Urteil des BPatG vom 27.05.2010

BPatG: stand der technik, patentanspruch, fig, neuheit, ausführung, einspruch, beendigung, eng, lagerung, verunreinigung

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
8 W (pat) 308/05
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
27. Mai 2010
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
gegen das Patent 196 39 860
- 2 -
hat der 8. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Ing. Dehne, der Richter Dipl.-Ing. agr. Dr. Huber und Reker sowie
der Richterin Dipl.-Ing. Dr. Prasch
beschlossen:
Das Patent 196 39 860 wird widerrufen.
G r ü n d e
I .
Auf die am 27. September 1996 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung
196 39 860.6-23 mit der Bezeichnung „Verfahren und Vorrichtung zum maschi-
nellen Ansetzen eines Melkbechers an eine Zitze eines zu melkenden Euters“ ist
das Patent 196 39 860 mit Beschluss vom 25. April 2004 erteilt worden. Die Ertei-
lung ist am 4. November 2004 veröffentlicht worden.
Gegen das Patent hat die Firma
O… N.V. in
PA M… (NL)
am 3. Februar 2005 Einspruch erhoben.
Die Einsprechende hat zur Stützung ihres Vorbringens neben den im Prüfungs-
verfahren für die Beurteilung der Patentfähigkeit in Betracht gezogenen Druck-
schriften, nämlich die Entgegenhaltungen:
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D1: EP 0 300 115 A1
D2: WO 93/00 001 A1
D3: WO 90/07 268 A1
noch auf den folgenden druckschriftlichen Stand der Technik verwiesen:
D4
EP 0 207 572 A1
D5: D. Ordolff: A system for automatic teat-cup attachment,
J. agric. Engineering Research (1984), 30, 65 - 70.
Die Einsprechende hat u. a. vorgetragen, dass die in der Beschreibungseinleitung
des Streitpatents bereits gewürdigte Druckschrift D2 über die dort genannten
Merkmale hinaus sämtliche Merkmale des Verfahrens nach Anspruch 1 sowie der
Ansetzvorrichtung nach Anspruch 7, die auf die erste Alternative, also die Durch-
führung des Schwenkvorgangs im Anschluss an den Positioniervorgang und un-
mittelbar vor dem Stülpvorgang gerichtet sind, vorweg nehme, so dass bereits
weder das Verfahren nach Anspruch 1 noch die entsprechende Vorrichtung nach
Anspruch 7 die erforderliche Neuheit aufweise. Die zweite im patentgemäßen
Verfahren bzw. der entsprechenden Vorrichtung beschriebene Alternative, nämlich
die Beendigung des Schwenkvorgangs erst während des Stülpvorgangs sei durch
den Stand der Technik nach D5, den die Einsprechende noch ins Verfahren ein-
geführt hat, vollumfänglich vorbeschrieben.
Die Einsprechende stellt den Antrag,
das Patent 196 39 860 zu widerrufen.
Von der Patentinhaberin liegt der Antrag vor,
das Patent aufrecht zu erhalten.
- 4 -
Die - wie angekündigt - zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene Patentin-
haberin hat zum Stand der Technik nach der D2 schriftsätzlich vorgetragen, dass
dort unmittelbar nach dem Greifen des Melkbechers durch den Roboterarm der
Melkbecher aus seiner inversen Stellung in die konventionelle, also senkrechte
Stellung überführt werde und danach der Stülp- und Positioniervorgang erfolge.
Somit setze die Druckschrift D2 die Tradition fort, den Melkbecher während des
Ansetzvorgangs in der senkrechten Position zu halten. Daher weisen die erteilten
Patentansprüche 1 und 7 gegenüber dem Stand der Technik nach D2 nach Auf-
fassung der Patentinhaberin die erforderliche Neuheit auf. Außerdem beruhen
diese tragenden Ansprüche auch auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber
dem Offenbarungsgehalt nach D2, weil dieser bekannte Stand der Technik ledig-
lich das Aufbewahren der Melkbecher beschreibe, nicht aber deren Lage beim
Ansetzvorgang, wie die Patentinhaberin weiter schriftsätzlich ausgeführt hat.
Zum Stand der Technik nach der D5 hat sich die Patentinhaberin nicht mehr sach-
lich geäußert.
Der geltende Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet:
„Verfahren zum maschinellen Ansetzen eines Melkbechers (1) mit
einer Zitzenöffnung (2) an ein zu melkendes Euter (3), bei dem
eine Ansetzvorrichtung in Bezug auf das Euter (3) positioniert, der
Melkbecher (1) danach mit der Zitzenöffnung (2) voran über eine
Zitze (4) gestülpt und dieser nach dem Stülpvorgang von der An-
dadurch gekennzeichnet
kurz vor dem Stülpvorgang oder auch noch während mindestens
eines Teils des Stülpvorgangs ein Schwenkvorgang stattfindet, bei
dem die Zitzenöffnung (2) des Melkbechers (1) vom Mittelpunkt
seiner Längsachse (6) aus gesehen nach oben schwenkt, wobei
während des Schwenkvorgangs mindestens ein Schwenkwinkel-
bereich von mehr als 25 Grad überstrichen wird.“
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Der nebengeordnete geltende Patentanspruch 7 in erteilter Fassung hat den fol-
genden Wortlaut:
„Ansetzvorrichtung zum maschinellen Ansetzen eines Melkbe-
chers (1) mit einer Zitzenöffnung (2) an ein zu melkendes Eu-
ter (3), wobei die Ansetzvorrichtung mindestens einen Melkbe-
cherhalter (5) zum lösbaren Verbinden mit einem Melkbecher (1)
enthält, dadurch gekennzeichnet, dass diese eine mit dem Melk-
becherhalter (5) verbundene Schwenkeinrichtung (8) enthält, wo-
bei die Schwenkeinrichtung (8) so ausgebildet ist, dass die Zitzen-
öffnung (2) des Melkbechers (1) vom Mittelpunkt seiner Längs-
sachse (6) aus gesehen nach oben und kurz vor dem Stülpvor-
gang oder auch noch während mindestens eines Teils eines
Stülpvorgangs schwenkbar ist, wobei ein Schwenkwinkelbereich
von mehr als 25 Grad überstreichbar ist, vorzugsweise von etwa
90 Grad“.
Wegen des Wortlauts der den tragenden Patentansprüchen 1 bzw. 7 nachgeord-
neten Unteransprüche 2 bis 6 bzw. 8 bis 17 in geltender erteilter Fassung sowie
weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Über den Einspruch, der nach dem 1. Januar 2002 und vor dem 1. Juli 2006 form-
und fristgerecht eingelegt worden ist, hat der zuständige Technische Beschwerde-
senat gemäß § 147 Abs. 3 PatG zu entscheiden, da die mit der Einlegung des
Einspruchs begründete Entscheidungsbefugnis durch die spätere Aufhebung der
Vorschrift nicht entfallen ist (vgl. auch BGH GRUR 2007, 859, 861 und 862 ff.
- Informationsübermittlungsverfahren I und II; bestätigt durch BGH, Beschluss v.
9.12.2008 - X ZB 6/08 - Ventilsteuerung - Mitt. 2009, 72).
- 6 -
Der zulässige Einspruch ist auch begründet. Er führt daher zum Widerruf des Pa-
tents 196 39 860.
Das Verfahren zum maschinellen Ansetzen eines Melkbechers nach dem gelten-
den erteilten Patentanspruch 1 sowie die Ansetzvorrichtung zum maschinellen
Ansetzen eines Melkbechers nach dem geltenden erteilten Patentanspruch 7
- deren gewerbliche Anwendbarkeit steht außer Zweifel - weisen nicht die erfor-
derliche Neuheit auf.
1.
Gegenstand des Streitpatents ist ein Verfahren (Patentanspruch 1) sowie
eine Ansetzvorrichtung (Patentanspruch 7) zum maschinellen Ansetzen eines
Melkbechers an eine Zitze eines zu melkenden Euters. Bei dem Verfahren zum
maschinellen Ansetzen eines Melkbechers wird die Ansetzvorrichtung in Bezug
auf das Euter positioniert und der Melkbecher danach über die Zitze gestülpt
(Abs. 0001 der Streitpatentschrift DE 196 39 860 B4).
Derartige Verfahren und Vorrichtungen dienen der weitgehenden Automatisierung
der Milchviehhaltung, wie in Absatz 0002 ausgeführt ist, und kommen in Melk-
ständen an Melkrobotern zum Einsatz.
Nach Absatz 0003 der Streitpatentschrift ist ein solches Verfahren aus der EP
0 300 115 A1 bekannt. Gemäß den Ausführungen nach Absatz 0004 der Streit-
patentschrift weist das bekannte Verfahren Nachteile auf, die sich aus der Stellung
des Melkbechers während des Positionierungsvorgangs ergeben. Zum einen kann
leicht Schmutz von oben in den Melkbecher hineinfallen, was zur Verunreinigung
der Milch führen kann. Zum anderen kann durch die geringe Bodenfreiheit unter-
halb des Euters, insbesondere bei Tieren mit tiefhängendem Euter, der Ansetz-
vorgang wegen des am unteren Ende des Melkbechers angebrachten Schlauches
erschwert oder unmöglich werden, oder die Ansetzvorrichtung kann mit dem Melk-
becher am Boden anstoßen, so dass die gesamte Vorrichtung Schaden nehmen
kann.
- 7 -
Durch die WO 93/00001 A1 ist gemäß Absatz 0005 und 0006 eine Ansetzvorrich-
tung für Melkbecher mit einer Schwenkeinrichtung bekannt geworden, die aber
einer Herbeiführung einer Reinigungsposition dient, in der die Schwenkeinrichtung
die Zitzenbecher mit der Zitzenöffnung nach unten anordnet, damit die Reini-
gungs- bzw. Spülflüssigkeit nach der Reinigung aus dem Melkbecher heraus
fließen kann.
Dem Streitpatent liegt gemäß Absatz 0007 die Aufgabe zu Grunde, insbesondere
bei geringer Bodenfreiheit des Euters ein zuverlässiges und stoßsicheres Anset-
zen des Melkbechers zu erreichen. Ein weiteres Ziel ist es, den Melkbecher beim
Ansetzen möglichst frei von Schmutz zu halten.
Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung beschreibt demgemäß ein Verfahren
zum maschinellen Ansetzen eines Melkbechers mit einer Zitzenöffnung an ein zu
melkendes Euter, bestehend aus den folgenden Verfahrensschritten:
I.
Eine Ansetzvorrichtung wird in Bezug auf das Euter posi-
tioniert.
II.
Nach Positionierung der Ansetzvorrichtung wird der
Melkbecher mit der Zitzenöffnung voran über die Zitze
gestülpt.
II.I.
Kurz vor dem Stülpvorgang oder auch noch während
mindestens eines Teils des Stülpvorgangs findet ein
Schwenkvorgang statt, bei dem die Zitzenöffnung des
Melkbechers vom Mittelpunkt seiner Längsachse aus ge-
sehen nach oben schwenkt.
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II.I.I.
Während des Schwenkvorgangs wird mindestens ein
Schwenkwinkelbereich von mehr als 25 Grad überstri-
chen.
III.
Nach dem Stülpvorgang wird der Melkbecher von der
Ansetzvorrichtung freigegeben.
(Bei der Anordnung der Verfahrensmerkmale in obiger Merkmalsgliederung wurde
von deren Abfolge im Anspruchstext abgewichen).
Die Ansetzvorrichtung wird gemäß Schritt I. des patentgemäßen Verfahrens nach
Anspruch 1 in Bezug auf das Euter positioniert, d. h. die Ansetzvorrichtung ermit-
telt zuerst die Position des Euters, ohne dass das zu melkende Tier im Melkstand
eine bestimmte, eng begrenzte Standposition einnehmen muss. Nach Positionie-
rung der Ansetzvorrichtung wird der Melkbecher mit der Zitzenöffnung voran über
die Zitze gestülpt, wie der insoweit allgemein übliche Verfahrensschritt II. be-
schreibt.
Die patentgemäße Lösung der gestellten Aufgabe findet sich in den folgenden,
den Stülpvorgang und dessen zeitliche Umgebung noch genauer definierenden
Verfahrensschritten. Im Verfahrensschritt II.I. wird einerseits ein spezieller
Schwenkvorgang beschrieben, bei dem die Zitzenöffnung des Melkbechers vom
Mittelpunkt seiner Längsachse aus gesehen nach oben schwenkt. Diese
Schwenkbewegung verläuft also von einer etwa waagrechten Position des Melk-
bechers ausgehend in eine senkrechte Ausrichtung des Melkbechers, wie auch in
den Ausführungsbeispielen nach Figur 2 bis 8 ersichtlich ist. Ferner wohnt diesem,
den Verfahrensschritt II.I. kennzeichnenden Merkmal noch eine Definition des
Zeitpunkts bzw. des Zeitfensters für die Ausführung der entsprechenden
Schwenkbewegung inne, wobei diese zwei alternative Ausgestaltungen zulässt.
Zum einen kann der beschriebene Schwenkvorgang kurz vor dem Stülpvorgang
ausgeführt werden, was gemäß Absatz 0009 der patentgemäßen Beschreibung
als „möglichst kurz vor dem Stülpen des Melkbechers“ aufzufassen ist, d. h. also
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räumlich und zeitlich so nahe wie möglich am Stülpvorgang gelegen. Zum anderen
lässt eine zweite Alternative hinsichtlich der zeitlichen Einordnung des Schwenk-
vorgangs dessen Durchführung auch noch während mindestens eines Teils des
Stülpvorgangs zu, d. h. Schwenk- und Stülpvorgang können zumindest teilweise
zeitgleich und insoweit überlagert ablaufen.
In Merkmal II.I.I. findet der Schwenkvorgang an sich noch eine weitere Charakteri-
sierung derart, dass mindestens ein Schwenkwinkel von mehr als 25º überstrichen
wird, d. h. die Untergrenze des Schwenkwinkelbereichs liegt über 25 Grad. Dieses
Merkmal bewirkt zusammen mit der in Merkmal II.I. gekennzeichneten Maßnahme
eine Verringerung der Wahrscheinlichkeit, dass Schmutz in den Melkbecher ge-
langt und soll es zudem ermöglichen, die Ansetzvorrichtung bei annähernd hori-
zontal liegender Längsachse des Melkbechers wesentlich tiefer unter das Euter
des zu melkenden Tieres zu verfahren (Absatz 0009).
Der letzte Verfahrensschritt III. ist auf die Freigabe des Melkbechers durch die An-
setzvorrichtung nach Beendigung des Stülpvorgangs gerichtet, was implizit be-
deutet, dass die Verbindung zwischen Melkbecher und Ansetzvorrichtung lösbar
ausgestaltet ist.
Der nebengeordnete erteilte Patentanspruch 7 kennzeichnet eine Ansetzvorrich-
tung zum maschinellen Ansetzen eines Melkbechers mit einer Zitzenöffnung an
ein zu melkendes Euter mit folgenden Merkmalen:
1.
Die Ansetzvorrichtung enthält mindestens einen Melkbe-
cherhalter zum lösbaren Verbinden mit einem Melkbecher.
2.
Die
Ansetzvorrichtung
enthält
eine
mit
dem
Melkbecherhalter verbundene Schwenkeinrichtung.
- 10 -
2.1
Die Schwenkeinrichtung ist so ausgebildet, dass die Zitzen-
öffnung des Melkbechers vom Mittelpunkt seiner Längs-
achse aus gesehen nach oben schwenkbar ist.
2.1.1 Die Zitzenöffnung des Melkbechers ist kurz vor dem
Stülpvorgang oder auch noch während eines Teils des
Stülpvorgangs (nach oben) schwenkbar.
2.1.2 Bei der Verschwenkung der Zitzenöffnung (nach oben) ist
ein
Schwenkwinkelbereich
von
mehr
als
25 Grad
überstreichbar.
Die Merkmale 1. und 2. sind auf bekannte Ausgestaltungsformen automatischer
Melkeinrichtungen gerichtet, nämlich eine Ansetzvorrichtung mit mindestens ei-
nem Melkbecherhalter, welcher - insoweit übereinstimmend mit dem in Anspruch 1
angegebenen Verfahren - mit einem Melkbecher in lösbarer Verbindung steht
(Merkmal 1.) sowie eine mit dem Melkbecherhalter verbundene Schwenkeinrich-
tung (Merkmal 2.).
Die folgenden Merkmale 2.1 bis 2.1.2 beschreiben die Ausgestaltung der
Schwenkeinrichtung sowie die den Kern der patentgemäßen Lösung bildende
Schwenkbewegung des Melkbechers, wobei Merkmal 2.1 zum Ausdruck bringt,
dass die Zitzenöffnung des Melkbechers nach oben (zum Euter hin) verschwenkt
wird und diese Bewegung um den Mittelpunkt der Längsachse, der gleichsam als
Drehpunkt wirkt, erfolgt. Die weiteren Merkmale 2.1.1 bzw. 2.1.2 stellen vorrich-
tungsbezogene Merkmale dar, die den Verfahrensmerkmalen nach Anspruch 1,
nämlich Merkmal II.I. - dort mit der gleichen zeitlichen Alternative zur Ausführung
des Schwenkvorgangs - bzw. II.I.I. entsprechen.
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2.
Ein bezüglich des beanspruchten Verfahrens nach Patentanspruch 1 und der
Ansetzvorrichtung nach Patentanspruch 7 relevanter Stand der Technik wird durch
die WO 93/ 00 001 (D2) gebildet.
Die D2 befasst sich mit dem automatischen Ansetzen von Melkeinrichtungen an
z. B. Milchkühe (Seite 1, Zeilen 1 bis 3) und offenbart mithin auch ein Verfahren
zum maschinellen Ansetzen eines Melkbechers (TC) mit einer Zitzenöffnung an
ein zu melkendes Euter (vgl. insbes. Fig. 1, 3, 4). Bei dem durch die D2 beschrie-
benen Verfahren wird die Ansetzvorrichtung entsprechend dem Schritt I. (vgl.
Merkmalsgliederung nach Punkt II. 1.) des Verfahrens nach Patentanspruch 1 in
Bezug auf das Euter positioniert (Seite 5, Zeilen 26 bis 31 und Seite 7, Zeilen 4, 5
der D2) und nach Positionierung der Ansetzvorrichtung erfolgt die Stülpung des
Melkbechers mit der Zitzenöffnung voran über die Zitze, wie in Verfahrensschritt II.
beschrieben (Seite 5, Zeile 32 bis Seite 6, Zeile 1). Wie auf Seite 5, Zeilen 26 ff.
beschrieben ergreift der Roboter dabei einen zunächst nach unten angeordneten
Melkbecher (vgl. Zeile 29, „… to take up an inverted teat cup“), um diesen dann
auf das Euter hin zu bewegen und den Zitzenbecher dabei aufrecht zu drehen
(vgl. Seite 5, Zeilen 29 bis 31, „The robot then operates to move the teat-cup to-
ward the udder and turn the teat cup upright“). Somit erfolgt kurz vor dem Stülp-
vorgang ein Schwenkvorgang, bei dem die Zitzenöffnung des Melkbechers vom
Mittelpunkt seiner Längsachse gesehen nach oben schwenkt, denn der den Melk-
becher (TC) haltende Greifmechanismus (GM) greift etwa mittig am Melkbecher
an, wie aus Figur 3 der D2 ersichtlich ist. Damit wird bereits ein Verfahrensschritt
vorbeschrieben, wie er auch in Merkmal II.I. des Verfahrens nach Patentan-
spruch 1 gekennzeichnet ist und zwar hinsichtlich der Ausführungsalternative für
die Schwenkbewegung kurz vor dem Stülpvorgang.
Die weitere Alternative dieses Verfahrensmerkmals II.I., nämlich die Ausführung
der Schwenkbewegung noch während mindestens eines Teils des Stülpvorgangs
indes wird durch die D2 nicht vorweg genommen, denn dort wird lediglich eine
Schwenkbewegung vor dem Stülpvorgang beschrieben.
Bei dem Schwenkvorgang nach der D2 wird durch die Aufnahme eines umge-
kehrten Melkbechers und dessen Drehung in die aufrechte Stellung ein Winkelbe-
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reich von 180° überstrichen, also ein Bereich von mehr als 25°, wie in Merk-
mal II. I.I. gefordert. Die Lagerung der Melkbecher kann gemäß Beschreibung der
D2, Seite 6, Zeilen 3 bis 6, auch in waagrechter Position, also parallel zum Boden,
aber über diesem zum Zwecke der Sauberkeit gelegen, erfolgen. Auch in diesem
Falle wäre ein Schwenkwinkelbereich von mehr als 25°, nämlich von 90° zu über-
streichen. Auch das für derartige Vorrichtungen mit Greifmitteln für den Melkbe-
cher selbstverständliche Verfahrensmerkmal III., wonach der Melkbecher von der
Ansetzvorrichtung nach dem Stülpvorgang freigegeben wird, ist beim Stand der
Technik nach D2 verwirklicht. So wird auf Seite 8, Zeilen 9 bis 11 der Vorgang be-
schrieben, bei dem der Roboter mit seinem Greifmittel den Melkbecher zur Zitze
hoch hebt, derart, dass das am Becher angelegte Vakuum den Becher auf die
Zitze ziehen kann.
Für den auf eine Ansetzvorrichtung gerichteten Patentanspruch 7 trifft sinngemäß
in Bezug auf den Stand der Technik nach D2 ähnliches zu wie für Patentan-
spruch 1. So offenbart die D2 auch eine Ansetzvorrichtung zum maschinellen An-
setzen eines Melkbechers, mit einer Zitzenöffnung an ein zu melkendes Euter,
wobei diese Ansetzvorrichtung mindestens einen Melkbecherhalter (Greifmittel
GM gemäß Fig. 2, 3) zum lösbaren Verbinden mit einem Melkbecher (TC) enthält.
Damit ist Merkmal 1. gemäß Merkmalsgliederung für Patentanspruch 7 (vgl.
Punkt 4.) bereits durch die D2 vorweggenommen, ebenso wie eine entsprechende
Schwenkeinrichtung nach Merkmal 2. (vgl. Fig. 2, Rohr T und Grundplatte BP).
Auch ist diese Schwenkeinrichtung (T, BP) so ausgebildet, dass die Zitzenöffnung
des Melkbechers vom Mittelpunkt seiner Längsachse aus gesehen (vgl. Fig. 3)
nach oben schwenkbar ist (Seite 5, Zeilen 29 bis 31) und zwar um den Schwenk-
zapfen (P) (vgl. Fig. 2), wie im Merkmal 2.1 gefordert. Dieser Schwenkvorgang
erfolgt dabei entsprechend der ersten Alternative von Merkmal 2.1.1 kurz vor dem
Stülpvorgang (Seite 5, Zeilen 29 bis 31), während eine Verschwenkung noch wäh-
rend eines Teils des Stülpvorgangs gemäß der zweiten Alternative in der D2 nicht
beschrieben ist. Auch wird bei der Verschwenkung der Zitzenöffnung ein
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Schwenkbereich von mehr als 25° überstrichen (Merkmal 2.1.2), nämlich entweder
von 180° (Seite 5, Zeilen 26 bis 31) oder von 90° (Seite 6, Zeilen 3 bis 6).
Nach alledem werden durch den Stand der Technik nach D2 alle Merkmale I.
bis III. des auf ein Verfahren zum maschinellen Ansetzen eines Melkbechers ge-
mäß Patentanspruch 1 einschließlich der in Merkmal II.I. angegebenen Ausge-
staltungsalternative des Verschwenkens des Melkbechers kurz vor dem Stülpvor-
gang vorbeschrieben. Ebenso sind die gesamten Merkmale 1. bis 2.1.2 des auf
eine Vorrichtung zum maschinellen Ansetzen eines Melkbechers gerichteten Pa-
tentanspruchs 7 durch die D2 bekannt geworden, wobei hier die entsprechende
Ausgestaltungsalternative der Schwenkbarkeit der Zitzenöffnung des Melkbechers
kurz vor dem Stülpvorgang, die in Merkmale 2.1.1 enthalten ist, durch die D2 vor-
weg genommen wird.
Nachdem also alle Merkmale der Patentansprüche 1 bzw. 7 zusammen mit jeweils
einer Alternative ihrer Merkmale II.I. bzw. 2.1.1 durch den Stand der Technik nach
der D2 vorweg genommen werden, ist den Gegenständen dieser tragenden Pa-
tentansprüche schon aus diesem Grunde die Neuheit abzusprechen.
Der Vollständigkeit wegen ist aber noch festzustellen, dass die Gesamtheit aller
Merkmale der Patentansprüche 1 bzw. 7 einschließlich der vom Stand der Technik
nach D2 nicht vorweggenommenen Ausgestaltungsalternativen II.I. bzw. 2.1.1
durch den Artikel von D. Ordolff (J. agric. Engineering Research (1984) 30,
65 - 70) D5 bekannt geworden sind.
In der D5 ist auf Seite 68 unter der Überschrift „3.3 Attaching the teat-cups“, dort
im 2. Absatz, ein Verfahren zum maschinellen Ansetzen eines Melkbechers mit
einer Zitzenöffnung an ein zu melkendes Euter beschrieben, bei dem eine Ansetz-
vorrichtung in Bezug auf das Euter positioniert wird (Merkmal I. des Patentan-
spruchs 1), wobei nach Positionierung der Ansetzvorrichtung der Melkbecher mit
der Zitzenöffnung voran über die Zitze gestülpt wird (Merkmal II.) (vgl. 2. Absatz,
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Zeilen 2 bis 5). Dabei findet während mindestens eines Teils des Stülpvorgangs
auch ein Schwenkvorgang statt, bei dem die Zitzenöffnung des Melkbechers vom
Mittelpunkt seiner Längsachse aus gesehen nach oben schwenkt (2. Absatz, Zei-
len 2 bis 5, Figur 6), wie dies in der zweiten Ausgestaltungsalternative des Merk-
mals II.I. zum Ausdruck gebracht ist, wobei während des Schwenkvorgangs min-
destens ein Schwenkwinkelbereich von mehr als 25 Grad überstrichen wird (vgl.
Fig. 6) (Merkmal II.I.I.). Auch wird der Melkbecher nach dem Stülpvorgang - wie in
Merkmal III. beschrieben - von der Ansetzvorrichtung freigegeben (Seite 68 letzte
Zeile bis Seite 69, 1. Zeile der D5).
Die Merkmale des auf eine Ansetzvorrichtung zum maschinellen Ansetzen eines
Melkbechers mit einer Zitzenöffnung an ein zu melkendes Euter gerichteten Pa-
tentanspruchs 7 sind aus der D5 ebenfalls ersichtlich, denn die Ansetzvorrichtung
weist mindestens einen Melkbecherhalter zum lösbaren Verbinden mit einem
Melkbecher auf (Merkmal 1.) und sie enthält eine mit dem Melkbecherhalter ver-
bundene Schwenkeinrichtung (Merkmal 2.) (vgl. Figur 6 und Seite 68, letzter Ab-
satz bis Seite 69, Zeile 1). Die Schwenkeinrichtung ist dabei, wie aus Figur 6 der
D5 ersichtlich, so ausgebildet, dass die Zitzenöffnung des Melkbechers vom Mit-
telpunkt seiner Längsachse aus gesehen nach oben schwenkbar ist (Merkmal
2.1), wobei diese Zitzenöffnung auch noch während eines Teils des Stülpvorgangs
nach oben schwenkbar ist (Merkmal 2.1.1) und bei dieser Verschwenkung ein
Schwenkwinkelbereich von mehr als 25 Grad überstreichbar ist (Merkmal 2.1.2).
Die Gegenstände der Patentansprüche 1 bzw. 7 weisen gegenüber dem Stand
der Technik nach D2 hinsichtlich der ersten Ausgestaltungsalternative in ihren
Merkmalen II.I. bzw. 2.1.1 sowie dem Stand der Technik nach D5 hinsichtlich der
zweiten Ausgestaltungsalternative in ihren Merkmalen II.I. bzw. 2.1.1 nicht die
erforderliche Neuheit auf.
Die Patentansprüche 1 und 7 haben daher keinen Bestand.
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Nach Wegfall der tragenden nebengeordneten Patentansprüche 1 und 7 sind auch
die auf diese rückbezogenen untergeordneten Patentansprüche 2 bis 6 bzw. 8
bis 17 nicht bestandsfähig.
Dehne
Reker
Dr. Huber
Dr. Prasch
Cl