Urteil des BGH vom 17.04.2013

BGH: berechnungsgrundlage, verwertung, sondervergütung, gefahr, vergleichsrechnung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 141/11
vom
17. April 2013
in dem Insolvenzverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Dr. Fischer und Grupp
am 17. April 2013
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer
des Landgerichts Memmingen vom 12. April 2011 wird auf Kosten
der Insolvenzverwalterin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
491.563,70
€ festgesetzt.
Gründe:
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 4, 6, 7 aF, § 64 Abs. 3 Satz 1
InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO, Art. 103f EGInsO), aber unzulässig, weil
sie keinen Zulässigkeitsgrund aufdeckt (§ 574 Abs. 2 ZPO). Weder hat die Sa-
che nach den Darlegungen der Rechtsbeschwerdebegründung grundsätzliche
Bedeutung, noch erfordert hiernach die Fortbildung des Rechts oder die Siche-
rung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbe-
schwerdegerichts.
1. Die Vorinstanzen haben entsprechend der Rechtsprechung des Se-
nats von der Berechnungsgrundlage die zur Masse geflossenen Feststellungs-
beiträge abgezogen, nachdem die Verwalterin sich für die für sie weitaus güns-
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tigere Möglichkeit der Ansetzung einer Sondervergütung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1
Satz 2 InsVV entschieden hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2008
- IX ZB 157/05 nv, Rn. 4). Die Rechtsbeschwerdebegründung legt im Hinblick
auf diese Rechtsprechung des Senats weder Grundsatzbedeutung noch
Rechtsfortbildungsbedarf dar. Die Frage, anhand welcher Parameter die Ver-
gleichsrechnung nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 InsVV im Einzelnen zu erfolgen
hat, ist, wie schon der Vergütungsantrag der Verwalterin zutreffend dargelegt
hat, nicht entscheidungserheblich. Die Frage, ob die Vorschrift bei der Verein-
barung und dem Zufluss von Feststellungsbeiträgen bei der freihändigen Ver-
wertung von Grundstücken überhaupt (entsprechend) anwendbar ist, wirft die
Rechtsbeschwerde nicht auf. Sie ist im Übrigen von den Vorinstanzen zu ihren
Gunsten entschieden worden.
2. Das Beschwerdegericht hat nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint,
den von der Rechtsprechung des Senats abweichenden Obersatz aufgestellt,
dass im Vergütungsfestsetzungsverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz nicht
gelte. Es hat sich mit der Berechnungsgrundlage vielmehr nicht näher befasst.
Hinsichtlich der Frage, ob die bei der Verwertung von mit Absonderungsrechten
belasteten Gegenständen der Masse angefallene Umsatzsteuer zur Berech-
nungsgrundlage zählt, wie erstmals die Rechtsbeschwerde begründungsfrei
behauptet, wird ein Zulässigkeitsgrund nicht dargelegt.
3. Die Vorinstanzen haben keinen von der Rechtsprechung des Senats
abweichenden Obersatz zu § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. a, § 5 Abs. 1 InsVV
aufgestellt.
4. Das Beschwerdegericht hat ebenso wenig wie das freilich in der Wahl
der Überschrift ungenau formulierende Amtsgericht einen von der Rechtspre-
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chung des Senats abweichenden Obersatz des Inhalts aufgestellt, dass der
Betrag, um den sich die Masse (gemeint: Regelvergütung) nach § 1 Abs. 2
Nr. 1 InsVV erhöhe, im Rahmen der Entscheidung über die Zu- und Abschläge
oder jedenfalls zuschlagsmindernd zu berücksichtigen sei.
Die sich aus § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 InsVV ergebende Sondervergütung
ist Teil der im Übrigen nach § 2 Abs. 1 InsVV zu berechnenden Regelvergü-
tung, aus der die Zu- und Abschläge berechnet werden (BGH, Beschluss vom
11. Mai 2006 - IX ZB 249/04, ZIP 2006, 1204 Rn. 48). Die Höhe der Regelver-
gütung ist nach der Rechtsprechung des Senats bei der Bemessung der Zu-
und Abschläge zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November
2012 - IX ZB 139/10, ZIP 2012, 2407 Rn. 22), weil nur so festgestellt werden
kann, ob ein Arbeitsaufwand vorliegt, der denjenigen eines vergleichbaren Ver-
fahrens übersteigt. Nichts anderes haben die Vorinstanzen zum Ausdruck ge-
bracht.
5. Eine Divergenz zur Rechtsprechung des Senats für die Berechnung
des Ausgleichszuschlags bei Betriebsfortführung liegt nicht vor (vgl. hierzu
BGH, Beschluss vom 24. Januar 2008 - IX ZB 120/07, WM 2008, 488 Rn. 7 f;
vom 12. Mai 2011 - IX ZB 143/08, ZIP 2011, 1373 Rn. 10 f). Die Vordergerichte
haben die erforderliche Vorgehensweise erkennbar berücksichtigt und die allein
durch die Massemehrung eingetretene Erhöhung der Regelvergütung errech-
net. Freilich haben sie den ohne Berücksichtigung einer Massemehrung ange-
messenen Zuschlag und den sich dann errechnenden Ausgleichszuschlag nicht
beziffert. Dies steht jedoch im Einklang zur Rechtsprechung des Senats. Diese
ist seit jeher der in der Literatur vertretenen Auffassung entgegengetreten, dass
für alle Zu- und Abschlagstatbestände zunächst gesonderte Zu- und Abschläge
festzusetzen sind. Ein solches Vorgehen ist möglich, aber nicht erforderlich. Es
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genügt bei den einzelnen geltend gemachten oder zu prüfenden Zu- und Ab-
schlagstatbeständen eine Prüfung dem Grunde nach. Maßgebend ist dann in
jedem Fall lediglich eine im Ergebnis angemessene Gesamtwürdigung (BGH,
Beschluss vom 24. Juli 2003 - IX ZB 607/02, ZIP 2003, 1757, 1758 f; vom
23. März 2006 - IX ZB 20/05, ZIP 2006, 858 Rn. 5; vom 11. Mai 2006, aaO
Rn. 12; vom 20. Mai 2010 - IX ZB 11/07, BGHZ 185, 353 Rn. 9). Diese haben
die Vorinstanzen ausreichend vorgenommen.
6. Die Bemessung der Höhe der einzelnen Zu- und Abschläge sowie des
Gesamtzuschlags ist Aufgabe des Tatrichters. Ob auch ein höherer Gesamtzu-
schlag als 80 v.H. (nicht, wie die Rechtsbeschwerde meint, von 60 v.H.) hätte
festgesetzt werden können, ist vom Rechtsbeschwerdegericht nicht zu prüfen.
Die von diesem lediglich zu prüfende Gefahr der Verschiebung von Maßstäben
(vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 13. November 2008 - IX ZB 141/07, ZInsO
2009, 55 Rn. 8 mwN) ist vorliegend nicht gegeben.
7. Die von der Rechtsbeschwerde in verschiedener Hinsicht gerügte Ver-
letzung des rechtlichen Gehörs hat der Senat jeweils geprüft, aber nicht für
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gegeben erachtet. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 577 Abs. 6
Satz 3 ZPO abgesehen.
Kayser
Gehrlein
Vill
Fischer
Grupp
Vorinstanzen:
AG Memmingen, Entscheidung vom 27.01.2011 - IN 89/00 -
LG Memmingen, Entscheidung vom 12.04.2011 - 43 T 482/11 -