Urteil des BPatG vom 06.04.2010

BPatG: stand der technik, mehl, patentanspruch, wasser, bestandteil, ausscheidung, anteil, neuheit, patentregister, materialien

BPatG 253
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
4 Ni 70/08
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
6. April 2010
In der Patentnichtigkeitssache
- 2 -
betreffend das deutsche Patent DE 195 43 311
hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche
Verhandlung vom 6. April 2010 durch den Vorsitzenden Richter Rauch, die Richter
Dipl.-Ing. agr. Dr. Huber, Voit, Dipl.-Ing. Rippel und die Richterin Dipl.-Ing.
Dr. Prasch
für Recht erkannt:
I.
Das deutsche Patent 195 43 311 wird für nichtig erklärt.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung
von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig voll-
streckbar.
T a t b e s t a n d
Der Beklagte ist Rechtsvorgänger der zwischenzeitlich in das Patentregister ein-
getragenen Inhaberin des deutschen Patents DE 195 43 311 (Streitpatent), der
Josef Rettenmaier & Söhne GmbH & Co. KG. Das Streitpatent ist am 21. Novem-
ber 1995 angemeldet worden und betrifft eine Tiereinstreu sowie das Verfahren zu
deren Herstellung sowie die Verwendung eines Verdickungsmittels zu diesem
Zweck und umfasst in der erteilten Fassung 25 Ansprüche, die allesamt angegrif-
fen sind.
- 3 -
Die Klägerin behauptet, der Gegenstand des Streitpatents sei weder neu noch
erfinderisch. Zur Begründung trägt sie vor, eine Tiereinstreu mit den Merkmalen
des Anspruchs 1 des Streitpatents sei im Stand der Technik zum Anmeldungs-
zeitpunkt bereits bekannt und die Merkmale des Verfahrensanspruchs (An-
spruch 22 in der erteilten Fassung) zumindest nahe gelegt gewesen. Hierzu beruft
sie sich auf folgende Druckschriften:
NK4
US 5 339 769
NK5
EP 0 585 928 A1
NK6
US 3 921 581
NK7
US 4 949 672
NK8
US 4 278 047
NK9
US 5 359 961.
Die Klägerin beantragt,
das deutsche Patent DE 195 43 311 in vollem Umfang für nichtig
zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, dass die Ansprüche 1
bis 21 folgende Fassung erhalten:
1.
Tiereinstreu, welche überwiegend aus Wasser festhaltenden
Holzpartikeln als natürliches organisches Material besteht
und Guar-Mehl als organisches Verdickungsmittel und Klum-
pen bildenden, das natürliche organische Material unter Bil-
dung eines Gels zusammenhaltenden Bestandteil umfasst,
bei der der Gewichtsanteil an Guar-Mehl beim Zusammen-
mischen der Bestandteile 5 bis 40 % beträgt.
- 4 -
2.
Tiereinstreu nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
dass sie zu mindestens 96 Gewichtsprozent aus natürlich
abbaubarem organischem Material besteht.
3.
Tiereinstreu nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeich-
net, dass das natürliche organische Material Cellulose, ein
Cellulosederivat oder ein Cellulose enthaltendes Material
umfasst.
4.
Tiereinstreu nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch ge-
kennzeichnet, dass die Holzpartikel eine Größenverteilung
aufweisen.
5.
Tiereinstreu nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch ge-
kennzeichnet, dass die Holzpartikel als Mischung aus mehr
körnigen und mehr blättchenförmigen Partikeln vorliegen.
6.
Tiereinstreu nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch ge-
kennzeichnet, dass die Holzpartikel zerkleinerte Hobelspäne
umfassen.
7.
Tiereinstreu nach einem der Ansprüche 1 bis 6, dadurch ge-
kennzeichnet, dass die größte Dimension der Holzpartikel
zwischen 0,5 und 5 mm liegt.
8.
Tiereinstreu nach Anspruch 7, dadurch gekennzeichnet,
dass die größte Dimension der Holzpartikel zwischen 1 und
2 mm liegt.
9.
Tiereinstreu nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch ge-
kennzeichnet, dass sie ein Tensid zur Förderung der Be-
- 5 -
netzbarkeit des organischen Materials mit der ausgeschie-
denen Flüssigkeit umfasst.
10.
Tiereinstreu nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet,
dass das Tensid in einer Menge von 0,05 bis 1 Gewichtspro-
zent zugegen ist.
11.
Tiereinstreu nach einem der Ansprüche 1 bis 10, dadurch
gekennzeichnet, dass sie einen alkalischen Bestandteil zur
Einstellung eines für die Wirksamkeit des organischen Ver-
dickungsmittels optimalen pH-Wertes enthält.
12.
Tiereinstreu nach Anspruch 11, dadurch gekennzeichnet,
dass sie NaOH oder Na
2
CO
3
enthält.
13.
Tiereinstreu nach Anspruch 12, dadurch gekennzeichnet,
dass außer dem NaOH oder Na
2
CO
3
ein Anteil an
pH-Puffersubstanz zur Bildung eines gepufferten alkalischen
Bestandteils zugegen ist.
14.
Tiereinstreu nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet,
dass als pH-Puffersubstanz Borax verwendet ist.
15.
Tiereinstreu nach Anspruch 13 oder 14, dadurch gekenn-
zeichnet, dass der gepufferte alkalische Anteil in einer
Menge von 0,1 bis 1,5 Gewichtsprozent zugegen ist.
16.
Tiereinstreu nach einem der Ansprüche 1 bis 15, dadurch
gekennzeichnet, dass sie folgende Gewichtszusammenset-
zung aufweist:
- 6 -
60 - 85 % Holzpartikel
38 - 13 % Guar-Mehl
0,2 - 0,6 % Tensid
0,05 - 0,3 % NaOH
0,3 - 1,2 % pH-Puffersubstanzen.
17.
Tiereinstreu nach einem der Ansprüche 1 bis 16, dadurch
gekennzeichnet, dass sie als gepresstes Granulat praktisch
abriebfrei vorliegt.
18.
Tiereinstreu nach Anspruch 17, dadurch gekennzeichnet,
dass die größte Abmessung der Granulatkörner bei mindes-
tens 90 % derselben im Bereich von 2 bis 5 mm und das
Verhältnis zwischen der größten und der kleinsten Abmes-
sung unterhalb 5:1 liegen.
19.
Verfahren zur Herstellung einer Tiereinstreu nach einem der
Ansprüche 1 bis 18, dadurch gekennzeichnet, dass die Holz-
partikel als natürliches organisches Wasser festhaltendes
Material mit dem in einer Flüssigkeit dispergierten Guar-Mehl
in einem Gewichtsanteil an Guar-Mehl von 5 bis 40 % beim
Zusammenmischen der Bestandteile als organisches Ver-
dickungsmittel benetzt oder darin getaucht und anschließend
getrocknet werden, dass die entstandene Masse zu kom-
pakten Formlingen trockenverpresst wird, dass die Formlinge
durch Schneiden oder Brechen zu einem Granulat zerkleinert
werden und dass das zerkleinerte Granulat einer Sichtung
zur Ausscheidung zu leichter Partikel unterworfen wird.
20.
Die Verwendung von Guar-Mehl als natürliches organisches
Verdickungsmittel und Klumpen bildender Bestandteil in ei-
ner mindestens überwiegend aus Holzpartikeln als einem
- 7 -
natürlichen organischen Wasser festhaltenden Material be-
stehenden Tierstreu.
21.
Die Verwendung nach Anspruch 20, bei der das Guar-Mehl
als organisches Verdickungsmittel in einem Mengenanteil
von 0,5 bis 100 % der Gesamtmenge der Tiereinstreu zuge-
gen ist.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I.
1.
Die Klage ist zulässig. Sie richtet sich - ungeachtet der nach ihrer Einrei-
chung erfolgten Umschreibung des Streitpatents im Patentregister - weiterhin ge-
gen den früheren Patentinhaber, nachdem die Klägerin einen Beklagtenwechsel
selbst nicht erklärt noch einem solchen zugestimmt hat.
2.
Die Klage ist auch begründet. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 20 des
Streitpatents in der verteidigten Fassung sind gem. § 22 Abs. 1 i. V. m. § 21
NK4
heitsschädlich vorweg genommen. Die Gegenstände der übrigen Ansprüche sind
dem hier einschlägigen Fachmann, einem Chemie- oder Verfahrensingenieur mit
Diplomabschluss, der üblicherweise mit einschlägigen Entwicklungsarbeiten bei
der Herstellung einer Tiereinstreu betraut ist (vgl. BGH, Urteil v. 17. Novem-
ber 2009 - X ZR 49/08 - in juris nachweisbar; BGH GRUR 2009, 1039 - Fischbiss-
anzeiger), auf Grund einer Kombination der genannten Druckschrift mit der
NK5
Nr. 1, § 4 PatG nahegelegt.
- 8 -
II.
1.
Das Streitpatent betrifft eine Tiereinstreu, ein Verfahren zu deren Herstellung
und die Verwendung eines Verdickungsmittels hierfür (Spalte 1, Zeilen 3 bis 6).
Die Tiereinstreu, die in erster Linie für Haustiere, insbesondere Katzen, vorgese-
hen sein soll, ist gemäß den Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents
im Stand der Technik grundsätzlich bekannt, wobei als Trägermaterial in der
Streitpatentschrift besonders auf natürliches organisches, anorganisches minerali-
sches Material oder eine Mischung aus beidem verwiesen wird (Spalte 1, Zei-
len 7 bis 33).
Zusätzlich seien im Stand der Technik aus der Schrift DE 41 01 243 A1 Mischfor-
men aus Cellulose, deren Derivaten und diese enthaltende Materialien bekannt,
denen ein mineralisches Beschwerungsmittel und ein Verdicker oder Bindemittel
zugesetzt werde, wobei die Verdicker organischer, synthetischer oder anorgani-
scher Natur sein könnten (Spalte 1, Zeilen 34 bis 40).
Daneben würden im Stand der Technik Streumittel der bekannten Art mit mindes-
tens einem kapillarförmigem, kleinkörnigem Stoff - vornehmlich aus dem Mineral-
sektor - gemischt (Spalte 1, Zeilen 41 bis 57), wobei allen Materialien die Wasser
festhaltende Eigenschaft zu eigen sei (Spalte 1, Zeilen 58 bis 61). Die Verdicker
und Klumpenbildner aus dem Stand der Technik seien im Zusammenhang mit
Tiereinstreu aber nur mit mineralischen Stoffen aufgetreten (Spalte 2, Zei-
len 37 bis 39), was den Nachteil habe, dass die mineralischen Bestandteile ohne
besondere Einwirkung nicht abgebaut würden (Spalte 2, Zeilen 44 bis 46).
2.
Vor diesem Hintergrund bezeichnet es die Patentschrift als Aufgabe der
Erfindung, eine Tiereinstreu zu schaffen, die weitgehend natürlich abbaubar ist
und Klumpen bildet (Spalte 2, Zeilen 47 bis 49).
- 9 -
3.
Zur Lösung dieser Aufgabe lehrt der Patentanspruch 1 in der verteidigten
Fassung eine Tiereinstreu mit folgenden Merkmalen:
1.
Die Tiereinstreu besteht überwiegend aus Wasser festhalten-
den Holzpartikeln als natürliches organisches Material.
2.
Die Tiereinstreu umfasst Guar-Mehl als organisches Ver-
dickungsmittel und Klumpen bildenden Bestandteil.
2.1
Das Guar-Mehl hält das natürliche organische Material (über-
wiegend Holzpartikel) unter Bildung eines Gels zusammen.
2.2
Der Gewichtsanteil an Guar-Mehl beträgt beim Zusammen-
mischen der Bestandteile 5 bis 40 %.
Der verteidigte Patentanspruch 19 ist auf ein Verfahren zur Herstellung einer Tier-
einstreu (nach einem der Ansprüche 1 bis 18) mit den folgenden Verfahrens-
schritten gerichtet:
I.
Die Holzpartikel (als natürliches organisches, Wasser
festhaltendes Material) werden mit dem in einer Flüssigkeit
dispergierten Guar-Mehl in einem Gewichtsanteil an
Guar-Mehl von 5 bis 40 % beim Zusammenmischen der Be-
standteile als organisches Verdickungsmittel benetzt.
oder
I':
Die Holzpartikel werden in einer Flüssigkeit mit darin disper-
giertem Guar-Mehl in einem Gewichtsanteil an Guar-Mehl
von 5 bis 40 % beim Zusammenmischen der Bestandteile als
organisches Verdickungsmittel getaucht.
- 10 -
II.
Die Holzpartikel werden anschließend getrocknet.
III.
Die entstandene Masse wird zu kompakten Formlingen
trockenverpresst.
IV.
Die Formlinge werden durch Schneiden oder Brechen zu ei-
nem Granulat zerkleinert.
V.
Das zerkleinerte Granulat wird einer Sichtung zur Ausschei-
dung zu leichter Partikel unterworfen.
Der verteidigte nebengeordnete Patentanspruch 20 ist auf die Verwendung von
Guar-Mehl in Tiereinstreu gerichtet, wobei das Guar-Mehl als natürliches organi-
sches Verdickungsmittel und Klumpen bildender Bestandteil in einer mindestens
überwiegend aus Holzpartikeln als einem natürlichen organischen, Wasser fest-
haltenden Material bestehenden Tiereinstreu Verwendung finden soll.
Zu dem die maßgeblichen Bestandteile der beanspruchten Tiereinstreu beschrei-
benden Patentanspruch 1 ist festzustellen, dass der durch den Ausdruck "über-
wiegend" gekennzeichnete Hauptbestandteil dieses Substrats Holzpartikel als
natürliches organisches Material darstellt (vgl. Merkmal 1.), d. h., dass der Aus-
druck "überwiegend" allein auf den Holzpartikel-Anteil und nicht etwa auf weitere
Anteile der Tiereinstreu wie Zeilen B. das Guar-Mehl bezogen ist.
Die Merkmalsgruppe 2. des Anspruchs 1 ist auf den weiteren notwendigen Be-
standteil der beanspruchten Tiereinstreu, nämlich auf Guar-Mehl gerichtet, dessen
Gel-bildende Wirkung (Merkmal 2.1) und dessen Gewichtsanteil an der Gesamt-
menge der Tiereinstreu (Merkmal 2.2) beschrieben wird.
Zu der in Merkmal 2.1 beschriebenen Wirkung der Gel-Bildung (Verklumpung
usw.) ist noch anzumerken, dass diese erst bei Zutritt von Wasser aus Körperflüs-
- 11 -
sigkeiten der Tiere einsetzt (vgl. allgemein Spalte 2, Zeilen 2 bis 22 und auf
Guar-Mehl bezogen Spalte 3, Zeilen 8 bis 19).
Unter dem Begriff Guar-Mehl versteht das Streitpatent das gemahlene Endosperm
der Samen des indischen Guar-Baums, eine Leguminose mit der taxonomischen
Bezeichnung Cyamopsis tetragonoloba (vgl. Spalte 2, Zeilen 60 bis 65).
Das Herstellungsverfahren der in Anspruch 1 und den folgenden Ansprüchen be-
schriebenen Tiereinstreu nach dem verteidigten Patentanspruch 19 beginnt mit
alternativ anzuwendenden Verfahrensschritten, nämlich entweder der Benetzung
der Holzpartikel mit in Flüssigkeit dispergiertem Guar-Mehl (Merkmal I.) oder aber
alternativ mit dem Tauchen der Holzpartikel in eine entsprechende Flüssigkeit mit
darin dispergiertem Guar-Mehl (Merkmal I'). Nach Trocknung der Holzpartikel
(Merkmal II) erfolgt eine Trocken-Verpressung zu kompakten Formlingen (Merk-
mal III.).
Dieser Verfahrensschritt zielt darauf ab, später, d. h. nach weiteren Verfahrens-
schritten wie Zerkleinerung durch Schneiden oder Brechen (Merkmal IV.) und
Ausscheidung zu leichter Partikel durch Sichtung (Merkmal V.) ein praktisch ab-
riebfreies Granulat ohne Staubanteile herzustellen. Hierdurch soll vermieden wer-
den, dass die Tiereinstreu im Fell der Tiere hängen bleibt (vgl. Spalte 4, Zeilen 13
bis 19).
III.
1.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung ist zwar
auf Grund seiner Zweckbestimmung gewerblich anwendbar, er ist jedoch nicht
neu.
NK4
Absorbent Composition" betrifft allgemein eine Beschreibung von absorbierenden
- 12 -
Materialzusammensetzungen, welche insbesondere als Tiereinstreu Verwendung
finden können und ein Verfahren zu deren Herstellung (Spalte 1, Zeilen 7 bis 10).
Zwar wird als inerte feste Grundsubstanz für die Materialzusammensetzung der
hier offenbarten Tiereinstreu grundsätzlich Lehm angegeben (Spalte 3, Zeilen 52,
53), wobei hierzu vorzugsweise Bentonit-Lehm Verwendung finden soll (Spalte 3,
NK4
weitere Beispiele für den inerten Feststoffanteil der beschriebenen Tiereinstreu
gegeben, so dass dieser jedenfalls nicht auf die o. g. Lehm-Arten beschränkt ist.
NK4
partikulären Substrat bestehen, welches durch Holzpartikel gebildet werden kann
(vgl. Spalte 3, Zeilen 46 bis 48; "wood chips, wood shaving, wood flour") und somit
auch ein natürliches organisches Material darstellt.
Die eingesetzten Holzpartikel haben auch bei der entgegengehaltenen Tier-
einstreu die Aufgabe, Wasser festzuhalten und zwar - wie auch beim Streitpatent -
in Verbindung mit einem Verdickungsmittel (Klumpen bildendes Mittel) (vgl.
Spalte 4, Zeilen 1 bis 6). Die entgegengehaltene Tiereinstreu kann ebenfalls
überwiegend aus festem partikulären Substrat bestehen (Spalte 3, Zeilen 65 bis
68), das eben auch aus Holzpartikeln gebildet sein kann (Spalte 3, Zeilen 46 bis
48). Damit gehört Merkmal 1. des verteidigten Patentanspruchs 1 (vgl. Merkmals-
NK4
offenbart.
NK4
wie Zeilen B. Guar-Mehl ("guar gum") (vgl. Spalte 4, Zeilen 1 bis 6 i. V. m. Zei-
len 13 bis 15 und Anspruch 4). Eine mit "guar gum" beschriebene Substanz ist
bereits Guar-Mehl, wie aus dem schon im Prüfungsverfahren berücksichtigten
Lexikon der Hilfsstoffe für Pharmazie etc. 2. Aufl. 1981, Seiten 450 und 451 er-
sichtlich ist. Damit ist auch Merkmal 2. des geltenden Anspruchs 1 vorbeschrie-
ben, ebenso wie die Funktion, die das Guar-Mehl (bei Nässeinwirkung) erfüllt,
nämlich das Zusammenhalten des natürlichen organischen Materials unter Bil-
- 13 -
NK4
Zeilen 6 bis 8, ersichtlich ist.
Das klumpenbildende Mittel (Bindemittel), welches auch Guar-Mehl sein kann,
wird gemäß der Entgegenhaltung in einem sehr weiten Wertebereich von 0,01 bis
20 %, bezogen auf das Trockengewicht des festen partikulären Substrats (Zei-
len B. Holzpartikel), beigemischt (vgl. Spalte 5, Zeilen 1 bis 3 und Anspruch 7).
Damit erreicht der Bindemittelanteil etwa die Mitte des im Streitpatent angegebe-
nen, ebenfalls weit gefassten Bereichs von 5 bis 40 % (vgl. Merkmal 2.2). Somit ist
eine hinreichende Überschneidung der beanspruchten Verhältnisanteile von
Guar-Mehl mit den im Stand der Technik offenbarten Verhältnisanteilen gegeben,
was dazu führt, dass dies im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (vgl.
BGHZ 95, 295 - Borhaltige Stähle; Benkard/Melullis, PatG, 10. Aufl., § 3 Rdnr. 45
m. w. N.) insoweit als neuheitsschädliche Vorbeschreibung dieses Merkmals
(Merkmal 2.2) zu werten ist.
NK4
Formulierung "porous inert solid subtrate" die hierzu in der Beschreibung beispiel-
haft benannten Formen von Holzpartikeln "wood chips, wood shaving, wood flour"
und "sawdust" (vgl. Spalte 3, Zeilen 46 bis 48) zu subsumieren, wobei nach dem
auf Anspruch 1 rückbezogenen Anspruch 4 auch Guar-Mehl als Verklumpungs-
mittel eingesetzt werden und dessen Anteil nach dem ebenfalls auf Anspruch 1
der Entgegenhaltung rückbezogenen Anspruch 7 0,01 bis 20 % Gewichtsanteil an
der Trockensubstanz des Substrats betragen kann.
Demnach sind alle Merkmale des Patentanspruchs 1 in der verteidigten Fassung
NK4
über dem Stand der Technik fehlt.
2.
Das Verfahren nach Patentanspruch 19 in der verteidigten Fassung ist zwar
auf Grund seiner Zweckbestimmung gewerblich anwendbar und mag auch die
- 14 -
erforderliche Neuheit gegenüber dem Stand der Technik aufweisen, jedoch beruht
es nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
NK4
stellung einer Tiereinstreu bekannt geworden, bei dem Zeilen B. auch Holzpartikel
(Spalte 3, Zeilen 46 bis 48) als natürliches organisches, Wasser festhaltendes
Material mit dem in einer Flüssigkeit (hier: Wasser) dispergierten Guar-Mehl in
einem Gewichtsanteil an Guar-Mehl bis zumindest 20 % beim Zusammenmischen
der Bestandteile als organisches Verdickungsmittel benetzt wird (Spalte 4, Zeilen
NK4
NK4
Auch findet sich in der NK4 bereits ein Hinweis auf einen Trocknungsschritt, denn
in Spalte 5, Zeilen 9 bis 16 wird die Einstellung des restlichen Feuchtegehalts der
Mischung auf einen Wert ab 0,5 % (vgl. Zeile 12) beschrieben. Somit ist auch eine
Trocknung i. S. v. Merkmal II. bereits verwirklicht.
Die weiteren Verfahrensschritte III. bis V., wie sie im Patentanspruch 19 aufgeführt
NK4
NK4
Methoden der Granulat-Herstellung, um die in der Entgegenhaltung beschriebe-
nen Substrate bzw. Zusammensetzungen als Granulat bereit zu stellen (Spalte 5,
Zeilen 58 bis 65).
NK4
Holzpartikeln und in Flüssigkeit dispergiertem Guar-Mehl gemäß Verfahrens-
schritt I. und anschließender Trocknung (Schritt II.) grundsätzlich für die Weiter-
verarbeitung zu Granulaten geeignet.
Ein geeignetes Verfahren zur Granulatherstellung ist in der EP 0 585 928 A1
NK5
ben, nämlich derart, dass das dort verwendete fasrige Material und dessen was-
- 15 -
seraufnehmende Komponenten sowie das Bindemittel (u. a. Guar-Mehl, vgl.
Seite 3 Zeile 29) gemischt werden und die Mischung dann durch eine Trockenver-
pressung geformt wird, und, so notwendig, geschnitten und gebrochen zu Pellets
NK5
Textstelle lässt den o. g. Fachmann durch den Hinweis auf die Trockenverpres-
sung (dry-compression molding) bereits zweifelsfrei erkennen, dass das zu bear-
beitende Material zumindest im Bedarfsfall vorher getrocknet werden muss (Ver-
fahrensschritt II.), die entstandene Masse anschließend zu kompakten Formlingen
(vgl. molding) trocken verpresst wird (Verfahrensschritt III.) und die Formlinge
durch Schneiden oder Brechen zu einem Granulat zerkleinert werden (Verfahrens-
schritt IV.).
NK4
ren beschrieben wird, bei dem Holzpartikel mit dem Verdickungsmittel Guar-Mehl
benetzt (Schritt I.) und anschließend getrocknet werden (Schritt II.), wobei bereits
auf die Möglichkeit der Granulierung eines derartigen Gemisches hingewiesen
wird. Somit ist der maßgebliche Fachmann veranlasst, die Granulierung mit dem
NK5
benen Verfahren vorzunehmen, welches entsprechend den Schritten II. bis IV. des
Patentanspruchs 19 arbeitet.
NK4
NK5
lediglich formal durch den letzten Verfahrensschritt V. unterscheidet, wonach das
zerkleinerte Granulat einer Sichtung zur Ausscheidung zu leichter Partikel unter-
worfen wird, denn ein derartiger Verfahrensschritt wird expressis verbis nicht be-
schrieben.
NK4
einer granulierten Tiereinstreu beim Gebrauch stark reduziert sein muss (Spalte 3,
Zeilen 12, 13 und 27 bis 29). Eine Staubentwicklung setzt aber immer dann ein,
wenn das Granulat zu viele kleine und leichte Partikel enthält. Angesichts dieser
- 16 -
Vorgabe stellt es für den eingangs näher bezeichneten Fachmann lediglich eine
einfache handwerkliche Maßnahme dar, zu leichte Partikel aus dem Granulat aus-
zuscheiden. Die hierzu geeigneten Verfahren der Sichtung (Zeilen B. Windsich-
tung) sind dem einschlägigen Fachmann geläufig und werden demgemäß in der
Streitpatentschrift auch nicht näher beschrieben oder benannt (vgl. Spalte 4, Zei-
len 42 bis 46 der Streitpatentschrift). Eine Sichtung nach Trockenverpressung und
-zerkleinerung stellt ferner bereits dann eine selbstverständliche Maßnahme dar,
wenn das Endprodukt staubfrei vorliegen soll.
Das Verfahren nach Patentanspruch 19 beruht daher gegenüber dem Stand der
NK4
3.
Die Verwendung von Guar-Mehl gemäß Patentanspruch 20 in der verteidig-
ten Fassung ist zwar auf Grund ihrer Zweckbestimmung gewerblich anwendbar,
sie ist jedoch nicht neu.
Die Verwendung von Guar-Mehl als natürliches organisches Verdickungsmittel
und Klumpen bildender Bestandteil in einer mindestens überwiegend aus Holzpar-
tikeln als einem natürlichen, organischen, Wasser festhaltenden Material beste-
NK4
(Spalte 3, Zeilen 46 bis 48 und Spalte 4, Zeilen 1 bis 15).
Die beanspruchte Verwendung von Guar-Mehl gemäß Patentanspruch 20 ist da-
her gegenüber dem Stand der Technik nicht mehr neu.
4.
Die auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 18 sowie der
auf Patentanspruch 20 rückbezogene Patentanspruch 21, jeweils in der verteidig-
ten Fassung enthalten keine Merkmale von eigenständiger patentbegründender
Bedeutung.
Der Beklagte sieht die Merkmale der verteidigten Patentansprüche 2, 4, 9 und 11
bis 14 als patentbegründend an. Dies trifft jedoch für die dort beschriebenen
- 17 -
Merkmale nicht zu, denn das Merkmal des Patentanspruchs 2, wonach die Tier-
einstreu zu mindestens 96 Gewichtsprozent aus natürlich abbaubarem organi-
schen Material besteht sowie das Merkmal des Patentanspruchs 4, wonach die
Holzpartikel eine Größenverteilung aufweisen, ergeben sich unmittelbar aus dem
NK4
Zeilen 13 bis 15). Das Merkmal des Patentanspruchs 9, wonach die Tiereinstreu
ein Tensid zur Förderung der Benetzbarkeit des organischen Materials mit der
NK4
NK8
Zeilen 26 bis 31). Die Merkmale der Patentansprüche 11 bis 14 sind auf einen
alkalischen Bestandteil in der Tiereinstreu zur Einstellung eines für die Wirksam-
keit des organischen Verdickungsmittels optimalen pH-Wertes gerichtet (An-
spruch 11) bzw. auf die Benennung derartiger puffender Substanzen (Ansprü-
che 12 bis 14). Derartige Maßnahmen und Substanzen werden für eine Guar-Mehl
enthaltende Tiereinstreu bereits durch die von der Klägerin ebenfalls noch ins
NK9
nahe gelegt (Spalte 5, Zeile 64 bis Spalte 6, Zeile 21).
Für die Merkmale der verbleibenden Unteransprüche hat der Beklagte keine pa-
tentbegründende Bedeutung mehr geltend gemacht. Eine solche kann auch der
Senat in diesen Patentansprüchen nicht erkennen. Somit teilen die Unteransprü-
che in der verteidigten Fassung das Schicksal ihrer jeweiligen tragenden Ansprü-
che 1 und 20, denen sie nachgeordnet sind.
- 18 -
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m.
§ 709 ZPO.
Rauch
Dr. Huber
Voit
Rippel
Dr. Prasch
Cl