Urteil des BGH vom 03.07.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 205/06 Verkündet
am:
3. Juli 2008
Führinger
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
HGB § 425 Abs. 2; BGB § 254 Abs. 2 Satz 1 Db
Im Regelfall ist davon auszugehen, dass der Frachtführer bei einem Hinweis
auf den ungewöhnlich hohen Wert des Transportgutes entweder besondere
Sicherungsmaßnahmen zum Schutz des Gutes vor Verlust ergriffen oder den
Transportauftrag abgelehnt hätte.
BGH, Urt. v. 3. Juli 2008 - I ZR 205/06 - OLG Düsseldorf
LG
Düsseldorf
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 3. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und
die Richter Pokrant, Dr. Schaffert, Dr. Bergmann und Dr. Koch
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. November 2006 auf-
gehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurück-
verwiesen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
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Die Klägerin zu 1 ist führender Transportversicherer der A.
GmbH in Nettetal (im Folgenden: Versenderin) und deren Kon-
zerngesellschaften. Sie nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst
betreibt, aus abgetretenem und übergegangenem Recht der Versenderin we-
gen des Verlustes von Transportgut in zwei Fällen auf Schadensersatz in An-
spruch. Die Klägerin zu 2 ist eine Konzerngesellschaft der Versenderin. Sie be-
gehrt von der Beklagten Schadensersatz im Umfang des Selbstbehalts, den die
Klägerin zu 1 nicht erstattet hat.
Die Versenderin übergab der Beklagten am 30. Januar 2002 und am
14. Februar 2002 jeweils ein Paket zur Beförderung von Nettetal nach Großbri-
tannien. Beide Pakete gingen nach dem Vortrag der Klägerinnen auf dem
Transport verloren. Die Klägerin zu 1 hat die Klägerin zu 2 unter Berücksichti-
gung eines Selbstbehalts der Klägerin zu 2 von 2.500 € in Höhe von
27.531,14 € entschädigt.
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Den Transportaufträgen lagen die Beförderungsbedingungen der Beklag-
ten zugrunde, die auszugsweise folgende Regelungen enthielten:
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3. Beförderungsbeschränkungen
(a) U. befördert keine Waren, die nach Maßgabe der folgenden Ab-
sätze (i) bis (iv) vom Transport ausgeschlossen sind. …
(ii) Der Wert eines Pakets darf den Gegenwert von USD 50.000 in der
jeweiligen Landeswährung nicht überschreiten. …
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9. Haftung
9.2 Gelten keine Abkommensbestimmungen oder sonstige zwingende
nationale Gesetze, wird die Haftung ausschließlich durch diese Be-
dingungen geregelt. In Deutschland ist die Haftung für Verlust oder
Beschädigung begrenzt auf nachgewiesene direkte Schäden bis
maximal 510 € pro Sendung oder 8,33 SZR für jedes Kilogramm, je
nach dem, welcher Betrag höher ist. …
Vorstehende Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Scha-
den auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die
U. , seine gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen vorsätz-
lich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass der Schaden mit
Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen haben. …
9.4 Die Haftungsgrenze nach Ziffer 9.2 wird angehoben durch korrekte
Deklaration eines höheren Wertes der Sendung auf dem Frachtbrief
und durch Zahlung des in der "Tariftabelle und Serviceleistungen"
aufgeführten Zuschlags auf den angegebenen Wert (Wertpaket). In
keinem Fall dürfen die in Absatz 3 (a) (ii) festgesetzten Grenzen
überschritten werden. Der Versender erklärt durch Unterlassung ei-
ner Wertdeklaration, dass sein Interesse an den Gütern die in Zif-
fer 9.2 genannte Grundhaftung nicht übersteigt. ….
Die Klägerinnen haben behauptet, beide Pakete hätten Mikroprozesso-
ren im Wert von 11.115 GBP und 7.210,50 GBP enthalten. Sie sind der Auffas-
sung, die Beklagte hafte für die Verluste in voller Höhe. Sie haben die Beklagte
daher auf Zahlung von 27.531,14 € und 2.500 €, jeweils nebst Zinsen, in An-
spruch genommen.
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Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, die Klägerinnen
müssten sich ein Mitverschulden der Versenderin unter dem Gesichtspunkt der
unterlassenen Wertdeklaration und des unterlassenen Hinweises auf einen un-
gewöhnlich hohen Schaden zurechnen lassen.
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Das Berufungsgericht hat der im ersten Rechtszug im vollen Umfang er-
folgreichen Klage in Höhe von 23.356,48 € und 2.500 €, insgesamt also
25.856,48 €, nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.
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Mit der vom Senat beschränkt auf die Frage des Mitverschuldens zuge-
lassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abwei-
sung der Klage weiter. Die Klägerinnen beantragen, das Rechtsmittel zurück-
zuweisen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat zur Frage des Mitverschuldens ausgeführt:
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Auf beide Schadensfälle seien gemäß §§ 452, 452a HGB die Vorschrif-
ten der §§ 425 ff. HGB anzuwenden. Es habe sich um multimodale Transporte
gehandelt, bei denen davon auszugehen sei, dass die Pakete in Großbritannien
verlorengegangen seien. Zur Bestimmung des hypothetischen Teilstrecken-
rechts im Rahmen des § 452a HGB sei auf die Parteien des Vertrags über die
Gesamtstrecke abzustellen. Danach komme gemäß Art. 28 Abs. 4 Satz 1
EGBGB deutsches Frachtrecht zur Anwendung. Die Beklagte müsse für die
Paketverluste gemäß § 425 Abs. 1, § 435 HGB unbeschränkt haften.
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Die Klägerin zu 1 müsse sich jedoch ein Mitverschulden gemäß § 425
Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 2 BGB entgegenhalten lassen, weil es die Versenderin
bei Abschluss der Frachtverträge unterlassen habe, die Beklagte darauf hinzu-
weisen, dass beim Verlust der Pakete ein ungewöhnlich hoher Schaden drohe.
Die Kausalität des Mitverschuldenseinwands nach § 254 Abs. 2 BGB könne
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nicht verneint werden, weil die Beklagte die Annahme der Pakete hätte verwei-
gern können. Die Gefahr eines besonders hohen Schadens sei anzunehmen,
wenn der Wert der Sendung 5.000 € übersteige. Bei der Haftungsabwägung sei
neben dem Wert der transportierten Ware zu berücksichtigen, dass das einem
Versender nach § 254 Abs. 2 BGB anzulastende Verschulden weniger schwer
wiege als das einem Versender nach § 254 Abs. 1 BGB anzulastende Ver-
schulden. Das Mitverschulden könne nach der Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs nicht höher als 50% angesetzt werden. Es sei daher eine stufenweise
Kürzung des Schadensersatzanspruchs geboten. Für die ersten 5.000 € Wa-
renwert bleibe der Schadensersatzanspruch ungekürzt, für einen zwischen
5.000,01 € und 10.000 € liegenden Warenwert sei eine Kürzung um 20% vor-
zunehmen. Bei Warenwerten über 10.000,01 € sei die Quote für jede angefan-
genen weiteren 5.000 € um einen Prozentpunkt zu erhöhen.
Ein Mitverschulden der Versenderin wegen unterlassener Wertdeklarati-
on nach § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 1 BGB sei dagegen zu verneinen. Bei
Auslandstransporten beschränke sich die besondere Behandlung von Wertpa-
keten nach dem eigenen Vortrag der Beklagten auf den Beginn des Transports,
und zwar auf die Strecke vom Versender bis zum Einlieferungscenter und die
dortige Behandlung. Da beide Pakete Großbritannien erreicht hätten, habe sich
die unterlassene Wertdeklaration nicht ausgewirkt.
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II. Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des
Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-
richt.
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1. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei von der Anwendbarkeit deut-
schen Sachrechts und damit auch der §§ 425, 435 HGB, § 254 BGB ausge-
gangen.
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a) Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass auf die zwi-
schen der Versenderin und der Beklagten geschlossenen multimodalen Fracht-
verträge nach Art. 28 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 EGBGB deutsches Recht anzuwen-
den ist und daher die §§ 452 ff. HGB eingreifen (vgl. BGH, Urt. v. 3.5.2007
- I ZR 109/04, TranspR 2007, 405 Tz. 17 = NJW-RR 2008, 347 m.w.N.). Der
Anwendung deutschen Rechts stehen keine internationalen Abkommen entge-
gen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzun-
gen des Art. 2 CMR nicht vor. Die Warenverluste sind auch nicht während der
Luftbeförderung von Köln nach Großbritannien eingetreten, so dass das War-
schauer Abkommen ebenfalls nicht anwendbar ist. Die Revision erhebt insoweit
auch keine Rügen.
b) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht mit
Recht angenommen, dass nach § 452a HGB auf den (hypothetischen) Vertrag
über die Teilstrecke in Großbritannien, auf der die Pakete in Verlust geraten
sind, deutsches Frachtrecht zur Anwendung kommt. Hierbei ist auf eine (hypo-
thetische) vertragliche Beziehung zwischen der Versenderin und der Beklagten
abzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 18.10.2007 - I ZR 138/04, TranspR 2007, 472
Tz. 16 = NJW-RR 2008, 549). Die Anwendbarkeit deutschen Rechts hat das
Berufungsgericht zutreffend daraus abgeleitet, dass sowohl die Versenderin als
auch die Beklagte ihre Hauptniederlassungen in Deutschland haben (Art. 28
Abs. 4 Satz 1 EGBGB). Es spricht auch nichts dafür, dass der hypothetische
Teilstreckenvertrag engere Verbindungen mit einem anderen Staat aufweist
(Art. 28 Abs. 5 EGBGB). Der Umstand, dass die Beklagte ihrerseits Verträge
mit Unterfrachtführern nach englischem Recht abschließt, ist unerheblich (vgl.
Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 452a HGB Rdn. 5).
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2. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass
der Mitverschuldenseinwand auch im Falle des qualifizierten Verschuldens i.S.
von § 435 HGB zu berücksichtigen ist (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.2003 - I ZR 234/00,
TranspR 2003, 467, 471; Urt. v. 30.1.2008 - I ZR 146/05, TranspR 2008, 117
Tz. 34).
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3. Ein Mitverschulden der Versenderin wegen unterlassener Wertdekla-
ration nach § 425 Abs. 2 HGB, § 254 Abs. 1 BGB hat das Berufungsgericht
rechtsfehlerfrei wegen fehlender Kausalität verneint. Nach seinen unangegriffen
gebliebenen Feststellungen wären die Pakete auch dann verlorengegangen,
wenn sie als Wertpakete versandt worden wären, weil die Beklagte bei Aus-
landstransporten nur am Beginn des Transports besondere Sicherungsmaß-
nahmen ergreift. Beide Pakete sind jedoch während des Transports in Großbri-
tannien in Verlust geraten.
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4. Das Berufungsgericht hat in beiden Schadensfällen zutreffend ein Mit-
verschulden der Versenderin darin begründet gesehen, dass diese es unterlas-
sen hat, die Beklagte auf den Wert der Pakete und auf den dadurch im Falle
ihres Verlustes drohenden ungewöhnlich hohen Schaden hinzuweisen (§ 254
Abs. 2 Satz 1 BGB). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Abwägung der
Verursachungs- und Verschuldensanteile sowie die von ihm als geboten ange-
sehene Kürzung des Schadensersatzanspruchs nach festgelegten Prozentsät-
zen halten der rechtlichen Nachprüfung aber nicht stand.
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a) Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen,
dass die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens dann anzunehmen ist,
wenn der Wert des Pakets 5.000 € übersteigt (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH
TranspR 2008, 117 Tz. 40, m.w.N.). Dieser Wert wird in beiden Schadensfällen
deutlich überschritten.
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b) Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, dass die Ur-
sächlichkeit des Mitverschuldens nur dann fehlt, wenn der Transporteur trotz
eines Hinweises auf den ungewöhnlich hohen Wert des Gutes keine besonde-
ren Maßnahmen ergriffen hätte (BGH, Urt. v. 1.12.2005 - I ZR 265/03, TranspR
2006, 208, 209 = NJW-RR 2006, 1108; Urt. v. 20.7.2006 - I ZR 9/05, NJW-RR
2007, 28 Tz. 34 = TranspR 2006, 394). Dies kann hier nicht ohne weiteres an-
genommen werden. Ohne besonderen Sachvortrag des Anspruchstellers ist im
Regelfall davon auszugehen, dass der Frachtführer bei einem Hinweis auf den
ungewöhnlich hohen Wert des Transportgutes entweder besondere Siche-
rungsmaßnahmen ergriffen oder den Transportauftrag abgelehnt hätte. Bei ei-
nem entsprechenden Sachvortrag des Anspruchstellers zur fehlenden Ursäch-
lichkeit der unterlassenen Wertangabe obliegt es nach den allgemeinen
Grundsätzen allerdings dem Frachtführer, darzulegen und gegebenenfalls zu
beweisen, dass der unterlassene Hinweis auf den ungewöhnlich hohen Wert
des Gutes für den entstandenen Schaden zumindest mitursächlich war (vgl.
BGH, Urt. v. 11.1.2007 - III ZR 116/06, NJW 2007, 1063 Tz. 14; Palandt/
Heinrichs, BGB, 67. Aufl., §§ 254, 255 Rdn. 74; Staudinger/Schiemann, BGB,
[2005], vor § 249 Rdn. 91). Die Parteien haben hierzu bislang keinen Vortrag
gehalten. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren können sie dies gegebenen-
falls nachholen.
c) Die Haftungsabwägung nach § 254 BGB ist grundsätzlich Sache des
Tatrichters. Sie kann im Revisionsverfahren jedoch daraufhin überprüft werden,
ob alle in Betracht zu ziehenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt
und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden
sind (vgl. BGH, Urt. v. 15.2.2007 - I ZR 186/03, NJW-RR 2007, 1110 Tz. 28
= TranspR 2007, 164 m.w.N.). Die Abwägung darf insbesondere nicht schema-
tisch erfolgen, sondern muss alle festgestellten Umstände des Einzelfalls be-
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rücksichtigen (BGH, Urt. v. 28.9.2006 - I ZR 198/03, TranspR 2007, 110
Tz. 32). Diesen Anforderungen genügt die vom Berufungsgericht vorgenomme-
ne Beurteilung nicht.
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aa) Schon der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach das ei-
nem Versender anzulastende Verschulden nach § 254 Abs. 2 BGB grundsätz-
lich weniger schwer wiege als das einem Versender nach § 254 Abs. 1 BGB
anzulastende Verschulden, trifft nicht zu. Die zuletzt genannte Bestimmung re-
gelt den Fall, dass bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Ge-
schädigten mitgewirkt hat. Nach § 254 Abs. 2 BGB kann das Mitverschulden
auch darin bestehen, dass der Geschädigte es unterlässt, den Schädiger auf
die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen oder
den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Damit enthält § 254 Abs. 2 BGB
lediglich - klarstellend - besondere Anwendungsfälle des § 254 Abs. 1 BGB
(MünchKomm.BGB/Oetker, 5. Aufl., § 254 Rdn. 68; Palandt/Heinrichs aaO,
67. Aufl., § 254 Rdn. 36; Erman/Ebert, BGB, 12. Aufl., § 254 Rdn. 53; Loo-
schelders, Die Mitverantwortlichkeit des Geschädigten im Privatrecht, 1999,
S. 163 ff.). Hinsichtlich der Rechtsfolgen trifft § 254 Abs. 1 BGB für sämtliche
Fälle des Mitverschuldens eine einheitliche Regelung. Danach sind die Verur-
sachungs- und Verschuldensanteile von Schädiger und Geschädigtem im Ein-
zelfall gegeneinander abzuwägen. Eine (abstrakte) Gewichtung der verschie-
denen Fälle des Mitverschuldens, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen
hat, widerspricht dieser gesetzlichen Regelung.
bb) Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass der
Wert der transportierten Ware bei der Haftungsabwägung von Bedeutung ist (st.
Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 22.11.2007 - I ZR 74/05, TranspR 2008, 30
Tz. 46, insoweit in BGHZ 174, 244 nicht abgedruckt). Daneben kann bei ent-
sprechendem Sachvortrag des Frachtführers auch im Rahmen des § 254
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Abs. 2 BGB die Reichweite des bei wertdeklarierten Sendungen gesicherten
Bereichs einen für die Bemessung der Haftungsquote relevanten Gesichtspunkt
darstellen: Je größer der gesicherte Bereich ist, desto größer ist auch der Anteil
des Mitverschuldens des Versenders, der durch das Unterlassen der Wertan-
gabe den Transport der Ware außerhalb des gesicherten Bereichs veranlasst
(BGH TranspR 2008, 30 Tz. 45 m.w.N.).
cc) Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, wonach der dem Ver-
sender anzurechnende Mitverursachungsbeitrag auch bei hohen Werten nicht
höher als 50% angesetzt werden darf, trifft dagegen nicht zu. Zwar liegt auf Sei-
ten der Beklagten ein qualifiziertes Verschulden vor, weshalb deren Verursa-
chungsanteil in der Regel höher zu gewichten ist. Wie der Senat - zeitlich nach
Erlass des Berufungsurteils - entschieden hat, kann nach den Umständen des
Einzelfalls aber auch ein Mitverschuldensanteil von mehr als 50% in Betracht
kommen (BGH, Urt. v. 20.9.2007 - I ZR 43/05, TranspR 2008, 113 Tz. 53; BGH
TranspR 2008, 30 Tz. 47). Dies gilt vor allem in Fällen, in denen das Paket auf-
grund der Beförderungsbedingungen der Beklagten von einem Transport aus-
geschlossen ist. In solchen Fällen kann auch ein vollständiger Wegfall der Haf-
tung des Frachtführers gerechtfertigt sein, wenn der Versender positive Kennt-
nis davon hat, dass der Frachtführer bestimmte Güter nicht befördern will und
er sich bei der Einlieferung bewusst über den entgegenstehenden Willen des
Frachtführers hinwegsetzt (BGH, Urt. v. 13.7.2006 - I ZR 245/03, NJW-RR
2007, 179 Tz. 35 = TranspR 2006, 448; BGH NJW-RR 2007, 1110 Tz. 30;
TranspR 2007, 405 Tz. 33). Ein solcher Fall liegt hier zwar nicht vor, weil die
Wertgrenze von 50.000 US-Dollar nach den Feststellungen des Berufungsge-
richts nicht erreicht war. Eine höhere Quote als 50% kann aber auch dann an-
zunehmen sein, wenn der Wert des Pakets - unabhängig vom Überschreiten
einer in den Beförderungsbedingungen gesetzten Wertgrenze - sehr deutlich
über dem Betrag liegt, ab dem ein Hinweis auf einen ungewöhnlich hohen
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Schaden hätte erfolgen müssen (BGH TranspR 2008, 113 Tz. 53; TranspR
2008, 30 Tz. 47). Dies kann vorliegend insbesondere im Schadensfall 1 in Be-
tracht kommen.
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Die Abwägung der Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteile muss
zudem auch bei geringeren Paketwerten im Blick haben, dass sie bei hohen
Warenwerten nicht zu unangemessenen Ergebnissen führt (BGH TranspR
2008, 30 Tz. 47; TranspR 2008, 113 Tz. 53). Diesem Erfordernis wird die vom
Berufungsgericht vorgenommene stufenweise Kürzung des Schadensersatzan-
spruchs nicht gerecht. Die Revision weist mit Recht darauf hin, dass nach der
Tabelle des Berufungsgerichts bei Warenwerten, die dem Gegenwert von
50.000 US-Dollar entsprechen, der Schadensersatzanspruch im Ergebnis ledig-
lich um einen Wert gekürzt wird, der unter 25% liegt. Gemäß Nr. 3 (a) (ii) ihrer
Beförderungsbedingungen will die Beklagte Pakete, deren Wert den Gegenwert
von 50.000 US-Dollar überschreitet, jedoch nicht befördern. Nach der vorste-
hend unter 4 c cc angeführten Rechtsprechung des Senats kann in derartigen
Fällen je nach den Umständen des Einzelfalls ein Mitverschuldensanteil von
mehr als 50% bis hin zu einem vollständigen Ausschluss der Haftung in Be-
tracht kommen. Die in der Tabelle des Berufungsgerichts vorgesehenen Quoten
entsprechen dem nicht.
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III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzu-
heben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die
Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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Bornkamm
Pokrant
Schaffert
Bergmann
RiBGH Dr. Koch ist in Urlaub
und
kann
daher
nicht
unter-
schreiben.
Bornkamm
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 23.03.2006 - 31 O 38/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 15.11.2006 - I-18 U 79/06 -