Urteil des BPatG vom 03.07.2007

BPatG: wiedereinsetzung in den vorigen stand, ablauf der frist, gebühr, rechtsmittelbelehrung, verschulden, fax, aufklärungspflicht, amt, rechtskraft, versäumnis

BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 94/06
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
08.05
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betreffend die Marke IR 850 358
hier: Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Erinnerungsgebühr
hat der 27.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
3. Juli 2007 durch …
beschlossen:
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in die
Frist zur Zahlung der Erinnerungsgebühr wird abgelehnt.
G r ü n d e
I
Gegen die am 29. Dezember 2004 für „Klasse 18: cuir et imitations de cuir; Klas-
se 25: chaussures“ registrierte Wortmarke IR 850 358 „P
EPEROSA
“ hat die Wider-
sprechende am 31. Oktober 2005 aus ihren gleichlautenden Marken DD646481
und 2 045 232 „P
EPE
“, Widerspruch eingelegt.
Dies führte zur vorläufigen Schutzverweigerung durch Refus de protection vom
20. Dezember 2005, das auf die Notwendigkeit der Bestellung eines Inlandsvertre-
ters bzw. inländischen Zustellungsbevollmächtigten gemäß § 96 MarkenG inner-
halb von vier Monaten ab dem Tag der Absendung der Schutzverweigerung ge-
mäß § 46 Abs. 1 MarkenV hinwies sowie darauf, dass sich dem eine weitere Frist
von einem Monat zur Einlegung der Erinnerung anschließe.
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Gegen die Widersprüche ließ die Inhaberin des angegriffenen Zeichens durch
Avvocato A… aus B… am 11.
April
2006 vortragen, die Zeichen
seien nicht verwechselbar.
Die Markenstelle hat diesem mit Telefax am 20. April 2006 mitgeteilt, dass seine
Vertreterbestellung nicht zulässig sei. Nach § 96 MarkenG müsse ein Inlandsver-
treter oder zumindest ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt werden. Werde bis
zum 20. April 2006 kein deutscher Anwalt (gegebenenfalls als Zustellungsbevoll-
mächtigter) bestellt, werde die vorläufige Schutzverweigerung endgültig. Es beste-
he dann noch die Möglichkeit, bis 20. Mai 2006 gegen Zahlung von 150 € Erinne-
rung einzulegen.
Am Freitag, dem 19. Mai 2006, hat die nunmehrige Bevollmächtigte der Be-
schwerdeführerin, unter Bezugnahme auf ein Telephongespräch vom 18. Mai
„nochmals formell“ angezeigt, die Vertretung in dieser Sache übernommen zu ha-
ben. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen vom 11. April 2006 werde Erinne-
rung eingelegt. „Anliegend“ werde ein Verrechnungsscheck über 150 € mit der
Bitte um weitere Verwendung überreicht.
Dieses Schreiben inklusive Scheck hat das Patentamt mit dem Hinweis auf die
Unzulässigkeit von Scheckzahlungen am 1. Juni 2006 zurückgesendet. Daraufhin
hat die Beschwerdeführerin am 1. Juni 2006 Wiedereinsetzung beantragt. Dazu
hat sie ausgeführt, die Rechtsmittelbelehrung hinsichtlich der Erinnerung habe kei-
nen Hinweis darauf enthalten, in welcher Form die Gebühr zu bezahlen sei.
Am Donnerstag, dem 18. Mai 2006, habe sie die Unterlagen aus Italien erhalten
und nur wenig Zeit bis zum Ablauf der Erinnerungsfrist gehabt. Am 19. Mai habe
sie Erinnerung und Kopie des Schecks per Fax eingereicht.
Den Scheck habe sie am 1. Juni 2006 zurückerhalten mit dem Hinweis, dass
Scheckzahlungen nicht angenommen würden.
Sie habe den Betrag am 1. Juni 2006 bar einbezahlt, wie sie dies auch - dann
noch rechtzeitig - getan hätte, wenn die Rechtsmittelbelehrung vom 20. April 2006
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einen entsprechenden Hinweis beinhaltet hätte oder die Beanstandung des
Schecks per Telefax am 20. Mai 2006 erfolgt wäre.
Die Markenstelle hat den Wiedereinsetzungsantrag in die Frist zur Zahlung der Er-
innerungsgebühr mit Beschluss vom 14. Juli 2006 zurückgewiesen und festge-
stellt, dass die Erinnerung der Inhaberin des angegriffenen Zeichens als nicht ein-
gelegt gelte.
Dies ist damit begründet, bis zum Ablauf der Frist am 22. Mai 2006 sei die Erinne-
rungsgebühr nicht bezahlt worden. Die Patentkostenzahlungsverordnung sehe die
Möglichkeit einer Zahlung per Scheck seit 1. Januar 2002 nicht mehr vor. Die Un-
kenntnis darüber sei nicht unverschuldet, da sich jeder Verfahrensbeteiligte über
das Verfahrensrecht Kenntnis verschaffen müsse.
Die Erinnerung gelte damit gemäß § 64 a MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG
als nicht eingelegt.
Dagegen hat die Inhaberin des angegriffenen Zeichens am 14. August 2006 Be-
schwerde eingelegt und dazu vorgetragen, die Erinnerungsfrist sei am
22. Mai 2006 abgelaufen. Da bis dahin eine Überweisung nicht mehr rechtzeitig
habe erfolgen können, habe man durch Beifügung des Schecks dokumentiert,
dass die Kosten in jedem Fall bezahlt würden. Alle deutschen Behörden und
ebenso EPA, OMPI sowie HABM akzeptierten Schecks von Anwälten als sofortige
Bezahlung. Auf die andere Handhabung hätte das DPMA in der Rechtsmittelbe-
lehrung hinweisen müssen, wie es das auch in der Rechtsmittelbelehrung zum an-
gefochtenen Beschluss getan habe. Wenn dies hier erfolge, wo bereits ein In-
landsvertreter bestellt sein müsse, hätte dies erst recht gegenüber der Partei bzw.
deren ausländischen Vertreter geschehen müssen.
Ein Anwalt müsse nur Bundesgesetze kennen; eine vertiefte Kenntnis der
PatKostZV könne man dagegen nicht verlangen (vgl. BGH NJW 1993, 2538 f).
Das Patentamt habe den Scheck zurückgeschickt. Hätte es gleichzeitig per Fax
oder Telephonanruf darauf hingewesen, dass der Scheck nicht akzeptiert werde,
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hätte immer noch rechtzeitig eine Barzahlung veranlasst werden können. Ange-
sichts der Ausnahmesituation hätte eine solche Information erfolgen müssen.
Schließlich sei im konkreten Fall dem Individualinteresse der Markeninhaberin
Vorrang gegenüber dem Allgemeininteresse auf Rechtssicherheit zu gewähren.
Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung des Beschlusses vom 14. Juli 2006 Wiederein-
setzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Erinnerung der
Markeninhaberin zuzulassen.
II
Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Nach § 91
Abs. 2 MarkenG ist die Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Monaten nach Weg-
fall des Hindernisses zu beantragen. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen.
Die versäumte Handlung hat die Beschwerdeführerin innerhalb der Antragsfrist
(§ 91 Abs. 4 MarkenG) nachgeholt, indem ihre Vertreterin am 19. Mai 2006 den
Erinnerungsschriftsatz eingereicht hat und per Bareinzahlung am 1. Juni 2006 die
Erinnerungsgebühr in Höhe von € 150,00 eingezahlt hat.
Die Markenstelle hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Se-
nat anschließt, den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Erin-
nerungsgebühr zurückgewiesen. Nach § 91 Abs. 1 MarkenG ist, wer ohne Ver-
schulden verhindert war, dem Patentamt oder dem Patentgericht gegenüber eine
Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechts-
nachteil zur Folge hat, auf Antrag wieder in den vorigen Stand einzusetzen. Die In-
haberin des angegriffenen Zeichens hat die Frist zur Zahlung der Erinnerungsge-
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bühr jedoch nicht ohne Verschulden versäumt. Sie hat sich insoweit das Verschul-
den ihrer Anwältin zurechnen lassen.
Nach § 64 a MarkenG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 PatKostG gilt bei Nichtzahlung
einer fälligen Gebühr die Handlung als nicht vorgenommen, hier die Einlegung der
Erinnerung. Damit hat die durch den erfolgreichen Widerspruch beschwerte Mar-
keninhaberin einen rechtlichen Nachteil, d. h. eine Verschlechterung ihrer Rechts-
lage erfahren. Das Versäumnis ist jedoch verschuldet.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat sie die Frist zur Zahlung der
Gebühr für die Erinnerung nach § 64 MarkenG i. V. m. § 3 Abs. 1 PatKostG ver-
säumt. Diese Frist endete nach § 46 MarkenG in Verbindung mit § 222 ZPO,
§ 188 Abs. 2 BGB und § 193 BGB am Montag, dem 22. Mai 2006, d. h. einen Mo-
nat nachdem der Refus de Protection vom 20. Dezember 2005 Rechtskraft erhal-
ten hatte.
Bis zu diesem Zeitpunkt war keine gültige Zahlung der Erinnerungsgebühr vorge-
nommen, da seit 2002 nach den Bestimmungen der Patentkostenzahlungsverord-
nung (PatKostZV) die Einreichung eines Schecks nicht mehr als Zahlungsweg in
Betracht kommt. Somit wurde die Frist zur Zahlung der Erinnerungsgebühr trotz
des Eingangs eines über diesen Betrag ausgestellten Kanzlei-Verrechnungs-
schecks am Freitag, dem 19. Mai 2006, versäumt.
Nach ständiger Rechtsprechung liegt kein Verschulden vor, wenn die übliche
Sorgfalt aufgewendet worden ist, deren Beachtung im Einzelfall nach den
subjektiven Verhältnissen des Betroffenen zumutbar war. Dabei muss jedoch
zusätzlich ein objektiver Vergleichsmaßstab herangezogen werden. So kommt es
letztlich darauf an, was objektiv von einer dem Säumigen vergleichbaren Person
im konkreten Einzelfall an Sorgfalt zu erwarten ist. An die Sorgfalt eines Anwalts
stellt die Rechtsprechung im Allgemeinen strenge Maßstäbe.
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Gesetzesunkenntnis oder Rechtsirrtum stellen prinzipiell keine Wiedereinset-
zungsgründe dar, da grundsätzlich jeder Verfahrensbeteiligte verpflichtet ist, sich
die Kenntnis über das Recht des jeweiligen Verfahrens zu verschaffen. Dabei ge-
hört es vor allem auch in speziellen Rechtsgebieten, wie dem Markenrecht, zur
verkehrsüblichen Sorgfalt, sich entsprechend sachkundig zu machen.
Die Unkenntnis bezüglich der Zahlung der in markenrechtlichen Verfahren anfal-
lenden Gebühren, d. h. die Unkenntnis der Vorschriften des PatKostG und der
PatKostZV, stellt insbesondere keinen Wiedereinsetzungsgrund dar, da von An-
wälten, die ihre Mandanten auf dem Gebiet des Markenrechts vertreten, erwartet
werden muss, dass sie zu so essentiellen Aspekten von Markenanmeldungen, wie
der Zahlung von Gebühren, über ausreichende Kenntnisse verfügen.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin lag es somit im Bereich der
Sorgfaltspflicht der Vertreterin der Markeninhaberin, sich über die vom Patentamt
akzeptierten Zahlungsweisen zu informieren.
Nach § 61 Abs. 2 MarkenG ist Beschlüssen des DPMA eine Erklärung beizufügen,
mit der die Beteiligten über das Rechtsmittel, das gegen den Beschluss gegeben
ist, über die Stelle, bei der das Rechtsmittel einzulegen ist, über die Rechtsmittel-
frist und, sofern für das Rechtsmittel eine Gebühr nach dem Patentkostengesetz
zu zahlen ist, über die Gebühr unterrichtet werden.
Mit dem Refus de Protection wurde die Markeninhaberin sowohl über die Notwen-
digkeit der Bestellung eines Inlandsvertreters und die Rechtsfolgen bei fehlender
Vertreterbestellung, als auch über die oben genannten Punkte bezüglich des
Rechtsmittels „Erinnerung“ informiert. Den Informationspflichten wurde folglich Ge-
nüge geleistet.
Das Patentamt trifft keine darüber hinausreichende Aufklärungspflicht. Demnach
hat es die Beschwerdeführerin mit Telefax vom 20. April 2006 erneut und detail-
liert auf die Bestimmungen des § 96 MarkenG und § 46 MarkenV verwiesen.
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Zusätzlich dazu trifft das Amt keine Aufklärungspflicht hinsichtlich der Zahlungs-
möglichkeiten für die Erinnerungsgebühr. Eine solche Pflicht sieht § 61 Abs. 2
MarkenG nicht vor. Eine derartige Aufklärungspflicht ergibt sich auch nicht daraus,
dass das Patentamt eine Ausnahmestellung hinsichtlich der Akzeptanz anwaltli-
cher Verrechnungsscheck einnimmt, zumal auch Finanzämter Schecks nicht mehr
akzeptieren. Es ist nicht Aufgabe des Patentamts, Anmelder per Fax oder Tele-
phon umgehend nach Eingang über die Unzulässigkeit von Zahlungsversuchen zu
informieren. Vorliegend hätte das Patentamt am Tag des Scheck-Eingangs (Frei-
tag) oder den darauffolgenden ersten Werktag reagieren müssen, um der Be-
schwerdeführerin noch die Möglichkeit zu eröffnen, rechtzeitig eine Zahlung vorzu-
nehmen.
Dass dies nicht geschehen ist, rechtfertigt keine Wiedereinsetzung wegen einer
Verzögerung durch das Amt.
Auch der enge Handlungszeitraum (18.-22. Mai 2006), der der Vertreterin der
Markeninhaberin zur Einlegung der Erinnerung zur Verfügung stand, kann die ver-
spätete Zahlung nicht entschuldigen, zumal Informationen über Zahlungsbedin-
gungen einfach einzuholen gewesen wären und die Bevollmächtigte der Be-
schwerdeführerin mit der Markenstelle am 18. Mai 2006 telefoniert hat. Dabei
wäre Gelegenheit gewesen, sich umfassend zu informieren.
gez.
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