Urteil des BPatG vom 09.01.2007

BPatG (Patentanspruch, Stand der Technik, Wirkung, Verwendung, Aufgabe, Fachmann, Gas, Druckschrift, Unterlagen, Neuheit)

BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 17/04
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
9. Januar 2007
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 101 61 251.6-41
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2007 unter Mitwirkung …
BPatG 154
08.05
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beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Patent er-
teilt.
Bezeichnung:
Anmeldetag:
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 bis 10 vom 21. November 2003
Beschreibung Seiten 1 und 2, Spalten 1 bis 4, überreicht in der
mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2007.
G r ü n d e
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 9. Dezember 2003 hat die Prüfungs-
stelle für Klasse A 61 K des Deutschen Patent- und Markenamtes die Patent-
anmeldung mit der Bezeichnung
„Schlafmittel mit Xenon"
zurückgewiesen.
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Der Zurückweisung lagen die Patentansprüche 1 bis 10 vom 21. Novem-
ber 2001 zugrunde, von denen die Patentansprüche 1 und 9 folgendermaßen
lauten:
„1. Schlafmittel, umfassend Xenon oder ein xenonhaltiges Gas
als Inhalationsschlafmittel und ein oral oder durch Inektion
appliziertes Schlafmittel als Kombinationspräparat zur gleichzeiti-
gen, getrennten oder zeitlich abgestuften Anwendung.
9. Verwendung von Xenon als Inhalationsschlafmittel und einem
weiteren Schlafmittel zur Herstellung eines Kombinationsschlaf-
mittels zur gleichzeitigen, getrennten oder zeitlich abgestuften
Anwendung der Komponenten.“
Die Patentansprüche 2 bis 8 und 10 sind Weiterbildungen der Gegenstände der
Patentansprüche 1 und 9.
Die Zurückweisung erfolgte im Hinblick auf die Entgegenhaltungen
(1) DE 198 33 014 A1 und
(2) Schröder, E. et al., Pharmazeutische Chemie, Georg Thieme
Verlag Stuttgart 1982, S. 239 bis 242
wegen fehlender Neuheit des mit Patentanspruch 1 beanspruchten Schlafmit-
tels.
In einer Zwischenverfügung war von Seiten des Senates noch auf die Druck-
schrift
(3) Giunta, F. et al., Applied Cardiopulmonary Pathophysiology
1996, 6, S. 95 bis 103
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hingewiesen worden.
Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Anmelderin im Wesentlichen vorgetra-
gen, die Neuheit des beanspruchten Schlafmittels sei gegeben, weil die Entge-
genhaltungen (1) und (3) ausschließlich Xenon zur Verwendung als Anästhetikum
bzw. Sedativum beträfen. Selbst unter Berücksichtigung der gutachtlich genannten
Druckschrift (2) offenbare (1) nicht die Verwendbarkeit von Xenon als Schlafmittel,
weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass jegliches Sedativum grund-
sätzlich alle dort in der Abbildung 79 (S. 242) für Secobarbital angegebenen Sta-
dien ebenfalls durchlaufe. Die Bereitstellung des beanspruchten Schlafmittels be-
ruhe auch auf einer erfinderische Tätigkeit. Mit keinem der Dokumente werde
nämlich die beanspruchte Kombination mit einem klassischen Hypnotikum nahe-
gelegt.
Die Anmelderin beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den
im Beschlusstenor aufgeführten Unterlagen zu erteilen.
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der Patentansprüche 2
bis 8 und 10, wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und führt zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.
1. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Der Patentanspruch 1 ist aus
dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 3 sowie aus den Erstunterlagen
S. 2 Abs. 4 ableitbar. Die abhängigen Patentansprüche 2 bis 8 entsprechen den
ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 4 bis 10. Die Verwendungsansprü-
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che 9 und 10 gehen auf die ursprünglich eingereichten Patentansprüche 11 bis 13
i. V. m. S. 2 Abs. 4 der Erstunterlagen zurück. Die Patentansprüche sind auch
sonst nicht zu beanstanden.
2. Ein Schlafmittel gemäß Patentanspruch 1, das Xenon oder ein xenonhaltiges
Gas als Inhalationsschlafmittel und ein oral oder durch Injektion appliziertes
Schlafmittel als Kombinationspräparat umfasst, ist neu.
Aus der Entgegenhaltung (1) sind Injektionsanästhetika und -sedativa bzw. Inha-
lationsanästhetika bekannt, die Xenon enthalten (vgl. Patentansprüche 1, 2, 6 und
7 sowie Beschreibung Sp. 1 Abs. 4). Diese Zubereitungen können gegebenenfalls
mit weiteren pharmakologisch aktiven Wirkstoffen kombiniert werden (vgl. Sp. 1
Z. 22 bis 26 und Sp. 4 Z. 24 bis 29). Ob mit diesen Dokumenten Xenon auch als
Hypnotikum offenbart wird, nachdem es gemäß der als gutachtlich zu wertenden
Druckschrift (2) dem Fachwissen zuzurechnen ist, dass es Wirkstoffe gibt, bei de-
nen der Übergang von der Verwendbarkeit als Sedativum zur Verwendbarkeit als
Hypnotikum und schließlich als Anästhetikum eine Frage der Dosierung ist (vgl.
S. 242 Abb. 79), kann aber dahingestellt bleiben. Angaben bezüglich der Verwen-
dung von Xenon in Kombination mit einem zusätzlichen konventionellen Schlaf-
mittel als weiteres pharmakologisch wirksames Mittel sind diesen Entgegenhal-
tungen jedenfalls nicht zu entnehmen.
Die Druckschrift (3) beinhaltet eine Übersicht der anästhetischen und pharmakolo-
gischen Eigenschaften von Xenon. In dieser wird zwar auf die hypnotische Wir-
kung von Xenon hingewiesen (vgl. S. 98 li. Sp. Abs. 2), dieses erfolgt jedoch im
Rahmen von Vergleichsversuchen zur analgetischen Wirkung von subanästhisch
dosiertem Xenon und Lachgas.
3. Die Bereitstellung eines Schlafmittels gemäß Patentanspruch 1, das Xenon
oder ein xenonhaltiges Gas als Inhalationsschlafmittel und ein oral oder durch In-
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jektion appliziertes Schlafmittel als Kombinationspräparat umfasst, beruht auch auf
einer erfinderischen Tätigkeit.
Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Schlafmittel bereitzustellen, das
weniger Nebenwirkungen aufweist (vgl. geltende Unterlagen Sp. 1 Abs. [0007]).
Gelöst wird diese Aufgabe durch die Bereitstellung des Schlafmittels gemäß Pa-
tentanspruch 1.
Zur Lösung der zugrunde liegenden Aufgabe, das mit Patentanspruch 1 bean-
spruchte Schlafmittel vorzuschlagen, d. h. ein Kombinationspräparat aus Xenon
bzw. einem xenonhaltigen Gas als Inhalationsschlafmittel und einem klassischen
Schlafmittel, wird dem Fachmann mit keiner der vorliegenden Entgegenhaltungen
nahegelegt. So mag der Fachmann aufgrund seines Fachwissens in Kenntnis der
Entgegenhaltungen (1) und (3) zwar erwarten, dass Xenon auch als Hypnotikum
verwendbar sein könnte, nachdem in (1) sowohl dessen narkotische als auch des-
sen sedierende Wirkung beschrieben wird (vgl Patentansprüche 1, 2, 6 und 7 so-
wie Beschreibung Sp. 1 Abs. 4 i. V. m. (2) S. 242 Abb. 79) und in (3) expressis
verbis von einer hypnotischen Wirkung berichtet wird (vgl. S. 98 li. Sp. Abs. 2).
Keine dieser Druckschriften gibt dem Fachmann aber eine Anregung dahinge-
hend, zur Lösung der der Anmeldung zugrunde liegenden Aufgabe, dieses bis da-
hin nicht etablierte Schlafmittel in Kombination mit klassischen Schlafmitteln zu ve-
rabreichen. Dieses trifft auch dann zu, wenn man berücksichtigt, dass die Verab-
reichung des Xenon enthaltenden Injektionsanästhesiemittels gemäß (1) mit wei-
teren zusätzlichen pharmakologisch wirksamen Mitteln erfolgen kann (vgl. Sp. 4
Z. 24 bis 29). Die dort beschriebene Kombinationsmöglichkeit wird nämlich unter
dem Gesichtspunkt der Verstärkung der mit der Verabreichung von Xenon er-
reichten Wirkung bzw. zur Erzielung zusätzlicher Wirkungen angegeben (vgl.
Sp. 1 Z. 22 bis 26). Hinweise dagegen, konventionelle Schlafmittel mit dem nicht
etablierten Xenon als Inhalationsschlafmittel mit der Zielsetzung zu kombinieren,
die Nebenwirkungen üblicher Schlafmittel weitestgehend zu reduzieren und trotz-
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dem den Schlafzustand, gegebenenfalls über einen längeren Zeitraum, aufrecht-
zuerhalten (vgl. geltende Unterlagen Sp. 3 Z. 30 bis 50), werden dem Fachmann
mit dieser Schrift nicht vermittelt.
Die Bereitstellung des Schlafmittels gemäß geltendem Patentanspruch 1 ergibt
sich damit nicht in nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik.
4. Das Schlafmittel nach geltendem Patentanspruch 1 erfüllt somit alle Kriterien
der Patentfähigkeit. Der geltende Patentanspruch 1 ist daher gewährbar.
Das gleiche gilt für die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis
8, die besondere Ausgestaltungen des Schlafmittels nach Patentanspruch 1
betreffen.
6. Der
nebengeordnete
Patentanspruch
9
und der darauf rückbezogene Patent-
anspruch 10 sind auf die Verwendung von Xenon als Inhalationsschlafmittel und
einem weiteren Schlafmittel zur Herstellung eines Kombinationsschlafmittels sowie
dessen Verwendung bei einem Patienten in Intensivbehandlung gerichtet.
Bezüglich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gelten für diese Patentansprüche
die vorstehend dargelegten Gründe sinngemäß, so dass diese Ansprüche
ebenfalls Bestand haben.
gez.
Unterschriften