Urteil des BPatG vom 09.04.2002

BPatG: stand der technik, vorbenutzung, are, druck, ausführung, fig, vollstreckbarkeit, terminologie, einbau, patentanspruch

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
1 Ni 5/01 (EU)
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
9. April 2002
In der Patentnichtigkeitssache
BPatG 253
9.72
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betreffend das europäische Patent 0 578 317
(= deutsches Patent 693 02 963)
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 9. April 2002 durch den Präsidenten
Dr.
Landfermann und die Richter Dr.-Ing. Barton, Dipl.-Phys. Dr. Frowein,
Dr. Hacker und Dipl.-Phys. Dr. W. Mayer
für Recht erkannt:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt 2/3 die Klägerin, 1/3 die
Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Si-
cherheitsleistung in Höhe von 3.000,-- €, für die Beklagte in
Höhe von 5.500,-- €.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 2. Juli 1993 unter Inanspruch-
nahme der Priorität der niederländischen Patentanmeldung NL 9201203 vom
6. Juli 1992 angemeldeten europäischen Patents 0 578 317 B2 (Streitpatent), das
unter anderem mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland
erteilt worden ist und insoweit beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der
Nummer DE 693 02 963 geführt wird.
Das in englischer Sprache veröffentlichte Streitpatent betrifft "Method and device
for emptying and washing refuse containers, and refuse vehicle equipped with
such a device". Es umfasst 8 Patentansprüche, von denen mit der Nichtigkeits-
klage ursprünglich die Ansprüche 1 und 8 angegriffen wurden. Hinsichtlich des
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Anspruchs 8 haben die Parteien den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung
übereinstimmend für erledigt erklärt. Der weiterhin angegriffene Anspruch 1 lautet
in seiner Originalfassung:
Refuse collection truck (1, 2) comprising a refuse trough (5)at one
of the sides of a loading space (19) to receive refuse from a refuse
container (3), which trough (5) is proved with a container loading
device, with means (7-10) to move said refuse to the loading space
and to compress it in said lading space, and with a container
washing device comprising spraying means (11) for spraying a
washing liquid under pressure in said container once it is emptied,
characterized in that the spraying means comprise one or more re-
movable spraying heads (11) which are monted at the end of a first
arm (12) which is pivotably connected at its opposite end to an end
of a second arm (14) which is pivotably connected at its opposite
end near the top of the refuse trough extending downwards inside
said trough, in that an end of a cylinder rod and a cylinder body of
pneumatic cylinder (25) are pivotably connected to the second arm
and a body portion of the truck, and in that the length of both arms
(12, 14) and the angle which they cover, between an extended and
withdrawn position respectively, are adjusted to the available space
and the intended position of the container opening (4) in the refuse
trough.
In seiner deutschen Übersetzung hat der Anspruch 1 folgenden Wortlaut:
Müllfahrzeug (1, 2) das besteht aus einer Müllmulde (5) an einer
der Seiten eines Laderaums (19) zur Aufnahme von Müll aus einem
Müllbehälter (3), welche Mulde (5) mit einer Ladeeinrichtung für
Behälter versehen ist, aus Vorrichtungen (7-10), um besagten Müll
zum Laderaum zu bewegen und ihn in besagtem Laderaum zu ver-
dichten, und aus einer Behälter-Waschvorrichtung, die aus Sprüh-
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vorrichtungen (11) besteht, um in den besagten Behälter, nachdem
er geleert worden ist, inne Waschflüssigkeit unter Druck zu sprü-
hen, dadurch gekennzeichnet, daß die Sprühvorrichtungen einen
oder mehrere abnehmbare Sprühköpfe (11) haben, die am Ende
eines ersten Armes (12) angebracht sind, der an seinem gegen-
überliegenden Ende mit dem einen Ende eines zweiten Armes (14)
schwenkbar verbunden ist, der an seinem gegenüberliegenden
Ende nahe dem oberen Bereich der Müllmulde schwenkbar gela-
gert ist, die sich im Inneren von besagter Mulde auf inne Weise
nach unten erstrecken, daß ein Ende einer Zylinderstange und ein
Zylinderkörper eines pneumatischen Zylinders (25) mit dem zweiten
Arm und einem Karosserieteil des Müllfahrzeugs schwenkbar
verbunden sind, und daß die Länge der beiden Arme (12, 14) und
der Winkel, den sie zwischen einer ausgefahrenen und einer
eingefahrenen Stellung beschreiben, an den vorhandenen Raum
und der beabsichtigten Lage der Behälteröffnung (4) in der
Müllmulde angepaßt werden.
Die Klägerin macht geltend, der Gegenstand dieses Anspruchs sei durch den
Stand der Technik nahegelegt. Sie stützt sich insoweit auf die Druckschriften:
US 3 901 255 (Anlage 3),
US 3 881 950 (Anlage 4) und
IT 1 187 145, mit englischer Übersetzung (Anlage 11)
sowie auf eine offenkundige Vorbenutzung mit der Kurzbezeichnung "Jolly", zu der
sie die Anlagen 5-10 und 16 eingereicht und einen Zeugen benannt hat. Ihren
Sachvortrag zu einer weiteren offenkundigen Vorbenutzung mit der Kurzbezeich-
nung "IDEOMAX" (Anlagen 14, 17, 18, 18a, 19 und 20) hat sie in der mündlichen
Verhandlung zurückgezogen.
Im Laufe des Rechtsstreits hat die Klägerin das Streitpatent des weiteren unter
dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung angegriffen.
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Die Klägerin beantragt der Sache nach zuletzt,
das europäische Patent 0 578 317 mit Wirkung für die Bundesrepu-
blik Deutschland im Umfang des Anspruchs 1 für nichtig zu erklä-
ren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie willigt in die erfolgte Klageänderung hinsichtlich des Angriffs auf die fehlende
ursprüngliche Offenbarung des Anspruchs 1 nicht ein, tritt dem Klagevorbringen
insgesamt entgegen und hält den Gegenstand des Streitpatents für patentfähig.
Die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung "Jolly" wird von ihr bestritten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ih-
rer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, mit der die Nichtigkeitsgründe der unzulässigen Erweiterung (Art II § 6
Abs 1 Nr 3 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit c EPÜ) und der fehlenden Patentfähigkeit
(Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a EPÜ) geltend gemacht werden,
ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
I.
Der angegriffene Anspruch 1 betrifft ein Müllfahrzeug, welches - nach Merkmalen
aufgegliedert - aufweist:
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(a) eine Müllmulde (5) an einer der Seiten des Laderaums (19) zur Aufnahme von
Müll aus einem Müllbehälter(3);
(b)
welche Mulde (5) mit einer Ladeeinrichtung für Behälter versehen ist;
(c)
Vorrichtungen (7-10), um besagten Müll zum Laderaum zu bewegen und
ihn in besagtem Laderaum zu verdichten;
(d)
eine Behälter-Waschvorrichtung, die aus Sprühvorrichtungen (11) besteht,
um in den besagten Behälter, nachdem er geleert worden ist, eine Wasch-
flüssigkeit unter Druck zu sprühen;
(e)
die Sprühvorrichtungen haben einen oder mehrere abnehmbare Sprühköpfe
(11),
(f)
die am Ende eines ersten Armes (12) angebracht sind, der an seinem ge-
genüberliegenden Ende mit dem einen Ende eines zweiten Armes (14)
schwenkbar verbunden ist,
(g)
der an seinem gegenüberliegenden Ende nahe dem oberen Bereich der
Müllmulde schwenkbar gelagert ist;
(h1) die (beiden) Arme erstrecken sich im Inneren von besagter Mulde auf eine
Weise nach unten;
(h2) ein Ende einer Zylinderstange und ein Zylinderkörper eines pneumatischen
Zylinders (25) sind mit dem zweiten Arm und einem Karosserieteil des
Müllfahrzeugs schwenkbar verbunden;
(i)
die Länge der beiden Arme (12, 14) und der Winkel, den sie zwischen einer
ausgefahrenen und einer eingefahrenen Stellung beschreiben, werden an
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den vorhandenen Raum und der beabsichtigten Lage der Behälteröffnung
(4) in der Müllmulde angepasst.
II.
Einschlägiger Fachmann für die Beurteilung des angegriffenen Gegenstandes ist
ein Dipl.-Ing. (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrung auf dem Gebiet
der Konstruktion von Müllfahrzeugen.
III.
Der Senat sieht es als sachdienlich an, den nachgeschobenen Nichtigkeitsgrund
der mangelhaften ursprünglichen Offenbarung aufzugreifen, um einen darauf ge-
stützten neuerlichen Angriff zu vermeiden (§ 263 ZPO; vgl Busse/Keukenschrijver,
PatG, 5. Aufl, § 83 Rn 7). Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Anspruch 1 bei
verständiger Auslegung durch den Fachmann als ursprünglich offenbart anzuse-
hen ist.
Beanstandete und kritische Stellen in diesem Anspruch sind unter Bezugnahme
auf die Merkmalsgliederung wie folgt auszulegen:
1. Der Fachmann erkennt beim Lesen des Anspruchswortlauts – Merkmale (a) bis
(c) iVm insbesondere der Figur 1 -, dass es sich bei dem beanspruchten Müllfahr-
zeug um einen sogenannten "Muldenlader" (im Gegensatz zu den ebenfalls be-
kannten "Topladern") handelt, bei dem der Müll in den Müll-Auffangbereich ent-
leert wird, wo er in eine Müllmulde fällt. Von dort wird der Müll mittels Vorrichtun-
gen 7 bis 10, nämlich mittels Schlittenplatte 7 mit einer Führung 8 und der Druck-
platte 9, die über das Drehgelenk 10 mit der Schlittenplatte 7 verbunden ist, zum
Laderaum 19 bewegt (vgl Fig 3) und dort verdichtet. Die Müllmulde 5 ist somit
nicht Teil des Laderaums 19, sondern die Müllmulde 5 ist (am Boden des Müll-
Auffangbereiches) an einer der Seiten des Laderaums 19, üblicherweise an der
Rückseite, angeordnet. Diese Lesart steht mit der ursprünglich offenbarten Lehre
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(vgl dazu Anspruch 1 iVm den Figuren und insb Sp 1 Z 17-20 der EP 0 578 317
A1) im Einklang.
2. Das Wort "abnehmbare" vor "Sprühköpfe" im Merkmal (e) der Gliederung be-
deutet lediglich, dass die Sprühköpfe nicht einstückig mit dem ersten Arm 12 aus-
gebildet, sondern am Ende dieses ersten Armes 12 angebracht bzw daran befes-
tigt (mounted bzw attached) und in diesem Sinne davon auch wieder "abmontier-
bar" sind. In diesem Sinne ist das Merkmal auch ursprünglich offenbart (vgl dazu
die Figuren iVm Sp 3 Z 1f, Sp 6 Z 39-41 und Anspruch 2, Sp 7 Z 55-57 der EP 0
578 317 A1 – Schrift).
3. Nach dem Merkmal (g) (zu lesen in Verbindung mit den Merkmalen (e) und (f))
ist der zweite Arm 14 der Sprühvorrichtungen nahe dem oberen Bereich der Müll-
mulde schwenkbar gelagert, und nach dem Merkmal (h1) erstrecken sich die bei-
den Arme 12 und 14 im Inneren von besagter Mulde auf eine Weise nach unten.
Da sich die Müllmulde, der nach Merkmal (a) das Bezugszeichen 5 zugeordnet ist,
am Boden des Müll-Auffangbereiches 6 befindet (vgl dazu Sp 6 Z 26f iVm den Fi-
guren in der Streitpatentschrift), können sich die beiden Arme 12,14 der Sprühvor-
richtungen – wie der Fachmann ohne weiteres erkennt - nicht im Inneren dieser
Mulde 5 nach unten erstrecken. Denn dieser Bereich ist zur Aufnahme des Mülls
vorgesehen (Merkmal (a) iVm Sp 6 Z 24 bis 27). Der Müll wird anschließend aus
dieser Mulde, wie bereits ausgeführt, mittels Vorrichtungen 7-10 zum Laderaum
bewegt und dort verdichtet (Merkmal (c) iVm den Figuren 1 bis 3). Der Fachmann
erkennt somit, dass die Begriffe "Müllmulde" und ..."besagter Mulde" in den
Merkmalen (g) und (h1) im Sinne von "Müllauffangbereich" zu verstehen sind, dem
in Figur 1 die Bezugsziffer 6 zugeordnet wurde. Dieses Verständnis der Merkmale
(g) und (h1) steht - insoweit unbestritten - im Einklang mit der ursprünglichen
Offenbarung.
4. Das von der Klägerin des weiteren beanstandete Merkmal (h2) ergibt sich für
den Fachmann zwanglos aus den auch schon ursprünglich eingereichten Figuren
7 und 8.
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Damit weist der Anspruch 1, in der erläuterten Auslegung, für den Fachmann
keine unzulässige Erweiterung gegenüber der ursprünglichen Offenbarung auf.
IV.
Das mit Anspruch 1 beanspruchte Müllfahrzeug ist patentfähig.
1. Es ist unbestritten gewerblich anwendbar und neu.
Gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik (US 3 901 255 (Anlage 3),
US 3 881 950 (Anlage 4) und IT-PS 1 187 145, mit englischer Übersetzung (An-
lage 11)) ergibt sich allein schon daraus ein Unterschied, dass diese bekannten
Müllfahrzeuge "Toplader" betreffen, während das streitpatentgemäße Müllfahr-
zeug einen "Muldenlader" betrifft (vgl dazu die obigen Ausführungen unter III.1).
Die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung "Jolly", betrifft zwar ebenfalls
einen Muldenlader. Bei dieser ist aber die Sprühvorrichtung am Ende eines einzi-
gen schwenkbaren Armes angebracht (vgl zB Bild 5 in Anlage 10). Demgegen-
über sind die Sprühköpfe des streitpatentgemäßen Müllfahrzeuges am Ende eines
ersten Armes 12 angebracht, der an seinem gegenüberliegenden Ende mit dem
einen Ende eines zweiten Armes 14 schwenkbar verbunden ist, der an seinem
gegenüberliegenden Ende nahe dem oberen Bereich des Müllauffangbereiches
schwenkbar gelagert ist (Merkmale (e) bis (g) in der Lesart des Fachmannes, vgl
Abschnitt III.).
2. Das Müllfahrzeug nach dem angegriffenen Anspruch 1 beruht auch auf erfinde-
rischer Tätigkeit.
a) Der Senat geht im Folgenden zu Gunsten der Klägerin davon aus, dass die
geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung "Jolly" als Stand der Technik zu
werten ist (was die Beklagte allerdings bestreitet).
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Dieses Müllfahrzeug stellt dann wohl den nächstkommenden Stand der Technik
dar, denn es betrifft, wie bereits ausgeführt wurde, einen sogenannten Muldenla-
der mit einer Behälter-Waschvorrichtung.
Aus sich heraus gibt die in dem Müllfahrzeug "Jolly" (vgl zB Anlage 5, Blatt 3, die
beiden oberen Abbildungen und die Skizze auf Blatt 4) eingebaute Behälter-
Waschvorrichtung keine Anregung dafür, den Sprühkopf an einer zweiarmigen
Schwenkvorrichtung anzubringen und auch keinen Hinweis dafür, dass es vorteil-
haft sein könnte, die beiden Arme in einer Weise sich nach unten erstrecken zu
lassen (wie es die streitpatentgemäßen Merkmale (f) bis (h1) fordern). Auf Grund
der genannten Abbildungen in der Anlage 5 und der in den Bildern 5 bis 8 der An-
lage 10 erkennbaren Anordnung und Mechanik dieser bekannten Sprühvorrich-
tung ist bereits ein an einem (einzigen) im wesentlichen waagerecht verschwenk-
baren Arm befindlicher Sprühkopf als geeignet angesehen und in der Praxis of-
fenbar auch schon erprobt worden.
b) Hinweise dafür, die Sprühköpfe am Ende eines Armes anzubringen und diesen
Arm an seinem gegenüberliegenden Ende schwenkbar mit dem einen Ende eines
zweiten Armes zu verbinden, beide Arme im Müllauffangbereich sich nach unten
erstrecken zu lassen und den zweiten Arm über einen pneumatischen Zylinder-
Kolben-Antrieb mit einem Karosserieteil des Müllfahrzeuges schwenkbar zu ver-
binden – Merkmale (e) bis (h2) – erhält der Fachmann auch nicht aus dem übrigen
zu berücksichtigenden druckschriftlichen Stand der Technik.
b1) Die US-Patentschriften 3 901 255 und 3 881 950 (Anlagen 3 und 4) offenbaren
an "Topladern" fest installierte nach oben gerichtete Sprühlanzen. Die Müllbehälter
werden dort, nach ihrer Entleerung an einer anderen Stelle, über diesen Sprühlan-
zen in eine neue Position zur Reinigung gebracht. Dieser Stand der Technik
konnte somit ersichtlich keine Hinweise in Richtung auf die streitpatentgemäße
Ausführung liefern.
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b2) Auch das Müllfahrzeug nach der italienischen Patentschrift 1 187 145 (Anlage
11) liefert keine konkreten Hinweise auf die spezielle Ausführungsform der
Waschvorrichtung gemäß dem Streitpatent. Zwar bleibt dort der Müllbehälter nach
seiner Entleerung zum Waschen im wesentlichen in der Position, in der er über
dem Laderaum zu seiner Entleerung positioniert worden ist (vgl Abb 2A bis 2C).
Dies entspricht in etwa der Positionierung des Müllbehälters beim Entleeren und
anschließenden Waschen bei dem Muldenlader nach der geltend gemachten of-
fenkundigen Vorbenutzung "Jolly", wie es aus der Prinzipskizze auf Blatt 4 der
Anlage 5 ersichtlich ist. Nach der italienischen Patentschrift wirken aber nicht zwei
Arme funktionell zur Bewegung des Sprühkopfes so zusammen wie es streitpa-
tentgemäß beansprucht wird. Dort (vgl dazu Figuren 2A bis 2D iVm S 5 Z 22-27
und Z 35 bis S 6 Z 4 der Übersetzung der Anlage 11) dient vielmehr der Arm 19
nur dem Öffnen und dem Offenhalten des Deckels 32 des Müllbehälters 30 in be-
stimmter Position, während der abgeknickte bewegliche Arm 22 mit dem Sprüh-
kopf 21 (in der Terminologie des Streitpatents: der erste Arm) an diesem für die
Öffnung und Offenhaltung des Deckels des Müllbehälters bestimmten Arm 19 le-
diglich schwenkbar gelagert ist. Die Schwenkbewegung erfolgt mittels eines Zylin-
dermotors 23, der an dem ersten Arm 22 und an dem "Deckelöffnungs"-Arm 19
angelenkt ist. Ein Hinweis für eine zweiarmige nach unten gerichtete Mechanik zur
Bewegung der Sprühköpfe, um Waschflüssigkeit in den entleerten Müllbehälter
sprühen zu können, ergibt sich somit auch aus dieser Druckschrift nicht.
b3) Die streitpatentgemäße spezielle Ausführungsform kann auch nicht aus ande-
ren Gründen, z.B. aus dem allgemeinen Fachwissen heraus, als die sich ohne
weiteres für den Fachmann anbietende und damit naheliegende Ausführungsform
angesehen werden. Argumente hierzu oder auch vergleichbare Problemlösungen
auf Gebieten, die im Blickfeld des Fachmannes liegen müssten, sind dem Senat
weder bekannt noch wurden solche von der Klägerin vorgetragen. Aus den Pro-
zessakten sind andererseits weitere, jedoch in anderer Weise ausgestaltete Lö-
sungsvorschläge (vgl dazu die nicht mehr aufrechterhaltene offenkundige Vorbe-
nutzung "IDEOMAX" gemäß den Anlagen 14 und 17-20 und der von der hiesigen
Beklagten angegriffene vermeintliche Verletzungsgegenstand gemäß Anlage 12)
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bekannt geworden. Daraus ergibt sich, dass es offenbar noch eine Reihe weiterer,
möglicherweise auch erfinderischer Lösungsmöglichkeiten für den Einbau von Be-
hälter-Waschvorrichtungen in Müll-Auffangbereiche von Muldenlader-Müllfahrzeu-
gen gibt.
Damit konnte der Senat nicht feststellen, dass der Gegenstand des angegriffenen
Anspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Der Patentanspruch hat so-
mit Bestand.
V
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm §§ 91 Abs 1, 91a ZPO.
Dabei war zu berücksichtigen, dass der sehr breit formulierte Verfahrensan-
spruch 8 des Streitpatents – auch in der Fassung des hierzu eingereichten Hilfs-
antrags – nach dem Sach- und Streitstand zum Zeitpunk der übereinstimmenden
Erledigungserklärung im Hinblick auf die italienische Patentschrift (Anlage 11) und
die zu diesem Zeitpunkt noch im Verfahren befindliche offenkundige Vorbenutzung
"IDEOMAX", deren Nachweis unterstellt, voraussichtlich keinen Bestand gehabt
hätte.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs 1 PatG
iVm § 709 ZPO.
Landfermann Barton Frowein Hacker
Maier
Pr