Urteil des BPatG vom 18.09.2014

Stand der Technik, Kupfer, Zink, Anteil

BPatG 154
05.11
BUNDESPATENTGERICHT
11 W (pat) 9/10
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
18. September 2014
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 197 50 586
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hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 18. September 2014 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Höchst sowie der Richter Eisenrauch,
Dr.-Ing. Fritze und Dipl.-Ing. Fetterroll
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Auf die am 17. November 1997 beim Deutschen Patent- und Markenamt einge-
reichte Patentanmeldung ist die Erteilung des Patents 197 50 586 mit der Be-
zeichnung
am 16. Mai 2007 veröffentlicht worden.
Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden, worauf die Patentabteilung 24
des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent durch Beschluss vom
10. November 2009 widerrufen hat.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin.
Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin stellt den Antrag, den angefochtenen
Beschluss aufzuheben und die Aufrechterhaltung des Patents zu beschließen.
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Hilfsweise beantragt sie, den angefochtenen Beschluss insoweit aufzuheben, als
das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechterhalten wird:
- Neuer Patentanspruch 1, gemäß dem in der mündlichen Verhandlung
überreichten Hilfsantrag 1
- Übrige Patentansprüche und Unterlagen wie erteilt.
In der mündlichen Verhandlung hat sie vorgetragen, dass die Gegenstände der
Patentansprüche sowohl nach Haupt- als auch nach Hilfsantrag 1 neu seien sowie
auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.
Die Einsprechende und Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, der Gegenstand des Patent-
anspruchs 1 beruhe sowohl nach Haupt- als auch nach Hilfsantrag 1 nicht auf
einer erfinderischen Tätigkeit.
Zur Stützung ihres Vortrags bezieht sich die Beschwerdegegnerin u. a. auf
folgende Druckschriften:
E29 HANEBUTH, Henning: Laserstrahlhartlöten mit Zweistrahltechnik.
Meisenbach Verlag, Bamberg, 1996, ISBN 3-87525-074-5
E31 DIN 1733 Teil 1, Juni 1988, Schweißzusätze für Kupfer und Kupfer-
legierungen.
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Der geltende Anspruch 1 nach dem Hauptantrag lautet in gegliederter Fassung:
M1
Laser-Lötverfahren zur Verlötung zweier oder mehrerer
Werkstücke (2, 3, 12, 13, 16, 17, 18) miteinander, die vor-
zugsweise als Bleche ausgeführt sind,
M2
mittels mindestens eines den Lötbereich (11) einer Wärme-
strahlung aussetzenden Laserstrahls (10, 19, 20, 23),
M3
unter Zufuhr eines Lots (9) in den Lötbereich (11),
M4
wobei als Lot (9) eine auf Kupfer basierende Legierung
Verwendung findet
M5
und das Lot (9) eine Beimischung von Silizium enthält,
dadurch gekennzeichnet, dass
M6
das Lot (9) aus etwa 97 Gew.-% Kupfer und etwa 3 Gew.-%
Silizium besteht.
Der mit dem Hilfsantrag 1 verteidigte Anspruch 1 unterscheidet sich vom Anspruch
1 des Hauptantrags lediglich durch das zusätzliche Merkmal M7:
M7
wobei der Laserstrahl (10, 19, 20, 23) das Lot (9) in dessen
Berührungsbereichen zu den Blechen (17, 18) aufschmilzt.
Zu den diesen Ansprüchen jeweils nachgeordneten Ansprüchen und wegen der
weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten ver-
wiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Der Einspruch ist zulässig eingelegt worden.
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Das angegriffene Patent betrifft ein Laser-Lötverfahren, insbesondere ein Laser-
Lötverfahren zur Verlötung zweier oder mehrerer Werkstücke miteinander, die
vorzugsweise als Bleche ausgebildet sind, mittels mindestens eines den Löt-
bereich einer Wärmestrahlung aussetzenden Laserstrahls unter Zufuhr eines Lots
in den Lötbereich (vgl. Abs. [0001] der Patentschrift).
Die für das Laserstrahlhartlöten bekannten Lotwerkstoffe CuZn40 oder Ag55Sn
hätten in der Praxis den Nachteil einer geringen Arbeitsgeschwindigkeit (Be-
schwerdebegründung S. 2, letzter Absatz).
Dem angegriffenen Patent liege deshalb die objektive Aufgabe zugrunde, einen
Lotwerkstoff zu finden, welcher hohe Arbeitsgeschwindigkeiten gestatte und bei
dem zugleich das Problem der Zinkentgasung, also dem starken Verdampfen von
Zink aus dem schmelzflüssigen Lot mit der Folge einer erhöhten Porenbildung
vermieden werden könne (Beschwerdebegründung S. 2, letzter Absatz).
Der mit der Lösung dieser Aufgaben betraute Fachmann ist ein Ingenieur des
Maschinenbaus mit Vertiefungsrichtung Fertigungstechnik, der eine mehrjährige
Erfahrung auf dem Gebiet der Löt-und Schweißtechnik aufweist.
Zum Hauptantrag
Die geltenden Ansprüche des Hauptantrags sind zulässig; dies ist unstreitig.
Das Verfahren nach Anspruch 1 des Hauptantrags mag zwar neu und gewerblich
anwendbar sein, jedoch beruht es nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (§§ 1
und 4 PatG).
Die Druckschrift E29 kann als geeigneter Ausgangspunkt für die Beurteilung der
erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden. Ziel der in der E29 beschriebenen
Untersuchung ist, grundlegendes Wissen über das Laserstrahlhartlöten von Blech-
formteilen, beispielweise in der Karosseriefertigung, mit Zweistrahltechnik für
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einen automatisierten Hartlötprozess zu erarbeiten (vgl. Abschnitt 3, 2. Absatz).
Ein wesentlicher Unterschied des Laserstrahllötens zum konventionellen Löten
besteht in der lokal eng begrenzten Energieeinbringung des Laserstrahls in
Verbindung mit hohen Vorschubgeschwindigkeiten, was zu sehr kurzen charak-
teristischen Lötzeiten führt (vgl. Abschnitt 2.3.4, 4. Abs.). Die Untersuchung
beschreibt demnach ein Laser-Lötverfahren zur Verlötung zweier oder mehrerer
Werkstücke miteinander, die vorzugsweise als Bleche ausgeführt sind (vgl. auch
Bild 4.1, S. 37 der E29; Merkmal M1).
Das untersuchte Verfahren gemäß der Druckschrift E29 sieht hierzu folgende
Schritte vor (vgl. Bild 4.1, S. 37):
- die Blechformteile 4 werden mittels mindestens eines den Lötbereich
einer Wärmestrahlung aussetzenden Laserstrahls 5 (Merkmal M2),
- unter Zufuhr eines Lots 6 in den Lötbereich (Merkmal M3), miteinander
verlötet,
- als Lot 6 kommt dabei L-CuZn40, eine auf Kupfer basierende Legierung
mit einer Beimischung von Silizium, zum Einsatz (vgl. Abschnitt 5.1.2,
Tabelle 5.1; Merkmale M4 und M5).
Des Weiteren geht aus der Druckschrift E29 hervor, dass dem Fachmann als
kostengünstige Kupferbasislote neben dem L-CuZn40 nach DIN 8513 auch der
Schweißzusatz SG-CuSi3 nach DIN 1733 als Lot zum Hartlöten bekannt ist (vgl.
Abschnitt 2.3.2, 2. Abs.). Der als Lot verwendbare Schweißzusatz SG-CuSi3
besteht, wie der normierten Bezeichnung durch die Zahl 3 für den Fachmann zu
entnehmen ist, aus etwa 3 Gew.% Silizium und etwa 97 Gew.% Kupfer und
eventuellen weiteren geringfügigen Beimengungen weiterer Legierungsbestand-
teile; der Si-Gehalt kann dabei zwischen 2,8 und 4 Gew.% betragen (vgl. DIN
1733, Tabelle 1, (E31)).
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Es ist daher naheliegend, auch ein Lot mit der im Merkmal M6 beschriebenen
Legierungszusammensetzung für das Laserhartlöten in Betracht zu ziehen.
Hierzu wendet die Patentinhaberin ein, dass der maximale Kupfergehalt von SG-
CuSi3 96,48 % betrage, sodass das Merkmal M6 nicht erfüllt sei. Vielmehr werde
ein Anteil von 97 Gew.-% Kupfer bei einem Anteil von 3 Gew.-% Silizium selbst
dann nicht erreicht, wenn die variablen Anteile der weiteren Bestandteile im
Rahmen des angegebenen Bereichs jeweils auf ein Minimum reduziert festgelegt
würden. Eine solche Abweichung sei auch nicht durch die Formulierung "etwa"
des Merkmals M6 eingeschlossen, die sich daraus ergebende minimale Differenz
stelle nur scheinbar eine lediglich geringfügige Abweichung dar. Ganz offen-
sichtlich werde die Zusammensetzung in der DIN 1731 mit einer Genauigkeit von
mindestens einer Nachkommastelle angegeben, sodass der Fachmann die E31,
wie jede DIN, grundsätzlich als verbindliche Vorgabe im Rahmen der dort defi-
nierten Toleranzbereiche erkenne und insoweit exakt befolge. Er habe also weder
Anlass noch werde er eine abweichende Zusammensetzung überhaupt nur in
Erwägung ziehen.
Da diese Auffassung sowohl im Gegensatz zu den Ausführungen im Absatz [0005]
der Streitpatentschrift als auch zu den Angaben im Anspruch 1 steht, wonach das
Lot aus etwa 97 Gew.-% Kupfer und etwa 3 Gew.-% Silizium besteht, vermag der
Einwand nicht zu überzeugen.
Aber auch die Einlassung der Patentinhaberin, für den Fachmann habe grund-
sätzlich keine Veranlassung bestanden, von den in der E29 explizit genannten
Lotwerkstoffen (CuZn40 oder Ag55Sn) abzuweichen, da er den letzten Absatz auf
Seite 55 der E29 einschränkend verstehe und die Eignung sowie die Auswahl des
CuZn40 nicht etwa als beliebig und austauschbar ansehen würde, muss ins Leere
gehen. Wie der Druckschrift E29 zu entnehmen ist (vgl. S. 26, 4. Absatz), hat das
Kupferbasislot L-CuZn40 wie alle Kupfer-Zink-Lote den wesentlichen Nachteil,
dass aus dem schmelzflüssigen Lot während des Lötprozesses Zink stark
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verdampft. Die extrem niedrige Verdampfungstemperatur des Zinks von 906°C
und der hohe Dampfdruck führen dabei zur erhöhten Porenbildung in der
Lotraupe, zur Spritzerbildung auf der Blechoberfläche sowie zur Bildung von
Zinkoxid (ZnO).
Gleiches gilt für die Auffassung, der Fachmann würde, wollte er verzinkte Bleche
löten, keinesfalls angesichts des Problems der Zinkentgasung aufgrund der
niedrigen Verdampfungstemperatur von Zink bei 906°C einen Lotwerkstoff mit
einer höheren Schmelztemperatur auswählen als CuZn40 = 890°C oder Ag55Sn =
630°C. Abgesehen davon, dass verzinkte Bleche nicht Gegenstand des streitigen
Anspruchs 1 sind und auch das Aufschmelzen der zu verbinden Werkstück-
oberflächen nicht Ziel des Lötens ist, würde er gerade wegen des genannten
Problems möglichst auf den Lotwerkstoff L-CuZn40 verzichten und auf einen
Lotwerkstoff wie SG-CuSi3 zurückgreifen, zumal der Siliziumanteil in diesem Lot in
hohem Maße die Zinkverdampfung vermindert (vgl. E29, S. 26, 4. Abs., letzter
Satz). Darüber hinaus wirkt die geringe Wärmeleitfähigkeit dieses Lotwerkstoffs
(35 W/mK, vgl. E31, Tabelle 2) dem Eintrag von Wärme in die Werkstück-
oberflächen und damit einem Anschmelzen derselben entgegen, da die erfor-
derliche Schmelzenergie überwiegend im Lot verbleibt.
Nicht überzeugen kann auch die Einlassung, der Fachmann werde aufgrund der
Hinwiese der Druckschrift E29 bezüglich der zu erzielenden Vorschubge-
schwindigkeiten beim Laserhartlöten von der streitigen Lösung weg geführt. Die
Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, die E29 gäbe dem Fachmann zur
Steigerung der Vorschubgeschwindigkeit nur die Empfehlung an die Hand
Silberlot L-Ag55Sn statt L-CuZn40 (vgl. Tabelle 6.3, S. 83) zu verwenden, zur
weiteren Steigerung der Vorschubgeschwindigkeit Flussmittel einzusetzen (vgl.
S. 81) und gegebenenfalls den Lötdraht noch vorzuwärmen (Bild 8.2, S. 128).
Dass der Fachmann
– entgegen der Auffassung der Patentinhaberin – dennoch
Veranlassung hatte, sich nach einem anderen Lot umzuschauen, ergibt sich aus
den in der E29 ebenfalls dargelegten Nachteilen, der zuvor aufgeführten
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Maßnahmen. So ist er bestrebt, die hohen Kosten des Silberlots (vgl. S. 27,
1. Abs. letzter Satz) ebenso zu vermeiden wie die durch ein Flussmittel verur-
sachten Korrosions- und Umweltprobleme (vgl. S. 23, 2. Abs.).
Die Vorwärmung des Lots kann nur als eine zusätzliche Maßnahme zur Erhöhung
der Vorschubgeschwindigkeit verstanden werden, die der Fachmann unabhängig
vom verwendeten Lotwerkstoff vorsieht. Dass dies die Patentinhaberin ebenso
sieht, ergibt sich aus dem Absatz [0025] der Streitpatentschrift, wonach die
Vorschubgeschwindigkeit des Lots sich durch Vorwärmung um etwa 20% bis 50%
steigern lasse.
Wie bereits erwähnt, weist das Lot SG-CuSi3 eine geringe Wärmeleitfähigkeit auf,
die dazu führt, dass die Wärmeabfuhr aus dem Lot gering ist, was zur Folge hat,
dass die Energie im Wesentlichen im Bereich der Energieeinstrahlung im Lot
verbleibt und so der Lotschmelzpunkt schneller erreicht wird, was wiederum zu
einer erhöhten Vorschubgeschwindigkeit beim Laserhartlöten führt.
Für den Fertigungsfachmann bestand daher aufgrund der ihm von dem kon-
ventionellen Hartlöten her vertrauten Vorteile des Lotwerkstoffs SG-CuSi3 Veran-
lassung, diesen Lotwerkstoff aufzugreifen und für seine Zielsetzung, eine höhere
Vorschubgeschwindigkeit beim Laserhartlöten zu erreichen, anzuwenden.
Die Lehre des streitigen Anspruch 1 nach Hauptantrag ist dem Fachmann somit
aus dem Stand der Technik, der sich durch die Druckschrift E29 und seinem
Fachwissen ergibt, nahegelegt.
Der Anspruch 1 nach Hauptantrag hat daher keinen Bestand.
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Zum Hilfsantrag 1
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist zulässig. Er geht aus dem als zulässig
erachteten Anspruch 1 des Hauptantrags und dem Absatz [0040] der Streit-
patentschrift hervor. Sein Gegenstand ist zudem ursprünglich offenbart.
Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß
Hauptantrag durch die Ergänzung, wonach der Laserstrahl (10, 19, 20, 23) das
Lot (9) in dessen Berührungsbereichen zu den Blechen (17, 18) aufschmilzt (in
Merkmal M7).
Lot in dessen Berührungsbereichen zu den zu fügenden Werkstücken aufzu-
schmelzen, ist Aufgabe eines jeden Lötverfahrens, da nur so eine Benetzung der
Werkstückoberfläche mit Lot und damit deren Fügen erfolgen kann. Das Merkmal
M7 betrifft somit eine Selbstverständlichkeit und vermag daher nicht, die Pa-
tentfähigkeit des Laser-Lötverfahrens nach Hilfsantrag 1 zu begründen. Da die
Merkmale M1 bis M6 ebenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen - zur
Begründung wird auf die Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen - ist auch der
Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 nicht schutzfähig.
Zu den weiteren Ansprüchen nach Haupt- und Hilfsantrag 1
Die Unteransprüche 2 bis 51 nach dem jeweiligen Antrag, in denen ein eigen-
ständiger erfinderischer Gehalt nicht erkennbar ist, was auch nicht geltend ge-
macht worden ist, teilen in der Antragsgesamtheit das Rechtsschicksal des
Anspruchs 1.
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III.
Rechtsmittelbelehrung
Dieser Beschluss kann mit der Rechtsbeschwerde nur dann angefochten werden,
wenn einer der in § 100 Absatz 3 PatG aufgeführten Mängel des Verfahrens
gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zu-
stellung dieses Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a,
76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-
anwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.
Dr. Höchst
Eisenrauch
Dr. Fritze
Fetterroll
Me