänzten Angaben betreffen nur den insoweit üblichen
und auch aus dem ermittelten Stand der Technik bekannten Aufbau des Zylin-
derkopfes, und das weiter ergänzte Merkmal M4.1 präzisiert lediglich die Be-
schreibung der Form der Stößelführung, die bereits Schwerpunkt der patent-
amtlichen Recherche gewesen war (vgl. Schulte, PatG, 9. Auflage, § 79, Rdn. 27).
III
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder
stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
- 11 -
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch
einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten
schriftlich einzulegen.
Schneider
Bayer
Krüger
Ausfelder
Me