Urteil des BGH vom 09.04.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X I I Z R 1 6 1 / 1 3
Verkündet am:
9. April 2014
Breskic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
SchuldRAnpG § 12 Abs. 3
a) Bei der Verkehrswertermittlung gemäß § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG kommt der
vom Grundstückseigentümer beabsichtigten Nutzung des vom Nutzer errich-
teten Bauwerks nach Rückerhalt maßgebliche Bedeutung zu.
b) Daher fehlt es regelmäßig an einer Verkehrswerterhöhung durch das Bau-
werk, wenn der Grundstückseigentümer dessen Abriss und die Renaturie-
rung des Grundstücks plant.
BGH, Urteil vom 9. April 2014 - XII ZR 161/13 - LG Neuruppin
AG Neuruppin
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. April 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin
Weber-Monecke und die Richter Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landge-
richts Neuruppin vom 16. Januar 2013 wird auf Kosten der Klä-
ger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger verlangen von den Beklagten eine Entschädigung nach dem
Schuldrechtsanpassungsgesetz für ein auf deren Grundstück errichtetes Bau-
werk.
Mit schriftlichem Vertrag vom 16. November 1976 pachteten die Kläger
vom Rat der in der ehemaligen DDR gelegenen Gemeinde K. ein Teil-
Grundstück zur "Nutzung für persönliche Erholungsbedürfnisse". In der Folge-
zeit errichteten die Kläger auf dem Grundstück einen Bungalow. Nach Restituti-
on des Grundstücks sind die Beklagten dessen Eigentümer geworden. Sie be-
absichtigen, das Grundstück zu renaturieren und zu diesem Zweck den Bunga-
low abzureißen.
Mit Schreiben vom 11. März 2010 kündigten die Kläger den Pachtvertrag
zum 31. Oktober 2010. Sie verlangten einen Wertersatz von 75.000
€ für die
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Errichtung des Bungalows, der sich aus dem Wert der Baulichkeit von 30.000
und dem gegenüber unbebautem Pachtland um 45.000
€ erhöhten Grund-
stückswert zusammensetze. Auch nach Rückgabe verweigerten die Beklagten
eine Zahlung, weil der Bungalow wegen des beabsichtigten Abrisses den Ver-
kehrswert des Grundstücks nicht erhöhe.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hat-
te keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfol-
gen die Kläger ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt
begründet:
Auf das Vertragsverhältnis finde das Schuldrechtsanpassungsgesetz
Anwendung. Da die Kläger selbst gekündigt hätten, kämen nur Ansprüche nach
§ 12 Abs. 3 SchuldRAnpG in Betracht, so dass der Betrag zu ersetzen sei, um
den der Verkehrswert des Grundstücks im Zeitpunkt der Rückgabe erhöht sei.
Der Eigentümer solle insoweit Ausgleich leisten, als ihm tatsächlich ein reali-
sierbarer Wert zufließe.
Dies sei hier nicht der Fall, weil die Beklagten weder eine Neuverpach-
tung des bebauten Grundstücks noch dessen Verkauf, sondern vielmehr den
Abriss des Bauwerks beabsichtigten. Unter Berücksichtigung des gesetzgeberi-
schen Zwecks des Schuldrechtsanpassungsgesetzes bestehe in einem derarti-
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gen Fall kein Anspruch auf Wertersatz. Bei einer Vertragsbeendigung durch
den Nutzer solle der Eigentümer lediglich für solche baulichen Investitionen des
Nutzers Wertersatz leisten müssen, die ihm nach der Vertragsbeendigung
werterhöhend zugute kämen. Das hänge aber in erster Linie von der vom Ei-
gentümer beabsichtigten zukünftigen Nutzung des Grundstücks ab.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Zutreffend und im Revisionsverfahren nicht angegriffen geht das Beru-
fungsgericht von § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG als der allein in Betracht kommen-
den Anspruchsgrundlage aus. Durch den Vertrag vom 16. November 1976 und
die nachfolgende Grundstücksnutzung zu Erholungszwecken wurde ein
Rechtsverhältnis nach den §§ 312 ff. ZGB-DDR begründet, auf das gemäß § 6
Abs. 1 SchuldRAnpG die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs über
den Miet- oder den Pachtvertrag anzuwenden sind, soweit das Schuldrechtsan-
passungsgesetz nichts anderes bestimmt.
Die Rückgabe des Grundstücks an die Beklagten als Voraussetzung ei-
nes Anspruchs auf eine Entschädigung nach dem Schuldrechtsanpassungsge-
setz (vgl. hierzu Senatsurteil vom 15. Januar 2014 - XII ZR 83/13 - WuM 2014,
152 Rn. 17 ff.) ist zwischen den Parteien nicht (mehr) im Streit. Mangels Fest-
stellungen des Berufungsgerichts ist - trotz des entsprechenden Bestreitens der
Beklagten - zugunsten der Revision zu unterstellen, dass der Bungalow ent-
sprechend den Rechtsvorschriften in der DDR errichtet worden ist.
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungs-
gericht bei der Bestimmung des Verkehrswerts gemäß § 12 Abs. 3
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SchuldRAnpG die von den Grundstückseigentümern beabsichtigte künftige
Grundstücksnutzung berücksichtigt hat und deshalb zu dem Ergebnis gelangt
ist, dass der von den Klägern erbaute Bungalow den Verkehrswert des Grund-
stücks nicht erhöhe.
a) Die Frage, ob und wie sich die Absichten des Grundstückseigentü-
mers zur zukünftigen Nutzung auf den Verkehrswert i.S.d. § 12 Abs. 3
SchuldRAnpG auswirken, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich
beantwortet.
Nach einer Ansicht ist regelmäßig ein objektiver Maßstab anzulegen, so
dass es auf die objektive Verwertbarkeit des Bauwerks, nicht aber auf die sub-
jektive Verwertungsabsicht des Grundstückseigentümers ankomme (so LG
Frankfurt/Oder in einem unveröffentlichten Beschluss vom 20. Mai 2009
- 15 S 164/08; Matthiessen in Kimme Offene Vermögensfragen [Stand: Juni
2009] § 12 SchuldRAnpG Rn. 15; Thiele/Röske SchuldRÄndG [Stand: August
1999] § 12 SchuldRAnpG Rn. 29 ff.). Auch nach dieser Auffassung soll aller-
dings dann, wenn die tatsächliche Nutzung hinter der baurechtlich zulässigen
zurückbleibt, das Bauwerk zumindest für den Fall keine Werterhöhung für das
Grundstück darstellen, dass es abgerissen werden soll, um das Grundstück
anderweitig zu bebauen (vgl. dazu Zimmermann VIZ 1996, 121, 126; ders. in
Prütting/Zimmermann/Heller
Grundstücksrecht
Ost
§ 12
SchuldRAnpG
Rn. 61 f.; ders. in RVI [August 2012] § 12 SchuldRAnpG Rn. 61 f.).
Demgegenüber kommt es nach überwiegender Meinung auf die subjekti-
ve Verwertbarkeit des Bauwerks für den Eigentümer an (vgl. LG Zwickau WuM
2009, 305, 306; LG Potsdam VIZ 2002, 244 f.; AG Strausberg Grundeigentum
1996, 1119, 1121; Czub OVspezial 1997, 258, 261; Schnabel Schuldrechtsän-
derungsgesetz § 12 SchuldRAnpG Rn. 31; ders. NJW 2000, 2387, 2392;
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Kühnlein VIZ 2000, 578, 582; wohl auch MünchKommBGB/Kühnholz 4. Aufl.
§ 12 SchuldRAnpG Rn. 16; Krauß Sachenrechtsbereinigung und Schuldrechts-
anpassung im Beitrittsgebiet S. 546; Bultmann in Kiethe SchuldRAnpG § 12
Rn. 25 f.). Dies ergebe sich insbesondere aus den Motiven des Gesetzgebers.
b) Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend.
aa) Dem Gesetzeswortlaut selbst ist allerdings nichts dafür zu entneh-
men, dass eine Verkehrswerterhöhung die Absicht des Eigentümers voraus-
setzt, das Bauwerk zu erhalten und für sich zu verwerten. Nach der Vorschrift
des § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG kann der Nutzer eine Entschädigung verlangen,
soweit der Verkehrswert des Grundstücks durch das Bauwerk im Zeitpunkt der
Rückgabe erhöht ist. Regeln dazu, wie diese Verkehrswerterhöhung festzustel-
len ist, enthält § 12 Abs. 1 und 3 SchuldRAnpG hingegen nicht.
Insoweit kann grundsätzlich auf die Immobilienwertermittlungsverord-
nung vom 19. Mai 2010 (ImmoWertV, BGBl. I 639) zurückgegriffen werden (Se-
natsurteile vom 15. Januar 2014 - XII ZR 83/13 - WuM 2014, 152 Rn. 13 und
vom 12. März 2008 - XII ZR 156/05 - NJW-RR 2008, 1047 Rn. 25). Diese lässt
es in § 2 Satz 2 ImmoWertV zwar ausdrücklich zu, dass künftige Entwicklun-
gen, etwa absehbare anderweitige Nutzungen, bei der Wertermittlung Berück-
sichtigung finden, wenn sie mit hinreichender Sicherheit auf Grund konkreter
Tatsachen zu erwarten sind. Auf persönliche Nutzungsabsichten eines Erwer-
bers kommt es insoweit jedoch nicht an (vgl. Kleiber Verkehrswertermittlung
von Grundstücken 7. Aufl. § 2 ImmoWertV Rn. 4, 8).
bb) Nach dem im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen
Willen des Gesetzgebers hat die vom Grundstückseigentümer beabsichtigte
Nutzung nach Rückerhalt des Grundstücks demgegenüber im Rahmen des
§ 12 Abs. 3 SchuldRAnpG eine maßgebliche Bedeutung.
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(1) Ein von dem Nutzer auf einem fremden Grundstück errichtetes Bau-
werk kann bei Vertragsbeendigung nach Auffassung des Gesetzgebers noch
einen erheblichen Wert darstellen. Aus diesem Grund hielt er es für unange-
messen, den Nutzern, die ihre baulichen Investitionen im Vertrauen auf einen
langfristigen Fortbestand der vertraglichen Nutzungsbefugnis vorgenommen
haben, ihren Wert ersatzlos zu nehmen und dem Grundstückseigentümer einen
solchen Vorteil unentgeltlich zufallen zu lassen (BT-Drucks. 12/7135 S. 46).
Deshalb bestimmt § 12 Abs. 2 SchuldRAnpG für den Fall, dass der Grund-
stückseigentümer das Nutzungsverhältnis vor dem 4. Oktober 2022 (vgl. §§ 12
Abs. 2 Satz 2 Alt. 2, 23 Abs. 4 SchuldRAnpG) ordentlich kündigt, eine Entschä-
digung in Höhe des Zeitwerts des Bauwerks, ohne dass es hierbei auf die Ver-
wendungsabsichten des Grundstückseigentümers ankommt.
(2) In den anderen Fällen der Vertragsbeendigung, also bei ordentlicher
Kündigung des Grundstückseigentümers nach Ablauf der Kündigungsschutz-
frist, außerordentlicher Kündigung des Grundstückseigentümers vor Ablauf der
Kündigungsschutzfrist und Kündigung des Nutzers vor Ablauf der Kündigungs-
schutzfrist, sollte eine Werterhöhung nach dem Willen des Gesetzgebers dage-
gen nur insoweit Entschädigungspflichten des Grundstückseigentümers nach
sich ziehen, als ihm nach Vertragsbeendigung tatsächlich noch ein für ihn reali-
sierbarer Wert zufließt (BT-Drucks. 12/7135 S. 47).
Nach der Gesetzesbegründung soll das allerdings dann nicht der Fall
sein, wenn das Grundstück mit Wochenendhaus sich nunmehr zur Bebauung
mit einem Mehrfamilienhaus eigne, weil der Grundstückseigentümer das Wo-
chenendhaus beseitigen werde, um sein Grundstück einer angemessenen wirt-
schaftlichen Verwertung zuzuführen. Demgegenüber liege eine Werterhöhung
beispielsweise vor, wenn ein Wochenendhaus auch nach Vertragsbeendigung
zu Erholungszwecken genutzt werden solle. Sei jedoch die Änderung der Nut-
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zungsart zulässig, etwa die Errichtung eines Betriebsgebäudes auf einem Er-
holungsgrundstück, erhöhe das dem ursprünglichen Nutzungszweck dienende
Bauwerk den Verkehrswert des Grundstücks in der Regel nicht (BT-Drucks.
12/7135 S. 47).
(3) Der Gesetzgeber hat durch diese Beispiele deutlich gemacht, dass es
für die Frage, ob ein vom Nutzer errichtetes Bauwerk zu einer Entschädigung
gemäß § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG führt, maßgeblich auf die Verwendungsab-
sichten des Grundstückseigentümers ankommt. Entgegen einer teilweise ver-
tretenen Ansicht (vgl. z.B. Matthiessen in Kimme Offene Vermögensfragen
[Stand: Juni 2009] § 12 SchuldRAnpG Rn. 15) gilt das nicht nur, wenn es um
eine "Höhernutzung" des Grundstücks geht, also in dem Fall, der in der Geset-
zesbegründung mit der Bebauung durch ein Mehrfamilien- statt durch ein Wo-
chenendhaus angesprochen ist, sondern auch in Fällen der vorliegenden Art.
Denn im Zusammenhang mit dem Wochenendhaus wird eindeutig die Wei-
ternutzungsabsicht des Grundstückseigentümers angesprochen ("genutzt wer-
den soll").
(4) Hiergegen spricht entgegen der Rechtsauffassung der Revision nicht,
dass die Gesetzesbegründung § 591 Abs. 1 BGB als vergleichbare Wertersatz-
regelung benennt. Der Bezugnahme in der Gesetzesbegründung ist mit Blick
auf die Bedeutung der Verwendungsabsichten des Grundstückseigentümers für
die nach § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG zu leistende Entschädigung nichts zu ent-
nehmen. Dies folgt schon daraus, dass der Anspruch auf Ersatz des Mehrwerts
gemäß § 591 Abs. 1 BGB - anders als der Entschädigungsanspruch nach § 12
Abs. 3 SchuldRAnpG - die Zustimmung des dem Grundsatz nach zahlungs-
pflichtigen Grundstückseigentümers zu der vom Nutzer vorgenommenen Inves-
tition voraussetzt (vgl. Staudinger/v. Jeinsen BGB [2013] § 591 Rn. 31). Dem-
gegenüber ist der Gesetzgeber im Rahmen des § 12 SchuldRAnpG davon aus-
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gegangen, dass die Errichtung eines Bauwerks in der DDR nicht selten ohne
oder sogar gegen den Willen des Grundstückseigentümers erfolgte (vgl. BT-
Drucks. 12/7135 S. 31). Mit der Erwähnung von § 591 Abs. 1 BGB wollte der
Gesetzgeber daher ersichtlich lediglich darauf hinweisen, dass das Bürgerliche
Gesetzbuch im Pachtrecht bereits eine ähnlich konstruierte Ersatzregelung für
den Fall der Vertragsbeendigung kennt.
cc) Aus entschädigungsrechtlicher Sicht hat der Gesetzgeber dem
Grundstückseigentümer im Rahmen des § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG mithin eine
weitgehende Dispositionsfreiheit eingeräumt, die Nutzung des zurückgegebe-
nen Grundstücks zu ändern, um es einer angemessenen wirtschaftlichen Ver-
wertung zuzuführen. Dem Verkehrswert im Sinne dieser Vorschrift ist dadurch
eine andere als die Bedeutung beigegeben, die der allein auf den Veräuße-
rungswert (Marktwert) ohne Rücksicht auf künftige Nutzungsabsichten des
Grundstückseigentümers abstellende § 194 BauBG beinhaltet (Senatsurteil
vom 15. Januar 2014 - XII ZR 83/13 - WuM 2014, 152 Rn. 15).
Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die Regelung in § 15 Abs. 1 Satz 2
SchuldRAnpG. Nach dieser hat der Nutzer in den auch von § 12 Abs. 3
SchuldRAnpG erfassten Fällen - und damit unter anderem bei einer Eigenkün-
digung durch den Nutzer - auf Verlangen des Grundstückseigentümers die Hälf-
te der Abbruchkosten des Bauwerks zu tragen, wenn der Abbruch binnen eines
Jahres nach Besitzübergang erfolgt. Bei einer ordentlichen Kündigung durch
den Grundstückseigentümer binnen der vom Schuldrechtsanpassungsgesetz
angeordneten Kündigungsschutzfrist kommt eine solche Kostenbeteiligung hin-
gegen nicht in Betracht. Dies belegt, dass der Nutzer dann, wenn er sich selbst
nicht vertragstreu verhält oder vom Vertrag löst, entschädigungsrechtlich die
Entscheidung des Grundstückseigentümers, das Bauwerk abzureißen, hinzu-
nehmen haben soll. In einem derartigen Fall erst die Pflicht des Grundstückei-
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gentümers zur Entschädigungszahlung wegen eines objektiv erhöhten Ver-
kehrswerts und dann die Zahlungspflicht des Nutzers in Höhe der hälftigen Ab-
bruchkosten anzunehmen, entspricht erkennbar nicht dem Willen des Gesetz-
gebers.
dd) Im Übrigen ist es auch sachgerecht, in den von § 12 Abs. 3
SchuldRAnpG erfassten Fallkonstellationen den Nutzungsabsichten des Eigen-
tümers eine maßgebliche Bedeutung beizumessen.
§ 12 Abs. 2 SchuldRAnpG schützt den Nutzer, der im Vertrauen auf die
langfristige Vertragslaufzeit - ggf. erhebliche - bauliche Investitionen vorge-
nommen hat, diese jedoch allein aufgrund der Entscheidung des Grundstücks-
eigentümers, das Nutzungsverhältnis ordentlich zu kündigen, nicht in vollem
Umfang nutzen kann. Demgegenüber trifft § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG - neben
dem Fall der Vertragsbeendigung nach Ablauf der Frist gemäß §§ 12 Abs. 2
Satz 2 Alt. 2, 23 Abs. 4 SchuldRAnpG, binnen derer der Gesetzgeber den Nut-
zer als besonders schutzwürdig eingestuft hat - für diejenigen Fälle eine Rege-
lung, in denen der Nutzer die vorzeitige Vertragsbeendigung zu vertreten hat.
Den Grundstückseigentümer unabhängig davon als entschädigungspflichtig
anzusehen, ob er für das vom vertragsuntreuen oder sich selbst vom Vertrag
lösenden Nutzer errichtete Bauwerk eine Weiterverwendung beabsichtigt, ent-
spricht nicht Sinn und Zweck des Gesetzes. Mit § 12 SchuldRAnpG wollte der
Gesetzgeber nicht dem Nutzer die Möglichkeit eröffnen, dass er statt der lang-
fristigen Vertragsdauer mit der sich daraus ergebenden zeitabhängigen Amorti-
sation seiner Investition zu Lasten des Grundstückseigentümers eine vorzeitige
Vertragsbeendigung zum Zwecke der Erlangung einer möglichst hohen Ent-
schädigungsleistung wählen kann.
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ee) Die von der Revision geäußerte Befürchtung, dass Grundstücksei-
gentümer missbräuchlich eine Abrissabsicht vorgeben könnten und so eine
Aushöhlung von § 12 Abs. 3 SchuldRAnpG drohe, teilt der Senat nicht. Zum
einen ist es Sache des Tatrichters, sich im Rahmen des § 286 ZPO die Über-
zeugung vom Fehlen einer Weiternutzungsabsicht des Grundstückseigentü-
mers zu bilden und dabei die bloß vorgeschobene von der tatsächlich beste-
henden Abrissabsicht zu trennen. Zum anderen wird es der Grundstückseigen-
tümer schon wegen der in § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SchuldRAnpG enthaltenen
Jahresfrist in vielen Fällen nicht lange bei der bloßen Abrissabsicht belassen,
sondern diese umgehend - und dann schon während eines eventuellen Ent-
schädigungsprozesses - umsetzen, um die Kostenbeteiligung des Nutzers zu
erreichen. Darüber hinaus würde die Behauptung einer nicht den Tatsachen
entsprechenden Abrissabsicht ebenso zu Schadensersatzansprüchen des Nut-
zers führen wie sie strafrechtliche Relevanz erlangen könnte.
c) Danach ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Beru-
fungsgericht den Klägern einen Entschädigungsanspruch nach § 12 Abs. 3
SchuldRAnpG versagt hat. Nach den von der Revision nicht angegriffenen tat-
richterlichen Feststellungen haben die Beklagten hinsichtlich des von den Klä-
gern errichteten Bungalows keine Weiternutzungsabsicht, sondern planen des-
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sen Abriss und die Renaturierung des Grundstücks. Dann aber führt das Bau-
werk nicht zu einer Erhöhung des Verkehrswerts i.S.d. § 12 Abs. 3
SchuldRAnpG, so dass ein Anspruch der Kläger auf eine Entschädigungszah-
lung nicht besteht.
Dose
Weber-Monecke
Schilling
Nedden-Boeger
Guhling
Vorinstanzen:
AG Neuruppin, Entscheidung vom 29.05.2012 - 43 C 171/11 -
LG Neuruppin, Entscheidung vom 16.01.2013 - 4 S 120/12 -