Urteil des BGH vom 18.09.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V I I Z R 5 8 / 1 3
Verkündet am:
18. September 2014
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 326 Abs. 1 a.F. Dc; EuInsVO Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. k, Art. 28
a) Eine endgültige Erfüllungsverweigerung liegt vor, wenn der Unternehmer während
der vorprozessualen umfassenden Auseinandersetzung nachhaltig und beharrlich
das Vorliegen von Mängeln verneint und eine Pflicht zur Gewährleistung schlecht-
hin bestreitet (im Anschluss an BGH, Urteil vom 8. November 2001 - VII ZR
373/99, BauR 2002, 310 = NZBau 2002, 89).
b) Eine in einem englischen Hauptinsolvenzverfahren eingetretene Restschuldbefrei-
ung (discharge) hindert einen Gläubiger nicht, seine Forderung in einem vor Ein-
tritt der Restschuldbefreiung im Inland eröffneten und noch nicht abgeschlossenen
Sekundärinsolvenzverfahren anzumelden und in diesem Rahmen zu verfolgen.
BGH, Urteil vom 18. September 2014 - VII ZR 58/13 - OLG Naumburg
LG Magdeburg
- 2 -
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. September 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und
die Richter Dr. Eick, Halfmeier, Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Naumburg vom 8. September 2010 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens
VII ZR 2/09 und des Revisionsverfahrens VII ZR 58/13 (früher
VII ZR 171/10), an einen anderen Senat des Berufungsgerichts
zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger erwarb 1998 von dem ursprünglichen Beklagten und späteren
Insolvenzschuldner (im Folgenden: Insolvenzschuldner) sechs zu sanierende,
im Inland belegene Eigentumswohnungen. Wegen Mängeln lehnte der Kläger
die Abnahme der Wohnungen ab. In der Folge kam es zu einer Auseinander-
setzung über diese Mängel, die der Insolvenzschuldner nur teilweise beseitigte.
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Mit der gegen den Insolvenzschuldner gerichteten Klage hat der Kläger
im Hauptantrag Zahlung von 435.607,98
€ nebst Zinsen Zug um Zug gegen
Rückgabe der Wohnungen verlangt. Hilfsweise hat er Vorschuss auf die Män-
gelbeseitigungskosten geltend gemacht. Das Landgericht hat den Hauptantrag
abgewiesen und den Insolvenzschuldner auf den Hilfsantrag verurteilt, an den
Kläger 28.371,43 € nebst Zinsen zu zahlen. Das Berufungsgericht hat die Beru-
fung des Klägers im ersten Berufungsurteil mit der Maßgabe zurückgewiesen,
dass der Insolvenzschuldner auf den Hilfsantrag des Klägers weitere
10.373,86
€ nebst Zinsen an die Wohnungseigentümergemeinschaft zu zahlen
hat. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, mit der der Hauptantrag
und der Hilfsan
trag auf Zahlung weiterer 27.814,28 € (wegen Kellerfeuchtigkeit)
nebst Zinsen weiterverfolgt worden sind, hat der Senat das erste Berufungsur-
teil gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben, soweit die Klage im Hauptantrag
ganz und im Hilfsa
ntrag in Höhe von 27.814,28 € zuzüglich Zinsen abgewiesen
worden ist, und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht
zurückverwiesen (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2009 - VII ZR 2/09, BauR
2010, 246 = NZBau 2010, 251). Nach der Zurückverweisung hat das Beru-
fungsgericht die Berufung zurückgewiesen, soweit über sie nicht bereits mit
dem ersten Berufungsurteil rechtskräftig entschieden worden ist. Gegen die
Nichtzulassung der Revision in dem zweiten Berufungsurteil hat der Kläger Be-
schwerde eingelegt. Der Senat hat die Revision durch Beschluss vom
23. Februar 2012 - VII ZR 171/10 zugelassen.
Mit Entscheidung des Central London County Court vom 31. Mai 2012 ist
über das Vermögen des Insolvenzschuldners das bankruptcy-Verfahren eröff-
net worden.
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- 4 -
Das Amtsgericht E. hat am 29. Mai 2013 über das inländische Vermögen
des Insolvenzschuldners das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet und den Be-
klagten zum Verwalter dieses Verfahrens ernannt.
Der Central London County Court hat am 20. Juni 2013 bescheinigt,
dass der Insolvenzschuldner am 31. Mai 2013 von seiner Restschuld befreit
(discharged) worden ist.
Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2013 hat der Kläger das Revisionsver-
fahren gegen den Beklagten als Verwalter in dem Sekundärinsolvenzverfahren
über das inländische Vermögen des Insolvenzschuldners unter Umstellung der
Anträge aufgenommen. Der Kläger beantragt nunmehr,
1. unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klageforde-
rung in Höhe von 435.607,98 € nebst Zinsen
hilfsweise in Höhe von 27.8
14,28 € nebst Zinsen
zur Insolvenztabelle festzustellen,
2. weiter hilfsweise:
den Bestand der Klageforderung gemäß Haupt- und Hilfsan-
trag in Ziffer 1 festzustellen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und
zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsge-
richts.
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I.
1. Die Aufnahme des unterbrochenen Revisionsverfahrens gegen den
Beklagten ist hinsichtlich des Hauptantrags zulässig.
a) Die Voraussetzungen der Aufnahme des unterbrochenen Revisions-
verfahrens gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter in dem Sekundärinsol-
venzverfahren über das inländische Vermögen des Insolvenzschuldners richten
sich nach deutschem Recht, wobei hier dahinstehen kann, ob deutsches Recht
als Recht des Sekundärinsolvenzeröffnungsstaates oder als Recht des Staates,
in dem die verfahrensgegenständlichen Eigentumswohnungen belegen sind,
oder als Recht des Staates, in dem der aufzunehmende Rechtsstreit anhängig
ist, anwendbar ist (vgl. auch BGH, Zwischenurteil vom 23. April 2013
- X ZR 169/12, BGHZ 197, 177 Rn. 6 - Aufnahme des Patentnichtigkeitsverfah-
rens).
Die im Streitfall anwendbare Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates
vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160 vom 30. Juni 2000, S. 1;
fortan: Europäische Insolvenzverordnung [EuInsVO]), zuletzt geändert durch
die Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13. Mai 2013 (ABl. L 158
vom 10. Juni 2013, S. 1), sieht neben dem Hauptinsolvenzverfahren auch Se-
kundärinsolvenzverfahren vor. Wird in einem anderen Mitgliedstaat als demje-
nigen, in dem das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet worden ist, ein Sekundär-
insolvenzverfahren (vgl. Art. 27 Satz 2 EuInsVO) eröffnet, so beschränken sich
dessen Wirkungen auf das Vermögen des Schuldners, das im Gebiet dieses
anderen Mitgliedstaates belegen ist (vgl. Art. 27 Satz 3 EuInsVO; EuGH, NZI
2012, 147 Rn. 15 m.w.N.). Soweit die Wirkungen des Sekundärinsolvenzverfah-
rens reichen, werden die an sich unionsweit-universellen Wirkungen des
Hauptinsolvenzverfahrens suspendiert (vgl. Smid in Leonhardt/Smid/Zeuner,
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Internationales
Insolvenzrecht,
2. Aufl.,
Art. 17
EuInsVO
Rn. 12;
Duursma-Kepplinger/Chalupsky in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky,
Europäische Insolvenzverordnung, Art. 17 Rn. 16; Pannen/Riedemann in Pan-
nen, Europäische Insolvenzverordnung, Art. 17 Rn.15; Renger, Wege zur Rest-
schuldbefreiung nach dem Insolvency Act 1986, S. 209). Auf das Sekundärin-
solvenzverfahren finden, soweit die Europäische Insolvenzordnung nichts ande-
res bestimmt, die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats Anwendung, in dessen
Gebiet das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist (vgl. Art. 28
EuInsVO; EuGH, ZIP 2012, 1815 Rn. 38 ff.). Das sind hier die Vorschriften des
deutschen Rechts.
Deutsches Recht ist auch als Recht des Mitgliedstaates, in dem die ver-
fahrensgegenständlichen Eigentumswohnungen belegen sind (vgl. Art. 8
EuInsVO), sowie als Recht des Mitgliedstaats, in dem der aufzunehmende
Rechtsstreit anhängig ist (vgl. Art. 15 EuInsVO), anwendbar, weshalb eine nä-
here Abgrenzung der Reichweite der jeweiligen Rechtsanwendungsbefehle im
Streitfall unterbleiben kann.
b) Die etwaige zwischenzeitliche Beendigung des in England eröffneten
Hauptinsolvenzverfahrens (bankruptcy-Verfahren) infolge Restschuldbefreiung
(discharge; fortan: Restschuldbefreiung) steht im Hinblick auf den Suspensiv-
effekt, der mit der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens verbunden ist,
der Aufnahme des unterbrochenen Revisionsverfahrens gegen den Beklagten
nicht entgegen. Das Sekundärinsolvenzverfahren, das im Inland bereits am
29. Mai 2013 eröffnet worden ist, bevor in dem englischen Hauptinsolvenzver-
fahren am 31. Mai 2013 Restschuldbefreiung eingetreten ist, ist noch nicht ab-
geschlossen.
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c) Die Voraussetzungen für eine Aufnahme des Revisionsverfahrens lie-
gen hinsichtlich des Hauptantrags nach § 180 Abs. 2 InsO vor.
aa) Ist in einem Insolvenzverfahren eine Forderung vom Insolvenzver-
walter oder von einem Insolvenzgläubiger bestritten worden, so bleibt es gemäß
§ 179 Abs. 1 InsO dem Gläubiger überlassen, die Feststellung gegen den Be-
streitenden zu betreiben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, so ist die Feststellung gemäß
§ 180 Abs. 2 InsO durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben. Die Auf-
nahme des Rechtsstreits ist auch möglich, wenn dieser, wie im Streitfall, zur
Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in der Revisionsinstanz anhängig
war (BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2012 - III ZR 204/12, BGHZ 195, 233
Rn. 8 m.w.N.; Beschluss vom 29. April 2004 - IX ZR 265/03, ZVI 2004, 530).
Wie der Kläger mit den Anlagen 1 und 2 zum Schriftsatz vom 13. Dezember
2013 belegt hat, ist die mit dem Hauptantrag verfolgte Klageforderung, gerichtet
auf Zahlung (Schadensersatz) in Höhe von 435.60
7,98 € nebst Zinsen, im Se-
kundärinsolvenzverfahren angemeldet und vom Beklagten bestritten worden.
bb) Die in der Revisionsinstanz hinsichtlich des Hauptantrags vorge-
nommene Antragsumstellung ist zulässig. Nach der Aufnahme des Rechtstreits
gemäß § 180 Abs. 2 InsO sind die Anträge der veränderten Verfahrenslage an-
zupassen. Der Antrag ist auf Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle
umzustellen, wobei die durch die §§ 45, 46 InsO gebotenen Änderungen zu
berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 23. Dezember 1953 - VI ZR 1/52, LM
Nr. 5 zu § 146 KO; Gerhardt in Jaeger, Insolvenzordnung, § 180 Rn. 72). Des-
halb ist es zulässig, dass der Kläger beim Hauptantrag die bisher enthaltene
Zug-um-Zug-Einschränkung fallengelassen hat. Damit wird dem Umstand
Rechnung getragen, dass die Anmeldung einer Geldforderung mit einer derarti-
gen Zug-um-Zug-Einschränkung im Insolvenzverfahren aus insolvenzrechtli-
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chen Gründen im Hinblick auf die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger aus
der Masse nicht möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2011 - II ZR
263/10, NZG 2011, 750 Rn. 7; Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12, NJW-RR
2013, 1255 Rn. 14; Urteil vom 17. Juli 2014 - III ZR 226/13, juris Rn. 18).
II.
Auf das Schuldverhältnis ist mit Ausnahme der für die Verjährung gelten-
den Überleitungsvorschriften in Art. 229 § 6 EGBGB das Bürgerliche Gesetz-
buch in der Fassung anzuwenden, die für bis zum 31. Dezember 2001 ge-
schlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB.
III.
Das Berufungsgericht führt aus, der Kläger sei berechtigt gewesen, nach
§ 326 Abs. 1 BGB a.F. vorzugehen. Er habe die nach Werkvertragsrecht zu
beurteilende Leistung des Insolvenzschuldners nicht abgenommen und dieser
habe sich mit von ihm zu erbringenden Leistungen, so z.B. mit der Auswechs-
lung der Innentüren, der Beseitigung der Höhenunterschiede der Fußböden und
der Unebenheiten an Wänden und Decken in Verzug befunden. Dem Hauptan-
trag sei jedoch deshalb nicht stattzugeben, weil der Kläger nicht in der notwen-
digen eindeutigen und unmissverständlichen Weise eine Frist zur Bewirkung
der Leistung mit der Erklärung bestimmt habe, dass er die Annahme der Leis-
tung nach Ablauf der Frist ablehne. Mit seinem Schreiben vom 17. Juni 2000
habe er angekündigt, im Falle des erfolglosen Fristablaufs die Mängelbeseiti-
gung durch den Insolvenzschuldner abzulehnen. Er habe die Ersatzvornahme
sowie die Kündigung "des in dem Kaufvertrag erteilten Bauvertrages" ange-
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droht. Diese Erklärung habe der Insolvenzschuldner nicht dahin verstehen
müssen, dass der gesamte Bauträgervertrag rückabgewickelt werden solle. Der
Kläger habe die behaupteten Umstände für dieses Verständnis der Erklärung
nicht bewiesen.
Die Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung sei nicht entbehrlich gewe-
sen. Nicht ausreichend seien Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt des
Vertrags und die Weigerung mit der Begründung, die erbrachte Leistung sei
ordnungsgemäß. So liege es hier. Der Insolvenzschuldner habe einzelne Arbei-
ten vorgenommen und auch Muster für den Bodenbelag zur Auswahl übersandt
und hiermit deutlich gemacht, dass er die insoweit noch ausstehenden Leistun-
gen nachholen wolle. Im Übrigen habe er sich auf den Standpunkt gestellt, die
von ihm nach dem Vertrag geschuldeten Bauleistungen erbracht zu haben. Bis
zur Entscheidung des Landgerichts sei streitig gewesen, ob der Beklagte die
vom Kläger geforderte Sanierung schulde.
Der Kläger sei auf den Vorschussanspruch beschränkt. Weiteren Vor-
schuss für die Sanierung des feuchten Kellers könne er jedoch nicht verlangen,
weil der Insolvenzschuldner nicht verpflichtet sei, die Feuchtigkeit zu beseitigen.
IV.
Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit der
Hauptantrag abgewiesen worden ist. Zu Unrecht vertritt das Berufungsgericht
die Auffassung, das Verlangen nach großem Schadensersatz scheitere daran,
dass der Kläger dem Insolvenzschuldner keine Frist mit Ablehnungsandrohung
gesetzt habe und dass diese auch nicht entbehrlich sei.
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1. Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Klä-
ger unter der Voraussetzung des § 326 Abs. 1 BGB a.F. einen Anspruch auf
Schadensersatz wegen Nichterfüllung des mit dem Insolvenzschuldner ge-
schlossenen Vertrags hat, weil dieser die geschuldeten Leistungen nicht voll-
ständig erbracht hat. Es sieht auch, dass eine Fristsetzung mit Ablehnungsan-
drohung entbehrlich ist, wenn der Schuldner die Erfüllung des Vertrags endgül-
tig verweigert hat. Ferner geht es zutreffend davon aus, dass an die Annahme
einer Erfüllungsverweigerung strenge Anforderungen zu stellen sind. Der
Schuldner muss eindeutig zum Ausdruck bringen, er werde seinen Vertrags-
pflichten nicht nachkommen und es damit ausgeschlossen erscheinen lassen,
dass er sich von einer Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung umstimmen
ließe (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 1988 - VIII ZR 184/87, BGHZ 104, 6, 13;
Urteil vom 29. Juni 2011 - VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 14).
2. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht jedoch der Auffassung, der Insol-
venzschuldner habe die Erfüllung des Vertrags nicht endgültig verweigert. Das
Gegenteil ist der Fall.
a) Ob ein Unternehmer nach Mängelrügen des Bestellers deren Beseiti-
gung und damit die Erfüllung des Vertrags ernsthaft und endgültig verweigert
hat, unterliegt der tatrichterlichen Würdigung (vgl. BGH, Urteil vom
16. März 1988 - VIII ZR 184/87, BGHZ 104, 6, 14). Diese ist jedoch revisions-
rechtlich dahin überprüfbar, ob der Tatrichter von den zutreffenden rechtlichen
Maßstäben ausgegangen ist und alle Umstände, insbesondere das gesamte
Verhalten des Unternehmers bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung
ausreichend berücksichtigt hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 1998
- X ZR 90/96, NJW-RR 1999, 560).
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b) Das ist hier nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat eine punktuelle
Betrachtung vorgenommen und auf einzelne Umstände abgestellt, die lediglich
für sich genommen Indizien dafür sein könnten, dass der Insolvenzschuldner
die Erfüllung des Vertrags nicht endgültig verweigert hat. Es hat die gebotene
Würdigung des gesamten Verhaltens des Insolvenzschuldners von der ersten
Mängelrüge bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vermissen lassen.
Diese Gesamtwürdigung ergibt, dass der Insolvenzschuldner die vom Kläger
geforderte Mängelbeseitigung vor dem Verlangen nach Schadensersatz end-
gültig verweigert hat, so dass eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung reine
Förmelei wäre. Der Insolvenzschuldner hätte sich auch durch eine solche, im
Prozess grundsätzlich nachholbare Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung (vgl.
BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - VII ZR 360/01, BauR 2003, 386, 387 =
NZBau 2003, 149) nicht von seiner vor und im Prozess zum Ausdruck gebrach-
ten Haltung abbringen lassen, keine (weitere) Mängelbeseitigung mehr vor-
nehmen zu wollen.
aa) Bei der Gesamtwürdigung ist zu berücksichtigen, dass der Kläger be-
reits im September 1999 die Abnahme wegen der Mängel verweigert und eine
Mängelbeseitigung gefordert hat. Dabei hat er bereits frühzeitig auch die Rück-
gabe der Wohnungen angedroht. Mit Schreiben vom 13. Dezember 1999 hat
der Kläger erneut schriftlich zur Beseitigung der Mängel aufgefordert, die er in
einem Schreiben vom 28. Juli 1999 bezeichnet hatte. Auf dieses Schreiben hat
der Anwalt des Insolvenzschuldners, obwohl die Mängelrügen lange bekannt
waren, lediglich hinhaltend mit Schreiben vom 29. Januar 2000 reagiert. Im
Schreiben vom 18. April 2000 ist mitgeteilt worden, dass die Kanalisationsarbei-
ten ausgeführt worden seien, die Beseitigung anderer Mängel hat der Insol-
venzschuldner mit dem Hinweis abgelehnt, er fühle sich "100%ig im Recht",
werde dem Wunsch des Klägers, "zusätzliche Einnahmen zu meinen Lasten zu
akquirieren", nicht nachkommen und wünsche ihm "bei der nun wohl anstehen-
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den juristischen Auseinandersetzung" "viel Erfolg". Daraufhin hat der Kläger mit
Schreiben vom 17. Juni 2000 eine Frist zur Beseitigung der Mängel bis zum
25. Juni 2000 gesetzt und erklärt, eine Mängelbeseitigung durch den Insolvenz-
schuldner danach abzulehnen.
Es kann dahinstehen, ob dieses Schreiben - wie das Berufungsgericht
meint - deshalb keine ausreichende Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung im
Sinne des § 326 Abs. 1 BGB a.F. ist, weil der Kläger angedroht hat, er werde
(lediglich) den Bauvertrag kündigen. Darauf kommt es nicht an. Der Insolvenz-
schuldner hat sich durch dieses Schreiben nicht bewegen lassen, die jetzt noch
bestehenden Mängel zu beseitigen. Der Kläger stellte im September 2000 ei-
nen Antrag auf Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens, in dem er
nochmals auf die bereits erfolgte Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung hin-
wies, jedoch seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, der Insolvenzschuldner werde
die Gespräche wieder aufnehmen. Das gab dem Insolvenzschuldner ebenfalls
keine Veranlassung, die Mängel zu beseitigen oder jedenfalls eine Bereitschaft
zu zeigen, dies nach Vorlage eines für ihn negativen Gutachtens zu tun. Auch
nach der Vorlage des im selbständigen Beweisverfahren erstatteten Gutachtens
vom 8. Juni 2001, in dem die im Revisionsverfahren geltend gemachten Mängel
im Wesentlichen bestätigt worden waren, erfolgte keine Mängelbeseitigung.
In einem Gespräch am 5. November 2001 kündigte der Kläger an, er
werde nun Schadensersatz geltend machen, und er forderte den Insolvenz-
schuldner mit Schreiben vom 16. November 2001 auf, sich zu erklären. Der In-
solvenzschuldner antwortete am 20. Februar 2002 mit einem Vergleichsvor-
schlag, ohne eine Mängelbeseitigung anzubieten. In dem im Jahr 2003 eingelei-
teten Prozess, in dem der Kläger später hilfsweise Vorschuss auf die voraus-
sichtlichen Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht hat, wurde die Mängel-
beseitigungspflicht ganz überwiegend weiter bestritten. Der Insolvenzschuldner
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vertrat die Auffassung, der große Schadensersatz, den der Kläger begehre, sei
durch die Vertragsbestimmungen ausgeschlossen, ein Verschulden falle ihm
überwiegend nicht zur Last.
bb) Bei dieser Sachlage war es ausgeschlossen, dass der Insolvenz-
schuldner noch bereit ist, die Mängel zu beseitigen, so dass eine Fristsetzung
mit Ablehnungsandrohung nicht mehr Voraussetzung für den Schadensersatz-
anspruch wegen Nichterfüllung ist. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht darauf
abgestellt, dass der Insolvenzschuldner einzelne Mängel zwischendurch besei-
tigt hat. Darauf kommt es, worauf der Senat schon in dem Beschluss hingewie-
sen hat, der zur Aufhebung des ersten Berufungsurteils geführt hat (BGH, Be-
schluss vom 15. Oktober 2009 - VII ZR 2/09, BauR 2010, 246 Rn. 8 = NZBau
2010, 251), nicht an. Der Insolvenzschuldner war ersichtlich nicht bereit, die
noch vorliegenden Mängel zu beseitigen.
Der Senat hat bereits in einem ähnlich gelagerten Fall eine Fristsetzung
mit Ablehnungsandrohung für entbehrlich gehalten, weil sie reine Förmelei wäre
(BGH, Urteil vom 8. November 2001 - VII ZR 373/99, BauR 2002, 310, 311 =
NZBau 2002, 89). Auch in anderen Fällen hat er die kategorische, teilweise mit
rechtlichen Argumenten wie der Einrede der Verjährung untermauerte Weige-
rung, vorliegende Mängel zu beseitigen, als endgültige Erfüllungsverweigerung
beurteilt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2002 - VII ZR 360/01, BauR 2003,
386, 387 = NZBau 2003, 149) und auch auf den langen Zeitablauf abgestellt, in
dem eine Mängelbeseitigung nicht vorgenommen wurde (BGH, Beschluss vom
28. Oktober 2010 - VII ZR 82/09, BauR 2011, 263 Rn. 13). Selbst in einem Kla-
geabweisungsantrag des auf Erfüllung in Anspruch genommenen Schuldners
kann eine ernsthafte Erfüllungsverweigerung gesehen werden, wenn alle Streit-
punkte in einer vorherigen längeren Auseinandersetzung bereits ausgetragen
waren und mit dem Antrag zum Ausdruck gebracht wird, dass auch eine Frist-
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setzung mit Ablehnungsandrohung ihn nicht mehr umstimmen könnte (BGH,
Urteil vom 8. Dezember 1983 - VII ZR 139/82, BauR 1984, 181, 182).
V.
Das Berufungsurteil stellt sich hinsichtlich des Hauptantrags auch nicht
aus anderen Gründen im Hinblick auf die am 31. Mai 2013 im englischen
Hauptinsolvenzverfahren eingetretene Restschuldbefreiung als richtig dar.
Die Frage, ob eine Klageforderung von einer in England eingetretenen
Restschuldbefreiung erfasst wird, ist von den deutschen Gerichten grundsätz-
lich nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. k EuInsVO unter Anwendung des
englischen Rechts zu beantworten (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2014
- II ZR 192/13, NJW 2014, 1244 Rn. 12; Dornblüth, ZIP 2014, 712 f. m.w.N.; zu
den Rechtsfolgen der Restschuldbefreiung nach dem englischen Insolvency Act
1986 vgl. Renger, aaO, S. 111 ff.). Im Streitfall kann indes dahinstehen, ob sich
die am 31. Mai 2013 im englischen Hauptinsolvenzverfahren eingetretene
Restschuldbefreiung nach englischem Recht auf die mit dem Hauptantrag gel-
tend gemachte Klageforderung erstreckt. Wäre die Restschuldbefreiung in
einem inländischen Insolvenzverfahren vor dessen Aufhebung erteilt worden,
müssten angemeldete und festgestellte Insolvenzforderungen im Verfahren wei-
terhin berücksichtigt werden und an einer Verteilung des bis zum Ablauf der
Abtretungsfrist in die Masse gefallenen Vermögens und Neuerwerbs teilnehmen
(BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2009 - IX ZB 247/08, BGHZ 183, 258
Rn. 22; Beschluss vom 23. Januar 2014 - IX ZB 33/13, WM 2014, 359 Rn. 9,
Rn. 13 ff.). Wird die Restschuldbefreiung im Rahmen eines ausländischen
Hauptinsolvenzverfahrens erreicht, kann sich an dieser Bewertung nichts än-
dern, wenn ein im Inland eröffnetes, aber noch nicht abgeschlossenes Sekun-
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därinsolvenzverfahren läuft. Auch ein inländisches Territorialverfahren, auf wel-
ches gemäß Art. 4, Art. 28 EuInsVO das deutsche Insolvenzrecht Anwendung
findet, dient nach § 1 Abs. 1 Satz 1 InsO dem Zweck, die Gläubiger durch eine
gemeinsame Verteilung des Verwertungserlöses zu befriedigen. Diesem Zweck
liefe es zuwider, wenn ein Gläubiger wegen einer bereits erlangten Restschuld-
befreiung an einer Durchsetzung seiner Forderung im Rahmen des Insolvenz-
verfahrens gehindert wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2014, aaO,
Rn. 14).
Bezüglich dieser im Einklang mit den Regeln der Europäischen Insol-
venzverordnung folgenden Begrenzung der Wirkungen einer in einem Hauptin-
solvenzverfahren eingetretenen Restschuldbefreiung besteht keinerlei Raum für
einen vernünftigen Zweifel (vgl. EuGH, Slg. 1982, 3415 Rn. 16 - C.I.L.F.I.T.),
weshalb der Senat ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV an
den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der Europäischen In-
solvenzverordnung im Streitfall nicht für erforderlich erachtet.
VI.
1. Der Senat kann bezüglich des Hauptantrags in der Sache nicht selbst
entscheiden, weil die erforderlichen Feststellungen zu dem Schadensersatzan-
spruch fehlen. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache
an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zur neuen Verhandlung und
Entscheidung zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
2. Der Senat weist vorsorglich auf Folgendes hin:
a) Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben sich keine
Anhaltspunkte dafür, dass das Verlangen nach großem Schadensersatz treu-
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- 16 -
widrig ist. Schon die festgestellten Mängel im Sondereigentum, deren Beseiti-
gung voraussichtlich 28.371
,43 € kostet, sind nicht so geringfügig, dass die Ab-
lehnung der Übernahme des Werks gegen Treu und Glauben verstoßen würde
(vgl. BGH, Urteil vom 5. Mai 1958 - VII ZR 139/57, BGHZ 27, 215, 220). Die
Mängel wirken sich erheblich auf die Vermietbarkeit aus, weil sie den qualitati-
ven Eindruck der Wohnungen nachhaltig beeinträchtigen. Auf die Frage, ob
auch die Feuchtigkeit des Kellers eine Schlechterfüllung darstellt, kommt es
insoweit nicht an.
b) Soweit der Kläger die Feststellung der
mit 435.607,98 € bezifferten
Schadensersatzforderung zur Insolvenztabelle begehrt, hängt die Entscheidung
gegebenenfalls von dem Wert der in den Vorinstanzen in den Antrag des Klä-
gers
aufgenommenen,
nunmehr
aber
fallengelassenen
Zug-um-Zug-
Einschränkung ab, bei der es sich nach den Ausführungen in der Klageschrift
vom 1. Juli 2003, Seite 23 um einen Anwendungsfall der Vorteilsausgleichung
handelt (vgl. auch BGH, Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12, NJW-RR 2013,
1255 Rn. 16). Insoweit kommt in Betracht, den Wert der Zug-um-Zug-
Einschränkung in entsprechender Anwendung des § 45 Satz 1 InsO gegebe-
nenfalls auf einen Geldbetrag zu schätzen und, falls die Zug-um-Zug-
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Einschränkung nicht wertlos ist, von dem Schadensersatzbetrag abzuziehen
(vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2013 - II ZR 9/12, NJW-RR 2013, 1255 Rn. 17; Ur-
teil vom 17. Juli 2014 - III ZR 226/13, juris Rn. 18).
Kniffka
Eick
Halfmeier
Kartzke
Jurgeleit
Vorinstanzen:
LG Magdeburg, Entscheidung vom 14.05.2008 - 10 O 19/08 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 08.09.2010 - 5 U 89/08 -