Urteil des BPatG vom 05.02.2002

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BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
1 Ni 30/00
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
5. Februar 2002
In der Patentnichtigkeitssache
BPatG 253
9.72
- 2 -
betreffend das deutsche Patent 39 11 391
hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 05.
Februar
2002 durch den Präsidenten
Dr. Landfermann als Vorsitzenden, und die Richter Dr.-Ing. Barton, Dr. Hacker,
Dipl.-Phys. Skribanowitz Ph. D./M.I.T. Cambridge und Dipl.-Phys. Dr. W. Maier
für Recht erkannt:
I. Das deutsche Patent 39 11 391 wird im Umfang der Patent-
ansprüche 1, 6, 7, 9, 10 und 12, soweit diese nicht unmittelbar
oder mittelbar auf die nicht angegriffenen Patentansprüche 2 bis
5, 8 oder 11 rückbezogen sind, für nichtig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000,00 €
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist Inhaberin des am 07. April 1989 angemeldeten deutschen Patents
39 11 391 C2 (Streitpatent), das ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Über-
prüfen der Treibfähigkeit der Treibscheibe eines Seilaufzugs betrifft. Das Patent
umfasst 12 Patentansprüche, von denen die Verfahrensansprüche 1 und 6 sowie
die Vorrichtungsansprüche 7, 9, 10 und 12 in dem Umfang, als diese nicht unmit-
telbar oder mittelbar auf die nicht angegriffenen Ansprüche 2 bis 5 bzw. 8 oder 11
rückbezogen sind, mit der Nichtigkeitsklage angegriffen werden.
- 3 -
Die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 7 haben folgenden Wortlaut:
Wegen des Wortlauts des u.a. unmittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen
Patentanspruchs 6 sowie der u.a. unmittelbar auf den Patentanspruch 7 rückbe-
zogenen Patentansprüche 9, 10 und 12 wird auf die Streitpatentschrift Bezug ge-
nommen.
- 4 -
Die Klägerin macht gegenüber den Ansprüchen 1 und 7 die Nichtigkeitsgründe der
unzulässigen Erweiterung und der mangelnden Patentfähigkeit geltend.
Der Gegenstand der erteilten Patentansprüche gehe in mehrfacher Hinsicht über
den Inhalt der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus. Zum einen seien näm-
lich wesentliche Merkmale der ursprünglichen Offenbarung gestrichen worden,
und zum anderen werde in den beiden nebengeordneten Ansprüchen eine Lehre
vermittelt, die in ihrer Allgemeinheit den ursprünglichen Unterlagen nicht zu ent-
nehmen sei.
Darüber hinaus seien weder das Verfahren nach Anspruch 1 noch die Vorrichtung
nach Anspruch 7 neu. Zumindest liege keine erfinderische Tätigkeit vor. Hierzu
verweist die Klägerin auf die Schrift [NK 7] SU 863501 (in deutschsprachiger
Übersetzung vorgelegt) sowie auf eine angebliche offenkundige Vorbenutzung.
Das auf Anspruch 1 rückbezogene Verfahren nach Anspruch 6 sei zumindest bei
Zusammenschau der Schriften
[NK
7]
SU 863 501
[NK
13]
DE 33 07 020 A1
naheliegend.
Die auf den Anspruch 7 rückbezogenen Ansprüche 9, 10 und 12 beschrieben für
den Fachmann lediglich naheliegende Ausgestaltungen dieser Vorrichtung.
Die Klägerin beantragt,
das deutsche Patent 39 11 391 im Umfang der Patentansprü-
che 1, 6, 7, 9, 10 und 12 - soweit diese nicht unmittelbar oder
mittelbar auf die nicht angegriffenen Ansprüche 2 bis 5, 8 und
11 rückbezogen sind - für nichtig zu erklären.
- 5 -
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen.
Neben den von der Klägerin genannten Entgegenhaltungen hat der Senat noch
auf die in der Patentbeschreibung einleitend abgehandelte Schrift
[NK
1]
SU 779 845
hingewiesen, die in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert wurde.
Wegen Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Das Patent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Überprüfen der Treib-
fähigkeit einer Treibscheibe eines Seilaufzuges. Eine derartige Überprüfung findet
im Rahmen der Sicherheitsüberprüfungen von Lasten- oder Personenaufzügen
statt, die in der Regel einen über eine Treibscheibe geführten Seilzug aufweisen,
an dessen einem Ende ein Fahrkorb und an dessen anderem Ende ein Gegenge-
wicht hängt (s. Streitpatentschrift [= PS] Sp 1, Z 1 bis 17). Die praktische Über-
prüfung der Treibfähigkeit erfolgt entsprechend den technischen Regeln für Auf-
züge, Richtlinien für die Prüfung von Aufzugsanlagen, wie sie in den
TRA 102
vom April 1981, mit Änderungen vom Juli 1985
- 6 -
festgelegt sind. Dementsprechend wird der Fahrkorb je nach Tragfähigkeit des
Aufzugs mit Gewichten der 1,5- bis 2-fachen Nutzlast beladen und dynamisch in
unterschiedlichen Positionen belastet. Kommt der Fahrkorb nach dem Abschalten
des Antriebsmotors und dem Abbremsen zum Stillstand, wird die Treibfähigkeit als
ausreichend bewertet (s. PS Sp 1, Z 18 bis 36). Das Be- und Entladen des Fahr-
korbes mit den Gewichten ist jedoch nicht nur zeitraubend, sondern auch mit
schwerer körperlicher Arbeit verbunden. Als weitere Nachteile werden die starke
Beanspruchung der Bauteile des Seilaufzugs sowie der Transport der Gewichte
angeführt (s. PS Sp 1, Z 57 bis 67).
Dem Streitpatent liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Vor-
richtung der vorgenannten Gattung dahingehend zu verbessern, dass die Über-
prüfung der Treibfähigkeit mit erhöhter Prüfqualität und bei gleichzeitiger Verringe-
rung des Arbeitsaufwandes für die Prüfung erfolgen kann (PS Sp 1, Z 68 bis Sp 2,
Z 6).
Als Lösung schlägt die Streitpatentschrift im Anspruch 1 ein Verfahren vor, das in
gegliederter Form folgende Merkmale aufweist:
- 7 -
Die im Anspruch 7 vorgeschlagene Lösung gliedert sich in folgende Merkmale:
II.
Patentanspruch 1 kann bereits deswegen keinen Bestand haben, weil seine Lehre
über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinausgeht (§ 22
iVm § 21 Abs 1 Nr 4 PatG).
1.
spruchs 1 insofern über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgehe, als
er, abweichend vom ursprünglichen Anspruch 2 eine Kraftmessung vorsehe, ohne
insoweit einen Wegstreckenaufnehmer einzusetzen.
- 8 -
Das greift nicht durch.
In dem die Treibfähigkeitsmessung erläuternden Ausführungsbeispiel (Patentan-
meldung S 9, Abs 4 bis S 10, Abs 1) ist nämlich offenbart, dass das einsetzende
Rutschen bei der zu bestimmenden maximalen durch die Treibscheibe übertrag-
baren Antriebskraft entweder durch Auswertung der Signale eines Wegstrecken-
aufnehmers oder auch nur visuell durch den Prüfer des Aufzugs registriert werden
kann. Daraus ergibt sich für den Fachmann - einen Ingenieur der Fachrichtung
Fördertechnik, der langjährige Erfahrung in der Prüfung von Aufzugsanlagen hat –
mit hinreichender Deutlichkeit, dass das im ursprünglichen Anspruch 2 angege-
bene Verfahren auch ohne Wegstreckenaufnehmer realisiert werden kann. Diese
Ausführungsform wurde in zulässiger Weise im erteilten Patentanspruch 1 der
besonderen Ausführungsform der Kraftmessung mit Wegstreckenaufnehmer
vorangestellt.
2.
dass dort die auf den Seilzug auszuübende Kraft nicht näher spezifiziert wird, in-
soweit also alle Verfahren (mit-)beansprucht werden, in denen überhaupt eine –
wie auch immer aufgebrachte – Kraft auf den Seilzug ausgeübt wird. Diesem An-
griff kann der Erfolg nicht versagt bleiben.
Der allgemein gehaltenen Formulierung des Anspruchs 1 entnimmt der Fach-
mann, dass neben den Gewichtskräften von Fahrkorb und Gegengewicht auf den
Seilzug eine Kraft ausgeübt werden muss. Bei dieser Kraft kann es sich um eine
Zugkraft handeln, die etwa – wie im Stand der Technik nach der TRA 102 – durch
Einbringen von Gewichten in den Fahrkorb oder durch von oben wirkenden Druck
auf den Fahrkorb eingebracht werden kann. Es kann sich aber z.B. auch darum
handeln, auf das Gegengewicht eine Entlastungskraft aufzubringen.
Eine andere (engere) Lesart des ergibt sich für den Fachmann auch
nicht im Hinblick auf das in der Beschreibung des Streitpatents geschilderte Aus-
führungsbeispiel. Zwar ist dort nur von einer Erhöhung der Zugkraft durch Dre-
hung des Handrades oder Bewegen des Antriebs die Rede (PS Sp 5, Z 38 bis 40).
Der Fachmann wird aber das schon deswegen nicht in einem dem
Ausführungsbeispiel entsprechenden engeren Sinn verstehen, weil diese be-
- 9 -
sondere Ausführungsform Gegenstand des Unteranspruchs 2 ist. Vor diesem
Hintergrund bestätigt sich für den Fachmann, dass im des Anspruchs
1 die Art der Kraftaufbringung bewusst offengelassen ist, also jede Art der Kraft-
aufbringung mitbeansprucht wird.
In dieser Allgemeinheit ist das den ursprünglichen Unterlagen nicht
zu entnehmen.
Dies gilt zunächst im Hinblick auf den ursprünglich eingereichten Anspruch 2. Dort
ist lediglich ausgeführt, dass zur Ermittlung der maximalen durch die Treibscheibe
auf den Seilzug übertragbaren Antriebskraft (Treibfähigkeit) neben weiteren Maß-
nahmen wenigstens ein Seil des Seilzugs mit einem Kraftmesssignalgeber ver-
bunden werden soll. Damit ist an dieser Stelle nur die Art der Kraftmessung einer
am Seilzug resultierenden Kraft offenbart, jedoch weder die Art der zur Überprü-
fung zusätzlich einzuleitenden Kraft, noch die Weise der diesbezüglichen Kraft-
einleitung. Dies steht auch in Übereinstimmung mit der ursprünglichen Beschrei-
bung S 3, Abs 1. Damit macht der ursprüngliche Anspruch 2 dem Fachmann zwar
keine einschränkenden Vorgaben über die Art der Kraft und deren Einbringung,
offenbart diese aber auch nicht.
Auf der Suche nach diesen noch offenen und lösungswichtigen Parametern für die
Ausführung des Verfahrens und für die Erstellung der entsprechenden Prüfvor-
richtung wird dem Fachmann das bereits oben erwähnte Beispiel auf S 9, le Abs
bis S 10, 1. Abs offenbart, wonach bei der Rutschprüfung durch Drehen des Hand-
rads oder Bewegen des Antriebs solange die Zugkraft auf das Seil zu erhöhen ist,
bis entweder ein ermittelter Grenzwert erreicht ist oder das Seil oder die Seile auf
der Treibscheibe zu rutschen beginnen. Hierdurch wird die Lehre vermittelt, durch
Drehung der Treibscheibe auf das Seil eine Zugkraft einzuleiten und dass von
dem Seil auf den Kraftmesssignalgeber eine Zugkraft übertragen wird.
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Fachmann andere als die in den
ursprüngliche Unterlagen angegebenen Arten der Kraft und deren Einbringung
ohne weiteres Nachdenken in Betracht zieht. Er wird nämlich durch die Beschrei-
bungseinleitung auf Sicherheitsüberprüfungen hingewiesen, mit denen u.a. die
- 10 -
Rutschfestigkeit (Treibfähigkeit) des von der Treibscheibe angetriebenen Seilzugs
zu ermitteln ist (s. Anmeldung S 1, Abs 2). Diese Prüfung spiegelt sich nach sei-
nem Kenntnisstand in der TRA 102, Abschnitt 3.2.2 wider. Dabei handelt es sich
um Prüfungen, wonach durch Abbremsen der Treibscheibe der Fahrkorb zum
Stillstand kommen (Abschnitt 3.2.2.1), die Treibfähigkeit durch Aufsetzen des Ge-
gengewichts bei unbeladenem Fahrkorb aufgehoben werden (Abschnitt 3.2.2.2)
und ein Gegengewichtsausgleich stattfinden soll (Abschnitt 3.2.2.3). Von diesem
Prüfverfahren soll jedoch wegen seiner geschilderten Nachteile (vgl. urspr.
Beschr. S 1, Abs 3 bis S 2, Abs 1) offenbar in Bezug auf Art und Ort der zusätzlich
einzubringenden Kraft abgegangen werden. Diese Änderung beschreibt, wie oben
bereits ausgeführt, einzig das Ausführungsbeispiel, wonach durch die Treib-
scheibe bei (durch den Kraftmesssignalgeber) festgehaltenem Seil eine anstei-
gende Zugkraft auf das Seil eingeleitet wird. Über dieses Beispiel hinaus offenbart
sich dem Fachmann ohne weiteres Nachdenken hingegen nicht eine Kraft, die –
wie oben ausgeführt - beispielsweise als zusätzliches Gewicht auf den Fahrkorb
einzubringen ist (wobei durch Bremsen die Treibscheibe festgesetzt wird) oder die
eine Entlastungskraft auf das Gegengewicht darstellt.
3.
tents im Umfang des angegriffenen Patentanspruchs 1.
Allerdings hat nicht jede unzulässige Erweiterung notwendig eine (teilweise) Nich-
tigerklärung zur Folge. Vielmehr ist nach der Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofes (vgl BGH GRUR 2001, 140 ff "Zeittelegramm") unter dem Gesichts-
punkt der Rechtssicherheit für Dritte zu differenzieren: Besteht die Änderung darin,
dass lediglich ein die ursprünglich offenbarte Lehre einschränkendes, in den ur-
sprünglichen Unterlagen nicht offenbartes Merkmal in den Patentanspruch aufge-
nommen wird, so stellt dies zwar einen Formfehler dar. Dieser rechtfertigt aber
nicht die Nichtigerklärung des Patents, weil ein Dritter, der von der patentierten
Lehre Gebrauch macht, zugleich die ursprünglich offenbarte Lehre benutzt, also
auch dann damit hätte rechnen müssen, wegen einer Patentverletzung in An-
spruch genommen zu werden, wenn das Patent korrekt ohne das ursprünglich
nicht offenbarte Merkmal erteilt worden wäre. In diesem Fall muss im Interesse
Dritter lediglich sichergestellt werden, dass aus dem unzulässig hinzugefügten
- 11 -
Merkmal keine Rechte hergeleitet werden. Das bedeutet, dass das betreffende
Merkmal bei der Beurteilung der Patentfähigkeit außer Betracht zu bleiben hat,
was gegebenenfalls durch einen erläuternden Hinweis im Patent klargestellt wer-
den kann (vgl BGH aaO S 142 f unter II 2 f "Zeittelegramm"). Darüber hinaus ist
der Patentinhaber im Verletzungsfall gegenüber Dritten an das unzulässige Merk-
mal gebunden.
Anders verhält es sich dagegen, wenn von dem erteilten Patent auch Ausfüh-
rungsformen mitumfasst sind, die von der ursprünglich offenbarten Lehre nicht
erfasst waren. In diesem Fall stellt die patentierte Lehre gegenüber der ursprüng-
lich offenbarten ein "Aliud" dar. Damit müssen Dritte nicht rechnen (vgl BGH aaO
S 141 unter II 2 b "Zeittelegramm"). Ein derartiger Mangel kann nur durch (Teil-
)Nichtigerklärung behoben werden.
4.
da er – soweit er nicht auf die nicht angegriffenen Ansprüche 2 bis 5 rückbezogen
ist - diese unzulässige Erweiterung in sich trägt.
III.
1.
[NK 1]
neu ist (§ 22 Abs. 1 iVm § 21 Abs 1 Nr 1 und § 3 PatG).
Die Druckschrift [NK 1] betrifft ein Verfahren zur Messung des Zugvermögens der
seilführenden Antriebsscheibe einer Fahrstuhlseilwinde (s. Titel) und handelt somit
entsprechend dem des angefochtenen Anspruchs 1 von einem Ver-
fahren zum Überprüfen der Treibfähigkeit einer Treibscheibe eines Seilaufzuges.
Der Seilaufzug (Fahrstuhl) weist wenigstens einen über die Treibscheibe (seilfüh-
rende Antriebsscheibe 1) geführten Seilzug (Tragseil 2) auf, an dessen einem
- 12 -
Ende ein Fahrkorb (Kabine 3) und an dessen anderem Ende ein Gegengewicht
(Gegengewicht 4) hängt (vgl. ).
Schon das dort vorgestellte Prüfverfahren beschreibt einleitend ein Prüfverfahren,
bei dem die Belastung eines Stranges so verändert wird, bis die Seile in den Rin-
nen der seilführenden Antriebsscheibe durchrutschen und man diese Belastungs-
größe registriert (vgl. Sp 1, Z 7 bis 14). Hiervon ausgehend erfolgt das dort bean-
spruchte Verfahren in drei Stufen. Zunächst wird das Gegengewicht der Kabine
auf seine Pufferfeder abgesenkt bis sich das System Kabine – Gegengewicht
ausgleicht. Dabei wird die Reaktionskraft P
1
der Feder auf die Wirkung des Ge-
gengewichts mit Hilfe des Messelements 7 oder des Dynamometers 9 bestimmt
(s. Sp 3, Z 26 bis 36). Dann wird durch die Winde des die Antriebsscheibe bewe-
genden Steuerrades das Gewicht weiter abgesenkt, bis das Seil auf der Treib-
scheibe durchrutscht. Nach Festlegen der Antriebsscheibe wird die entsprechende
Reaktionskraft P
2
der Feder ebenfalls gemessen (s. Sp. 3, Z 37 bis 43). Schließ-
lich wird eine Sicherheitsvorrichtung an die Antriebsscheibe montiert (wodurch of-
fensichtlich das Seil auf der Antriebsscheibe fixiert wird), und das Gegengewicht
wird bis zur vollständigen Lockerung der Seilspannung auf der Gegengewichtseite
abgesenkt. Auch hier wird die Reaktionskraft P
3
der Pufferfeder bestimmt (Sp 3,
Z 44 bis 51). Aus diesen Werten und weiteren Gewichtsgrößen wird die Größe der
Zusatzlast Q
zus
ermittelt, die ein Maß für das Zugvermögen der seilführenden An-
triebsscheibe darstellt (Sp 2, Z 6 bis Sp 3, Z 8). Um diese unterschiedlichen Posi-
tionen des Gegengewichts einzustellen wird mit Hilfe des Steuerrades der Winde
über die Antriebsscheibe eine Kraft auf den Seilzug ausgeübt (), und
zwar zunächst eine den Seilzug hemmende Kraft, bis das Gleichgewicht zwischen
Gegengewicht abzüglich Federreaktionskraft und Fahrkorb eingestellt ist; dann vor
allem eine den Seilzug antreibende Kraft, die den Fahrkorb soweit anhebt und das
Gegengewicht soweit auf der Feder entlastet, bis das Seil durchrutscht, und letzt-
lich bei montierter Sicherheitsvorrichtung eine fahrkorbseitig weiterhin auf den
Seilzug wirkende Zugkraft, bis das Seil zwischen Sicherheitsvorrichtung der An-
triebsscheibe und dem Gegengewicht erschlafft.
Wie die Zeichnung am Ende der Schrift [NK1] zeigt, ist unterhalb des Gegenge-
wichts ein Kraftmesssignalgeber (Dynamometer 9) angeordnet, der sich (in der
- 13 -
Kraftwirkungslinie) zwischen dem Seil (Tragseil 2) des Seilzugs und dem als Fest-
punkt dienenden Boden befindet. Dieser Kraftmesssignalgeber ermittelt in oben
angegebener Weise (zumindest indirekt) die jeweilige über den Seilzug (und das
Gegengewicht) auf ihn übertragene Kraft, bis das Seil auf der Antriebsscheibe zu
rutschen beginnt ( und ).
Somit sind durch das aus [NK 1] bekannte Verfahren sämtliche Merkmale des An-
spruchs 1 neuheitsschädlich erfasst, weswegen auch aus diesem Grunde dieser
Anspruch keinen Bestand hat. Betrachtungen über die Zweckmäßigkeit einer der-
artigen Prüfmethode nach [NK1] – beispielsweise was die Treibfähigkeitsprüfung
an Seilstellen angeht, die in der Praxis nahezu keinem Verschleiß unterliegen -
haben bei dieser Beurteilung mangels diesbezüglich einschränkender Merkmale
im Anspruch 1 keinen Raum.
2.
Verfahrens nach Anspruch 6, beruht dieses überdies auch nicht auf erfinderischer
Tätigkeit (§ 22 Abs 1 iVm § 21 Abs 1 Nr 1 und § 4 PatG).
Um nämlich die durch den Kraftmesssignalgeber (Dynamometer 9) nach [NK 1]
ermittelten Kraftmesssignale für die angegebene Berechnung auszuwerten, bietet
es sich zweifellos an, diese Messsignale einer – wie auch immer gearteten - Aus-
werteeinheit zuzuleiten, welche diese Kraftmesssignale empfängt, auswertet und
insbesondere die maximale Treibfähigkeit aus den empfangenen Signalen (bei-
spielsweise nach den in [NK1] angegebenen Formeln) bestimmt. Hierzu bedurfte
[NK 13]
die Ausgangssignale einer Kraftmessanordnung zu einer Kontrollanordnung
(Auswerteeinheit) zur Auswertung übertragen werden.
3.
1 und § 3 PatG).
Wie schon in Abschnitt III.1 näher ausgeführt, ist aus der Schrift [NK 1] mit dem
dort offenbarten Messverfahren auch eine Vorrichtung zum Überprüfen der Treib-
fähigkeit einer Treibscheibe eines Seilaufzuges beschrieben und in der Zeichnung
gezeigt (). Dieser Seilaufzug (Fahrstuhl) weist wenigstens einen über
- 14 -
die Treibscheibe (Antriebsscheibe 1) geführten Seilzug (Tragseil 2) auf, an dessen
einem Ende ein Fahrkorb (Kabine 3) und an dessen anderem Ende ein Gegenge-
wicht (Gegengewicht 4) hängt (). Da auch zum Prioritätstag derartige
Seilaufzüge bekanntlich elektrisch angetrieben wurden, weist dieser vorbekannte
Seilaufzug entsprechend dem zweifelsfrei einen durch eine elektri-
sche Steuerschaltung gesteuerten, auf die Treibscheibe arbeitenden Antriebsmo-
tor auf. Dies hat die Beklagte auch nicht in Abrede gestellt. Dass dieser Aufzug
außerdem eine mit der Treibscheibe verbundene und durch die Steuerschaltung
gesteuerte Bremsvorrichtung aufweist (), ist aus Sp 3, Z 40 zu ent-
nehmen. Aus der Zeichnung sowie der beschriebenen Prüfmethode ist auch er-
sichtlich, dass zwischen dem Seil des Seilaufzuges und einem Festpunkt (Boden)
– und zwar in der Kraftwirkungslinie - ein Kraftmesser angeordnet ist(
). Die in diesem Merkmal weiter angeführte Zweckbestimmung „zum Er-
mitteln einer durch den Seilzug übertragenen Kraft“ ist nur insoweit zu berücksich-
tigen, als hierdurch gegenständliche Merkmale gekennzeichnet werden. Dies be-
darf jedoch keiner weiteren Vertiefung. Denn da, wie bereits oben ausgeführt,
diese aus [NK 1] bekannte Vorrichtung dem gleichen Zweck dient, kann durch die
Zweckbestimmung auch kein die Neuheit begründendes gegenständliches Merk-
mal abgeleitet werden.
Anspruch 7 hat daher keinen Bestand.
4.
che 9, 10 und 12 beschreiben lediglich einfache, für den Fachmann naheliegende
Ausgestaltungen. Gegenteiliges hat die Beklagte auch nicht vorgetragen.
So ist es, wie bereits oben zu Anspruch 6 ausgeführt, selbstverständlich, dass
entsprechend dem angefochtenen Anspruch 9 eine Auswerteeinheit für die aus-
zuwertenden Kraftmesssignale vorhanden ist. Dabei müssen zwangsläufig die
Eingänge dieser Auswerteeinheit mit dem entsprechenden Signalgeber (bei [NK 1]
mit dem Dynamometer als Kraftmesssignalgeber) verbunden sein.
Dass eine Auswerteinheit eine Anzeigeeinrichtung (zum Anzeigen der ausgewer-
teten Werte) aufweist, ist naheliegend, wenn nicht gar zwingend (Anspruch 10).
- 15 -
Der angefochtene Anspruch 12 beansprucht für den Kraftmesssignalgeber unter-
schiedliche mögliche Ausführungsformen, die dem Fachmann am Prioritätstag
geläufig waren. Ein Federmessgeber als eine dieser Ausführungsformen ist über-
dies in der Schrift [NK 1] offenbart, da ein Dynamometer ein elastisches Element
enthält, dessen Verformung zur Kraftbestimmung dient.
Somit haben auch die Ansprüche 9, 10 und 12, soweit sie nicht auf die nicht an-
gegriffenen Ansprüche 8 oder 11 rückbezogen sind, keinen Bestand.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91
Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1
PatG in Verbindung mit § 709 Satz 1 ZPO.
Dr. Landfermann
Dr. Barton
Dr. Hacker
Skribanowitz
Dr. W. Maier
Na