Urteil des BPatG vom 26.10.2000

BPatG (stand der technik, kunststoff, eigenes interesse, patg, strohmann, nichtigkeitsklage, durchführung, patent, gegenstand, bezug)

BPatG 253
9.72
BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
2 Ni 5/99
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
26. Oktober 2000
In der Patentnichtigkeitssache
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betreffend das deutsche Patent 40 36 734
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2000 unter Mitwirkung des Richters
Gutermuth als Vorsitzenden, der Richterin Püschel sowie der Richter
Dipl.-Ing. Frühauf,
Dipl.-Phys.
Ph.D./M.I.T.
Cambridge
Skribanowitz
und
Dipl.-Phys. Dr. W. Maier
für Recht erkannt:
1.
Das deutsche Patent 40 36 734 wird für nichtig erklärt.
2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für die Klägerin gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 15. 000,- DM vorläufig voll-
streckbar.
Tatbestand:
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 40 36 734 (Streit-
patent), das am 17. November 1990 angemeldet worden ist und ein Verfahren und
einen Vliesblaskopf zum Herstellen eines vliesartigen Flächenproduktes aus Fa-
sern aus thermoplastischem Kunststoff betrifft. Es umfaßt 15 Patentansprüche,
von denen Anspruch 1 und Anspruch 7 folgenden Wortlaut haben:
"1. Verfahren zum Herstellen eines vliesartigen Flächenproduktes
aus Fasern aus thermoplastischem Kunststoff mit Hilfe eines
Vliesblaskopfes,
welcher Vliesblaskopf eine Düsenplatte mit zumindest einer Reihe
von Düsenbohrungen für den thermoplastifizierten Kunststoff auf-
weist,
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und wobei die aus den Düsenbohrungen austretenden Kunststoff-
stränge von in bezug auf die Düsenbohrungen symmetrischen
Blasluft-Flächenstrahlen angeblasen, verstreckt und zu Fasern
zerblasen werden, die danach als vliesartiges Flächenprodukt ab-
dadurch gekennzeichnet
ner Verteilerkammer über Blasluftkanäle in zumindest einen Diffu-
sor eingeführt wird, und daß die Blasluft-Flächenstrahlen aus der
aus dem Diffusor austretenden Blasluft mit Hilfe von Strömungs-
leiteinrichtungen gebildet werden.
7. Vliesblaskopf für die Durchführung des Verfahrens nach einem
der Ansprüche 1 bis 6, mit einem Kunststofführungskern, der zu-
mindest eine Reihe von Düsenbohrungen für den thermoplastifi-
zierten Kunststoff und beidseits des Kunststofführungskerns mit
Verteilerkammern ausgerüstete Blasluftzuführungseinrichtungen
für die Blasluft-Flächenstrahlen aufweist,
wobei die Blasluft-Flächenstrahlen unterhalb der Düsenbohrungen
dadurch gekennzeich-
net
kanäle (6) angeschlossen sind, die in zumindest einem Diffusor (7)
münden, und daß an den Diffusor (7) ein Blasluftaustrittsspaltraum
(8) angeschlossen ist, der sich parallel zur Reihe der Düsenboh-
rungen (2) erstreckt und aus dessen Mündung jeweils ein Blasluft-
Flächenstrahl austritt."
Wegen der Patentansprüche 2 bis 6 und 8 bis 15 wird auf die Patentschrift Bezug
genommen.
Mit seiner Nichtigkeitsklage macht der Kläger geltend, der Gegenstand des Streit-
patents sei gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig. Die Gegenstände
der Patentansprüche 1 und 7 seien am Anmeldetag nicht mehr neu gewesen. Die
US-Patentschrift 3,970,417 (Anlage K5) offenbare sämtliche Merkmale dieser An-
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sprüche, ebenso die US-Patentschrift 3,379,811 (Anlage K6). Jedenfalls aber be-
ruhten die Gegenstände dieser Patentansprüche nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit, da sie sich in naheliegender Weise aus der Kombination der bereits in
der Streitpatentschrift gewürdigten europäischen Patentanmeldung 0 377 926
(Anlage K4) mit den genannten US-Patentschriften ergäben. Die Maßnahmen der
jeweiligen Unteransprüche lägen im Ermessen des Fachmanns oder seien aus
den Entgegenhaltungen bekannt.
Darüber hinaus ist der Kläger dem Einwand entgegengetreten, die Nichtigkeits-
klage sei bereits unzulässig, weil er ein von der Beklagten vorgeschobener
"Strohmann" sei. Er handle nicht in fremdem Interesse, sondern betreibe selbst
ein Beratungsunternehmen mit dem Schwerpunkt Vliesstoffe; insoweit sei er auch
im Bereich Forschung und Entwicklung tätig und arbeite seit längerer Zeit an der
Entwicklung eines neuen Spinnverfahrens zur Herstellung von neuartigen Vlies-
stoffen. Er habe ein eigenes Interesse an der Nichtigerklärung des Streitpatents,
da es ihn bei der Entwicklung eines Konkurrenzproduktes störe.
Der Kläger beantragt,
das deutsche Patent 40 36 734 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise verteidigt sie ihr Patent im Umfang der in der mündli-
chen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 13.
Nachdem die Beklagte der Klage zunächst nicht widersprochen hat, hat sich der
Miterfinder R… im vorliegenden Verfahren schriftsätzlich mit der Ankün-
digung beabsichtigter Nebenintervention gemeldet und geltend gemacht, daß die
Klage unzulässig sei, da der Kläger ein von der Beklagten vorgeschobener
"Strohmann" sei. Zur Begründung führte er an, es sei bemerkenswert, daß das
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Streitpatent seit 1992 bestehe und bisher kein Konkurrenzunternehmen gegen
dieses vorgegangen sei, auch sei der Kläger ein reiner Privatmann, so daß ein Ei-
geninteresse an der Nichtigerklärung nicht ersichtlich sei. Er erinnere sich auch,
daß jemand mit Namen des Klägers ein leitender Mitarbeiter bei einer Kundin der
Beklagten gewesen sei. Daß die Beklagte darauf gehofft habe, durch die Nichtig-
erklärung ihrer Zahlungspflicht ihm gegenüber zu entgehen, ergebe sich auch aus
ihrem Schreiben vom 23. Februar 1999, worin sie ihn über die Erhebung der
Nichtigkeitsklage unterrichtet und mitgeteilt habe, daß sie aus verständlichen
Gründen die Verteidigung gegen diese Klage nicht aufnehmen werde. Auch die
zeitliche Nähe zwischen erstinstanzlicher Verurteilung der Beklagten und Erhe-
bung der Nichtigkeitsklage spreche für eine Strohmannklage.
Zwischen der Beklagten und dem Miterfinder R…, ihrem früheren Arbeitnehmer,
war ein Rechtsstreit anhängig über die rechtzeitige Inanspruchnahme der Erfin-
dung nach den Bestimmungen des Arbeitnehmererfindungsgesetzes. Mit erstin-
stanzlichem Urteil des LG Düsseldorf vom 13. Oktober 1998 wurde die Beklagte
zur Zahlung verurteilt; der Rechtsstreit endete mit einem Vergleich vom 10. Fe-
bruar 2000 vor dem OLG Düsseldorf, in dem die Beklagte dem dortigen Kläger
R… u.a. eine Vollmacht zu ihrer Vertretung im vorliegenden Nichtigkeitsverfah-
ren erteilt hat.
In der mündlichen Verhandlung hat dieser daraufhin von einem Beitritt als Neben-
intervenient abgesehen und ist stattdessen als Vertreter für die Beklagte aufge-
treten und dem Vorbringen des Klägers zur Patentfähigkeit in allen Punkten ent-
gegengetreten. Er hält das Streitpatent für patentfähig.
Entscheidungsgründe:
Die Klage, mit der der in § 22 Abs 1 iVm § 21 Abs 1 Nr 1 PatG vorgesehene Nich-
tigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist zulässig
und auch in vollem Umfang begründet, weil sich der Gegenstand des Streitpatents
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sowohl in der erteilten als auch in der hilfsweise verteidigten Fassung in nahelie-
gender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, § 4 Satz 1 PatG.
I
Der gegen die Zulässigkeit der Klage erhobene Einwand, der Kläger sei ein vor-
geschobener "Strohmann" der Beklagten, greift nicht durch. Zwar würde dieser
Einwand, wenn er zuträfe, die Zulässigkeit der Klage in Frage stellen, aber nicht
deswegen, weil eine Klage im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Miter-
finder und früheren Arbeitnehmer R… möglicherweise als treuwidrig anzusehen
wäre, denn Herr R… ist - jedenfalls derzeit, da er noch nicht als Mitinhaber des
Streitpatents eingetragen ist - nicht Partei dieses Nichtigkeitsverfahrens; auch als
Nebenintervenient wäre er nicht Partei geworden (vgl Thomas/Putzo, ZPO,
22. Aufl, § 66 Rdn 1). Ein solcher, den Klageausschluß begründender Sachverhalt
aus Vertrag oder - wie hier geltend gemacht - nachvertraglichen Pflichten muß
aber grundsätzlich zwischen den sich gegenüberstehenden Prozeßparteien (bzw
deren Hintermännern) bestehen. Wäre der Kläger jedoch Strohmann der Beklag-
ten, würde dies im Ergebnis bedeuten, daß die Patentinhaberin eine Nichtigkeits-
klage gegen ihr eigenes Patent anstrengte, was nicht zulässig wäre; der Patentin-
haber selbst kann nicht Kläger sein (vgl Busse, PatG, 5. Aufl, § 81 Rdn 47;
Benkard, PatG, 9. Aufl, § 22 Rdn 21, jeweils mwN).
Vorliegend kann jedoch nicht zur Überzeugung des Senats festgestellt werden,
daß der Kläger tatsächlich Strohmann der Beklagten ist. Ein Strohmann ist je-
mand, der die Klage zwar äußerlich im eigenen Namen, der Sache nach aber im
Auftrag und Interesse des Hintermanns sowie auf dessen Weisung und Kosten
ohne jedes eigene Interesse an der Vernichtung betreibt (vgl Busse, aaO, § 81
Rdn 64; Benkard, aaO, § 22 Rdn 22; BGH GRUR 1998, 904 - Bürstenstromab-
nehmer). Diese Voraussetzungen sind nicht hinreichend dargetan. Weder sind ge-
sellschaftsrechtliche Beziehungen zwischen Kläger und Beklagter (anders als
etwa im Fall BPatGE 27, 87) behauptet noch ersichtlich, noch bestehen sonst über
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Mutmaßungen wie der zeitlichen Nähe zwischen erstinstanzlicher Verurteilung der
Beklagten und Erhebung der Nichtigkeitsklage hinaus irgendwelche konkreten
Anhaltspunkte für die Feststellung einer Strohmanneigenschaft des Klägers. Auf
der anderen Seite kann ein eigenes ins Gewicht fallendes Interesse des Klägers
an der Nichtigerklärung des Streitpatents nicht ausgeschlossen werden, zumal er
sich unwiderlegt gewerblich auch auf dem technischen Gebiet des Streitpatents
betätigt.
II
1. Das Streitpatent, das ein Verfahren und einen Vliesblaskopf zum Herstellen ei-
nes vliesartigen Flächenproduktes aus Fasern aus thermoplastischem Kunststoff
betrifft, bezieht sich in der Beschreibung auf die aus der europäischen Patentan-
meldung 0 377 926 bekannten Maßnahmen, bei denen laut Streitpatent der
Gleichmäßigkeitsgrad der Strömungsstruktur in den Blasluft-Flächenstrahlen ver-
besserungsbedürftig sei, sowie die Strömungsschikanen und Umlenkungen in stö-
rendem Maße den Strömungswiderstand und dadurch den Druckverlust erhöhten.
Vor diesem Hintergrund nennt das Streitpatent als technisches Problem, ein Ver-
fahren anzugeben, welches es erlaubt, mit Blasluftflächenstrahlen zu arbeiten, die
einen sehr hohen Gleichmäßigkeitsgrad der Strömungsstruktur aufweisen. Ferner
soll ein Vliesblaskopf angegeben werden, der für die Durchführung eines solchen
Verfahrens besonders geeignet ist und sich durch Einfachheit und Funktionssi-
cherheit sowie durch leichte Einstellbarkeit der Strömungsparameter auszeichnet.
Gelöst werden soll diese Aufgabe nach Patentanspruch 1 durch ein Verfahren
zum Herstellen eines vliesartigen Flächenproduktes aus Fasern aus thermoplasti-
schem Kunststoff mit den Merkmalen:
1. es wird ein Vliesblaskopf eingesetzt;
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2. der Vliesblaskopf weist eine Düsenplatte mit zumindest einer Reihe von Düsen-
bohrungen für den thermoplastifizierten Kunststoff auf;
3. die aus den Düsenbohrungen austretenden Kunststoffstränge werden von in
Bezug auf die Düsenbohrungen symmetrischen Blasluft-Flächenstrahlen ange-
blasen, verstreckt und zu Fasern zerblasen;
4. die Fasern werden nachher als vliesartiges Flächenprodukt abgelegt;
5. die Blasluft wird aus einer Verteilerkammer über Blasluftkanäle in zumindest ei-
nen Diffusor eingeführt;
6. die Blasluft-Flächenstrahlen werden aus der aus dem Diffusor austretenden
Blasluft mit Hilfe von Strömungsleiteinrichtungen gebildet.
Der Vliesblaskopf für die Durchführung des Verfahrens besitzt gemäß Anspruch 7
folgende Merkmale:
1. einen Kunststofführungskern, der zumindest eine Reihe von Düsenbohrungen
für den thermoplastifizierten Kunststoff und beidseits des Kunststofführungs-
kerns mit Verteilerkammern ausgerüstete Blasluftzuführeinrichtungen für die
Blasluft-Flächenstrahlen aufweist;
2. die Blasluft-Flächenstrahlen werden unterhalb der Düsenbohrungen spitzwinklig
gegeneinander geführt;
3. die Verteilerkammern sind an zueinander parallele Blasluftkanäle angeschlos-
sen;
4. die Blasluftkanäle münden in zumindest einen Diffusor;
5. an den Diffusor ist ein Blasluftaustrittsspaltraum angeschlossen, der sich paral-
lel zur Reihe der Düsenbohrungen erstreckt und aus dessen Mündung jeweils
ein Blasluft-Flächenstrahl austritt.
2) Das Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents ist neu, denn keine der im
Verfahren befindlichen Druckschriften zeigt ein Verfahren zum Herstellen eines
vliesartigen Flächenproduktes aus Fasern aus thermoplastischem Kunststoff mit
sämtlichen im Anspruch 1 aufgeführten Merkmalen. Im einzelnen kann dies jedoch
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dahingestellt bleiben, da dieses Verfahren jedenfalls nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit beruht.
Aus der US 3 970 417 (im folgenden (K5) genannt) ist ein Verfahren zum Herstel-
len eines vliesartigen Flächenproduktes aus Fasern aus thermoplastischem
Kunststoff mit Hilfe eines Vliesblaskopfes bekannt (Sp 1 Abs 1). Der Vliesblaskopf
(s Fig. 5, 11,12 und 14) weist eine Düsenplatte (die nose 81) mit zumindest einer
Reihe von Düsenbohrungen (orifices 84) für den thermoplastifizierten Kunststoff
(Sp 12 Z 11-25) auf und dient dazu die aus den Düsenbohrungen austretenden
Kunststoffstränge mit in Bezug auf die Düsenbohrungen symmetrischen Blasluft-
Flächenstrahlen anzublasen und sie dadurch zu verstrecken und zu Fasern zu
zerblasen (Sp 2 Z 36-55). Diese werden danach als vliesartiges Flächenprodukt
abgelegt (Sp 1 Z 15-18).
In weiterer Durchführung des Verfahrens wird die Blasluft (compressed gas, Sp 5
Z 7-13) aus einer Verteilerkammer (first plenum chambers 95 bzw 96) über Blas-
luftkanäle (plurality of apertures or ports 106 bzw 107) in eine weitere Kammer
(second plenum chambers 108 bzw 109) eingeführt und die hieraus austretende
Blasluft wird mittels Strömungsleiteinrichtungen (cap plates 125 und 126 in Ver-
bindung mit side walls 86 und 87 of die nose 81, Sp 14 Z 20-30) zu den Blasluft-
Flächenstrahlen geformt (vgl. insb. Sp. 14, Z 3-25). Der Übergang von den zylin-
drischen Blasluftkanälen in die Kammer erfolgt unter einer sprunghaften Änderung
des durchströmten Querschnitts, da die Blasluftkanäle senkrecht in die Seiten-
wand der Kammer münden (s Fig. 5 Bezugszeichen 106 und 107 sowie Fig. 12).
Die Kammer selbst soll jedoch bevorzugt einen trichterförmigen Querschnitt auf-
weisen (Sp 14 Z 3 - 10), der sich, wie in den Figuren 5 und 12, auf die Bezug ge-
nommen ist, deutlich zu sehen ist, in Strömungsrichtung kontinuierlich erweitert.
Dem Fachmann, hier einem Ingenieur des Maschinenbaus mit zumindest Fach-
hochschulabschluß, der sich bereits längere Zeit mit Kunststoffverarbeitungsma-
schinen befaßt und der besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Stömungsme-
chanik von Gasen besitzt, ist aus der einschlägigen Fachliteratur, zB Truckenbrodt
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E., "Lehrbuch der angewandten Fluidmechanik", 2. Aufl. 1988, Springer Verlag,
S 108 - 109, (im folgenden "Truckenbrodt" genannt) geläufig, daß eine plötzliche
Rohrerweiterung einen "Stufendiffusor" darstellt, während eine allmähliche Rohr-
erweiterung einen "Übergangsdiffusor" bildet. (vgl hierzu insbesondere die Abb.
3.25 bis 3.27 mit zugehöriger Beschreibung). Er wird also die in K5 gezeigte An-
ordnung für die Führung der Blasluft ohne weiteres als Hintereinanderschaltung
eines Stufendiffusors und eines Übergangsdiffusors auffassen. Den dieser Deu-
tung widersprechenden Ausführungen der Patentinhaberin vermochte sich der
Senat nicht anzuschließen, da die Kenntnisse und die Abstraktionsfähigkeit des
hier geforderten Fachmanns als relativ hoch anzusehen sind und die Hinweise be-
züglich der Charakteristika der verschiedenen Diffusortypen in "Truckenbrodt"
deutlich und ausführlich sind.
Gemäß den Darlegungen in der Beschreibung des Streitpatents, Sp 2 Z 62 bis
Sp 3 Z 3, soll im hier vorliegenden Unterschallbereich der Strömung unter einem
"Diffusor" ein Bereich mit einer stetigen Erweiterung des durchströmten Quer-
schnitts verstanden werden, also ausschließlich ein "Übergangsdiffusor" gemäß
der Definition von Truckenbrodt. Demgemäß unterscheidet sich das Verfahren
nach Anspruch 1 des Streitpatents vom Stand der Technik nach K5 lediglich da-
durch, daß anstelle des zweifachen (Stufen/Übergangs-)Diffusors nur ein einfa-
cher (Übergangs-)Diffusor verwendet wird.
Diese konstruktive Vereinfachung liegt aber im Rahmen des üblichen fachmänni-
schen Handelns und verlangt deshalb keine erfinderische Tätigkeit. Bedenken des
Fachmanns, daß hierdurch die erwünschte Turbulenz der Blasluft (Patentschrift
Sp 3 Z 7-17) vermindert werden könnte, werden durch "Truckenbrodt", Abb. 3.26
und 3.27 mit zugehöriger Beschreibung, zerstreut, da hier darauf hingewiesen ist,
daß sowohl bei Stufendiffusoren als auch Übergangsdiffusoren eine Ablösung der
Strömung von der Wand und damit eine Verwirbelung - also Turbulenz - auftritt.
Bei Übergangsdiffusoren ist hierfür lediglich der Öffnungswinkel oberhalb eines
Wertes von etwa 8° zu wählen.
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3. Der Gegenstand des Anspruchs 7 beruht ebenfalls nicht auf einer
erfinderischen Tätigkeit, wie sich aus einer sinngemäßen Übertragung der
Darlegungen zum Anspruch 1 ergibt. Dieser Anspruch stimmt nämlich
inhaltlich weitgehend mit dem Anspruch 1 überein. Sein Gegenstand ist
deshalb ebenfalls durch K5 und das Fachwissen des hier geforderten
Durchschnittsfachmanns, wie es durch "Truckenbrodt "belegt ist, nahegelegt.
4. Der Senat konnte im Hinblick auf den im Verfahren genannten Stand der Tech-
nik auch in den auf den Anspruch 1 bzw den Anspruch 7 rückbezogenen Ansprü-
chen 2 bis 6 und 8 bis 15 nichts von patentbegründender Bedeutung erkennen.
Die Patentinhaberin hat hierzu auch nichts vorgetragen. Diese Ansprüche teilen
somit das Rechtsschicksal des zugehörigen Hauptanspruchs.
III
1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents in der verteidigten
Fassung gemäß Hilfsantrag der Beklagten unterscheidet sich vom Anspruch 1
nach Hauptantrag dadurch, daß im kennzeichnenden Teil in Sp 5, Z 32 der Pa-
tentschrift nach Diffusor "in Form einer stetigen Erweiterung des durchströmten
Querschnittes" eingefügt und an das Ende "und daß die aus dem Diffusor austre-
tende Blasluft zunächst in einen Strömungsgleichrichter eingeführt und aus der
daraus austretenden Blasluft die Blasluft-Flächenstrahlen gebildet werden" ange-
hängt ist. Der zugehörige, auf einen Vliesblaskopf zur Durchführung des Verfah-
rens nach einem der Ansprüche 1 bis 5 gerichtete Anspruch 6 unterscheidet sich
vom entsprechenden Anspruch 7 nach Hauptantrag durch die bereits genannte
Einfügung nach dem Wort "Diffusor" und durch Anfügung von "und daß an den
Diffusor (7) bzw. an die Diffusoren ein Strömungsgleichrichter (10) angeschlossen
ist".
2. Die Ansprüche 1 und 6 nach Hilfsantrag sind zulässig, denn die eingefügten
Merkmale sind sowohl in den ursprünglichen Unterlagen als auch in der Streitpa-
- 12 -
tentschrift offenbart und erweitern auch nicht den Schutzbereich des Patents. Der
Anspruch 1 findet seine Stütze in den erteilten Ansprüchen 1 und 2 in Verbindung
mit der Beschreibung Sp 3 Z 66-67 (Form des Diffusors). Der Anspruch 6 basiert
auf einer Zusammenfassung der erteilten Ansprüche 7 und 9 sowie der selben
Merkmale aus der Beschreibung, wie beim Anspruch 1.
3. Auch die og in die Ansprüche 1 bzw 6 eingefügten Merkmale vermögen eine er-
finderische Tätigkeit, der Lehren dieser Ansprüche nicht zu begründen.
So wird die Konkretisierung des Diffusors als "Übergangsdiffusor" nach der Defini-
tion von Truckenbrodt (s oben) vom Fachmann bei aufmerksamer Lektüre der
Streitpatentschrift (Sp 2 Z 62 ff), in der definiert wird , was unter einem "Diffusor"
gemeint ist, ohnehin so verstanden und als eine von zwei üblichen Ausbildungen
von Diffusoren gesehen. Eine Auswahl zwischen beiden Typen liegt in seinem
Ermessen und wird etwa durch das Ausmaß der angestrebten oder zulässigen
Turbulenz der Strömung bestimmt.
Auch die Verwendung eines Strömungsgleichrichters für die aus dem Diffusor
austretende Blasluft erfordert keine erfinderische Leistung. Wenn der Fachmann in
der Praxis feststellt, daß der aus dem Blaskopf nach K5 austretende Blasluft-Flä-
chenstrahl noch nicht gleichmäßig genug ist, so wird er ohne weiteres zusätzliche
Maßnahmen zur Homogenisierung der Strömung ergreifen, wozu sich ein "Strö-
mungsgleichrichter" anbietet. Derartige üblicherweise gitter- oder wabenförmig
ausgebildete Bauteile sind dem Fachmann für Gasströmungen geläufig, bspw von
Windkanälen oder aus der Lüftungstechnik.
Bezüglich der auf die Ansprüche 1 und 6 rückbezogenen Unteransprüche gilt das
zu den entsprechenden Ansprüchen nach dem Hauptantrag gesagte, da diese
Ansprüche bis auf eine geänderte Numerierung und Rückbeziehung inhaltlich
übereinstimmen.
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IV
Als Unterlegene hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 84 Abs 2
PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 99 Abs 1 PatG, 709 Satz 1 ZPO.
Gutermuth
Püschel
Frühauf
Skribanowitz
Maier
prö