Urteil des BGH vom 06.08.2013

BGH: auf frischer tat ertappt, rüge, trennung der verfahren, trennung von verfahren, pfarrhaus, untersuchungshaft, verhinderung, strafverfahren, aussetzung, geschäft

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 201/13
vom
6. August 2013
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten besonders schweren Raubes u.a.
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. August
2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Raum,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Prof. Dr. Jäger,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Cirener
und der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Radtke,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
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Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Land-
gerichts Mosbach vom 14. Januar 2013 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten besonders
schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen ver-
suchten Diebstahls und wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Ge-
samtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen
wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materi-
ellen Rechts gestützten Revision, die keinen Erfolg hat.
I.
1. Zu den Taten hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
a) Der vielfach und auch einschlägig vorgeahndete Angeklagte plante
einen Einbruch in ein Antiquitätengeschäft und in die darüber liegende Woh-
nung des Inhabers B. . Hierzu gewann der Angeklagte als führendes Mit-
glied einer auf Wohnungseinbruchsdiebstähle und Raubüberfälle spezialisierten
Gruppe den gesondert Verfolgten, den 29 Jahre alten G. , der kurz
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zuvor zu der Gruppe gestoßen war, als Mittäter. Sie planten, den Einbruch zu
einer Zeit auszuführen, da B. schlafen würde; für den Fall, dass B.
sie bemerkte, sollte G. den Widerstand durch körperliche Gewalt brechen,
weswegen er sich mit Wissen des Angeklagten u.a. mit Pfefferspray ausrüstete.
In Umsetzung des Plans begaben sich beide zum Anwesen des Ge-
schädigten B. . Gegen 1.30 Uhr des 5. Dezember 2011 hebelte G.
eine mit einer Eisenkette gesicherte Hintereingangstür auf, so dass er und der
Angeklagte über eine Treppe in das erste Obergeschoss in die Wohnräume
schleichen konnten, wo sie Bargeld vermuteten. Als der durch die Geräusche
aufgewachte 71 Jahre alte B. seine Schlafzimmertüre öffnete, sprühte ihm
G. in Absprache mit dem Angeklagten sofort Pfefferspray in die Augen und
schlug ihm seine 25 Zentimeter lange, mit großen Batterien gefüllte Stab-
taschenlampe mehrfach auf den Kopf und den Oberkörper. B. musste ge-
genüber dem körperlich weit überlegenen G. zwar zurückweichen, wehrte
sich aber dennoch, wobei es ihm mehrfach gelang, Möbelstücke zwischen sich
und den G. zu schieben. Dieser räumte die Hindernisse aus dem Weg und
schlug weiter so heftig mit der Taschenlampe auf den Geschädigten ein, dass
diese zerbrach. Dabei wurde G. von dem nachrückenden Angeklagten, der
wegen der beengten räumlichen Verhältnisse keine tatkräftige Unterstützung
leisten konnte, u.a. durch die Zurufe: „Mach ihn nieder, mach ihn alle“ angefeu-
ert. Wie der Angeklagte wusste, empfand G. wegen dessen führender Stel-
lung in der Gruppe die Anfeuerungen wie einen Befehl. Schließlich erkannte der
Angeklagte, dass sich der Tatplan wegen der anhaltenden Gegenwehr nicht
mehr durchführen ließ, und befahl den Rückzug. Dabei ließen sie den nachhal-
tig - u.a. durch eine schwere Gehirnerschütterung - verletzten B. zurück.
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b) Nachdem der Angeklagte für einen Einbruch in ein anderes Antiquitä-
tengeschäft den kurz zuvor zu der Gruppe gestoßenen K. als
Mittäter gewonnen hatte, begab er sich in dessen Begleitung am späten Abend
des 14. März 2012 zu der in Aussicht genommenen Örtlichkeit. Wenige Stun-
den später, am 15. März 2012 gegen 2.10 Uhr, versuchten er und sein Mittäter
mit Montiereisen die stabile Tür zum Geschäft aufzubrechen. Als sie die von
einem Anwohner verständigten Streifenwagen der Polizei bemerkten, ergriffen
sie die Flucht, konnten jedoch kurz darauf getrennt voneinander im Umfeld des
Geschäfts festgenommen werden.
c) Als der Angeklagte erfuhr, dass der ihm bekannte Pfarrer aus
W. über das Wochenende des 24. und 25. März 2012 an einer Ski-
freizeit teilnimmt, beschloss er, dies für einen Einbruch in das Pfarrhaus auszu-
nutzen. Er wusste, dass sich dort Wertgegenstände befanden; außerdem hoffte
er auf Bargeld. Gemeinsam mit G. drang er zwischen dem 24. März
um 14.00 Uhr und dem 25. März um 8.00 Uhr in das Pfarrhaus ein. G. hat-
te ein Kellerfenster eingeschlagen, war hineingeklettert und hatte den Ange-
klagten durch ein Fenster im Erdgeschoss eingelassen. Sie durchsuchten die
Räumlichkeiten und entwendeten diverse Gegenstände, so u.a. eine Opfer-
büchse der Caritas mit 300 Euro, einen Fernseher, Bekleidung, eine Motorsäge
und eine Geldkassette. Sie versuchten ergebnislos, mit einer Flex einen Tresor
zu öffnen, was ihnen nicht gelang. Außerdem tranken sie im Keller gefundene
alkoholische Getränke.
2. Das Landgericht hat die Tat zu 1.a. der Urteilsgründe als (fehlgeschla-
genen) versuchten besonders schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher
Körperverletzung gewertet und hierfür - ausgehend vom gemäß § 23 Abs. 2,
§ 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 250 Abs. 2 StGB - eine Ein-
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zelfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verhängt. Für die Tat zu
1.b. hat es einen (fehlgeschlagenen) versuchten Diebstahl unter Verwirklichung
des Regelbeispiels nach § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB angenommen, den
gemäß § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 243
Abs. 1 Satz 1 StGB zugrunde gelegt und auf eine Einzelfreiheitsstrafe von drei
Jahren erkannt. Für die als Wohnungseinbruchsdiebstahl gewertete Tat zu 1.c.
ist es vom Strafrahmen des § 244 Abs. 1 StGB ausgegangen und hat eine Ein-
zelfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verhängt.
II.
1. Die Verfahrensrügen führen nicht zu einem Erfolg des Rechtsmittels.
a) Die Rüge, am 29. November 2012 habe ein wesentlicher Teil der
Hauptverhandlung in Abwesenheit des notwendigen Verteidigers stattgefunden,
ist unzulässig, da sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht
entspricht. Es wird zwar mitgeteilt, dass eine Verfahrensabtrennung erfolgt sei,
nicht aber, ob die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ausgesetzt oder
fortgesetzt worden ist. Damit lässt der Vortrag offen, ob der geltend gemachte
Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden
(vgl. hierzu BGH, Urteile vom 6. Februar 1980 - 2 StR 729/79, BGHSt 29, 203;
vom 30. August 2012 - 4 StR 108/12). Denn im Falle einer erfolgten Aussetzung
bedeutete dies den Abbruch der Verhandlung mit der Folge, dass später eine
völlig neue, selbständige Hauptverhandlung stattfinden muss (vgl. hierzu
Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 229 Rn. 39; zur Fortsetzung vgl.
BGH, Beschluss vom 13. April 2010 - 3 StR 24/10, BGHR StPO § 338 Nr. 5
Verteidiger 8). Der unvollständige Vortrag kann auch nicht durch den an-
gesichts der umfassenden und zulässigen Sachrüge an sich möglichen Rück-
griff auf die Urteilsgründe (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 27. Juli 2012
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- 1 StR 68/12, StraFo 2012, 411) ergänzt werden, da diese den Beginn der
Hauptverhandlung nicht ausweisen.
Die Rüge wäre aber auch unbegründet, weil - was der Senat der Gegen-
erklärung der Staatsanwaltschaft entnommen hat - tatsächlich nach Aussetzung
der Hauptverhandlung am 29. November 2012 die erneute Hauptverhandlung
gegen den Angeklagten erst am 11. Januar 2013 begonnen hat, mithin der be-
hauptete Verfahrensverstoß vom 29. November 2012 nicht in der mit dem Urteil
abgeschlossenen Hauptverhandlung stattgefunden haben und deswegen nicht
die Rüge des § 338 Nr. 5 StPO begründen kann.
b) Die Rüge der vorschriftswidrigen Besetzung nach § 338 Nr. 1 StPO ist
präkludiert und damit unzulässig. Die Revision trägt zwar vor, die Verteidigung
habe den Besetzungseinwand in der Hauptverhandlung vor Verlesung der An-
klage gerügt. Das Protokoll weist jedoch einen mündlich erhobenen und be-
gründeten Einwand - wie es bei Geltendmachung in der Hauptverhandlung er-
forderlich ist (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 222b Rn. 5) - erst nach der Ver-
nehmung des Angeklagten zur Sache aus. Die vom Revisionsführer zitierte Pro-
tokollstelle belegt diesen im Hinblick auf § 222b StPO verspäteten Zeitpunkt
des Einwands. Zum Vorliegen eines anderen Ausnahmegrundes für die Rüge-
präklusion nach § 338 Nr. 1 Halbsatz 2 StPO ist nichts vorgetragen (zur diesbe-
züglichen Vortragspflicht vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1990 - 5 StR 268/89,
NJW 1990, 3219, 3220). Deswegen kann dahinstehen, ob die Besetzungsrüge
überhaupt noch unter dem gleichen rechtlichen Aspekt wie der in der Hauptver-
handlung geltend gemachte Besetzungseinwand verfolgt wird. Der Revisions-
vortrag lässt zudem auch kein Geschehen erkennen, das als willkürliche Ent-
ziehung des gesetzlichen Richters durch die Anberaumung eines außer-
ordentlichen anstatt des belegten ordentlichen Sitzungstages zu werten ist (vgl.
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zum Prüfungsmaßstab BGH, Beschlüsse vom 7. Juni 2005 - 2 StR 21/05,
BGHSt 50, 132, 137; vom 3. Juli 2012 - 4 StR 66/12, NStZ-RR 2012, 319).
c) Der Senat kann offen lassen, ob im Hinblick auf den fehlenden Vortrag
zu dienstlichen Stellungnahmen gemäß § 26 Abs. 3 StPO die Verfahrensrüge
gemäß § 338 Nr. 3 StPO betreffend das Ablehnungsgesuch gegen die mitwir-
kenden Schöffen zulässig erhoben ist; die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Die
Bescheidung des Ablehnungsgesuchs lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Zu-
treffend ist darauf abgestellt worden, dass für Schöffen keine anderen Maßga-
ben für die Unvoreingenommenheit gelten als bei Berufsrichtern, auch wenn es
sich um schwierige Beweissituationen handelt (BGH, Urteil vom 17. Juli 1996
- 5 StR 121/96, BGHSt 42, 191, 193 f.) und mithin eine Vorbefassung mit dem
Sachverhalt durch Verurteilung eines Mittäters für sich genommen keinen Ab-
lehnungsgrund darstellt (BGH, Beschluss vom 9. März 2000 - 4 StR 513/99).
d)
Die Rüge eines „Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 StPO“ versagt ebenfalls.
Dieser Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Gegen den Angeklagten und G. war am 3. August 2012 An-
klage erhoben worden. Das Landgericht hat durch Beschluss vom 28. August
2012 das Hauptverfahren eröffnet, die Anklage zur Hauptverhandlung zugelas-
sen und die gegen beide Angeklagte bestehenden Haftbefehle in Vollzug be-
lassen. Zugleich hat es das Verfahren gegen den Angeklagten abgetrennt.
Hiergegen hat der Angeklagte Beschwerde eingelegt, worauf das Oberlandes-
gericht Karlsruhe die Verfahren wieder verbunden hat. Hierzu hat es ausge-
führt, dass die Trennung der Verfahren nicht zweckmäßig sei. Daraufhin hat
das Landgericht Termin zur Hauptverhandlung für den 29. und 30. November,
6. und 7. Dezember 2012 anberaumt. In der Hauptverhandlung vom 29. No-
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vember 2012 war der Verteidiger des Angeklagten krankheitsbedingt verhindert,
daraufhin ist das Verfahren gegen den Angeklagten erneut abgetrennt worden.
G. , der, nach 38 Tagen Untersuchungshaft und Unterbrechung derselben
wegen Strafvollstreckung in anderer Sache, seit dem 29. September 2012 wie-
der Untersuchungshaft verbüßt, ist am 29. November 2012 verurteilt worden.
Das Verfahren gegen den Angeklagten hat am 11. und 14. Januar 2013 stattge-
funden.
Die Revision macht geltend, dass die erneute Abtrennung „ermessens-
missbräuchlich gegen § 2 Abs.
2 StPO“ verstoßen habe. Denn der Beschluss
des Oberlandesgerichts sei verbindlich gewesen und habe das Ermessen des
Gerichts auf N
ull reduziert. Auch die „kurzweilige Erkrankung“ des Verteidigers
ändere daran nichts, es hätte noch an den anberaumten Tagen 6. und 7. De-
zember 2012 gemeinsam verhandelt werden können. Bei einer ermessensfeh-
lerfreien Entscheidung wäre keine Verfahrensabtrennung erfolgt und die Vertei-
digung hätte die Möglichkeit gehabt, auf das Beweismittel G. einzugehen
und seine Angaben zu widerlegen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass das Ge-
richt dann zu einer anderen Beurteilung gekommen wäre.
Die Rüge ermessensmissbräuchlicher Verfahrenstrennung ist nicht zu-
lässig erhoben, da nicht vorgetragen ist, was dem Landgericht bei der Abtren-
nung zur Dauer der krankheitsbedingten Verhinderung des Verteidigers des
Angeklagten bekannt war. Dies wäre aber erforderlich, um die Ausübung des
Ermessens auf Missbrauch zu überprüfen. Dies gilt auch für die Frage, ob und
wann das im Zusammenhang mit einer anderen Rüge vorgetragene Attest dem
Gericht vorgelegen hat. Die Rüge wäre darüber hinaus jedenfalls unbegründet.
Auch wenn Verbindung und Trennung von Verfahren grundsätzlich dem
Ermessen des Tatrichters überlassen sind, kann ein Beschwerdeführer im
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Revisionsverfahren mit der Verfahrensrüge geltend machen, dass der Tatrichter
das ihm zustehende Ermessen missbraucht hat (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom
12. August 2002 - 2 BvR 932/02, StV 2002, 578; vom 9. August 2007
- 2 BvR 1277/07; BGH, Urteil vom 5. Februar 1963 - 1 StR 265/62, BGHSt 18,
238, 239; Fischer in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl., § 4 Rn. 15). Ob
die Trennung hingegen zweckmäßig war, hat das Revisionsgericht anders als
das Beschwerdegericht nicht zu überprüfen (BGH, Beschlüsse vom 18. Januar
1996 - 4 StR 718/95; vom 15. Februar 2001 - 3 StR 546/00, BGHR StPO § 4
Verbindung 16; Fischer aaO).
Ein Fall des Ermessensmissbrauchs ist nicht erkennbar. Angesichts des
neu hinzugetretenen Umstands, dass gegen den Angeklagten am 29. Novem-
ber 2012 nicht verhandelt werden konnte, aber das besondere Beschleuni-
gungsgebot in Haftsachen jedenfalls für den Mitangeklagten G. zu beach-
ten war, dieser bereits seit mehr als drei Monaten Untersuchungshaft verbüßte
und nicht ersichtlich ist, was dem Landgericht zur Dauer der Verhinderung des
Verteidigers bekannt war - das im Zusammenhang mit einer anderen Rüge vor-
getragene Attest datiert auf den 19. März 2013, kann mithin dem Landgericht
nicht vorgelegen haben -, bietet die Abtrennung zur gesonderten Verhandlung
keine Anhaltspunkte für unzulässige Erwägungen bei der Ermessensausübung.
Insbesondere für ein willkürliches oder grob missbräuchliches, Bedeutung und
Tragweite des Rechts des Beschwerdeführers auf ein rechtsstaatliches, faires
Strafverfahren verkennendes Vorgehen des Landgerichts ist nichts ersichtlich.
Auch die Revision trägt solches nicht vor. Soweit sie der Ansicht ist, das Land-
gericht sei auch bei dieser Sachlage an die Entscheidung des Beschwerde-
senats gebunden gewesen, verkennt sie die tatrichterliche Verantwortung für
die zügige Durchführung der Strafverfahren insbesondere in Haftsachen, wel-
che stets dem aktuellen Sachstand entsprechend wahrzunehmen ist.
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Auch wenn man die Rüge im Zusammenhang mit den Ausführungen zur
Sachrüge als Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2
StPO (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1963 - 1 StR 265/62, BGHSt 18, 238;
Beschluss vom 13. April 2010 - 3 StR 24/10, BGHR StPO § 338 Nr. 5 Verteidi-
ger 8) auslegte, scheiterte diese schon am mangelnden Vortrag einer bestimm-
ten Beweistatsache und eines bestimmten für den Angeklagten günstigen Be-
weisergebnisses (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 2008 - 5 StR 412/08, NStZ
2009, 468; Beschluss vom 23. Mai 2012 - 1 StR 208/12).
2. Das angefochtene Urteil hält auch materiell-rechtlicher Prüfung stand.
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei in allen drei Fällen
einer der Täter, lässt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten erkennen, insbesondere liegen die von der Revision gerügten
Mängel bei der Beweiswürdigung nicht vor.
a) Entgegen den Ausführungen der Verteidigung hat das Landgericht im
Rahmen der Beweiswürdigung für die Taten zu I.1.a. und c. der Urteilsgründe
nicht allein auf die Angaben des Mittäters G. abgestellt. Vielmehr hat es für
die Tat zu I.1.c. (Einbruch im Pfarrhaus) dessen Angaben durch eine dem An-
geklagten zugeordnete DNA-Spur an der Öffnung einer von den Tätern geöff-
neten Sektflasche bestätigt gesehen. Den von der Revision beanstandeten
Schluss, dass diese Spur anlässlich der Tat aufgetragen worden sei, gründet
das Landgericht rechtsfehlerfrei auf die zeugenschaftlichen Angaben des ge-
schädigten Pfarrers, er kenne den Angeklagten schon lange, da dieser ihn häu-
fig angebettelt habe. Er habe aber niemals mit ihm Sekt getrunken und auch
keine geöffnete Sektflasche in der Wohnung zurückgelassen. Die alternative
Möglichkeit der Auftragung der DNA-Spur außerhalb der Tat hat das Land-
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gericht auf dieser Tatsachengrundlage nachvollziehbar und hinreichend sicher
ausgeschlossen.
Die Belastung des Angeklagten durch G. hinsichtlich der Tat zu
I.1.a. (Geschädigter B. ) hat das Landgericht durch außerhalb von dessen
Aussage liegende Indizien bestätigt gesehen. Als solche hat es den durch DNA-
Spuren im Pfarrhaus belegten Umstand gewertet, dass G. und der Ange-
klagte Einbrüche miteinander begangen haben. Zudem hat es aber auch auf die
als belastbar erachteten Angaben des Geschädigten B. gegründeten
Feststellungen, dass der Angeklagte das Geschäft zuvor ausgekundschaftet
habe und der anfeuernde Täter fließend die deutsche Sprache spreche (was
auf den Angeklagten zutreffe), abgestellt. Dabei hat es dem Umstand, dass die
Angaben des Geschädigten B. aufgrund dessen Ermordung nach seiner
Vernehmung in der Hauptverhandlung gegen G. über Vernehmungsbeam-
te eingeführt worden sind, durch eine besonders kritische Prüfung unter Zu-
grundelegung zutreffender rechtlicher Vorgaben ausreichend Rechnung getra-
gen.
Auch wenn das Landgericht damit die Überzeugung von der Täterschaft
des Angeklagten nicht allein von den Angaben des Mittäters G. abhängig
gemacht hat, so hat es dennoch die für die Richtigkeit von dessen Angaben
sprechenden Gesichtspunkte unter ausdrücklicher Berücksichtigung eines
möglichen Motivs zur Falschaussage, um sich selbst zu entlasten oder eine
Strafmilderung zu erlangen, umfassend geprüft, gewürdigt und dies im Urteil
nachvollziehbar deutlich gemacht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Mai 1991
- 3 StR 112/91, BGHR StPO § 261 Mitangeklagte 2; vom 15. November 1991
- 2 StR 499/91, BtMG § 29 Beweiswürdigung 7; vom 9. November 1999
- 5 StR 552/99, StV 2000, 243, 244; vom 22. Januar 2002 - 5 StR 549/01, StV
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2002, 467; vom 17. Januar 2002 - 3 StR 417/01, NStZ-RR 2002, 146, 147). Da-
bei hat es auch den im Hinblick auf Art. 6 Abs. 3 lit. d MRK - die belastenden
Angaben waren nur mittelbar über zwei Vernehmungspersonen in die Haupt-
verhandlung eingeführt worden - erhöhten Anforderungen an die Sorgfältigkeit
und Vollständigkeit der vorzunehmenden Gesamtwürdigung genügt (vgl. BGH,
Beschlüsse vom 7. Juli 2004 - 5 StR 71/04, BGH NStZ 2004, 691, 692; vom
17. März 2009 - 4 StR 662/08, NStZ-RR 2009, 212; vom 22. September 2011
- 2 StR 263/11, NStZ-RR 2012, 52). Zwar ist der Revision zuzugeben, dass das
Landgericht nicht mehr ausdrücklich erwogen hat, inwieweit aus der Berufung
des G. auf das Auskunftsverweigerungsrecht des § 55 StPO Schlüsse zu-
gunsten des Angeklagten gezogen werden könnten (vgl. hierzu BGH, Be-
schluss vom 25. November 2008 - 5 StR 491/08, StV 2009, 174). Angesichts
der durch Tatsachen belegten Urteilsausführungen, dass G.
„große Angst
vor Repressalien des Angeklagten“ gehabt habe, kann der Senat aber aus-
schließen, dass es diesen speziellen Aspekt aus dem Blick verloren haben
könnte. Im Übrigen kann er angesichts der vom Landgericht herangezogenen,
die Angaben bestätigenden Indizien und der durch andere Umstände ausgelös-
ten, ohnehin besonders kritischen Auseinandersetzung mit dieser Aussage
auch ausschließen, dass das Landgericht bei ausdrücklicher Berücksichtigung
dieses Umstands zu einer anderen Bewertung gekommen wäre.
Soweit die Revision geltend machen will, die Einvernahme der Verneh-
mungspersonen als Zeugen vom Hörensagen sei darauf beschränkt gewesen
zu fragen, ob G. und B. bei ihren polizeilichen Angaben geblieben
seien, steht dies im Widerspruch zu den Urteilsgründen, wonach die Verneh-
mungsbeamten weitergehende Angaben zum Aussageverhalten beider ge-
macht haben. An diese vom Tatgericht getroffenen Feststellungen zur Aussage
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der in der Hauptverhandlung gehörten Zeugen ist der Senat bei der Urteils-
überprüfung im Rahmen der Sachrüge gebunden.
b) Zur Beweiswürdigung für die Tat zu I.1.b. der Urteilsgründe (versuch-
ter Einbruch in das Antiquitätengeschäft) macht die Revision geltend, dass das
Landgericht von der Tatsachengrundlage - der Angeklagte wurde wie K.
in unmittelbarer Tatortnähe kurz nach der Tat gefasst, er führte rote Montier-
eisen mit, wobei sich rote Lackantragungen an der beschädigten Tür fanden,
der Mittäter K. bestätigte, den Angeklagten am Abend der Tat zu dem
Antiquitätengeschäft gefahren zu haben und der Angeklagte und K. wur-
den drei Monate nach dieser Tat nach einem gemeinsamen Einbruch auf fri-
scher Tat ertappt - nicht auf die Täterschaft des Angeklagten hätte schließen
dürfen, da insoweit erhebliche Restzweifel verblieben seien. Dies geht fehl. Ei-
ne mathematische, jede Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs
ausschließende, von niemandem mehr anzweifelbare Gewissheit bei der Bil-
dung der Überzeugung von der Schuld des Angeklagten ist nicht erforderlich
(vgl. BGH, Urteile vom 26. Mai 1993 - 3 StR 156/93, BGHR StPO § 261 Einlas-
sung 5; vom 26. Juni 2008 - 3 StR 159/08, NStZ-RR 2008, 350). Die Schluss-
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folgerung des Landgerichts ist verstandesmäßig einsehbar und beruht auf einer
tragfähigen Tatsachengrundlage. Dies genügt.
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Wahl
Jäger
Cirener
Radtke