Urteil des BPatG vom 06.10.2016

Stand der Technik, Neuheit, Übertragung, Rechtsmittelbelehrung

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
12 W (pat) 1/12
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
6. Oktober 2016
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2010 016 527.1-26
hat der 12. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter
Dipl.-Ing. Ganzenmüller, der Richterin Bayer sowie der Richter Dipl.-Ing. Schlenk
und Dr.-Ing. Krüger
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Patentanmeldung 10 2010 016 527.1-26
mit der Bezeichnung „Karrenbal-
kenstanze
“ ist am 19. April 2010 beim Deutschen Patent und Markenamt einge-
gangen.
Auf den Erstbescheid der Prüfungsstelle für Klasse B26F vom 29. November 2010
beantragte die Anmelderin, das Patent mit den ursprünglich eingereichten Patent-
ansprüchen 1 bis 5 zu erteilen, da der vorliegende Anmeldungsgegenstand auf
einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen die Zurückweisung der Patentanmeldung durch die Prüfungsstelle für
Klasse B26F mit Beschluss vom 28. September 2011, hat die Anmelderin am
3. November 2011 fristgerecht Beschwerde eingelegt.
Die Beschwerdeführerin macht schriftsätzlich geltend, der Gegenstand des veröf-
fentlichten Anspruchs 1 sei nach ihrer Auffassung entgegen der im Zurückwei-
sungsbeschluss der Prüfungsstelle angeführten Argumentation sowohl neu als
auch erfinderisch.
Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt,
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die Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses und die
Patenterteilung auf Grundlage der ursprünglich eingereichten
Unterlagen.
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Wie mit Eingabe vom 5. Oktober 2016 angekündigt, haben weder der Vertreter
noch die Partei den Termin zur mündlichen Verhandlung am 6. Oktober 2016
wahrgenommen.
Aus dem Beschwerdeverfahren und dem vorangegangenen Prüfungsverfahren
sind unter anderem folgende Druckschriften bekannt:
D1
EP 1 442 850 B1
D3
Lueger: Lexikon der Technik, Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart, 1968,
Bd. 8/9, S.
208, „Exzenterpresse“ (wurde vom Senat am 27.09.2016 über-
sandt).
Der geltende Patentanspruch 1 der Anmeldung lautet in gegliederter Form:
A
Karrenbalkenstanze mit einem elektromotorischen Antrieb wenigstens eines
Stanzwerkzeuges,
B
das durch eine Abwärts- und eine Aufwärtsbewegung den Stanzvorgang
ausführt,
dadurch gekennzeichnet,
C
dass die Übertragung der Bewegung der Abtriebswelle des Elektromotors
derart ausgelegt ist,
dass der Elektromotor unter Beibehaltung der Drehrichtung sowohl die
Abwärtsbewegung des wenigstens einen Stanzwerkzeuges bewirkt wie
auch die Aufwärtsbewegung des wenigstens einen Stanzwerkzeuges.
Wegen der dem Anspruch 1 nachgeordneten Ansprüche 2 bis 5 sowie wegen
weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
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II.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 73 PatG), jedoch unbegründet.
Eine Überprüfung des angefochtenen Beschlusses im Rahmen des Beschwerde-
verfahrens und anhand der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argu-
mente hat ergeben, dass die Prüfungsstelle für Klasse B26F des Deutschen
Patent- und Markenamts die vorliegende Patentanmeldung zu Recht zurückge-
wiesen hat, da der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 nicht erfinderisch ist.
Die gewerbliche Anwendbarkeit des Anmeldungsgegenstandes ist aufgrund seiner
Zweckbestimmung ohne weiteres anzuerkennen.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist auch neu. Dies ergibt sich daraus,
dass die nächstkommende Druckschrift EP 1 442 850 B1 (D1) zwar eine Karren-
balkenstanze im Sinne der vorliegenden Anmeldung, also eine Stanzmaschine mit
horizontal über dem Stanzgut verfahrbaren Stanzwerkzeugen, zeigt (vgl. D1,
Fig. 1 und Abs. 0014 bis 0015), die jedoch mit einem andersartigen elektromotori-
schen Antrieb („electric mover 9“), nämlich mit einem Spindelantrieb ausgestattet
sind, um eine vertikale Ab-
und Aufwärtsbewegung einer Stanzplatte („striking
surface 15 to which there are fixed dink
ing dies“) auszuführen (s. Abs. 0015 und
0016).
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist jedoch nicht erfinderisch (§ 4 PatG).
Als Fachmann ist hier von einem Dipl.-Ing. des Maschinenbaus mit langjähriger
Erfahrung in der Entwicklung von Stanzmaschinen und -einheiten auszugehen.
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Die nächstkommende Druckschrift D1 (EP 1 442 850 B1) lehrt ein
e „Karrenbal-
kenstanze“ mit elektromechanischem Antrieb gemäß dem Oberbegriff des gelten-
den Anspruchs 1. Bei dieser bekannten Karrenbalkenstanze mit Spindelantrieb ist
jedoch die Bewegungsrichtung der Stanzplatte (des Stanzwerkzeugs) von der
Drehrichtung des Elektromotors abhängig. Bei einem Rechtsgewinde der Spindel
bedeutet dies beispielsweise, dass bei einer Rechtsdrehung der Spindel sich das
Stanzwerkzeug abwärts bewegt und der Stanzvorgang vorgenommen wird, bei
einer Linksdrehung wird das Werkzeug wieder in seine Ruhelage abgehoben (Auf-
wärtsbewegung).
Wie bereits bei der Neuheit erörtert unterscheidet sich der Gegenstand der
Patentanmeldung von diesem Stand der Technik durch die Merkmale des Kenn-
zeichens.
Dem Fachmann ist jedoch dieses Merkmal grundsätzlich bekannt.
Als gebräuchliches Fachlexikon lehrt die D3, S. 208, dass sich für Stanzvorgänge
eine Exzenterpresse eignet, bei der also die Übertragung der Bewegung der
Abtriebswelle (a) so ausgelegt ist, dass unter Beibehaltung der Drehrichtung
sowohl die Abwärtsbewegung wie auch die Aufwärtsbewegung des Stanzwerk-
zeugs bewirkt wird.
Es war daher für den Fachmann naheliegend, diese ausdrücklich für Stanzvor-
gänge geeignete Bewegungsübertragung auch bei einer Karrenbalkenstanze ent-
sprechend dem Oberbegriff des Anspruchs 1 vorzusehen.
Damit gelangt er ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1.
Die Hinweise der Beschwerdeführerin auf das erhebliche Marktvolumen der Kar-
renbalkenstanzen insgesamt oder dass die anmeldungsgemäße Ausgestaltung
des Antriebs einer Karrenbalkenstanze bisher noch nicht umgesetzt wurde, kön-
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nen als Beweisanzeichen die erfinderische Tätigkeit nicht begründen, da die
bloße Neuheit eines Gegenstandes noch kein Beleg für dessen Beruhen auf einer
erfinderischen Tätigkeit ist.
Auf Grund des Antragsprinzips fallen auch die direkt oder indirekt auf Anspruch 1
rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 5 mit diesem.
Darüber hinaus ist eine eigenständige patentbegründende Bedeutung für die den
Ansprüchen 1 nachgeordneten Unteransprüche nicht geltend gemacht worden
und für den Senat auch nicht erkennbar. Über die jeweiligen Unteransprüche
muss auch nicht befunden werden, da über einen Antrag nur einheitlich entschie-
den werd
en kann (BGH in GRUR 1997, 120 „Elektrisches Speicherheizgerät“).
Bei dieser Sachlage war die Beschwerde zurückzuweisen.
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Ganzenmüller
Bayer
Schlenk
Dr. Krüger
Fa